Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 15.04.2005 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander auch im Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beklagte gewährte dem Kläger wegen am 05.12.2002 eingetretener Arbeitsunfähigkeit Krankengeld. Mit Bescheid vom 26.11.2003 stellte sie die Zahlung von Krankengeld ein. Dagegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 27.11.2003 Widerspruch. Mit Schreiben vom 17.12.2003 meldeten sich für den Kläger dessen Bevollmächtigte und begründeten den Widerspruch. Mit weiteren Schreiben vom 09.01.2004, 16.01.2004, 04.03.2004, 23.04.2004, 01.09.2004 und 07.10.2004 ergänzten sie die Begründung des Widerspruchs und legten jeweils ärztliche Unterlagen vor. Mit Schreiben vom 27.10.2004 setzten sie Frist zur Widerspruchsentscheidung bis 03.11.2004 und drohten die Erhebung einer Untätigkeitsklage an. Am 16.11.2004 wurde Untätigkeitsklage zum Sozialgericht Dortmund erhoben.
Nach Eingang des Widerspruchs teilte die Beklagte am 18.12.2003 schriftlich den weiteren Gang des Verfahrens mit. Sie wiederholte diese Mitteilung am 12.01.2004 und gab am 02.06.2004 bekannt, den Sozialmedizinischen Dienst (SMD) mit einer Begutachtung beauftragt zu haben. Am 20.07.2004 übersandte sie den Bevollmächtigten des Klägers internistisch-sozialmedizinisches Gutachten vom 16.06.2004 sowie neurologisch-psychiatrisches Gutachten vom 17.06.2004 mit der Bitte um Mitteilung, ob der Widerspruch aufrecht erhalten werde. Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 01.09.2004 unter Vorlage weiterer ärztlicher Unterlagen Stellung genommen hatte, legte die Beklagte am 27.09.2004 die Sache dem Widerspruchsausschuss zur Entscheidung vor. Das Schreiben der Bevollmächtigten des Klägers vom 07.10.2004 nebst ärztlichen Unterlagen machte eine ergänzende Stellungnahme des SMD erforderlich. Darüber benachrichtigte die Beklagte die Bevollmächtigten des Klägers am 12.10.2004 ebenso wie über das Ergebnis am 28.10.2004 telefonisch. Am 04.11.2004 benachrichtigte die Beklagte die Bevollmächtigten über den Stand des Verfahrens schriftlich und teilte mit, die Sache ihrem Grundsatzdezernat zur Stellungnahme vorgelegt zu haben. Am 18.11.2004 erfolgte durch die Beklagte gegenüber den damaligen Bevollmächtigten eine umfangreiche schriftliche Stellungnahme zur Sach- und Rechtslage, verbunden mit der Anfrage, ob der Widerspruch eingeschränkt werde. Darauf teilten die früheren Bevollmächtigen Ende November 2004 mit, sie legen das Mandat nieder. Mit Schreiben vom 20.12.2004 informierte die Beklagte die jetzigen Bevollmächtigten entsprechend dem Schreiben vom 18.11.2004 über den Sachstand, die darauf jedoch wegen der bereits erhobenen Untätigkeitsklage nur im laufenden Verfahren antworteten (Schreiben vom 06.01.2005). Am 18.01.2005 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Danach erklärten die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 08.02.2005 den Rechtsstreit für erledigt.
Das SG hat entschieden, außergerichtliche Kosten seien nicht zu erstatten. Die zulässige Untätigkeitsklage sei nicht begründet gewesen, da die Beklagte über den Widerspruch des Klägers mit zureichendem Grund noch nicht entschieden hatte. Darüber sei der Kläger auch durch die Beklagte fortlaufend unterrichtet worden (Beschluss vom 15.04.2005; zugestellt am 09.05.2005). Der dagegen am 09.06.2005 erhobenen Beschwerde hat das SG nicht abgeholfen (Beschluss vom 14.06.2005).
II.
Die Beschwerde ist unbegründet, da das SG zu Recht entschieden hat, dass Kosten nicht zu erstatten sind. Es kann unentschieden bleiben, ob die Kostenentscheidung hier auf § 102 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) oder auf § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG beruht, da nach beiden Vorschriften gerichtlich nach billigem Ermessen zu beurteilen ist, inwieweit die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben (Leitherer in Meyer-Ladewig, SGG Kommentar, 8. Auflage, 2005, § 193 Rdnr 12 ff.), wobei der Sach- und Streitstand zur Zeit der Erledigung zu berücksichtigen ist. Maßgebliche Anknüpfungspunkt für die Frage der Kostenerstattung ist damit das Veranlassungsprinzip, d.h. es ist darauf abzustellen, welchen Beteiligten die Durch- bzw. Fortführung des Klageverfahrens zuzurechnen ist.
Hiernach wird es in der Regel der Billigkeit entsprechen, wenn derjenige Kosten zu erstatten hat, der im Prozess voraussichtlich unterlegen wäre. Die allein am mutmaßlichen Prozessausgang orientierte Betrachtungsweise ist jedoch nicht in allen Fällen angemessen, da nach dem Veranlassungsprinzip auch immer mitzuberücksichtigen ist, ob und gegebenenfalls inwieweit der beklagte Sozialleistungsträger Veranlassung zur Klageerhebung geboten hat. Die zulässige Untätigkeitsklage war bis zuletzt unbegründet. Die Beklagte hätte vor Eintritt des erledigenden Ereignisses, der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides vom 18.01.2005 an die Bevollmächtigten am 20.01.2005, zu keiner Zeit zur Erteilung des Widerspruchsbescheides verurteilt werden dürfen. Sie hatte mit zureichendem Grund nicht früher entschieden. Es ist davon auszugehen, dass die Wartefristen des § 88 SGG zugleich angemessene Fristen für eine Sachentscheidung darstellen. Daher ist es sachgerecht, diese jeweils um diejenigen Zeiträume zu verlängern, die im konkreten Fall eine vom Normalfall abweichende Sachbehandlung erforderlich machten. Dies bedeutet, dass für die Abhilfeprüfung der Ausgangsbehörde und die erneute volle Sachprüfung des Widerspruchsausschusses grundsätzlich eine Überlegungs- und Entscheidungsfrist von insgesamt 3 Monaten zur Verfügung steht, die sich bei der Erforderlichkeit weiterer Ermittlungen im Widerspruchsverfahren entsprechend verlängern kann. Aufgrund der wiederholten Ergänzungen der Widerspruchsbegründung und Vorlage neuer ärztlicher Unterlagen war die Beklagte gehalten, den Sachverhalt durch die Einholung entsprechender Gutachten und Stellungnahmen des SMD weiter aufzuklären. Bis zum Abschluss dieser Ermittlungen durfte der Kläger nicht mit einer Entscheidung rechnen. Darüber hat die Beklagte dem Kläger entsprechende Zwischenmitteilungen erteilt. Insbesondere hat sie die Bevollmächtigten am 28.10.2004 telefonisch über das Ergebnis der weiteren Stellungnahme des SMD und am 04.11.2004 noch schriftlich darüber unterrichtet, die Sache ihrer Grundsatzabteilung vorzulegen. Danach steht fest, dass die Beklagte die Klageerhebung am 16.11.2004 nicht veranlasst hat, da der Kläger aufgrund der ihm letztmals am 04.11.2004 erteilten Zwischennachricht bis zum 16.11.2004 nicht mit einer Entscheidung über seinen Widerspruch rechnen durfte, sondern zunächst der Beklagten Gelegenheit zu geben hatte, die Stellungnahme ihrer Grundsatzabteilung abzuwarten, die ihm sodann am 18.11.2004 in einem umfangreichen Schreiben der Beklagten zur Sach- und Rechtslage bekannt gegeben worden ist. Wegen des Wechsels der Bevollmächtigen und der darauf basierenden weiteren Vorgehensweise der Beklagten durfte der Kläger auch vor dem 18.01.2005 nicht mit einer Entscheidung der Beklagten über den Widerspruch rechnen.
Über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ist in der das Verfahren abschließenden Entscheidung gesondert zu befinden (LSG NRW, Beschluss vom 08.02.2006, L 2 B 19/05 KN KR).
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Erstellt am: 12.01.2007
Zuletzt verändert am: 12.01.2007