Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 16.11.2006 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Regelaltersrente.
Der 1929 geborene Kläger ist marokkanischer Staatsangehöriger und lebt in Marokko. In der Zeit vom 26.2.1964 bis 31.12.1971 war er in Deutschland beschäftigt, zunächst im Steinkohlenbergbau, später u.a. als Montageschlosser außerhalb des Bergbaus. Während dieser Zeit entrichtete er (Pflicht-)Beiträge zur gesetzlichen (knappschaftlichen und allgemeinen) Rentenversicherung.
Im November 1995 beantragte er (erstmals) die Gewährung "seiner" Altersrente. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil auf die Wartezeit anrechenbare Versicherungszeiten nicht (mehr) vorhanden seien. Die in der Zeit vom 26.2.1964 bis 31.12.1971 entrichteten Beiträge seien mit Bescheid vom 14.12.1977 erstattet worden. Weitere Versicherungszeiten seien weder behauptet noch sonst ersichtlich (Bescheid vom 7.12.1995). Mit seinem Widerspruch wies der Kläger darauf hin, er habe 1976 von einem Beamten der Beklagten die Mitteilung erhalten, die Rente würde nur an Ausländer gewährt, die in Deutschland wohnten. Deshalb sei er gezwungen gewesen, die Beitragserstattung zu beantragen. Weil sie ihn nicht auf ein damals beim Bundesverfassungsgericht anhängiges Verfahren hingewiesen habe, sei die Beklagte im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs verpflichtet, die Beiträge zurückzunehmen, damit das alte Versicherungsverhältnis wieder auflebe (Widerspruchsschreiben vom 23.12.1995). Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 6.2.1997). Ein weiterer Rentenantrag vom April 2002 blieb ebenfalls erfolglos (Bescheid vom 26.4.2002; Widerspruchsbescheid vom 27.6.2002).
Im April 2005 wandte sich der Kläger erneut an die Beklagte und wies darauf hin, dass er bisher weder eine Einmalzahlung noch seine Altersrente erhalten habe. Die Beklagte lehnte erneut ab, eine Rentenleistung aus der deutschen Rentenversicherung zu gewähren (Bescheid vom 30.5.2005; Widerspruchsbescheid vom 1.8.2005).
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Dortmund erhoben: Seit 1971 sei er nie wieder in Deutschland gemeldet gewesen. 1977 habe er in Frankreich gearbeitet und einen Antrag gestellt betreffend seine Rente. Dieser Antrag sei ohne weiteren Grund abgelehnt worden. Die Beklagte habe aber auf sein Konto DM 700 überwiesen, obwohl er einen entsprechenden Antrag nicht gestellt habe. Er habe seine Rente nicht verkauft.
Die Beklagte hat ihre Entscheidung weiter für zutreffend gehalten.
Nach Hinweis, dass eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid beabsichtigt sei, hat das SG die Klage abgewiesen: Durch die Beitragserstattung, an der keine durchgreifenden Bedenken bestünden, sei das Versicherungsverhältnis rückwirkend aufgelöst worden (Gerichtsbescheid vom 16.11.2006).
Mit seiner Berufung hat der Kläger geltend gemacht, er habe wegen seiner Tätigkeit in einem Untertagebetrieb in Deutschland einen Anspruch auf Rente. Einen Antrag auf Beitragserstattung habe er nicht gestellt. Nach der Ladung zum Termin hat er mitgeteilt, er könne nicht zur mündlichen Verhandlung erscheinen, weil er krank sei und wegen seines Gesundheitszustandes nicht reisen könne. Er bitte um Verständnis und bedanke sich sehr.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Die Beitragserstattung sei damals von der Deutschen Rentenversicherung (vormals: LVA) Rheinland-Pfalz vorgenommen worden. Aus dem vorliegenden elektronischen Versicherungskonto, welches als Beweismittel ausreiche, sei zu ersehen, dass auf Antrag vom 05.01.1977 mit Bescheid vom 14.12.1977 sämtliche Beiträge bis zum 31.12.1971 erstattet worden seien.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug; diese Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann entscheiden, obwohl für den Kläger zum Termin niemand erschienen ist. Denn der Kläger ist in der ordnungsgemäß erfolgten Ladung (§§ 63 Abs 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), 175 Zivilprozessordnung iVm Art 31 Abs 1 Satz 3 des Deutsch-Marokkanischen Sozialversicherungsabkommens (DMSVA) vom 25.3.1981, in Kraft seit dem 1.8.1986, BGBl II 1986; 550ff, 562, 772) auf diese Möglichkeit hingewiesen worden. Das Schreiben des Klägers vom 24.7.2007 bietet keine Veranlassung, von einer Entscheidung abzusehen und den Termin aufzuheben oder zu verlegen. Einen solchen Antrag hat der Kläger ersichtlich weder ausdrücklich noch konkludent gestellt, sondern ausschließlich sein Nichterscheinen zum Termin entschuldigt.
Die Berufung ist unbegründet.
Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger ist durch den Bescheid vom 30.5.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom vom 1.8.2005 (§ 95 SGG) nicht beschwert, weil dieser Bescheid nicht rechtswidrig ist, § 54 Abs 2 Satz 1 SGG. Die Entscheidung der Beklagten ist im Ergebnis zutreffend, weil ein Anspruch des Klägers auf Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung nicht besteht. Mit seiner Klage macht der Kläger (nur) einen Anspruch auf Rente geltend. Zwar hatte er im Verwaltungsverfahren zunächst auch gebeten, ihn über eine "pauschalierte Einmalzahlung" zu informieren, dies aber im Klageverfahren nicht mehr aufgegriffen, sondern in der Klageschrift nur noch von seinem "Antrag auf Rente" gesprochen (und später, vgl Schreiben vom 26.12.2006, vom "Anspruch auf Rente").
Ein solcher Rentenanspruch besteht nicht. Ansprüche auf Altersrente für Versicherte setzen u.a. die Erfüllung einer Wartezeit voraus, vgl §§ 35ff Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Nach der hier einzig als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden Vorschrift des § 35 SGB VI erhält Regelaltersrente, wer das 65. Lebensjahr vollendet hat und die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Zwar hat der Kläger längst das 65. Lebensjahr vollendet, er hat indes nicht die allgemeine Wartezeit erfüllt. Die allgemeine Wartezeit beträgt für die Regelaltersrente fünf Jahre, § 50 Abs 1 SGB VII. Für die Erfüllung der Wartezeit erforderliche Kalendermonate mit Beitragszeiten (§§ 51 Abs 1 und 4, 54f SGB VI) liegen beim Kläger nicht (mehr) vor. Es trifft zu, dass der Kläger von 1964 bis 1971 in Deutschland gearbeitet hat und dabei auch Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet hat. Dadurch sind zunächst – eine Rentenanwartschaft begründende – Beitragszeiten vorhanden gewesen. Daraus kann der Kläger jedoch heute keine Rechte mehr herleiten, weil ihm diese Beiträge 1977 nach der damals maßgeblichen Vorschrift des § 95 Abs 7 Reichsknappschaftsgesetz (RKG) erstattet worden sind. Durch die Beitragserstattung ist das bisherige Versicherungsverhältnis aufgelöst worden. Ansprüche aus den bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten bestehen nicht mehr (§ 210 Abs 6 S 2 und 3 SGB VI; entsprechend auch nach dem bis 1991 geltenden § 95 Abs 7 RKG, gleichlautend § 1303 Abs 7 Reichsversicherungsordnung (RVO), vgl dazu BSG SozR 3 – 2200 § 1303 Nr 5). Nach dem Gesamtinhalt der Akten steht zur Überzeugung des Senats fest, dass dem Kläger 1977 sämtliche Beiträge rechtswirksam erstattet worden sind.
Dabei kann dahin stehen, ob der von der Beklagten zum Nachweis vorgelegte Auszug aus einem elektronischen Versicherungskonto ausreicht nachzuweisen, dass (1) ein Erstattungsantrag, (2) ein Erstattungsbescheid und (3) außerdem eine rechtswirksame, befreiende Bewirkung der Leistung (= Erfüllung des Erstattungsanspruchs entsprechend § 362 des Bürgerlichen Gesetzbuches) vorliegen (vgl dazu und besonders zur Beweislast: BSGE 80, 41 ff = SozR 3 – 2200 § 1303 Nr. 6; vgl auch Beschluss des Senats vom 21.9.2003, Az L 2 KN 19/03). Denn für den Senat steht aufgrund der Angaben im Versicherungskonto und der eigenen Angaben des Klägers aus dem Jahre 1995 fest, dass alle drei Voraussetzungen erfüllt sind.
Es kann offen bleiben, ob die rechtsgestaltende Wirkung der Beitragserstattung aus dem Erstattungsantrag oder aus dem Erstattungsbescheid folgt (s dazu Urteil des erkennenden Senats vom 18.10.2001, Az L 2 KN 64/01 mwN). Denn hier liegen sowohl ein wirksamer Antrag als auch ein bestandskräftiger Erstattungsbescheid vor. In seinem Widerspruchsschreiben vom 23.12.1995 räumt der Kläger zeitnah ausdrücklich ein, dass er die Beitragserstattung beantragt habe, weil zum damaligen Zeitpunkt eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung an im Ausland lebende Ausländer nicht geleistet worden sei. Dafür, dass der Kläger damals die Beitragserstattung gewählt hat, spricht außerdem, dass es im Zeitpunkt der Beitragserstattung keine Möglichkeit gab, Renten aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung an in ihrem Heimatland lebende Marokkaner zu zahlen; damit war es für einen in sein Heimatland zurückkehrenden Marokkaner sinnlos, die Beiträge auf seinem Versicherungskonto stehen zu lassen. Einer (späteren) Rentenzahlung stand die Regelung des § 105 Abs 1 Nr 1 RKG aF (gleichlautend § 1315 Abs 1 Nr 1 RVO aF) entgegen; danach ruhte die Rente eines Ausländers, der sich freiwillig gewöhnlich außerhalb des Bundesgebiets aufhielt. Deshalb konnte der Kläger zur damaligen Zeit die zur knappschaftlichen Rentenversicherung entrichteten Beiträge lediglich in Form der Beitragserstattung (§ 95 RKG, entsprechend § 1303 RVO) verwerten. Etwas anderes galt damals auch nicht kraft eines Sozialversicherungsabkommens, da das DMSVA erst 1981 abgeschlossen wurde und erst 1986 in Kraft trat (vgl zu alledem BSG SozR 3 – 6610 Artikel 5 Nr 1).
Die Beklagte hat ihre Erstattungsschuld auch erfüllt. Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der Erstattungsbetrag auf Grund eines Erstattungsbescheids auch tatsächlich in die Verfügungsgewalt des Klägers gelangt ist. In seinem Widerspruchsschreiben vom 23.12.1995 macht der Kläger nämlich zeitnah ausdrücklich geltend, die Beklagte sei verpflichtet, die erstatteten Beiträge wieder zurück zu nehmen, damit das Versicherungsverhältnis wieder auflebt. Daraus folgt für den Senat zwingend, dass die Leistung – wie von der Beklagten auf der Grundlage des elektronischen Versicherungskontos behauptet – nach antragsgemäßer Entscheidung auch bewirkt worden ist. Soweit der Kläger nunmehr (Schreiben vom 6.11.2005) behauptet, er haben einen Antrag auf Erstattung nicht gestellt und seine Rente "nicht verkauft", hält der Senat diese Behauptungen angesichts der zeitnäheren gegenteiligen Angaben im Jahre 1995 nicht für glaubhaft. Immerhin räumt der Kläger auch jetzt ein, dass er 1977 einen Antrag bei der Beklagten gestellt habe und dann etwa DM 700 (wohl: DM 7000) erhalten (und wohl auch behalten) habe. Warum es sich dann – wie der Kläger jetzt behauptet – um einen Rentenantrag gehandelt haben soll (der Kläger war 48 Jahre alt und arbeitete nach eigenen Angaben in Frankreich), ist nicht erkennbar und nach Lage der Akten auch nicht nachvollziehbar.
Auch die vom Kläger bereits 1995 gegen die Wirksamkeit der Beitragserstattung formulierten Einwände führen nicht zu einem anderen Ergebnis.
Zwar hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Beschluss vom 20. 3. 1979 (BVerfGE 51, 1 = SozR 2200 § 1315 Nr 5; bekanntgegeben am 13. 6. 1979, hierzu BT-Drucks 9/458, S 27) für mit dem Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 Grundgesetz unvereinbar erklärt, dass Ausländern im Ausland ihre Rente nicht ausgezahlt und ihnen auch kein Anspruch auf eine angemessene Erstattung der Beiträge eingeräumt werde. Das BVerfG hielt damals vor allem die vorgesehene Beitragserstattung nach erfüllter Wartezeit der Höhe nach für unangemessen, da sie weder die bei Pflichtversicherten vom Arbeitgeber geleisteten Beiträge noch eine angemessene Verzinsung der Beiträge umfasste; es überließ es dem Gesetzgeber, im Einzelnen die Bedingungen festzulegen, um der Höhe nach die Angemessenheit der Beitragserstattung herbeizuführen (BVerfGE 51, 1, 29). Der Gesetzgeber hat der Entscheidung des BVerfG jedoch in anderer Weise Rechnung getragen. Die Neuregelung des Auslandsrentenrechts durch das Rentenanpassungsgesetz (RAG) 1982 vom 1. 12. 1981 (BGBl I, S 1025) bestimmte mit Rückwirkung ab 1. 6. 1979, dass auch ein im Ausland lebender ausländischer Versicherter eine Rente für die im Bundesgebiet zurückgelegten Beitragszeiten beanspruchen konnte, allerdings beschränkt auf 70% der inländischen Rente (§ 108e iVm § 108 Abs 1 RKG; entsprechend § 1323 iVm § 1318 Abs 1 RVO). Diese Neuregelung hatte keine Auswirkungen auf solche Personen, deren Beitragserstattung – wie beim Kläger – zuvor abgeschlossen war. Die Übergangsregelung des RAG in Art 2 § 20 f Knappschaftsrentenversicherungs – Neuregelungsgesetz (entsprechend Art 2 § 41b Arbeiterrentenversicherungs – Neuregelungsgesetz und Art 2 § 40b Angestelltenversicherungs – Neuregelungsgesetz) traf keine günstigere Regelung für Fälle wie den des Klägers, in denen vor der Neuregelung die Beiträge erstattet worden waren (so auch BSG SozR 3 – 6610 Artikel 5 Nr 1). Die Möglichkeit, erstattete Beiträge wieder einzuzahlen, um damit erneut Rentenansprüche zu begründen, sieht und sah das geltende Recht zu keinem Zeitpunkt vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Sätze 1 und 3, 193 Abs 1 Satz 1 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht; § 160 Abs 2 SGG. Maßgeblich für die Entscheidung sind vielmehr die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls.
Erstellt am: 15.11.2007
Zuletzt verändert am: 15.11.2007