Der Bescheid vom 20.08.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.07.1997 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger eine Schwellkörper-Auto-Injektions-Therapie (SKAT) unter vertragsärztlicher Verordnung als Sachleistung zu gewähren sowie ihm die Kosten für die Anschaffung des Arzneimittels Prostavasin gemäß Verordnung vom 23.09.1996 in Höhe von 767,43 DM, gemäß Verordnung 20.03.1997 in Höhe von 767,43 DM und gemäß Verordnung vom 18.07.1997 in Höhe von 767,43 DM sowie für die Anschaffung des Arzneimittels Caverject gemäß Verordnung vom 19.02.1998 in Höhe von 383,27 DM, gemäß Verordnung vom 05.05.1998 in Höhe von 773,20 DM, gemäß Verordnung vom 24.08.1998 in Höhe von 773,20 DM, gemäß Verordnung vom 14.12.1998 in Höhe von 773,20 DM, gemäß Verordnung vom 15.04.1999 in Höhe von 773,20 DM, gemäß Verordnung vom 02.09.1999 in Höhe von 773,20 DM, gemäß Verordnung vom 04.02.2000 in Höhe von 773,20 DM, gemäß Verordnung vom 13.06.2000 in Höhe von 773,20 DM, gemäß Verordnung vom 06.10.2000 in Höhe von 846,70 DM sowie gemäß Verordnung vom 02.02.2001 in Höhe von 846,70 DM abzüglich des gesetzlichen Eigenanteils nebst gesetzlicher Zinsen zu erstatten. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Sachleistung und Kostenerstattung bezüglich einer Schwellkörper-Autoinjektions-Therapie (SKAT).
Der am … geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Bei ihm besteht eine erektile Dysfunktion. Von 20. bis 21. Dezember 1994 war er deswegen im A-Krankenhaus in stationärer Behandlung. Dort diagnostizierte man eine arterielle Hypertonie sowie eine psychoreaktive erektile Dysfunktion und empfahl eine SKAT mit Prostavasin. Der Kläger erlernte im A-Krankenhaus die Therapie.
Am 22. Dezember 1994 beantragte der Kläger die Genehmigung der SKAT mit Prostavasin. Dazu legte er eine privatärztliche Verordnung von Dr. B über Prostavasin vor. Er gab an bei Genehmigung der Therapie würden zukünftige Verordnungen auf Kassenrezept erfolgen.
Mit bindend gewordenem Bescheid vom 18. Januar 1995 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte die Beklagte aus, Prostavasin sei nicht als Arzneimittel für die Behandlung von erektilen Funktionsstörungen zugelassen. Die Behandlung stelle ein hohes Risiko dar. Als Kassenleistung komme der Einsatz von Vakuum-Erektionssystemen in Betracht. Einer Verschreibung von Prostavasin zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse werde nicht zugestimmt.
In der Folgezeit führte der Kläger die SKAT nach privatärztlicher Verordnung von Dr. B, ab 1997 zugelassener Kassenarzt ist, durch.
Am 25. Juni 1996 beantragte er erneut die Genehmigung der SKAT.
Der Antrag wurde mit Bescheid vom 20. August 1996 und Widerspruchsbescheid vom 21. Juli 1997 abgelehnt. Zur Begründung führte die Beklagte aus, Prostavasin sei nur für die Behandlung von chronisch-arteriellen Verschlußkrankheiten zugelassen und nicht für die Behandlung einer erektilen Dysfunktion.
Daraufhin hat der Kläger gegen den am 7. Februar 1997 zugestellten Widerspruchsbescheid am 3. März 1997 Klage erhoben.
Dem Klager ist seit Dezember 1994 auf Privatrezept regelmäßig Prostavasin und seit Februar 1998 Caverject verordnet worden.
Zur Begründung seiner Klage führt der Klager im Wesentlichen aus, auch die Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen müßten sich an dem medizinischen Fortschritt orientieren. So sei heutzutage die Versorgung Armamputierter mit einer künstlichen Hand anstelle eines Eisenhakens unüblich.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 20. August 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juli 1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Schwellkörper-Autoinjektions-Therapie (SKAT) unter vertragsärztlicher Verordnung als Sachleistung zu gewähren sowie ihm die Kosten für die Anschaffung des Arzneimittels Prostavasin gemäß Verordnung vom 23. September 1996 in Höhe 767,43 DM, gemäß Verordnung vom 20. März 1997 in Höhe 767, 43 DM und gemäß Verordnung vom 18. Juli 1997 in Höhe 767,43 DM sowie für die Anschaffung des Arzneimittels Caverject gemäß Verordnung vom 19. Februar 1998 in Höhe von 383,27 DM, gemäß Verordnung vom 5. Mai 1998 in Höhe von 773,20 DM, gemäß Verordnung vom 28. August 1998 in Höhe von 773,20 DM, gemäß Verordnung vom 14. Dezember 1998 in Höhe von 773,20 DM, gemäß Verordnung vom 15. April 1999 in Höhe von 773,20 DM, gemäß Verordnung vom 2. September 1999 in Höhe von 773, 20 DM, gemäß Verordnung vom 4. Februar 2000 in Höhe von 773, 20 DM, gemäß Verordnung vom 13. Juni 2000 in Höhe von 773,20 DM, gemäß Verordnung vom 6. Oktober 2000 in Höhe von 846,70 DM sowie gemäß Verordnung vom 2. Februar 2001 in Höhe von 846,70 DM abzüglich des gesetzlichen Eigenanteils nebst gesetzlicher Zinsen zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, erektile Funktionsstörungen seien keine Krankheit. Im Alter des Klägers seien diese ohnehin altersentsprechend. Wenn die erektile Dysfunktion eine Krankheit darstelle, könne zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nur deren Ursache selbst behandelt werden. Beim Kläger komme allenfalls eine Behandlung zu ihren Lasten mit einem Vakumnerektions-System und Erektionsringen in Betracht. Prostavasin habe für die Behandlung einer erektilen Dysfunktion schon deswegen nicht verwendet werden dürfen, weil es für diese Indikation nicht zugelassen sei. Eine Kostenerstattung scheitere schon daran, weil die Medikamente beim Kläger nicht auf Kassenrezept verordnet worden seien. Sie rege Ermittlungen an; nämlich dazu, ob andere Methoden bei dem Kläger erfolgversprechend sein konnten, ob sich die SKAT überwachen lasse, welche Vor- und Nachteilen bei der SKAT bestünden, ob durch SKAT eine Heilung erreicht werde, ob bei SKAT das Wirtschaftlichkeitsgebot gewahrt werde.
Das Gericht hat Beweis erhoben und Dr. D mit einem Gutachten beauftragt. Dr. D hat nach Aktenlage im Wesentlichen folgendes ausgeführt: Eine operative Behandlung des Klagers sei sicher schwierig und nicht aussichtsreich. Bei der Erzeugung einer Erektion mittels eines Vakuum-Systems wurden die zentralen Anteile der Schwellkörper nicht erfaßt, so daß die Erektionsfähigkeit erheblich beeinträchtigt sei. Wegen der modernan Therapiemöglichkeiten der erektilen Dysfunktion durch SKAT oder orale Medikamention, wurden in seinem Krankenhaus Methoden zur Abklärung organischer Ursachen nicht mehr vorgehalten. Aus der internationalen Literatur sei zu entnehmen, daß Vakuumerektions-Systeme nur noch bei Unverträglichkeit oder Kontraindikation einer medikamentösen Therapie zum Einsatz kamen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf die Streitakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Der Kläger hat gemäß § 21 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) einen Anspruch gegen die Beklagte als Träger der für ihn zuständigen gesetzlichen Krankenkasse auf SKAT als Sachleistung.
Nach § 27 SGB V hat ein Versicherter Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn diese notwendig ist, um Krankheitsbeschweren zu lindern.
Die erektile Dysfunktion des Klägers ist eine Krankheit. Die Kohabitationsfähigkeit gehört nach Auffassung der Kammer zum gesunden Körperzustand eines Mannes, nicht nur in jungem Alter. Das möglicherweise Erektionsstörungen im Alter des Klägers verbreitet sind, ändert nichts daran, dass es sich um eine Krankheit handelt. Ansonsten brauchte die Beklagte bei ihren älteren Versicherten für altersentsprechende Gebrechen nicht mehr aufzukommen.
Durch die SKAT wird eine Linderung der Krankeitsbeschwerden erreicht. Nach § 27 SGB V ist es nicht erforderlich, dass eine Heilung bewirkt wird.
Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es auch nicht darauf an, ob der Kläger eine organisch oder psychisch verursachte Erektionsstörung hat. Eine Krankheitsbehandlung muß nicht stets auf die Beseitigung der eigentliche Ursache einer Krankheit abzielen. Es ist nichts ungewöhnliches, daß Symptome einer Krankheit auf Kosten der Krankenkasse behandelt und gelindert werden, ohne die eigentliche Ursache der Krankheit zu beseitigen. § 27 SGB V macht insofern keine Vorgaben, dass nur die Beseitigung der Ursache einer Krankheit zu Lasten der Krankenkasse geht. Der Kläger muss sich demnach – unabhängig vor der Ursache seiner Erkrankung – nicht auf eine Psychotherapie verweisen lassen. Die Wahl der geeigneten Behandlung bzw. Linderung einer Krankheit gehört im Übrigen in die Entscheidungskompetenz des Ärzte. Die Beklagte könnte insofern allenfalls einwenden, eine Psychotherapie sei preiswerter. Davon ist aber nicht auszugehen.
Hinzu kommt, dass die SKAT mit Caverject inzwischen ausdrücklich als kassenärztliche Behandlungsform zugelassen ist.
Die Kammer hat auch keine Bedenken gegen eine zuverlässige Selbstbehandlung des Klägers. Der Kläger behandelt sich seit Jahren ohne Komplikationen mit SKAT, nachdem er im A-Krankenhaus mit der Eigentherapie vertraut gemacht wurde. Es gibt keinen Anlass, der Ermittlungsanregung der Beklagten, nämlich zu klären, ob die SKAT überwacht werden könne, nachzugehen. Wenn die Beklagte Zweifel an einer zuverlässigen Eigenbehandlung amaelden wollte, dann hätte sie dies konkret ausführen ausführen müssen.
Der Kläger muss sich auch nicht auf den Einsatz einer Vakuumpumpe als preiswertere Behandlungsmöglichkeit verweisen lassen. Zwar gibt § 27 iVm § 12 SGB V den Versicherten nur einen Anspruch auf ausreichende und wirtschaftliche Behandlungen. Dabei ist aber auch der Stand der allgemein anerkannten medizinischen Erkenntnisse und der medizinische Fortschritt zu beachten (Kasseler Kommentar § 12 SGB V Rnr. 20ff).
Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. D sind Vakuumpumpen zur Erzielung einer Erektion nicht mehr das übliche Behandlungsmittel. Diese Methode wird nur noch bei Kontraindikationen gegen eine SKAT oder orale Medikamente eingesetzt. Außerdem sind die Vakuumpumpen bei der Erektionsherstellung deutlich unterlegen. Da solche Systeme nicht die zentralen Anteile der Schwellkörper erfassen. Ferner ist der Vakuumpumpeneinsatz nach Auffassung der Kammer in der heutigen Zeit nicht mehr zumutbar, weil es mit – der SKAT überlegende Behandlungsmöglichkeiten gibt, die für den Betroffenen nicht mehr mit entwürdigenden Prozeduren verbunden sind (vgl. die Hinweise im Urteil des LSG Essen im Urteil L 2 Kn 12/96 auf S. 29).
Ob eine orale Medikamention z.B. durch Viagra billiger ist als die SKAT, ist unerheblich. Es ist allgemein bekannt, daß diese Behandlungsform bei Herz-Kreislauferkrankungen wie beim Kläger nicht unproblematisch ist. Überdies stehen die Behandlungsalternativen Viagra und SKAT beide im Rahmen der Behandlungs- und Verordnungsfreiheit der Kassenärzte.
Ferner hat der Kläger auch im zuletzt geltend gemachten Umfang Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V.
Die Beklagte hat, wie oben ausgeführt, die vom Kläger begehrte Sachleistung zu Unrecht abgelehnt. Caverject ist zum l. August 1997 ausdrücklich zur Behandlung von Erektionsstörungen zugelassen. Bis zum Zeitpunkt der Zulassung von Caverject bestehen auch keine Bedenken gegen die Verwendung von Prostavasin. Der behandelnde Arzt war frei, das für andere Gesundheitsstörungen zugelassene Arzneimittel Prostavasin auch für die Behandlung von Erektionsstörungen einzusetzen (vgl. Urteil des BSG Bescheid 8 KN 9/98 KR R).
Es ist unerheblich, daß dem Kläger die Arzneimittel nicht auf Kassenrezept verordnet worden sind (vgl. Urteil des BSG vom 19. November 1996 1 RK 15/96). Denn nach der Ablehnung einer Sachleistung durch die Kasse, kann der Kläger die begehrte Leistung nicht mehr auf dem üblichen Sachleistungsweg erlangen, und der behandelnde Arzt kann bei Beachtung der Leistungsverweigerung das betreffende Arzneimittel nicht auf Kassenrezept verordnen. Es reicht daher aus, wenn das Arzneimittel überhaupt verordnet wird. Damit ist der ärztlichen Kontrollfunktion und der geordneten Abgabe von Medikamente durch die Apotheken genüge getan.
Aus denselben Gründen ist es zur Auffassung der Kammer unerheblich, daß der verordnende Arzt erst ab 1997 die Kassenzulassung hatte.
Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich aus § 44 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches, weil sich der an sich bestehende Sachleistungsanspruch des Klägers in einen Anspruch auf Geldleistung umgewandelt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei hat die Kammer berücksichtigt, dass der Kläger mit dem zuletzt gestellten Antrag voll durchgedrungen ist.
Erstellt am: 12.08.2003
Zuletzt verändert am: 12.08.2003