Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14.11.2000 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Erstattung von weiteren 2.580,33 DM für das von der Klägerin geleistete Krankengeld im Zeitraum vom 01.10. bis 28.12.1997 (§ 103 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X])
Der am …1940 geborene H … N … (Versicherter) absolvierte von April 1955 bis Ende Oktober 1958 erfolgreich eine Lehre als Betriebsschlosser. Während dieser Zeit ebenso wie während seiner sich anschließenden Betriebsschlosser-Tätigkeit bis zum 28.09.1962 war er knappschaftlich rentenversichert. In der Folgezeit arbeitete er als Betonbauer und zuletzt als Richtmeister/Werkspolier bei der … GmbH & Co. KG. Er hatte unter eigener körperlicher Mitarbeit bei der Montage von Stahlbeton- Fertigteilen auf Baustellen die Leitung der Kolonne zu übernehmen und war in der Lohngruppe I des Rahmentarifvertrags für das Baugewerbe eingeordnet (höchste Lohngruppe I, niedrigste VIII). Ab 01.09.1997 war er wegen Rückenschmerzen arbeitsunfähig. Er erhielt bis zum 12. des Monats Entgeltfortzahlung und ab 13.09.1997 Krankengeld, u.a. vom 01.10. bis 28.12.1997 10.432,40 DM. Gestützt auf ein Attest und auf ein Bericht vom Orthopäden Dr. V … beantragte der Versicherte (07.10.1997), ihm eine Reha-Leistung zu gewähren. Der praktische Arzt R … (Sozialmedizinischer Dienst [SMD]; 04.11.1997) gelangte gutachtlich für die Beklagte zum Ergebnis, eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit liege vor. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit könne voraussichtlich abgewendet werden. Eine Reha-Behandlung von drei Wochen sei ausreichend bei den Diagnosen deutliche Adipositas, rezidivierendes Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrom sowie wiederkehrende Schmerzen in beiden Schultern und Ellenbogengelenken. Die Beklagte gewährte eine stationäre Reha-Maßnahme (Bescheid vom 24.11.1997). Sie zahlte für deren Dauer vom 29.12.1997 bis zum 18.01.1998 kalendertäglich Übergangsgeld in Höhe von 89,57 DM (Bescheid vom 02.01.1998). Dr. H …/Dr. W … gelangten im Entlassungsbericht (20.01.1998) zum Ergebnis, krankheitsbedingt könne der Versicherte nur noch körperlich leichte Tätigkeiten mit weiteren Einschränkungen verrichten, nicht aber seine bisherige schwere körperliche Arbeit. Auf den Rentenantrag des Versicherten (17.03.1998) und gestützt auf das Gutachten des SMD vom 23.03.1998 lehnte es die Beklagte ab, Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu zahlen (Bescheid vom 29.07.1998), gewährte aber Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) ab 01.10.1997 (Bescheid vom 17.09.1998). Die Klägerin meldete Erstattungsansprüche an. Daraufhin zahlte ihr die Beklagte 5.301.83 DM für den Zeitraum vom 01.10. bis zum 28.12.1997. Unter dem 25.09.1998 machte die Klägerin geltend, ab 01.10.1997 sei Übergangsgeld statt Rente bis zum Ablauf der stationären Reha-Maßnahme zu leisten gewesen. Die Beklagte lehnte dies ab. Sie vermerkte, die Reha-Maßnahme habe nicht dazu gedient, den eingetretenen Leistungsfall zu beseitigen.
Mit ihrer Klage zum Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat die Klägerin geltend gemacht, die Beklagte habe für den Zeitraum vom 01.10. bis 28.12.1997 einen höheren Zahlbetrag zu erstatten gehabt. Sie hätte Übergangsgeld statt Rente zahlen müssen. Da das Bundesversicherungsamt die Position der Beklagten als vertretbar angesehen habe (06.10.1999), sei eine gütliche Einigung gescheitert.
Die Beklagte hat gemeint, sie habe sich korrekt verhalten. Ein Fall des § 116 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch in der Fassung vor Inkrafttreten des RRG 1999, Gesetz vom 16.12.1997, BGBl. I, S. 2998 (SGB VI) habe vorgelegen.
Das SG hat die Beklagte unter Zulassung der Berufung antragsgemäß verurteilt, die der Klägerin für den Zeitraum vom 01.10. bis 28.12.1997 entstandenen Krankengeldaufwendungen zu erstatten, und zwar in Höhe des für diesen Zeitraum von der Beklagten zu zahlenden Übergangsgeldes abzüglich des bereits bezahlten Rentenbetrages (Urteil vom 14.11.2000).
Deshalb hat die Beklagte Berufung eingelegt. Die Beteiligten haben einvernehmlich den noch streitigen Erstattungsbetrag mit 2.580,33 DM beziffert und den Rechtsstreit hinsichtlich der Höhe des Anspruchs für erledigt erklärt.
Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beklagte vor, bei einer sachgerechten versicherungsrechtlichen Prüfung hätte bereits bei Einleitung des Reha-Verfahrens erkannt werden können, dass voraussichtlich die Reha-Maßnahme keinen durchgreifenden Erfolg habe, so dass der Leistungsfall der BU nicht habe durch diese Maßnahme beseitigt werden können. Deshalb sei nachträglich der Versicherte so zu stellen, als wenn er eine sachgerechte Erklärung abgegeben habe. Die Entscheidung sei jedenfalls nicht offensichtich rechtswidrig.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14.11.2000 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Für die Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung von weiteren 2.580,33 DM für den Zeitraum vom 01.10. bis 28.12.1997 aus § 103 SGB X. Dort ist vorgesehen, dass dann, wenn ein Leistungsträger Leistungen erbracht hat (hier: die Klägerin das Krankengeld) und der Anspruch darauf nachträglich ganz oder teilweise entfallen (hier: gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB V] durch einen Anspruch des Versicherten auf vorgezogenes Übergangsgeld nach § 25 Abs. 2 SGB VI), der zuständige Leistungsträger zur Erstattung verpflichtet ist.
Dagegen liegt kein Fall vorläufiger Leistungserbringung vor (§ 102 SGB X). Denn die Klägerin hat aufgrund bestehender Rechtsansprüche endgültig geleistet. Ebensowenig handelt es sich um einen Fall nachrangiger Leistungspflicht (§ 104 SGB X). Die Verpflichtung zur Krankengeldzahlung entfällt nicht bereits dadurch, dass ein Anspruch auf Übergangsgeld besteht (vgl. zu den entsprechenden Vorgängernormen BSG, Urteil vom 17.06.1993, Az.: 13/5 RJ 13/90, SozR. 3-1300 § 103 SGB X Nr. 4, S. 3 ff., 6, m.w.N.).
Vielmehr geht es um die Auswirkungen materiellrechtlicher Regelungen über den Stand des Anspruchs und seinen rückwirkenden Wegfall. Dazu bestimmt § 49 Abs. 1 Nr. 3 SGB V, dass der Anspruch auf Krankengeld ruht, solange der Versicherte Übergangsgeld bezieht. Diese Voraussetzungen waren allerdings im relevanten Zeitraum vom 01.10. bis 28.12.1997 nicht gegeben. Die Beklagte hat dem Versicherten erst ab Beginn der Heilmaßnahme am 29.12.1997 Übergangsgeld bezahlt. Insoweit war der Anspruch des Versicherten gegenüber der Klägerin auf Zahlung von Krankengeld nicht durch die Zahlung von Übergangsgeld entfallen. Dies allein steht jedoch einem Erstattungsanspruch der Klägerin nicht entgegen. Das BSG hat mehrfach entschieden (vgl. ebenda, m.w.N.; siehe auch Urteil vom 01.09.1999, Az.: B 13 RJ 49/98 R, SozR 3-1300, § 86 SGB X Nr. 3, S. 3 ff., 6; BSGE 82, S. 126 ff., 228 = SozR. 3-2600 § 99 SGB VI Nr. 2, jeweils m.w.N.), dass zwischen dem Leistungsverhältnis der Träger gegenüber den Versicherten und dem Verhältnis der Leistungsträger untereinander zu differenzieren ist. § 103 SGB X ist ausdehnend auch auf die Fälle zu erstrecken, in denen ein Leistungsträger offensichtlich zu Unrecht eine Leistung nicht erbracht hat, die zum (rückwirkenden) Wegfall der Leistung eines anderen Leistungsträgers geführt hätte. Dieser Rechtsprechung schließt sich das Gericht unbeschadet der Frage an, ob ausnahmslos Offensichtlichkeit zu fordern ist (vgl. insoweit kritisch LSG NW, Urteil vom 20.03.2001, L 5 KR 87/99). Nach der zitierten Rechtsprechung des BSG obliegt es jedem Leistungsträger, in eigener Verantwortung darüber zu entscheiden, ob ein Leistungsanspruch, für dessen Gewährung er zuständig ist, besteht oder nicht. Deshalb sind die Entscheidungen des zuständigen Träger grundsätzlich von anderen Trägern hinzunehmen. Hieran ändern auch die Erstattungsregelungen der §§ 102 ff. SGB X nichts. Die Entscheidung des Rentenversicherungsträgers, ob ein Anspruch auf Übergangsgeld besteht, bindet zwar den Krankenversicherungsträger nicht formell, weil er in dem Verfahren nicht beteiligt war. Sie hat aber insoweit Tatbestandswirkung, als sich daraus ergibt, ob die Voraussetzungen für den Wegfall des Krankengeldanspruchs gegeben sind oder nicht (sobald das Übergangsgeld auch tatsächlich gewährt wird).
Im Verhältnis der Versicherungsträger untereinander tritt aber hinzu, dass sie im Hinblick auf die vielfältige gegenseitige Abhängigkeit von Sozialleistungen zur engen Zusammenarbeit (§ 86 SGB X) und auch zur Rücksichtnahme auf die Belange des anderen Leistungsträgers verpflichtet sind. Hieraus folgt eine allgemeine, der Kooperationsbeziehung immanente Verpflichtung, eine Ent scheidung zu korrigieren, die offensichtlich fehlerhaft ist und einem anderen Leistungsträger zum Nachteil gereicht, oder zu mindest ihn so zu stellen, als wenn von Anfang an richtig entschieden worden wäre (vgl. ebenda, m.w.N.). Dabei ist zu prüfen, ob die getroffene Entscheidung objektiv unter Berücksichtigung der verfügbaren Entscheidungsgrundlagen dem materiellen Recht deutlich widerspricht.
So liegt es für die Gewährung von Rente statt Übergangsgeld hier. Die Voraussetzungen des Anspruchs auf Übergangsgeld nach § 25 Abs. 2 SGB VI waren im geltend gemachten Zeitraum unproblematisch erfüllt. Versicherte hatte grundsätzlich für die Dauer der Reha- Maßnahme Anspruch auf Übergangsgeld (§ 25 Abs. 1 SGB VI), wie es die auch die Beklagte anerkannt und ab 29.12.1997 geleistet hat. Der Antrag des Versicherten auf Rehabilitation galt als Rentenantrag (§ 116 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI). Auch wenn entsprechend der urkundsbeweislich verwertbaren Stellungnahme vom praktischen Arzt R … (04.11.1997) eine erfolgreiche Rehabilitation zunächst zu erwarten war und deshalb kein Fall des § 116 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI vorlag, vermochte die Rehabilitationsmaßnahme doch nicht, die Berufsunfähigkeit des Versicherten zu verhindern (vgl. Bericht Dr. H …/Dr. W …; Gutachten des SMD vom 23.03.1998). Wie es § 25 Abs. 2 SGB VI verlangt, wäre danach ab Antragstellung BU-Rente (hier: nach § 43 SGB VI) zu zahlen gewesen. Die Voraussetzungen dieses Anspruchs waren grundsätzlich erfüllt. Das ist zwischen den Beteiligten unstreitig und entspricht der Aktenlage.
Ein Anspruch auf Rente statt Übergangsgeld war aber nach § 116 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB VI ausgeschlossen. Danach gilt: Werden Leistungen zur Rehabilitation bewilligt, besteht während dieser Leistungen neben einem Anspruch auf Übergangsgeld kein Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit …, es sei denn, dass die Rente bereits vor Beginn der Leistungen bewilligt war (Satz 2). Satz 2 wird auch angewendet, wenn Übergangsgeld … für einen sonstigen Zeitaum zu zahlen ist (Satz 3). So liegt es hier. Rente hat die Beklagte nicht vor Beginn der Leistungen bewilligt. Ihre Entscheidung, Rente statt Übergangsgeld zu zahlen, widerspricht dem materiellen Recht deutlich.
Nur zur Erläuterung weist das Gericht ergänzend auf Folgendes hin: § 25 Abs. 2 SGB VI erweitert den Zeitraum, für den grundsätzlich Anspruch auf Übergangsgeld besteht – Dauer der Reha-Maßnahme (vgl. § 25 Abs. 1 SGB VI) -, auf die Spanne zwischen Rentenantrag und Beginn der medizinischen (oder beruflichen) Reha-Leistung. Dies knüpft § 25 Abs. 2 SGB VI über die Grundvoraussetzungen für den Anspruch auf Übergangsgeld hinaus an die zusätzliche Voraussetzung, dass Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit beantragt ist. Die Grundvoraussetzungen für einen Anspruch auf Übergangsgeld folgen aus den §§ 9 ff., insbesondere §§ 20 und 25 Abs. 1 SGB VI. Reha-Leistungen (§ 9 Abs. 1 SGB VI) können danach erbracht werden, wenn die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind (§ 9 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Das Übergangsgeld ist eine der medizinischen Leistungen zur Rehabilitation akzessorische Leistung gemäß § 20 SGB VI. Hiernach (vgl. Abs. 1) haben Versicherte Anspruch auf Übergangsgeld, die 1. von einem Träger der Rentenversicherung … stationär medizinische Leistungen zur Rehabilitation erhalten, 2. arbeitsunfähig sind und 3. bei stationären medizinischen … Leistungen zur Rehabilitation unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit … a) Arbeitsentgelt erzielt und im Bemessungszeitraum Beiträge zur Rentenversicherung bezahlt haben oder b) Krankengeld … bezogen haben und für die von dem der Sozialleistung zugrundeliegenden Arbeitsentgelt Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt worden sind. Nach § 10 SGB VI haben für Leistungen zur Rehabilitation Versicherte die persönlichen Voraussetzungen erfüllt 1. deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger, oder seelischer Behinderungen erheblich gefährdet oder gemindert ist und 2. bei denen voraussichtlich durch die Leistung a) bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähig keit abgewendet werden kann, b) bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann oder der Eintritt von Erwerbsunfähigkeit, Berufsunfähigkeit oder im Bergbau verminderter Berufsfähigkeit abgewendet werden kann. Nach § 11 SGB VI haben Versicherte für Leistungen zur Rehabilitation die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, die bei Antragstellung (Nr. 1) die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt habe. Die genannten persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraus setzungen ebenso wie die besonderen Voraussetzungen des § 20 SGB VI waren für den Versicherten erfüllt. Entsprechend der Beurteilung vom Praktischen Arzt R … (04.11.1997) gefährdeten die deutliche Adipositas, das rezidivierende Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrom sowie die wiederkehrenden Schmerzen in beiden Schultern und Ellenbogengelenken die Erwerbsfähigkeit des Versicherten erheblich. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit konnte aber voraussichtlich nach dieser Beurteilung durch eine Reha- Behandlung von drei Wochen abgewendet werden. Der Versicherte hatte entsprechend seinem Versicherungsverlauf auch die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt. Gründe für einen Ausschluss von Leistungen (§ 12 SGB VI) bestanden nicht. Die Beklagte hatte dem Versicherten auch eine stationäre medizinische Leistung zur Rehabilitation gewährt (Bescheid vom 24.11.1997; Durchführung vom 29.12.1997 bis zum 18.01.1998). Seit dem 01.09.1997 war der Versicherte arbeitsunfähig, hatte zuvor Arbeitsentgelt erzielt und Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt. Der Versicherte hatte am 07.10.1997 auch eine Reha- Leistung beantragt. Nach alledem waren die Grundvoraussetzungen für einen Anspruch auf Übergangsgeld erfüllt. Auch die zusätzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf vorgezogenenes Übergangsgeld nach § 25 Abs. 2 SGB VI waren gegeben. Der Versicherte hatte einen Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gestellt. Als solcher gilt sein Reha-Antrag nach § 116 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI. Nach § 116 Abs. 2 SGB VI gilt der Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation als Antrag auf Rente, wenn Versicherte erwerbsunfähig, berufsunfähig oder im Bergbau vermindert berufsfähig sind und 1. eine erfolgreiche Rehabilitation nicht zu erwarten ist oder 2. Leistungen zur Rehabilitation nicht erfolgreich gewesen sind, weil sie die Erwerbsunfähigkeit, Berufsunfähigkeit oder im Bergbau verminderte Berufsfähigkeit nicht verhindert haben. Der Reha-Antrag des Versicherten, bei dem der Versicherte berufsunfähig war (vgl. Gutachten SMD vom 23.03.1998), gilt deshalb als Rentenantrag, weil das stationäre Heilverfahren zur Rehabilitation nicht erfolgreich gewesen ist.
Der Versicherte war auch entsprechend der Einschätzung des SMD (vgl. ebenda) seit dem 01.09.1997 berufsunfähig. Auch die weiteren Voraussetzungen des § 43 SGB VI waren erfüllt, wie zwischen den Beteiligten zu Recht im Einklang mit der Aktenlage nicht streitig ist. Davon ist auch die Beklagte in ihrer Entscheidung gegenüber dem Versicherten ausgegangen (Bescheid vom 17.09.1998). Nach § 116 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 SGB VI schließt der Anspruch auf vorgezogenes Übergangsgeld einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus. Dies entspricht nicht nur dem Wortlaut der Regelung, sondern ist auch Sinn und Zweck der medizinischen Rehabilitation zu entnehmen (vgl dementsprechend BSG, Urteil vom 29.08.1996, Az.: 4 RA 116/94, SozR 3-2600 § 301 SGB VI Nr. 1, S. 1 ff., 3 f., m.w.N.). Sie dient u. a. der Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit des Versicherten und ist damit Ausfluss – und demnach auch – Bestandteil der sich aus dem (Renten-)Versicherungsverhältnis ergebenen Rechten und Pflichten. Im Interesse sowohl des Versicherten als auch der Versichertengemeinschaft hat nämlich einerseits der Rentenversicherungsträger alles zu unter nehmen, damit die Erwerbsfähigkeit des Versicherten bis zum Bezug der Altersrente erhalten bleibt; andererseits ist der Versicherungsnehmer im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht verpflichtet, die ihm bei einer entsprechend günstigen Prognose (vgl. § 116 Abs. 1 SGB VI) angebotene Reha-Maßnahme zur Wiederherstellung seiner Erwerbsfähigkeit anzunehmen und alles zu tun, um dieser zum Erolg zu verhelfen. Das Übergangsgeld ist aber eine das Reha-Verfahren begleitende unterstützende Leistung, die der wirtschaftlichen Sicherung des Versicherten und seiner Familienangehörigen dient (vgl. hierzu, entsprechend auf § 20 SGB VI übertragbar – BT-Drucks. VI/3742). Zugleich soll durch Übergangsgeld – und nicht einfach durch Gewährung einer Rente auf Zeit – das Interesse des Versicherten an einer ernsthaften Mitarbeit während der Reha-Maßnahme erhalten bleiben (vgl hierzu auch BSGE 17, S. 238 ff., 239 f. = SozR. Nr. 1 zu § 1242 RVO, Urteil vom 09.08.1962, Az.: 4 RJ 177/60; Urteil vom 29.11.1984, 5b RJ 18/94, SozR. 2200 § 1241d RVO Nr. 8, S. 23 ff., m.w.N.). Durch diese Grundwertung des Gesetzes, nämlich eines "Vorrangs der Rehabilitation" und eine erst nachrangig in Betracht kommende Versicherungsleistung einer Rente, wird das Verhältnis zwischen Übergangsgeld und Rente bestimmt (vgl. auch § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VI); es handelt sich daher insoweit systematisch um unterschiedliche Leistungsarten (vgl. BSG, Urteil vom 25.07.1995, Az.: 8 RKn 3/94, SozR. 3-2600 § 95 SGB VI Nr. 1, S. 1 ff., 6, m.w.N.). Sie sind nicht austauschabar und können einander nicht ersetzen (vgl. BSG, Urteil vom 29.08.1996, a.a.O., S. 4, m.w.N.). Der Anspruch auf Übergangsgeld ändert seinen Charakter als eine Reha-Leistung auch dann nicht, wenn sich nach Durchführung der Reha-Maßnahme herausstellt, dass die Erwerbsfähigkeit nicht wiederhergestellt werden konnte. Dem Versicherten steht zwar in diesem Fall ein Anspruch auf Übergangsgeld "wenigstens in Höhe der Rente" (§ 24 Abs. 4 SGB VI) zu – jedoch kein Anspruch auf Rente. Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, bei Erfolglosigkeit der Maßnahme den Versicherten so zu stellen, als ob er von vornherein, ab Antragstellung, der Höhe nach einen Anspruch auf Rente gehabt hätte. Es soll vermieden werden, dass der Versicherte während der Maßnahme sich bereits auf Renten-(zahlung) und damit auf die Aussichtslosigkeit des Reha-Verfahrens einstellt und den Reha- Erfolg gefährdet (vgl. BSGE 17, S. 238 ff., a.a.O.). Das Übergangsgeld tritt auch insoweit an die Stelle der an sich zu zahlenden Rente (vgl BSG, SozR. 2200 § 1241d RVO Nrn. 12 und 14, Urteile vom 30.09.1987, 5b RJ 78/86 und vom 24.03.1988, 5/5b RJ 30/87, S. 37 ff., 43 ff.) und schließt den Anspruch auf Rente aus (vgl. BSG, Urteil vom 29.08.1996, a.a.O.).
Soweit die Beklagte einwendet, bei richtiger Beurteilung wäre von vornherein mangels zu erwartenden Reha-Erfolgs Rente und nicht eine Reha-Maßnahme gewährt worden, ist dies – wie dargelegt – rechtlich ohne Belang. Zudem ist der SMD bei seiner Beurteilung (04.11.1997) gerade zu einer anderen Prognose gekommen.
Eine Dispositionsbefugnis des Versicherten, sich zwischen Rente und Übergangsgeld zu entscheiden, sieht die Rechtslage nicht vor. Allerdings kann trotz der Antragsfiktion des § 116 Abs. 2 SGB VI der Versicherte über die Antragstellung disponieren. Er kann den fiktiven Rentenantrag zurücknehmen und erklären, der Reha-Antrag solle nicht als Rentenantrag gelten (vgl. bereits BSG, Urteil vom 31.01.1980, Az.: 11 RA 36/79, SozR. 2200 § 1241d RVO Nr. 2, S. 7 ff., 10; zu den Möglichkeiten der Krankenkasse, eine Ausübung des Dispositionsrechts zu ihrem Nachteil zu verhindern, vgl. BSG, Urteil vom 01.09.1999, a.a.O., S. 10 m.w.N.; Urteil vom 09.08.1995, Az.: 13 RJ 43/94, SozR. 3-2500 § 50 SGB V Nr. 3, S. 5 ff., 9 ff. m.w.N.). Die Rechtsprechung hat in diesem Sinne anerkannt, dass es zulässiger Disposition entspricht, einen tatsächlichen oder fiktiven Rentenantrag zurückzunehmen, auch nachdem über die Rente entschieden worden ist, solange die Entscheidung nicht bestandskräftig ist, etwa um auf diesem Wege zu erreichen, dass länger (ggf. höheres) Krankengeld anstelle von (niedrigerer) Erwerbsunfähigkeitsrente gezahlt wird (vgl. BSG, Urteil vom 09.08.1995, a.a.O.). Um dieses Dispositionsrecht geht es vorliegend indes nicht, sondern um die Alternativität von BU-Rente und von vorgezogenem Übergangsgeld.
Die Enscheidung der Beklagten, statt Übergangsgeld Rente zu zahlen, ist auch offentsichtlich fehlerhaft. Offensichtlich ist eine Fehlerhaftigkeit in der Regel nur dann, wenn sie sozusagen "auf der Hand" liegt, der Rechtsanwendung des die Leistung bewilligenden Leistungsträgers aufgrund der gegebenen Sach- und Rechtslage mithin offenkundig nicht vertretbar ist. Dabei ist die Frage, ob eine offensichtliche Fehlerhaftigkeit vorliegt, unter Zugrundelegung objektiver Gesichtspunkte zu beurteilen. In der Regel wird bei Streitfragen, die nicht eindeutig durch Gesetz oder Rechtsprechung geklärt sind und für die beide Seiten gute Argumente haben, nicht von einer offensichtlichen Fehlerhaftigkeit ausgegangen werden können, wenn der die Leistung bewilligende Leistungsträger anders entscheidet, als es der Erstattung beanspruchende Leistungsträger getan hätte. Die nur ausnahmsweise in Betracht kommende Durchbrechung der Bindungswirkung in Fällen offensichtlicher Fehlerhaftigkeit soll gerade verhindern, dass der einen Ersatzanspruch geltend machende Leistungsträger schon dann eine Überprüfung erzwingen kann, wenn er lediglich eine andere Rechtsauffassung vertritt. Insoweit muss und soll die Rechtsanwendungsprärogative weiterhin bei dem für das jeweilige Leistungsrecht zuständigen Leistungsträger verbleiben, nicht zuletzt, um Erstattungsstreitigkeiten zwischen den Leistungsträgern auf ein angemessenes Maß zu begrenzen (vgl. BSG, Urteil vom 01.09.1999, a.a.O., S. 8 f., m.w.N.). Dass vorgezogenes Übergangsgeld den alternativ bestehenden (notwendigen; fiktiven) Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit verdrängt, soweit über diesen nicht bereits bescheidmäßig erkannt ist, ergibt sich allerdings aus dem klaren Wortlaut der gesetzlichen Regelung und entspricht ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 24.03.1988,a.a.O.; Urteil vom 29.08.1996, a.a.O., jeweils m.w.N.). Die Fehlerhaftigkeit der Entscheidung der Beklagten lag nach alledem auf der Hand. Hinsichtlich der Höhe haben die Beteiligten im Einklang mit der Sach- und Rechtslage einen Übergangsgeldanspruch in Höhe von kalendertäglich 89,57 DM für 88 Kalendertage zugrundegelegt, mithin 7.882,16 DM, so dass abzüglich des bereits erstatteten Betrags von 5.301,83 DM noch der im Teilvergleich unstreitig gestellte Betrag von 2.580,33 DM zu zahlen ist.
Ungeachtet der Frage, ob die Regelung über die Ausschlussfrist für den Erstattungsanspruch nach § 111 SGB X in der Fassung der Bekanntmachung vom 18.01.2001 (BGBl. I, S. 130 ff.) oder in der zuvor geltenden Fassung anzuwenden ist, war die Frist jedenfalls durch das Schreiben vom 25.09.1998 gewährt. Es macht hinreichend deutlich, dass die Klägerin zusätzliche Erstattung verlangt, da ab 01.10.1997 Übergangsgeld anstelle von Rente zu zahlen gewesen sei.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Erstellt am: 19.08.2003
Zuletzt verändert am: 19.08.2003