Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Altersrente unter Berücksichtigung einer sogenannten Ghettobeitragszeit im Sinne des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) für die Zeit von März 1938 bis Oktober 1944.
Die am 20.01.1936 in Wien in Österreich geborene Klägerin ist Jüdin und wurde aus diesem Grund in der Zeit bis Oktober 1944 Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung. Die Klägerin ist im Besitz der israelischen Staatsangehörigkeit und hat ausweislich eines vom israelischen Rentenversicherungsträger erstellten Versicherungsverlaufs vom 01.04.1954 bis zum 31.01.2001 Versicherungszeiten in Israel zurückgelegt, teils aufgrund einer Beschäftigung im Anstellungsverhältnis, teils aufgrund einer selbstständigen Tätigkeit.
Am 25.11.2011 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Altersrente aufgrund von Ghettobeitragszeiten. Dabei gab sie an, in der Zeit von 1938 bis 1944 in Ghettos in Wien, Linz, Prag, Halle an der Saale, Hildesheim, Hannover, Celle, Bergen-Belsen und Vittel in Frankreich gelebt zu haben. Unter dem 10.01.2012 konkretisierte die Klägerin ihre Angaben dahingehend, dass sie von März 1938 bis September 1943 in Wien gelebt habe, anschließend habe sie sich bis Dezember 1943 in 10 verschiedenen Gefängnissen in Prag und Deutschland befunden, bevor sie nach Bergen-Belsen deportiert worden sei. Dort sei sie bis März 1944 geblieben, bevor sie nach Vittel in Frankreich verbracht worden sei, wo sie bis zur Befreiung im Oktober 1944 gewesen sei. Der 2. Bezirk in Wien sei für Juden wie ein Ghetto gewesen. Sie sei täglich dorthin zurückgekehrt, wenn sie sich nicht in einem Sammellager befunden habe. Die Frage, ob sie in einem Ghetto gearbeitet habe, beantwortete die Klägerin mit "Ja", ergänzt durch den Zusatz, dass sie zu jung gewesen sei.
Mit Bescheid vom 17.01.2012 lehnte die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin mit der Begründung ab, dass keine anrechenbaren Versicherungszeiten in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung vorhanden seien. Das Bundessozialgericht (BSG) habe neue Maßstäbe für die Anerkennung von Ghettobeitragszeiten nach dem ZRBG aufgestellt. Die entsprechenden Kriterien erfülle die Klägerin nicht, da in keinem der Orte, an denen sich die Klägerin aufgehalten habe, ein Ghetto im Sinne des ZRBG bestanden habe. Folglich sei eine Anerkennung einer Beschäftigungszeit für den Zeitraum Dezember 1943 bis Oktober 1944 auch nach der neuen Rechtsprechung des BSG nicht möglich. Ihren unter dem 23.12.2012 erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass der 2. Distrikt in Wien ein Ghetto für Juden gewesen sei. Zudem sei sie in verschiedenen Sammellagern aufgewachsen, die sicher nicht besser als Ghettos gewesen seien. Vielmehr seien die Gefängnisse und Sammellager, in denen sie sich befunden habe, schlimmer als Ghettos gewesen, vor allem für ein Kind. Überdies sei der im Bescheid verwendete Ausdruck "aufgehalten" nicht zutreffend, weil ein solches Wort nur bei einem freiwilligen Aufenthalt an einem bestimmten Ort passe. Außerdem enthalte der Bescheid eine fehlerhafte Datumsangabe hinsichtlich der geltend gemachten Ghettozeit.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.05.2012 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Darin führte sie aus, dass die falsche Datumsangabe in dem Bescheid vom 07.01.2012 unerheblich sei, da auch in der Zeit von 1938 bis 1943 an keinem der Orte, die die Klägerin in ihrem Antrag genannt habe, ein Ghetto vorhanden gewesen sei. Dementsprechend habe die Klägerin auch keine Zeit in einem Ghetto im Sinne des ZRBG zurücklegen können.
Am 05.07.2012 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Voraussetzungen für eine Rentenleistung auf der Grundlage des ZRBG zu erfüllen. Der Begriff eines Ghettos sei nicht eindeutig definiert, so dass es gegen rechtsstaatliche Anforderungen verstoße, die Orte, an denen sie sich aufgehalten habe und an denen ihr ihre Freiheit entzogen worden sei, als Ghettos auszugrenzen. Der Begriff eines Ghettos sollte weitestmöglich ausgelegt werden. Begriffe wie Gefängnisse oder Sammellager oder der 2. Bezirk in Wien, in dem Juden de facto zusammengeführt worden seien, schlössen die Annahme eines Ghettos nicht aus. Den "Anschluss" im März 1938 habe sie als noch kaum einschneidend erlebt. Das erste einschneidende Erlebnis sei die Verhaftung ihres Vaters im September 1939 gewesen. Sie sei mit ihrer Mutter zunächst in Wien in der Wohnung im 3. Wiener Bezirk, in der sie seit ihrer Geburt gelebt hatte, geblieben. Im Herbst 1941 seien sie aus dieser Wohnung vertrieben worden und es habe eine Zeit des sich Versteckens begonnen. Wegen der Gerüchte um bevorstehende Deportationen habe sie sich auf der Flucht befunden. Sie sei mit ihrer Mutter von Ort zu Ort gewandert, habe sich versteckt, falsche Papiere besorgt und mit Unterstützung verschiedener Personen überlebt. Im Herbst 1942 seien sie und ihre Mutter verhaftet und für einige Wochen in ein Sammellager verbracht worden. Anschließend habe sie mit anderen Personen in einer überfüllten Sammelwohnung im 2. Wiener Gemeindebezirk gelebt. Während dieser Zeit habe sie unter anderem Lebensmittel für sich und ihre Mutter besorgt, die auch mit anderen Bewohnern der Sammelwohnung geteilt worden seien. Auch habe sie für andere Personen Pakete transportiert und andere Personen vor drohenden Deportationen gewarnt. Sie gehe davon aus, dass ihre Mutter hierfür Geld erhalten habe. Im September 1943 seien sie und ihre Mutter verhaftet worden. Sie seien dann von einem Gefängnis in das nächste verschleppt worden. Im November oder Dezember 1943 seien sie in Bergen-Belsen angekommen, von wo aus sie im Januar 1944 nach Vittel in Frankreich verlegt worden seien. Hierbei habe es sich um ein von der SS bewachtes Lager gehandelt, aus dem sie im Oktober 1944 befreit worden seien.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 17.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2012 zu verurteilen, ihr ab dem 01.07.1997 eine Altersrente unter Berücksichtigung einer Ghettobeitragszeit von März 1938 bis Oktober 1944 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Begründung ihres Antrags nimmt die Beklagte im Wesentlichen Bezug auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide. Ergänzend führt sie aus, dass die Prüfung, ob und gegebenenfalls in welchem zeitlichen Umfang sich ein Antragsteller in einem Ghetto aufgehalten habe, unter Beiziehung der sogenannten Ghettoliste erfolge. Diese enthalte eine Aufstellung der aktuell bekannten Ghettos und werde regelmäßig aktualisiert. Hiervon ausgehend habe sich die Klägerin nicht in einem Ghetto aufgehalten, so dass eine Entschädigung nach dem ZRBG nicht in Betracht komme.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die die Klägerin betreffende beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, deren Inhalte Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist nicht begründet.
Die Klägerin ist durch die angefochtene Entscheidung nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, denn der Bescheid der Beklagten ist nicht rechtswidrig. Zu Recht hat die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Altersrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen des ZRBG abgelehnt.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Altersrente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung unter Berücksichtigung von Zeiten nach dem ZRBG.
Gemäß § 35 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben Versicherte Anspruch auf Altersrente, wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Die 1936 geborene Klägerin hat im Jahr 2001 das 65. Lebensjahr vollendet. Sie hat jedoch nicht die allgemeine Wartezeit erfüllt, die für die Regelaltersrente 5 Jahre beträgt (§ 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI) und auch von Verfolgten zurückgelegt worden sein muss, die eine Rente aufgrund von Beitragszeiten nach dem ZRBG begehren (vgl. BSG, Urteil vom 12.02.2009, Az.: B 5 R 70/06 R).
Gemäß §§ 50 Abs. 1 Nr. 1, 51 Abs. 1 SGB VI werden auf die allgemeine Wartezeit Kalendermonate mit Beitragszeiten und gemäß § 51 Abs. 4 SGB VI solche mit Ersatzzeiten angerechnet; letztere sind aber nur bei Versicherten zu berücksichtigen, d. h. es muss zumindest für einen Monat ein Betrag gezahlt sein oder als gezahlt gelten. Die von der Klägerin in Israel zurückgelegten Versicherungszeiten können für sich genommen keinen Rentenanspruch gegen einen deutschen Rentenversicherungsträger begründen, denn sie sind nach Artikel 20 Abs. 1 Satz 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über soziale Sicherheit für den Erwerb des Leistungsanspruchs nur zu berücksichtigen, wenn nach den Rechtsvorschriften beider Vertragsstaaten anrechenbare Versicherungszeiten zurückgelegt wurden. Dies bedeutet, dass ein Rentenanspruch davon abhängt, ob die Klägerin über Beitragszeiten nach deutschem Recht verfügt (vgl. BSG, Urteil vom 03.06.2009, Az.: B 5 R 26/08 R).
Die Klägerin verfügt über keine Beitragszeiten nach deutschem Recht.
Beitragszeiten sind gemäß §§ 55 Abs. 1, 247 Abs. 3 Satz 1 SGB VI Zeiten, für die nach Bundesrecht oder nach den Reichsversicherungsgesetzen Beiträge gezahlt worden sind oder als gezahlt gelten. Die Klägerin hat keine Beiträge zur deutschen Rentenversicherung entrichtet. Ein Anspruch begründet sich für die Zeit von März 1938 bis Oktober 1944 auch nicht durch die gesetzliche Fiktion des § 2 Abs. 1 1. Halbsatz ZRBG. Danach gelten für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto Beiträge als gezahlt. Die Klägerin erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 ZRBG gilt das ZRBG für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto, die sich dort zwangsweise aufgehalten haben, wenn die Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen ist, gegen Entgelt ausgeübt wurde und das Ghetto sich in einem Gebiet befand, das vom Deutschen Reich besetzt oder eingegliedert war, soweit für die Zeiten nicht bereits eine Leistung aus dem System der deutschen Sozialversicherung erbracht wird.
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Es ist bereits fraglich, ob die Klägerin eine freiwillige Beschäftigung gegen Entgelt verrichtet hat. Nach Ansicht der Klägerin hat sie dies jedenfalls in der Zeit ab Herbst 1942 bis zur erneuten Verhaftung im September 1943 getan. Für die davor und danach liegenden Zeiträume ergibt sich selbst aus dem Vortrag der Klägerin kein Anhalt für eine freiwillige Beschäftigung gegen Entgelt i. S. d. ZRBG. Nach Ansicht der Kammer war zumindest in der Zeit von März 1938 bis Herbst 1942 eine solche Tätigkeit bereits aufgrund des Lebensalters der im Jahr 1936 geborenen Klägerin ausgeschlossen. Bezüglich der Zeiten in den verschiedenen Gefängnissen sowie in Bergen-Belsen und Vittel hat die Klägerin selbst nicht vorgetragen, in irgendeiner Weise einer Beschäftigung nachgegangen zu sein. Soweit die Klägerin beschrieben hat, während der Zeit, in der sie in einer Sammelwohnung im 2. Wiener Bezirk gelebt hat, Tätigkeiten verrichtet zu haben (Besorgen von Lebensmitteln, die teilweise gegen andere Lebensmittel oder Geld an andere weitergegeben wurden, Transportieren von Paketen und Weitergabe von Informationen in Bezug auf bevorstehende Deportationen) erscheint nach Auffassung der Kammer zweifelhaft, ob diese Tätigkeiten eine Beschäftigung gegen Entgelt im Sinne des ZRBG darstellen. Dies kann jedoch letztlich dahinstehen, weil es jedenfalls an dem Tatbestandsmerkmal "zwangsweiser Aufenthalt in einem Ghetto" fehlt.
Eine gesetzliche Definition des Begriffes Ghetto existiert nicht. Nach der Rechtsprechung des BSG ist ein Zwangsaufenthalt in einem Ghetto dann anzunehmen, wenn der Aufenthalt rechtlich oder tatsächlich auf ein bestimmtes Wohngebiet beschränkt und die Aufenthaltsbeschränkung durch die Androhung schwerster Strafen oder durch Gewaltmaßnahmen erzwungen wurde (BSG, Urteil vom 14.12.2006, Az.: B 4 R 26/06 R), wobei die Maßnahmen zur Absonderung und Einschränkungen der Freizügigkeit eine Intensität erreicht haben müssen, die in vergleichbarer Weise den Aufenthalt beschränken wie Mauern oder Zäune (vgl. Landessozialgericht – LSG – Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 31.03.2008, Az.: L 3 R 20/06). Nicht notwendig ist dabei, dass der Aufenthalt in dem Wohnbezirk auf einer behördlichen Zuweisung beruht, oder ob der Bezirk ausschließlich oder überwiegend von Juden bewohnt wurde (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.01.2009, Az.: L 11 R 2534/09). Merkmale eines Ghettos sind, dass es sich um ein abgegrenztes Wohnviertel in einer Stadt/einem städtischen Gefüge gehandelt hat und dass anstelle einer zentralen fremdbestimmten Leitung eine (formale) Selbstverwaltung durch Judenräte oder Judenälteste existierte. In Ghettos wurde zumindest in einem gewissen Rahmen der Schein eines selbstbestimmten Lebens aufrechterhalten. Es handelte sich um Orte, an denen sich Ghettobewohner auch bilden und kulturell betätigen konnten und die somit einen Lebensraum, in dem Arbeit aus einem eigenen Willensentschluss noch möglich war, darstellten (vgl. die entsprechenden Ausführungen des Historikers Prof. Dr. Wolfgang Bens auf der Internetseite der Bundeszentrale für politische Bildung unter https://www.bpb.de/geschichte/nationalsozialismus/141448/ghettos-in-osteuropa.de sowie in "Ghetto": die juristische Definition, wissenschaftlicher Artikel von Werner Himmelmann, abzurufen auf der Internetseite der Universität Potsdam unter http://publishup.uni-potsdam.de/frontdoor/index/index/docId/5937). Unter Zugrundelegung dieser Kriterien ist der Klägerin die Glaubhaftmachung eines nach dem ZRBG beachtlichen Ghettoaufenthaltes für die geltend gemachten Beitragszeiten nicht gelungen. In der Zeit von März 1938 bis Herbst 1941 hat die Klägerin nach eigenem Vortrag in der ursprünglich bewohnten Wohnung im 3. Wiener Bezirk weiter gelebt. Dass es sich bei dem 3. Wiener Bezirk um ein Ghetto gehandelt hat, trägt die Klägerin selbst nicht vor. Auch für die Zeit des übrigen Aufenthaltes in Wien lässt sich eine Ghettobeitragszeit nicht feststellen, weil zur Überzeugung der Kammer in Wien kein Ghetto existiert hat. Dies ergibt sich zunächst einmal aus der sogenannten Ghettoliste, die von der Lenkungsgruppe ZRBG erstellt wird und in der sowohl Orte aufgeführt sind, in denen Ghettos vorhanden waren und als auch solche Orte, in denen nach entsprechender Prüfung kein Ghetto im Sinne des ZRBG vorhanden war. Letzteres trifft auf den Bereich der Stadt Wien zu. Gestützt auf die Enzyklopädie des Holocaust von Herrn Weinmann enthält die Ghettoliste die Angabe, dass es auf dem Gebiet der Stadt Wien kein Ghetto gegeben hat. Auch bei eingehender Recherche haben sich keine Quellen finden lassen, die die Existenz eines Ghettos im Bereich der Stadt Wien während des Nationalsozialismus bestätigt hätten. Zwar wurden in Wien Juden ab Sommer 1939 verstärkt in sogenannten Judenhäusern und -wohnungen untergebracht, ein abgegrenztes Wohnviertel im Sinne eines Ghettos, in dem sich Juden zwangsweise hätten aufhalten müssen, wurde in Wien jedoch nicht eingerichtet. Vielmehr stellten sich im Bereich der Stadt Wien die Einschränkungen der persönlichen Bewegungsfreiheit für Juden so dar, dass sich die jüdische Bevölkerung an bestimmten Orten (z.B. Parkanlagen) nicht mehr aufhalten durfte. Dies bedeutet, dass die jüdische Bevölkerung nicht in einem bestimmten Wohnviertel faktisch eingeschlossen war und ihr Aufenthalt auf ein bestimmtes Wohngebiet beschränkt war, sondern dass sie vielmehr von bestimmten Plätzen ausgeschlossen wurden (vgl. die entsprechenden Ausführungen aus "Wien Geschichte Wiki" zum Begriff Holocaust unter https:// www.wien.gv.at/wiki/index.php/holocaust unter Verwendung der Quelle Felix Czeike aus dem Historischen Lexikon Wien). Zwar ist der Klägerin zuzugestehen, dass im 2. Wiener Bezirk, in dem sie ab Herbst 1942 nach ihren eigenen Schilderungen in einer Sammelwohnung gelebt hat, eine verstärkte Konzentration jüdischer Mitbürger vorgenommen wurde, dies macht den 2. Bezirk aber nicht zu einem Ghetto. Dagegen, dass in Wien ein Ghetto existiert hat spricht auch die Tatsache, dass – wie sich aus der von der Klägerin selbst vorgelegten E-Mail des Historikers Herrn Sanwald vom 09.06.2015 ergibt – im gesamten Gebiet der Stadt Wien Juden wohnten, die deportiert wurden. Für die Zeiten, in denen die Klägerin sich in unterschiedlichen Gefängnissen in Wien, Prag und verschiedenen deutschen Städten befunden hat, scheitert die Anerkennung einer Ghettobeitragszeit ebenfalls bereits daran, dass sich die Klägerin nicht in Ghettos befunden hat. Gefängnisse sind keine Ghettos. Hiervon geht die Klägerin letztlich auch selber aus, wenn sie in ihrem Antrag ausführt, dass die Gefängnisse, in denen sie sich befunden habe, schlimmer als Ghettos gewesen seien. Gefängnisse unterscheiden sich schon dadurch von Ghettos, dass das Leben in Gefängnissen vollkommen fremdbestimmt war und sich die Gefängnisse unter einer zentralen Leitung befunden haben. Auch fehlt das Merkmal einer Selbstverwaltung durch Judenräte oder Judenälteste. Gleiches gilt schließlich für das sogenannte Aufenthaltslager in Bergen-Belsen sowie das Internierungslager bzw. Sonder-KZ in Vittel (vgl. zu den Begrifflichkeiten https://de.wikipedia.org/wiki/KZ Bergen-Belsen bzw. /Jizchak Katzenelson), da auch bei diesen Lagern haftähnliche Zustände bestanden. Zudem fehlt es auch sowohl in Bergen-Belsen als auch in Vittel an dem maßgeblichen Kriterium eines bestimmten abgegrenzten Wohnviertels. Fehlte es mithin an der Glaubhaftmachung einer freiwilligen Beschäftigung gegen Entgelt während eines zwangsweisen Aufenthaltes in einem Ghetto für die Zeit von März 1938 bis Oktober 1944, besteht auch unter Berücksichtigung der Maßgaben des ZRBG kein Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Rentenleistung aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Erstellt am: 04.03.2016
Zuletzt verändert am: 04.03.2016