Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 20. Februar 1998 geändert und die Klage abgewiesen. Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist der Beginn der Regelaltersrente.
Der im … 1928 geborene Kläger war von Juni 1942 bis April 1947 unterbrochen durch Reichsarbeitsdienst und militärischen Dienst als Tischlerlehrling, Tischler und Arbeiter beschäftigt. Am 18.04.1947 wurde er im Bergbau angelegt, wo er zunächst als Gedingeschlepper, später als Lehrhauer und Hauer tätig war. Zum 15. März 1965 kehrte er ab und war in der Folgezeit als Angestell ter und (Maschinen-) Arbeiter tätig. Vom 22.03.1983 bis 30.09.1983 bezog er von der Beklagten nach einem Versicherungsfall vom 20.09.1982 eine Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit und im Anschluss daran bis Oktober 1985 eine Rente wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit. Eine im Jahr 1984 begonne Tätigkeit als Kraftfahrer mit Schlosserhilfsarbeiten gab er zum 30.04.1988 auf und schied aus dem Erwerbsleben aus.
Der Kläger ist seit 1977 als Schwerbehinderter anerkannt.
Auf seinen Antrag vom Januar 1988 bewilligte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 20.04.1988 vorgezogenes Knappschaftsruhegeld (KnRG) wegen Vollendung des 60. Lebensjahres und Schwerbehinderung (§ 48 Abs. 1 Nr. 1 Reichsknappschaftsgesetz – RKG -; Leistungsart – LEAT – 62). Die Rente wurde in den folgenden Jahren zum 01. Juli angepasst; mit der Anpassung zum 01. Juli 1992 wurde die Rente nach
§ 307 SGB VI umgewertet. Im Folgenden fand eine Bearbeitung des Aktenvorganges von Hand bis Oktober 1996 nicht statt.
Im August 1996 veranlasste die Beklagte im Rahmen einer größeren Aktion Probeberechnungen der Regelaltersrenten von Bestandsrentnern, die am 31.12.1991 bereits vorgezogenes Knappschaftsruhegeld bezogen. Die Berechnung ergab beim Kläger einen höheren Zahlbetrag der Regelaltersrente. Hierauf wies sie ihn mit einem am 31.10.1996 abgesandten Informationsschreiben hin und empfahl ihm, die Regelaltersrente zu beantragen. Auf seinen im November 1996 eingegangenen Antrag gewährte sie ihm vom Beginn dieses Monats an Regelaltersrente in Höhe von 2.295,72 DM (Nettozahlbetrag), der die zuvor bezogene Altersrente netto um 45,77 DM überstieg (Bescheid vom 15.01.97). Mit seinem Widerspruch begehrte der Kläger die Regelaltersrente bereits ab Mai 1993. Der Knappschaftsälteste habe ihn erst 1996 darauf hingewiesen, dass er eine Regelaltersrente beantragen könne. Die Beklagte hätte ihn über diese Möglichkeit früher informieren müssen. Die Beklagte wies den Rechtsbehelf mit Widerspruchsbescheid vom 17. März 1997 zurück. Es habe keine Veranlassung bestanden, den Fall des Klägers früher aufzugreifen. Insbe sondere sei sie auch nach § 115 Abs. 6 SGB VI nicht verpflichtet gewesen, den Kläger über die Möglichkeit zu informieren, Regelaltersrente zu beantragen. Eine solche Informationspflicht bestehe nur bei einem konkreten Anlass, den Berechtigten auf solche Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, die klar zu Tage lägen und deren Wahrnehmung offenbar so zweckmäßig sei, dass jeder verständige Versicherte sie mutmaßlich nutzen würde.
Mit seiner Klage hat der Kläger vorgetragen: Sein Anspruch auf die Regelaltersrente bereits ab Mai 1993 ergebe sich daraus, dass die Beklagte ihre Hinweispflicht nach § 115 Abs. 6 SGB VI verletzt habe, so dass er nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu behandeln sei, als ob er den Antrag rechtzeitig gestellt habe. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Beklagte die 1996 durchgeführte Prüfung nicht bereits 1993 vorgenommen habe. Der konkrete Anlass, ihn auf die Möglichkeit der Antragstellung hinzuweisen, sei die (der Beklagten bekannte) Vollendung seines 65. Lebensjahres gewesen.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 15. Januar 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 1997 teilweise aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm bereits ab 01. Mai 1993 anstelle der bisherigen Rente Regelaltersrente zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist auf ihrem in den Bescheiden vertretenen Standpunkt verblieben und hat hervorgehoben, eine Beratungs-, Informations- oder Hinweispflicht habe für sie nicht bestanden. Den Anpassungen jeweils zum 01. Juli und der Umwertung zum 01.01.1992 seien keine Einzelfallbearbeitungen vorausgegangen. Die Entscheidung, welche Fälle wann von Amts wegen aufzugreifen seien, liege allein in ihrem Ermessen. Eine Rechtspflicht zu entsprechendem Vorgehen bestehe nicht. Sie habe mit ihrem von Amts wegen vorgenommenen Prüfungen erst 1995 beginnen können, weil zuvor andere Prioritäten gesetzt worden seien, die insbesondere mit der Vereinigung beider deutscher Staaten und der Ausweitung des Rentenrechts auf das Beitrittsgebiet zusammengehangen hätten, wo zahlreiche Versicherte ohne jegliche Versorgung auf ihre Rente gewartet hätten. Im Rahmen der Aktion von 1996 seien etwa 38.000 Versicherungskonten ermittelt worden, in denen Probeberechnungen angestellt worden seien. Dabei habe sich nur in etwa 20 % der Fälle ein höherer Rentenzahlbetrag ergeben.
Das Sozialgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Der Kläger sei so zu behandeln, als habe er den Rentenantrag rechtzeitig gestellt. Denn die Beklagte sei ihrer Verpflichtung, ihn rechtzeitig auf diese Möglichkeit hinzuweisen, nicht nachgekommen (Urteil vom 20. Februar 1998).
Mit ihrer Berufung trägt die Beklagte vor: Entgegen der Rechtsprechung des 4. BSG-Senats (Urteile vom 02. August 2000 – B 4 RA 40/99 R – SozR 3-2600 § 100 Nr. 1 und B 4 RA 54/99 R) bestimme auch bei einem Wechsel zwischen Altersrenten der Zeitpunkt der Antragstellung den Beginn der neuen Rente. Die andere Auffassung durchbreche die Systematik des SGB VI und beseitige im Ergebnis das Antragsprinzip. Eine Hinweis-, Informations- oder Beratungspflicht, die über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zur Fiktion eines rechtzeitig gestellten Antrag führen könne, habe sie nicht verletzt. Eine solche Pflicht lasse sich auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 09.12.1997 – 8 R KN 1/97 – SozR 3-2600 § 115 Nr. 2) insbesondere nicht aus § 115 SGB VI herleiten. Denn sie habe in ihrem Bestand nicht über zuverlässige Daten verfügt, die die Fälle einer höheren Regelaltersrente erkennbar gemacht hätten. Die Sachverhalte, in denen es nach vorherigem Bezug eines flexiblen Knappschaftsruhegeldes zu einer höheren Regelaltersrente komme, seien wegen der vielfältigen durch das SGB VI eingeführten Rechtsänderungen, die sich im Einzelfall sowohl zum Vorteil als auch zum Nachteil des Versicherten auswirken könnten, durch individuelle und nicht durch typische Merkmale gekennzeichnet. Solche Fälle seien daher nur durch eine Probeberechnung, also durch Auswertung der Versichertenbiographie jedes einzelnen Versicherten, zu ermitteln gewesen. Bei ihrer im Jahre 1996 von Amts wegen durchgeführten Aktion, die auch beim Kläger zu einer Benachrichtigung geführt habe, handele es sich um eine routinemäßige Abarbeitung durch eine Serviceleistung der Beklagten, zu der sie nicht verpflichtet gewesen sei. Diese Aktion sowie die späteren Ermittlungen hätten gezeigt, dass der prozentuale Anteil der Rentner, die durch das neue Recht begünstigt worden seien, deutlich unter 50 liege. Denn die Hinweispflicht nach § 115 Abs. 6 SGB VI setze einen Sachverhalt voraus, bei dem ohne größeren zusätzlichen Verwaltungsaufwand erkennbar sei, dass ein Antrag für den Betroffenen einen finanziellen Vorteil mit sich bringt. Gerade bei Wanderversicherten wie dem Kläger, die die ersten 5 Jahre ihres Erwerbslebens nicht in der knappschaftlichen Rentenversicherung zurückgelegt hätten, sei immer eine Einzelfall prüfung erforderlich.
Sie habe allgemein über die ab dem 01. Januar 1992 für Altersrenten geltenden Änderungen durch den Artikel "Altersrenten können wechseln" von Wolfgang Störmann im Kompass, ihrem amtlichen Mitteilungsblatt, informiert (Februar 1993, Seiten 81 und 84). Soweit zwei kleinere Dienststellen, unter anderem die Dienststelle M …, ab Mitte 1992 dazu übergegangen seien, die von Ihnen betreuten Versicherten anzuschreiben und auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Regelaltersrente hinzuweisen, ohne dass zuvor geprüft worden sei, ob sich überhaupt ein höherer Zahlbetrag ergebe, sei dies wieder von allgemeinen noch von konkreten Dienstanweisungen abgedeckt gewesen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 20. Februar 1998 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er meint unter Hinweis auf die Rechtsprechung des 4. BSG-Senats (a. a. O.), der Zeitpunkt der Antragstellung sei für den Beginn seiner Regelaltersrente nicht maßgeblich. Ungeachtet dessen sei aus den vom Sozialgericht dargelegten Gründen die Regelaltersrente bereits ab Mai 1993 zu zahlen. Denn die Vollendung des 65. Lebensjahres sei für die Beklagte konkreter Anlass gewesen, ihn auf die Möglichkeit hinzuweisen, Regelaltersrente zu beantragen. Gerade diese Fälle sollten durch § 115 Abs. 6 SGB VI erfasst werden. Die Aktion 1995/1996 sei ohne weiteres auch bereits früher möglich gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die für den Kläger geführten Verwaltungsakten sowie die Gerichtsakten verwiesen. Der wesentliche Inhalt dieser Akten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet.
Der Kläger kann die Regelaltersrente nicht bereits für eine Zeit vor November 1996 beanspruchen. Dies folgt aus § 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI. Nach dieser Vorschrift wird eine Rente, wenn sie nicht bis zum Ende des 3. Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird. Ein früherer Rentenbeginn ergibt sich hier weder unmittelbar aus den Vorschriften des SGB VI ("Primärebene", im Folgenden 1.) noch aus einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder nach den Grundsätzen des sozialgerechtlichen Herstellungsanspruchs ("Sekundär ebene", im Folgenden 2.).
1. Das vom Kläger ab dem 01. Mai 1988 gem. § 48 Abs. 1 Nr. 1 RKG bezogene KnRG war mit dem Inkrafttreten des SGB VI am 01. Januar 1992 nach § 300 Abs. 4 Satz 1 SGB VI in unveränderter Höhe als Altersrente wegen Erwerbsunfähigkeit weiterzuzahlen, §§ 300 Abs. 4 Satz 2, 33 Abs. 2 Nr. 4, 37 SGB VI. Allein wegen dieser Rechtsänderung war eine Neufeststellung der Rente nicht vorzunehmen, §§ 300 Abs. 1, 5, 306 Abs. 1 SGB VI. Es musste lediglich eine Umwertung der Rente dahingehend vorgenommen werden, dass auf der Grundlage des Rentenbescheids nach dem RKG nunmehr persönliche Entgeltpunkte (pEP) ermittelt wurden. So ist die Beklagte auch vorgegangen. Die Altersrente wegen Erwerbsunfähigkeit wurde zum 01. Juli der Jahre 1992, 1993 und 1994 lediglich auf der Basis der durch Umwertung ermittelten pEP angepasst, ohne dass die Rentenakten dabei von Hand bearbeitet wurden (vgl. dazu BSGE 81, 251, 254f = SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr. 2).
Eine Feststellung der Rente nach den neuen, zum 01. Januar 1992 in Kraft getretenen Berechnungsvorschriften des SGB VI mit einer entsprechenden neuen Ermittlung der pEP nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Rentenantragstellung war erst nach Zugang des Antrags auf Regelaltersrente im November 1996 zulässig, § 300 Abs. 1 und 3 SGB VI in Verbindung mit § 88 Abs. 1 Satz 1 SGB VI. Denn das neue Recht kennt einen Wechsel von der einen zur andern Art der Altersrente, während ein solcher Wechsel nach der vor dem 01. Januar 1992 bestehenden Rechtslage nicht möglich war (vgl. BSG SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr. 2).
Die verschiedenen Renten wegen Alters (vgl. § 33 Abs. 2 SGB VI) sind nach dem Aufbau des § 88 Abs. 1 Satz 1 SGB VI eigenständige Renten (im Sinne der besitzgeschützten "bisherigen Rente" und den neu festzustellenden "späteren Rente"), so dass bei aufeinander folgenden Altersrenten nicht § 306 Abs. 1 SGB VI gilt, sondern eine Neufeststellung vorliegt, bei der die pEP auf der Basis des Rechts, neu zu ermitteln sind, das zur Zeit des Rentenbeginns gilt, der wiederum vom Rentenantrag abhängt. Denn mit der Einführung des SGB VI wurde das "Versicherungsfallprinzip" durch das "Rentenbeginnprinzip" ersetzt. Dieses hat den Vorteil, dass nicht ständig zu prüfen ist, ob altes Recht noch weiter anzuwenden ist (vgl. BT-Drucksache 11/4124, Seite 206 zu § 291 des SGB VI-Entwurf = § 300 SGB VI). Die Ausnahmevorschrift des § 302 Abs. 1 SGB VI, wonach Versicherten, die zur Zeit des Inkrafttretens des SGB VI das 65. Lebensjahr vollendet hatten, die Rente stets als Regelaltersrente zu leisten ist, bestätigt die Regel, dass die noch nicht 65-Jährigen die Vorteile der abgestuften Rentenfälle nach dem neuen Recht (auf Antrag) in Anspruch nehmen können (vgl. BSGE 81, 251, 253 = SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr. 2).
Auch wenn die Anspruchsvoraussetzungen für die Regelaltersrente beim Kläger bereits mit Vollendung des 65. Lebensjahres am … 1993 erfüllt waren, und damit das Stammrecht auf Regelaltersrente entstanden war, können nach § 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI die Feststellung der Regelaltersrente und die Aufnahme der darauf beruhenden Zahlungen erst ab dem Kalendermonat erfolgen, in dem die Rente beantragt wird (oder als beantragt gilt). Ein Rentenbeginn, wie er vom Kläger begehrt wird, scheidet aus, weil der Antrag nicht innerhalb der Frist von 3 Monaten, die am 31. Juli 1993 endete, gestellt worden ist (vgl. BSG a.a.O.).
Soweit sich der Kläger demgegenüber auf die davon abweichende Rechtsprechung des BSG vom 02. August 2000 (BSG SozR 3-2600 § 100 Nr.1 und B 4 RA 54/99 R; ebenso wohl: Mey. Zur Hinweispflicht gem. § 115 Abs. 6 SGB VI oder: (Neue) Dogmatik der Altersrenten. In: Die Angestelltenversicherung (Zeitschrift) 2001, 142 ff) beruft, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zwar mag auch unter Würdigung verfassungsrechtlicher Aspekte dem Ergebnis im Verfahren B 4 RA 40/99 R zuzustimmen sein. Soweit der 4. Senat allerdings mit dieser Entscheidung das Rechtskonzept, wie es vor Inkrafttreten des SGB VI bestand (vgl. dazu BSG SozR 3-2200 § 1248 RVO Nr. 2 mit weiteren Nachweisen), über den dortigen Fall hinaus auch für das SGB VI fortführen will, ist ihm nicht beizutreten.
Der 4. Senat des BSG meint, es gebe nur einen Versicherungsfall wegen Alters und deshalb auch nur eine Altersrente im SGB VI. Dies führte bei konsequenter Anwendung des § 306 Abs. 1 SGB VI zu dem Ergebnis, dass es für Bestandsrentner bei der Rentenhöhe vor Inkrafttreten des SGB VI verbliebe, soweit sich nicht eine abweichende spezialgesetzliche Regelung findet, an der es hier gerade mangelt. § 306 Abs. 1 SGB VI enthält den Grundsatz, dass aus Anlass einer Rechtsänderung die einer Rente zugrundegelegten pEP nicht neu bestimmt werden, wenn vor dem Zeitpunkt einer solchen Änderung ein Anspruch auf Leistung einer Rente bestand, soweit nicht in den nachfolgenden Spezialregelungen etwas anderes bestimmt ist. Der Grundsatz des § 306 Abs. 1 SGB VI bedeutet, dass allein die Änderung von Rechtsvorschriften keine wesentliche Ände rung im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB X ist (vgl. BSG SozR 3-2600 § 300 SGB VI Nr. 7; BSG SozR 3-2600 § 306 SGB VI Nr. 1 mit weiteren Nachweisen). Entgegen der Auffassung des BSG im genannten Urteil vom 02. August 2000 (BSG SozR 3-2600 § 100 Nr.1) enthält § 100 SGB VI eine solche Spezialregelung nicht. Denn nicht § 100 SGB VI, sondern die §§ 300 ff. SGB VI und etwaige weitere Spezialregelungen bestimmen abschließend, ob und inwieweit Bestandsrentner in Gesetzesänderungen einbezogen werden. Zu Recht ist deshalb die höchstrichterliche Rechtsprechung (vgl. BSG SozR 3-2600 § 88 SGB VI Nr. 2) davon ausgegangen, dass bei Fortbezug einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aufgrund eines Versicherungsfalles vom 30.09.1982 allein das Inkrafttreten des SGB VI keine Rentenerhöhung wegen Kindererziehungszeiten bewirkt. Zwar schränken die §§ 57, 259 SGB VI nicht die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten – wie das alte Recht, vgl. §§ 2a, 28a AVG a.F. – auf Versicherungsfälle nach dem 30. Oktober 1985 ein, jedoch erlaubt diese zum 01.01.1992 erfolgte Rechtsänderung für sich allein keine neue Bestimmung der pEP, § 306 Abs. 1 SGB VI. Fallgruppen, in denen aus anderen Gründen das Recht des SGB VI für eine vollständige Neubestimmung der pEP zugrunde zu legen ist (vgl. dazu BSG a. a. O.), liegen beim Kläger aber nicht vor.
Die Auffassung des 4. Senats des BSG, es gebe nach dem Recht des SGB VI nur eine einheitliche Rente wegen Alters (BSG SozR 3-2600 § 100 Nr.1), überzeugt auch in der Sache nicht. Sie steht nicht in Einklang mit den Vorschriften über das Zusammentreffen mehrerer Renten (§ 89 SGB VI), die Rentenarten (§ 33 SGB VI a.F.), die Voraussetzungen für einen Rentenanspruch (§ 34 Abs. 4 SGB VI a.F.), den Bestandsschutz (§ 88 SGB VI) sowie den Rentenbeginn und die Antragstellung (§§ 99, 115 SGB VI).
§ 89 Abs. 1 SGB VI bezeichnet in Satz 2 Nrn. 1 – 6 sechs Arten der Altersrente und bestimmt deren Rangfolge für den Fall gleich hoher Zahlungsansprüche. Es handelt sich dabei um einen Spezialfall von § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB VI, der voraussetzt, dass für den selben Zeitraum Anspruch auf mehrere Renten aus eigener Versicherung besteht. Nachvollziehbar hat die höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu ausgeführt, der Hinweis, diese Vorschrift kenne nur eine Regelaltersrente, sei nicht verständlich; zutreffend habe daher das LSG darauf abgestellt, dass die Beklagte LVA B. der Klägerin lediglich statt einer "Beitrittsgebietsrente" wegen Alters … ab dem 01. Januar 1992 ein Recht auf Regelaltersrente nach dem SGB VI gewährt habe. Im Falle der Klägerin greife also gerade § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB VI ein, weil für denselben Zeitraum ab Januar 1992 zwei (gleichartige) Rechte auf Regelaltersrente aus eigener Versiche rung bestünden (BSG SozR 3-2600 § 307a SGB VI Nr. 8). Rechtssystematisch kann § 89 Abs. 1 SGB VI aber nicht auf derartige Fälle reduziert werden (so wohl: BSG SozR 3-2600 § 100 Nr.1). Der Gesetzgeber hat die Norm nämlich mit Bedacht in das 2. Kapitel des SGB VI ("Leistungen") und nicht in das 5. Kapitel ("Sonderregelungen") aufgenommen.
Begrifflich kennt das SGB VI in § 33 Abs. 2 a.F. denn auch sechs verschiedene Arten der Altersrente. Dass sich die Überschrift zu § 33 SGB VI – "Rentenarten" – nur auf Abs. 1, nicht aber auf die weiteren Absätze der Norm bezieht, kann weder dem Wortlaut noch der Systematik entnommen werden. Dementsprechend trägt § 34 Abs. 4 SGB VI der Möglichkeit verschiedener Arten der Rente wegen Alters Rechnung, indem er vorsieht, dass ein Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder Erziehungsrente nicht besteht nach bindender Bewilligung "einer Rente wegen Alters" …, anstatt nach Bewilligung der Rente wegen Alters.
Nichts anderes zeigt die Besitzschutzregelung des § 88 Abs. 1 Satz 1 SGB VI: Hat ein Versicherter eine Rente wegen Alters bezogen, werden für eine spätere Rente mindestens die bisherigen pEP zu grunde gelegt. Sie bildet damit die Grundlage dafür, dass beim Wechsel von der einen zur anderen Altersrente mindestens die bis herigen pEP zugrunde zu legen sind (vgl. z. B. Niesel in Kassler Kommentar, § 88 SGB VI Rdnr. 3 f.; Schulin in: Handbuch des Sozialversicherungsrechts 1999, § 38 Rdnr. 304 mit weiteren Nachweisen sowie Rdnr. 305; Verbandskommentar § 88 SGB VI Anmerkung 3.1).
Zu Recht hat die höchstrichterliche Rechtsprechung in dieses Regelungssystem auch die Bestimmungen über den Rentenbeginn und die Antragstellung einbezogen (BSGE 81, 251, 253f = SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr. 2; SozR 3-2600 § 99 SGB VI Nr. 3; BSG Urteil vom 22.10.1998, Az. B 5 RJ 56/97 R). Danach ist der Beginn der Regelaltersrente von der Antragstellung abhängig, §§ 99 Abs. 1, 115 Abs. 1 SGB VI. Mit Inkrafttreten des SGB VI gilt anstelle des Versicherungsfallprinzips der RVO das Rentenbeginnprinzip (BSGE 79, 168, 169f = SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr. 1; kritisch BSG SozR 3-2600 § 100 Nr. 1 und BSG SozR 3-2600 § 99 Nr.5). Die Systematik des SGB VI ist für alle Rentenarten auf den Rentenbeginn, dessen Regelung vereinheitlicht werden sollte, ausgerichtet worden (vgl. Begründung zum RRG 1992, Bundestagsdrucksache 11/4124, S.175 zu § 98 Entwurf). Anstelle der Möglichkeit, den Zahlungsbeginn einer Rente durch die Verschiebung des Versicherungsfalls zu beeinflussen (vgl. zum früheren Recht etwa § 1248 Abs. 6 RVO a.F.), haben die Versicherten im Recht des SGB VI nunmehr Einfluss auf Beginn und Höhe der Rente durch die Wahl des Antragszeitpunkts (vgl. §§ 75, 77 SGB VI). Dabei hat der Gesetzgeber auch bewusst die Folgen einer späteren Antragstellung geregelt (vgl. Niederschrift über die 521. Sitzung des BT-Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung am 07.04.1989, S.29, zitiert nach BSGE 79, 168, 170 = SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr.1 m.w.N. zur Hinterbliebenenrente). Insgesamt zeigen daher Wortlaut, Gesetzesmaterialien (vgl. im übrigen auch BT-Drucksache 11/4124 zum Entwurf der §§ 32, 87, 88, 98 und 114, S.161 ff), Regelungssystem (zum Zusammenhang zwischen Regelung des Zahlungsanspruchs in § 89 SGB VI, dem Antragserfordernis für jede Rentenart, der Beratungspflicht und ggf. dem Rentenbeginn, vgl. auch Niesel, a. a. O. § 89 SGB VI Rdnr.5-7 m. w. N.) sowie der damit zum Ausdruck kommende Sinn und Zweck, dass das SGB VI sich bewusst von Versicherungsfallprinzip ab- und dem Rentenantragprinzip zugewandt hat.
2 a) Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist des § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI kommt nicht in Betracht, § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Zwar ist eine Wiedereinsetzung grundsätzlich auch bei Versäumung einer Frist des materiellen Sozialrechts zulässig, wenn die betreffende Regelung dies ausdrücklich bestimmt oder ihre Auslegung dies ergibt (BSG SozR 3-5070 § 21 WGSVG mit weiteren Nachweisen; BSGE 79, 168, 171 = SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr. 1). Ob danach eine Wiedereinsetzung bei Versäumung der Dreimonatsfrist des § 99 Abs. 1 SGB VI grundsätzlich zulässig ist, kann hier offen bleiben. Der Kläger war nämlich nicht ohne sein Verschulden gehindert, diese Frist einzuhalten, § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Dass dem Kläger die Regelung des § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI mit der Folge des Anspruchsverlustes bei Versäumung dieser Frist nicht bekannt gewesen ist, wie er sinngemäß vorträgt, stellt keinen Wiedereinsetzungsgrund dar. Denn nach dem Grundsatz der formellen Publizität gelten alle Gesetze mit ihrer Verkündung im Bundesgesetzblatt den Normadressaten als bekannt, ohne Rücksicht darauf, ob und wann diese tatsächlich davon Kenntnis erlangen. Eine Unkenntnis solcher Rechte, deren befristete Ausübung im Gesetz selbst ausdrücklich geregelt ist, kann deshalb eine Wiedereinsetzung nicht rechtfertigen (BSG Urteil vom 22.10.1998, Az. B 5 RJ 56/97 R).
b) Entgegen der Auffassung des SG ist der Kläger auch nicht aufgrund eine sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu behandeln, als hätte er den Rentenantrag spätestens im Juli 1993 gestellt. Das von der Rechtsprechung entwickelte Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches ist auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung desjenigen sozialrechtlichen Zustands gerichtet, der bestünde, wenn der Versicherungsträger (oder ein für diesen handelnder Dritter) die ihm aufgrund eines Gesetzes oder konkreten Sozialrechtsverhältnisses dem Versicherten gegenüber auferlegten Haupt- oder Nebenpflichten, insbesondere zur Auskunft und zur Beratung, ordnungsgemäß wahrgenommen hätte. Demnach kommt es insbesondere auf das Vorliegen der folgenden Voraussetzungen (vgl. dazu BSG SozR 3-2600 § 58 SGB VI Nr. 2) an:
Die verletzte Pflicht muss dem Träger gerade gegenüber dem Versicherten obliegen, die zugrundeliegende Norm letzterem also ein entsprechendes subjektives Recht einräumen. Die objektiv rechtswidrige Pflichtverletzung muss im Sinne einer wesentlichen Bedingung einen Nachteil des Versicherten bewirkt haben. Schließlich muss die verletzte Pflicht darauf gerichtet gewesen sein, den Betroffenen gerade vor den eingetretenen Nachteilen zu bewahren (zu diesem sogenannten Schutzzweckzusammenhang vgl. BSG SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr. 5).
aa) Aus einer – hier möglicherweise anzunehmenden – unterbliebenen oder ungenügenden Aufklärung der Allgemeinheit, zu der ein Versicherungsträger gemäß § 13 SGB I verpflichtet ist, kann allerdings kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch resultieren (BSGE 79, 168, 172 = SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr. 1). Etwas anderes gilt nur bei einer unrichtigen oder missverständlichen Information durch den Versicherungsträger. Der Aufsatz von Störmann im Kompass (2/93, Seiten 81 und 84) enthält eine solche Fehlinformation nicht. Nach Wiedergabe des Wortlauts von § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI heißt es dort nämlich, dieser Verpflichtung komme die Bundesknappschaft nach. Einen Verstoß gegen § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI vermag der Senat aber vorliegend gerade nicht festzustellen, vgl. unten cc).
bb) Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch ergibt sich auch nicht aus einer Verletzung der Beratungs- und Auskunftspflicht nach § 14 f. SGB I.
Voraussetzung für das Entstehen einer Beratungspflicht nach § 14 SGB I ist ein Beratungsbegehren oder zumindest ein konkreter Anlass zur Beratung (vgl. BSG a. a. O.). Eine Beratung hat der Kläger von der Beklagten nicht begehrt. Ohne ein solches Begehren wird eine Verletzung von Beratungs- und Auskunftspflichten mit der Folge des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs vom BSG in ständiger Rechtsprechung nur dann anerkannt, wenn sich im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens ein konkreter Anlass ergibt, den Versicherten spontan auf klar zu Tage liegende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, die sich offensichtlich als zweckmäßig aufdrängen und die jeder Verständige mutmaßlich nutzen würde (BSGE 81, 251, 254 = SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr. 2). Die Annahme eines konkreten Anlasses für eine Beratung setzt im Allgemeinen voraus, dass zumindest tatsächlich eine Sachbearbeitung durch einen Mitarbeiter der Beklagten von Hand und nicht nur eine EDV-gestützte, massenhafte Bearbeitung von Rentenfällen stattgefunden hat (BSG a. a. O.). Allein eine solche EDV-gestützte, massenhafte Bearbeitung von Rentenfällen lag indes den von ihr ab 1992 (und auch bereits früher) jeweils zum 01.07. übersandten Anpassungsmitteilungen zugrunde, wobei diejenige zum 01.07.92 zugleich eine Mitteilung über die Umwertung nach § 307 Abs. 1 SGB VI enthielt. Für einen konkreten Anlass zur Spontanberatung ergeben sich danach keinerlei Anhaltspunkte.
cc) Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch wegen Verletzung der aus § 115 Abs. 6 SGB VI resultierenden Hinweispflicht auf einen Rentenantrag, der grundsätzlich in Betracht kommt (vgl. BSGE 81, 251, 255 = SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr. 2; BSG-Urteile vom 13. Mai 1998 – B 8 KN 15/97 R und B 8 KN 16/97 R; BSG SozR 3-2600 § 88 SGB VI Nr. 2; BSG SozR 3-2600 § 115 Nr.4 mit weiteren Nachweisen; BSG SozR 3-2600 § 115 Nr.5), besteht im Ergebnis ebenfalls nicht.
Unerheblich ist zunächst, dass seinerzeit gemeinsame Richtlinien der Rentenversicherungsträger (vgl. dazu jetzt: Die Angestelltenversicherung 1998, Seite 449) nicht bestanden haben (vgl. BSG a. a. O.). Nach § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI sollen die Träger der Rentenversicherung die Berechtigten in geeigneten Fällen darauf hinweisen, dass sie eine Leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen. Die Rentenversicherungsträger können in gemeinsamen Richtlinien bestimmen, unter welchen Voraussetzungen solche Hinweise erfolgen sollen (Satz 2). Zwar handelt es sich bei den Tatbestandsmerkmal "in geeigneten Fällen" um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dieser ist jedoch – wie die zitierten Entscheidungen des BSG zeigen – im Wege der Auslegung bestimmbar. Die Richtlinien im Sinne von § 115 Abs. 6 Satz 2 SGB VI dienen insofern im Wesentlichen zur Sicherstellung einer einheitlichen Umsetzung des Rechts (vgl. BSG SozR 3-2600 § 115 Nr.5). Während sich für den Leistungsträger eine Pflicht zur Auskunft und Beratung im Sinne der §§ 14 und 15 SGB I nur bei konkretem Anlass ergibt, ist die allgemeine Hinweispflicht der Träger der Rentenversicherung nach § 115 Abs. 6 SGB VI auf geeignete Fälle beschränkt. Die Geeignetheit einer Fallgruppe richtet sich im Wesentlichen nach folgenden Merkmalen: Für den Versicherungsträger muss ohne einzelfallbezogene Sachaufklärung erkennbar sein, dass ein abgrenzbarer Kreis von Berechtigten die Anspruchsvoraussetzungen für eine Leistung erfüllt, die von solchen Personen im Regelfall in Anspruch genommen wird. Die Frage, inwieweit darüber hinaus aus der Sicht des Versicherungsträgers bei den Betroffenen ein Informationsbedürfnis bestehen muss, haben der 5. und 8. Senat des BSG dahingehend beantwortet, dass für den Versicherungsträger erkennbar sein muss, dass die Angehörigen einer abgrenzbaren Gruppe von Versicherten den Rentenantrag aus Unwissenheit nicht stellen. Eine Hinweispflicht ergibt sich danach jedenfalls bei solchen Gestaltungsmöglichkeiten, die versteckt und nur Kennern der Materie geläufig sind (BSGE 81, 251, 256 = SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr. 2; BSG, Urteil vom 22.10.1998, Az. B 5 RJ 56/97 R). Der 13. Senat folgt im Ansatz der Auffassung, dass eine Hinweispflicht nach § 115 Abs. 6 SGB VI nur in den Fällen besteht, in denen der Rentenversicherungsträger davon ausgehen muss, dass die Berechtigten einen Rentenantrag aus Unkenntnis (noch) nicht gestellt haben. Soweit es die erstmalige Inanspruchnahme von Altersrente betrifft, berücksichtigt er, dass diesbezüglich Anträge regelmäßig einige Zeit vor der absehbaren Erfüllung der Anspruchsvoraussetzung (insbesondere vor dem Erreichen einer bestimmten Altersgrenze) gestellt werden, um einen zeitgerechten Beginn der Rentenzahlung sicherzustellen. Gehört jemand zu einer abgrenzbaren Gruppe von Versicherten, die eine solche Rente im allgemeinen vom frühestmöglichen Zeitpunkt an beziehen, so lässt das Fehlen eines Rentenantrages im Monat der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzung nach seiner Auffassung grundsätzlich den Schluss zu, dass dies auf Unkenntnis des betreffenden Versicherten beruht. Er sieht sich insoweit in Übereinstimmung mit § 1 der inzwischen erlassenen gemeinsamen Richtlinien der Rentenversicherungsträger (vgl. BSG SozR 3-2600 § 115 Nr.5). Im Grundsatz besteht danach in der höchstrichterlichen Rechtsprechung Einigkeit, dass in Erweiterung und Ergänzung zur spontanen Hinweispflicht bei einem konkreten Anlass nach § 14 SGB I eine Hinweispflicht im Sinne des § 115 Abs. 6 SGB VI auch ohne konkreten Anlass bei typischen Sachverhalten gegenüber einer – z. B. mit Mitteln der EDV – abgrenzbaren Gruppe von Versicherten besteht, sobald es dem Versicherungsträger möglich ist zu erkennen, dass ihre Angehörigen den Rentenantrag aus Unwissenheit nicht stellen, die Antragstellung in der Regel jedoch zu höheren Leistungen führt (BSGE 81, 251, 256 = SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr. 2). Nach den genannten Kriterien ist die höchstrichterliche Rechtsprechung davon ausgegangen, dass zu den typischen Sachverhalten der Erstbezug einer Regelaltersrente mit Vollendung des 65. Lebensjahres bei Erfüllung der Wartezeit, der Erstbezug einer Hinterbliebenenrente (BSG SozR 3-2600 § 88 Nr. 2) und der Erstbezug einer Altersrente für langjährig Versicherte bei Erfüllung der Wartezeitvoraussetzungen durch freiwillige Beitragszahlungen gehören (BSG SozR 3-2600 § 115 Nr.5). Um solche Fallgruppen geht es vorliegend jedoch nicht.
Darüber hinaus kann aber auch ein geeigneter Fall im Sinne von § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI dann in Betracht kommen, wenn eine abgrenzbare Gruppe von Versicherten bereits eine Rente bezieht, und der Wechsel von der einen zur andern Art der Rente in der Regel zu höheren Leistungen führt (BSGE 81, 251, 256f = SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr. 2; Urteile vom 13.05.1998, B 8 Kn 15/97 und 16/97 R; BSG SozR 3-2600 § 99 Nr.3). Ein solcher Wechsel von der einen zur anderen Art der Altersrente war – wie dargelegt – nach der vor dem 01. Januar 1992 geltenden Rechtslage nicht möglich. Damit gegenüber den Mitgliedern der Gruppe der Bezieher einer vorgezogenen Altersrente nach altem Recht aufgrund des SGB VI eine Hinweispflicht entsteht, muss sich die anzuregende Antragstellung in der überwiegenden Zahl der Fälle günstig auswirken, ohne dass im Einzelfall eine Probeberechnung erforderlich wäre; Verwaltungsverfahren um ihrer selbst Willen müssen nicht initiiert werden, auch wenn § 88 Abs. 1 Satz 1 SGB VI sicherstellt, dass dem Versicherten keine Nachteile erwachsen können (BSG, a.a.O.). Maßgeblich ist damit, ob unter den Bestandsrentnern der Beklagten die Gruppe der Bezieher von KnRG wegen Vollendung des 60. Lebensjahres und Erwerbsunfähigkeit, die nach dem 01.01.1992 das 65. Lebensjahr vollendet haben, durch die Stellung eines Antrags auf Regelaltersrente nach dem SGB VI typischerweise einen messbaren finanziellen Vorteil auf Dauer erhalten.
Dies ist nach den von der Beklagten vorgelegten und zugrundezulegenden Zahlen nicht der Fall. Allerdings sind die von ihr in den Anlagen zu den Schriftsätzen vom 11.04. und 26.06.2000 ausgewiesenen Prozentsätze über die "maximale Anzahl der begünstigten Fälle" nicht maßgeblich. Denn die Werte beziehen sich auf zwei Teilmengen, nämlich zum einen auf die vom 01.01.1992 bis 31.08.1996, zum anderen auf die vom 01.09.1996 bis 31.12.1997 ermittelten Begünstigten. Entscheidend ist demgegenüber das Verhältnis der Gesamtzahl der Begünstigten zu der Gesamtzahl der Rentner (ggf. differenziert nach Leistungsarten und Jahrgängen). Dabei ergibt sich die Zahl der Begünstigten (B) aus der Differenz zwischen dem (Ausgangs-) Bestand (AB) vom 31.12.1991 und bereinigtem Bestand (BB), nämlich dem (End-) Bestand (EB) vom 31.12.1997 zuzüglich der Besitzschutzfälle (BSF), also der Rentenfälle, bei dem die erfolgte Umwandlung in die Regelaltersrente nicht zu einem höheren Zahlbetrag geführt hat.
Für die LEAT 62 ergibt sich danach Folgendes:
LEAT 62 – Schwerbehinderte EU/BU – § 48 Abs. 1 Nr. 1 RKG
a) Gesamt AB 28345 BB 17414 B 10931 B 38,56 %
b) nicht EU/BU vor 55 AB 18873 BB 11014 B 7859 B 41,64 %
c) EU/BU vor 55 AB 9472 BB 6400 B 3072 B 32,43 %
Die ermittelten Prozentzahlen sind zu mindern, weil bei der Berechnung unterstellt worden ist, dass alle verstorbenen Rentner zum begünstigsten Personenkreis gehören, obwohl anzunehmen ist, dass auch diese nur zu einem Teil eine höhere Regelaltersrente hätten beanspruchen können. Eine weitere Minderung kann sich dann ergeben, wenn man auf einen "messbaren finanziellen" bzw. einen "ins Gewicht fallenden" Vorteil abstellt (vgl. Seite 9 des amtlichen Umdrucks der Entscheidung 8 RKN 1/97). Ermittlungen hierzu bedarf es nicht, da bereits bei Zugrundelegung der für die Versicherten günstigen Ausgangswerte die maßgebliche Schwelle von 50 % (deutlich) unterschritten wird.
Ein anderes Bild ergibt sich auch nicht, wenn die Gesamtheit der Bezieher von Knappschaftsruhegeld wegen Vollendung des 60. Lebensjahres zugrundegelegt wird. Dies zeigen folgende Berechnungen.
LEAT 17 – Arbeitslosigkeit – § 48 Abs. 2 RKG
a) Gesamt AB 39588 BB 24362 B 15226 B 38,46 %
b) nicht EU/BU vor 55 AB 36423 BB 22209 B 14214 B 39,02 %
c) EU/BU vor 55 AB 3165 BB 2153 B 1012 B 31,97 %
LEAT 18 – weibliche Versicherte – § 48 Abs. 3 RKG. AB 2073 BB 1515 B 558 B 26,91 %
LEAT 19 – besondere Leistungsvoraussetzungen 48 I Nr. 2 RKG
a) Gesamt AB 491 BB 222 B 269 B 54,78 % b) nicht EU/BU vor 55 AB 452 BB 197 B 255 B 56,41 %
c) EU/BU vor 55 AB 39 BB 25 B 14 B 35,4 %
Bereits aus diesen Zahlen ist ersichtlich, dass die Zahl aller begünstigten Bezieher von Knappschaftsruhegeld (deutlich) unter 50 % liegt, weil sich nur für die Rentner der LEAT 19 ein darüberliegender Prozentsatz ergibt, deren Anteil an der Gesamtzahl aber verschwindend gering ist. Die genaue Berechnung belegt dies. Dabei wird wegen der tatsächlichen Besonderheiten (keine Unter-Tage-Tätigkeit) der Kreis der Versicherten LEAT 18 – weibliche Versicherte – ausgespart. Weil der prozentuale Anteil der Begünstigten dieser Gruppe wesentlich niedriger als bei den Rentnern der LEAT 17 und 62 ist, könnte deren Einbeziehung nur zu einer Verminderung des nachstehend ausgewiesenen Prozentsatzes führen.
LEAT 17, 19, 62
a) Gesamt AB 39588 (17) B 15226 (17)
AB 491 (19) B 269 (19)
AB 28345 (62) B 10931 (62)
AB 68424 26426
B 38,62 %
b) nicht EU/BU vor 55 AB 36423 (17) B 14214 (17)
AB 452 (19) B 255 (19)
AB 18873 (62) B 7859 (62)
AB 55748 B 22328
B 40,05 %
c) EU/BU vor 55 AB 3165 (17) B 1012 (17)
AB 39 (19) B 14 (19)
AB 9472(62) B 3072 (62) AB 12676 B 4098
B 32,33 %
Auch eine Differenzierung nach einzelnen Jahren (vgl. hierzu Seite 9 des amtlichen Umdrucks der BSG-Entscheidung 8 R KN 1/97) führt zu keinem anderen Ergebnis. Für den hier maßgeblichen Jahrgang 1928 ergeben die Zahlen der
LEAT 17
a) Gesamt AB 8621 EB 3603 BB 5288 BSF 1107 B 3333 BSF 578 BB 5288 B 38,66 %
b) nicht EU/BU vor 55 AB 7938 EB 3352 BB 4853 BSF 980 B 3085 BSF 521 BB 4853 B 38,86 %
c) EU/BU vor 55 AB 683 EB 251 BB 435 BSF 127 B 248 BSF 37 BB 435B 36,31 %
LEAT 19 a) Gesamt AB 75 EB 20 BB 35 BSF 12 B 40 BSF 3 BB 35 B 53,33 %
b) nicht EU/BU vor 55 AB 67 EB 17 BB 30 BSF 10 B 37 BSF 3 B 55,22 %
c) EU/BU vor 55 AB 8 EB 3 BB 5 BSF 2 B 3 BB 5 B 37,5 %
LEAT 62 a) Gesamt AB 6361 EB 2715 BB 3866 BSF 651 B 2495 BSF 500 BB 3866 B 39,22 %
b) nicht EU/BU vor 55 AB 4348 EB 1860 U)BB 2527
BSF 357 B 1821 BSF 310 BB 2527 B 41,88 %
c) EU/BU vor 55 AB 2013 EB 855 BB 1334 BSF 190 B 674 BSF 294 BB 1399 B 33,48 %
Auch hier gilt, dass (bei Aussparung der LEAT 18 aus den oben genannten Gründen) die Gesamtzahl der Rentner LEAT 17, 19 und 62 nicht zu einem überwiegenden Teil durch das neue Recht Vorteile erlangt hat, weil die über diesen Prozentsatz liegende Anzahl der Begünstigten der LEAT 19 im Vergleich zu den übrigen Gruppen praktisch nicht ins Gewicht fällt.
Eine Übersicht darüber, welche einzelnen Rechtsänderungen zu welchem Anteil höhere Renten nach sich gezogen haben, fehlt. Ihrer bedarf es auch nicht. Anzunehmen ist, dass ein Großteil der Rentenerhöhungen auf eine bessere Bewertung der Pflichtbeitragszeiten am Beginn des Versicherungslebens zurückgeht (§ 54 Abs. 4 RKG i. V. m. § 54 a Abs. 2 und 3 RKG/§ 70 Abs. 3 SGB VI in der ursprünglichen Fassung; vgl. hierzu Bl. 9 f. BSG-Urteils vom 09.12.1997 – 8 R KN 1/97 -). Dies wird dadurch bestätigt, dass der prozentuale Anteil der Rentner, die vor dem 55. Lebensjahr erwerbs- oder berufsunfähig, deswegen von der gegenüber der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten tendenziell ungünstigeren Bewertung der ersten fünf Versicherungsjahre im Knappschaftsrecht (keine Ausklammerung dieser Jahre) nicht betroffen waren und demzufolge aus der Angleichung im neuen Recht keine Vorteile ziehen konnten, geringer ist als bei den übrigen Rentnern. Dass selbst bei diesen, also bei der Gruppe von Rentnern ohne die von der Neuregelung (insofern) nicht betroffenen Rentnern der prozentuale Anteil der Begünstigten unter 50 liegt, verdeutlicht in besonderem Maße, dass die Rechtsänderung bei der Bewertung der ersten Versicherungsjahre nicht von solcher Bedeutung ist, dass sie eine Hinweispflicht der Beklagten hätte nach sich ziehen können. Insgesamt erklären sich die statistischen Ergebnisse aus Rechtsgründen durch die Vielfalt der durch das RRG 1992 bewirkten Änderungen und die Tatsache, dass diese jedenfalls teilweise abhängig vom Lebenssachverhalt werterhöhende als auch wert mindernde Auswirkungen haben. Dies hat die Beklagte in dem (aus einem Parallelverfahren beigezogenen) Schriftsatz vom 16.06.1998 eingehend und überzeugend analysiert. So kann eine günstigere Bewertung der beitragsfreien Zeiten nach neuem Recht (§ 71 Abs. 1 SGB VI) davon abhängen, ob nach dem RKG (vgl. dessen § 56 Abs. 2) die durch das RRG 1992 weggefallene Halbbelegung gegeben war. Als weiteres Beispiel für die Ambivalenz der Neureglungen ist die Bewertung der beitragsfreien Zeiten nach dem 31.12.1964 zu nennen, die sich nach dem RKG nach dem Monatswert aus den Beitrags- und beitragsfreien Zeiten bis zum Ende des Vorjahres bemessen, nach neuem Recht nach den Gesamtleistungswert (§ 71 ff. SGB VI). Danach führt das neue Recht nur bei hohen Folgebeiträgen zu einer Besserstellung, bei niedrigen zu einer Schlechterstellung. Insgesamt zeigt die angesprochene Analyse der Beklagten, dass das RRG 1992 einschneidende Änderungen bei der Rentenberechnung und insbesondere eine Vielzahl von Regelungen eingeführt hat, deren positiver oder negativer Effekt maßgeblich von den tatsächlichen Versicherungsverläufen bestimmt wird, so dass die Anzahl der durch das neue Recht Begünstigten davon abhängt, inwieweit die einzelnen Versicherungsverläufe deckungsgleich sind. Einen typischen Sachverhalt, der nach dem neuen Recht bei der überwiegenden Zahl einer Gruppe von Rentnern zu einer höheren Leistung führen würde, gibt es nach den von den Beklagten ermittelten statistischen Ergebnis sen und dem oben Gesagten nicht.
Soweit vereinzelt entgegen generellen Weisungen Dienststellen der Beklagten ohne Ermittlung einer Gruppe "geeigneter Fälle" Versicherte wegen einer Änderung ihrer Altersrente angeschrieben haben, hat dies weder eine nach Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes bei Anwendung von § 115 Abs. 6 SGB VI zu beachtende Verwaltungspraxis begründet noch den Anwendungsbereich dieser Norm erweitert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Das LSG hat dem Rechtstreit wegen der Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (Urteile vom 02.08.2000) grundsätzliche Bedeutung beigemessen.
Erstellt am: 10.08.2003
Zuletzt verändert am: 10.08.2003