Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 24.01.2017 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Durchführung einer Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V bei der Beklagten.
Der 1944 geborene Kläger ist gesundheitlich eingeschränkt. U.a. wegen einer gemischt chronischen Angst- und depressiven Störung, einer leichten Intelligenzminderung mit erheblicher Schreibschwäche, einem Zustand nach Hirninfarkten rechts und links mit Paresen beider Körperhälften, einem Zustand nach Herzinfarkt, Diabetes mellitus Typ II sowie chronischer Niereninsuffizienz Stadium III liegt seit 1994 volle Erwerbsminderung auf Dauer im Sinne des SGB VI vor.
Die Deutsche Rentenversicherung Rheinland (DRV) gewährt dem Kläger seit Juni 2009 eine (Alters-)Rente, die sich auf wenig mehr als 100 EUR monatlich beläuft. Aus dem Versicherungsverlauf ergeben sich Pflichtbeitragszeiten wegen Beschäftigung u.a. vom 17.07.1972 bis zum 08.03.1973. Für diesen Zeitraum wurden Beiträge zur AOK Bad H, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, abgeführt.
Von der Beigeladenen erhielt der Kläger seit 1987 (aufstockend) Leistungen der Grundsicherung (zunächst nach dem GSiG, später nach dem Vierten Kapitel des SGB XII).
Die Leistungsbewilligungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII erfolgten durch schriftliche "Monatsbescheide" oder tatsächliche Auszahlung des monatlichen Leistungsbetrages (letzter schriftlicher Bescheid vom 28.02.2016 für den Monat März), wobei verwertbares Vermögen der Leistungsgewährung zunächst nicht entgegenstand (letzte aktenkundige Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers im Frühjahr 2012).
Bei der Folgeprüfung im Frühjahr 2014 wies das Girokonto des Klägers per 25.04.2014 ein Guthaben i.H.v. 6.101,70 EUR aus. Der Kläger gab bei einer Vorsprache am 28.04.2014 an, das Geld für eine neue Waschmaschine, einen Kühlschrank, eine Brille sowie für seine Bestattungsvorsorge einsetzen zu wollen. Die Beigeladene gab dem Kläger auf, den Verbrauch des angesparten Betrages oberhalb der Schongrenze von 2.600 EUR bis zum 02.06.2014 nachzuweisen (Schreiben vom 28.04.2014).
Am 23.05.2014 schloss der Kläger mit der Fa. H.O. Bestattungen GmbH einen Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag i.H.v. 3.200 EUR, was er der Beigeladenen durch Vorlage der Vertragsunterlagen am 26.05.2014 nachwies.
Unter dem 31.05.2014 erließ die Beigeladene einen Bescheid, mit dem sie die Leistungen "vorläufig" einstellte.
Am 01.06.2014 belief sich das Guthaben auf dem Girokonto des Klägers nur noch auf 1.504,12 EUR.
Am 05.06.2014 sprach er erneut bei der Beigeladenen vor und beantragte die Wiedergewährung von Grundsicherungsleistungen ab dem 01.07.2014. Der zuständige Sachbearbeiter erklärte ihm, dass aufgrund der einmonatigen Unterbrechung des Leistungsbezuges nach dem SGB XII, eine Krankenversicherung im Rahmen der "Bürgerversicherung" möglich sei. Der Kläger sagte zu, sich diesbezüglich an die Beklagte zu wenden. Hierzu stellte der zuständige Sachbearbeiter der Beigeladenen ihm unter dem 05.06.2014 eine Bescheinigung aus, wonach "aufgrund des § 90 SGB XII ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII während des Zeitraumes vom 01.06.2014 bis zum 30.06.2014 nicht besteht".
Noch am selben Tag beantragte der Kläger unter Vorlage dieser Bescheinigung bei der Beklagten die Durchführung einer versicherungspflichtigen Mitgliedschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V ab dem 01.06.2014.
Mit Bescheid vom 30.06.2014 bewilligte die Beigeladene dem Kläger erneut Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII für Juli 2014. Auch in den Folgemonaten wurden diese Leistungen durchgehend erbracht. Außerdem gewährte die Beigeladene dem Kläger im Anschluss (weiter) Krankenhilfe nach Maßgabe der Regelungen des Fünften Kapitels des SGB XII.
Mit Bescheiden vom 25.11.2014 und 21.01.2015 erklärte die Beklagte (auch für die Pflegekasse), dass die begehrte Mitgliedschaft nicht durchgeführt werden könne. Der Kläger sei noch nie bei ihr versichert gewesen. Außerdem unterfalle er als Bezieher von Leistungen nach dem SGB XII auch dann nicht der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V, wenn der Anspruch für einen Monat nicht bestehe. Die ergebe sich etwa aus dem Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 27.07.2010 – S 17 KR 210/10 ER.
Dagegen wandte der Kläger im Widerspruchsverfahren ein, im Juni 2014 keine Leistungen nach dem SGB XII bezogen zu haben und seit dem 01.06.2014 auch über keinen anderweitigen Krankenversicherungsschutz zu verfügen. In diesem Sinne hätten etwa das Sozialgericht Oldenburg (Urteil vom 08.09.2011 – S 61 KR 151/11) sowie das Sozialgericht Freiburg (Urteil vom 17.11.2010 – S 19 KR 6442/08) entschieden.
Die Beigeladene teilte auf Anfrage der Beklagten mit, der Kläger habe im Juni 2014 nicht nur keine Leistungen nach den Bestimmungen des SGB XII erhalten, sondern es habe für diesen Zeitraum wegen Überschreitung der Vermögensfreigrenze (§ 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII) auch tatsächlich kein Leistungsanspruch bestanden. Nach Bekanntwerden des Guthabens auf dem Girokonto habe sie die Leistungen unverzüglich versagt. Spekulationen darüber, ob die Leistungen schon vor Juni 2014 hätten eingestellt werden können, seien mangels grob fahrlässigen Verhaltens des Klägers irrelevant.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.04.2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der jahrzehntelange Bezug von Grundsicherungsleistungen des Klägers sei lediglich im Juni 2014 unterbrochen gewesen. Seitdem stehe er wieder im laufenden Leistungsbezug bei der Beigeladenen. Wegen der geringen Einnahmen des Klägers müsse das Ansparen eines Betrages oberhalb der Vermögensfreigrenze einen längeren Zeitraum in Anspruch genommen haben. Dies hätte der Beigeladenen rechtzeitig auffallen müssen. Offenbar seien die Vermögensprüfungen nicht gründlich genug erfolgt. Die Leistungsversagung für den Monat Juni 2014 könne daher nicht zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gehen. Eine möglicherweise gesteuerte Unterbrechung des Sozialhilfebezuges müsse ausgeschlossen werden.
Am 05.05.2015 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Köln erhoben.
Im Zeitpunkt der Antragstellung bei der Beklagten sei er nicht Empfänger laufender Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII gewesen. Bei einer Unterbrechung des Sozialhilfebezuges von mindestens einem Monat trete nach § 5 Abs. 8a S. 2 und 3 SGB V Versicherungspflicht in der GKV ein. Da eine einmal begründete Versicherungspflicht in der GKV auch dann bestehen bleibe, wenn später (wieder) Sozialhilfeleistungen bezogen würden, komme es nicht darauf an, dass er seit dem 01.07.2014 wieder Grundsicherungsleistungen von der Beigeladenen erhalte. Dabei sei nach Auffassung des Sozialgerichts Oldenburg (a.a.O. Rn. 25) sogar ein bewusster Umgehungswille unerheblich.
Bei dem Ausschluss der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V durch § 5 Abs. 8a S. 2 SGB V gehe das Gesetz abstrakt von dem Bestehen eines anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall aus, wenn Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII beansprucht werden könnten. Aufgrund seines Vermögens habe der Kläger im Juni 2014 keine Leistungen nach dem SGB XII beziehen können. Somit habe für ihn nicht die Möglichkeit einer anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall bestanden.
Im Sinne des § 5 Abs. 8a S. 2 SGB V "empfangen" würden laufende Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII nur in dem Zeitraum, für den sie vom Sozialhilfeträger durch Verwaltungsakt zuerkannt würden. Hier habe die Beigeladene jedoch für Juni 2014 bestandskräftig die Gewährung von Leistungen abgelehnt, da kein Anspruch bestanden habe. Mit der von der Beigeladenen getroffenen Bestimmung über den (Wieder-)Beginn des Leistungsanspruchs stehe gleichzeitig fest, ob Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V eintrete oder nicht (BSG, Urteil vom 06.10.2010 – B 12 KR 25/09 R Rn. 17).
Ggf. sei der Bescheid der Beigeladenen vom 31.05.2014 als Aufhebungsbescheid nach § 48 SGB X zu werten, wobei die tatbestandlichen Voraussetzungen dafür erfüllt seien.
Der Kläger hat beantragt,
die Bescheide der Beklagten vom 25.11.2014 und 21.01.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.04.2015 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger ab dem 01.06.2014 pflichtversichertes Mitglied der Beklagten ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Ergänzend hat sie ausgeführt, der Bescheid der Beigeladenen vom 28.02.2014 sei zeitlich nicht befristet gewesen und damit als Dauerverwaltungsakt anzusehen, der auch für Juni 2014 noch ein Leistungsanspruch begründet habe. Im Übrigen spreche einiges dafür, dass der Kläger und die Beigeladene mit Blick auf die Erlangung einer Versicherungspflicht in der GKV eng zusammenarbeiteten.
Die mit Beschluss des Sozialgerichts vom 29.08.2016 hinzugezogene Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Dem Kläger sei am 28.04.2014 mitgeteilt worden, dass er einen gewissen Betrag für seine Bestattung anlegen könne, was er jedoch zu belegen habe. Da für den Monat Juni 2014 Grundsicherungsleistungen nicht durch Dauerverwaltungsakt bewilligt worden seien, habe es einer Aufhebung des Bescheides vom 28.02.2014 nach § 48 SGB X nicht bedurft. In der Zeit von April bis Mai 2014 sei die Bewilligung der Leistungen durch bloße Zahlung erfolgt. Der Kläger sei der Aufforderung der Beigeladenen, den Vermögensverbrauch bis zu einem Betrag unterhalb der Vermögensfreigrenze bis zum 02.06.2014 nachzuweisen, erst am 05.06.2014 durch Vorlage eines Kontoauszugs nachgekommen. Zwar habe eine Bedürftigkeit und damit ein Leistungsanspruch des Klägers im Juni 2014 tatsächlich bestanden, jedoch sei der Bescheid vom 31.05.2014, mit dem die Leistungen für diesen Monat eingestellt worden sei, bestandskräftig geworden und bedürfe keiner weiteren Überprüfung.
Mit Urteil vom 24.01.2017, der Klägerbevollmächtigten zugestellt am 16.03.2017, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, eine Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V sei wegen § 5 Abs. 8a S. 2 SGB V ausgeschlossen. Der Kläger sei im Juni 2014 Empfänger laufender Leistungen der Beigeladenen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII gewesen. Die materiell-rechtlichen Leistungsvoraussetzungen hätten im Juni 2014 insoweit vorgelegen.
Dem stehe nicht entgegen, dass die Beigeladene mit Bescheid vom 31.05.2014 die Leistungen eingestellt habe. Denn nur eine rechtmäßige Leistungsunterbrechung könne über § 5 Abs. 8a S. 2 und 3 SGB V zu einer Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V führen (LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 26.01.2010 – L 11 KR 2274/09 und vom 10.05.2016 – L 11 KR 5133/14). Diese Auslegung sei vom Wortlaut des § 5 Abs. 8a S. 2 und 3 SGB V umfasst und ergebe sich aus der Gesetzessystematik sowie dem Zweck dieser Vorschriften. Der Gesetzgeber habe eine unter Umständen "gesteuerte" Herbeiführung der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V durch Unterbrechung des Sozialhilfeleistungsbezugs vermeiden wollen (BT-Drs. 16/3950 Seite 8). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 06.10.2010 – B 12 KR 25/09 R) sei für den "Empfang" der in § 5 Abs. 8a S. 2 SGB V genannten Leistungen die "Inhaberschaft eines Anspruchs" maßgebend. Auch in § 5 Abs. 8a S. 3 SGB V könne daher nur eine rechtmäßige "Unterbrechung" des Leistungsbezuges gemeint sein; denn der Gesetzgeber dürfe bei Behörden von rechtmäßigem Verwaltungshandeln ausgehen. Gesonderter gesetzlicher Regelungen, um die Umgehung des gesetzgeberischen Willens zu verhindern, habe es entgegen der Rechtsauffassung des Sozialgerichts Oldenburg nicht bedurft.
Diese Auslegung stehe auch nicht in Widerspruch zu dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 24.06.2008 – B 12 KR 29/07 R, wonach die Träger der GKV die Tatbestandswirkung von Bescheiden, die Leistungen in Form von Arbeitslosengeld II bewilligen, ohne eigenes Prüfungsrecht hinzunehmen haben. Denn hier gehe es um eine (rückwirkende) Aufhebung und nicht um eine Bewilligung von Leistungen. Unabhängig davon könne nach der genannten Entscheidung des Bundessozialgerichts die Tatbestandswirkung eines Bescheides eingeschränkt werden, wenn sich aus dem Gesetz ergebe, dass ein nicht anfechtungsberechtigter Dritter von der Tatbestandswirkung ausgenommen sein solle. So liege der Fall auch hier, was dem Sinn und Zweck des § 5 Abs. 8a S. 2 und 3 SGB V zu entnehmen sei.
Dagegen richtet sich die am 18.04.2017 eingelegte Berufung des Klägers. Die Rechtsauffassung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Auch sei nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts nicht entscheidend, ob Sozialhilfeleistungen in dem fraglichen Zeitraum tatsächlich erbracht bzw. bezogen worden seien, sondern ob sie beansprucht werden könnten. Dies sei hier mit Blick auf den von der Beigeladenen am 31.05.2014 erlassenen Bescheid für den Monat Juni 2014, der zu einer Leistungsunterbrechung geführt habe, nicht der Fall. Dieser Bescheid sei bestandskräftig geworden und auch nicht offensichtlich rechtswidrig. Im Juni 2014 hätten aufgrund ungeklärter Vermögensverhältnisse begründete Zweifel an der Hilfebedürftigkeit des Klägers bestanden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 24.01.2017 abzuändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält es für "mutig", die Übertragbarkeit der Ausführungen des Landessozialgerichts Baden-Württemberg zu bestreiten. Es sei "absurd", anzunehmen, dass ein fehlerhaftes Verwaltungshandeln den Eintritt von Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V zur Folge haben könne.
Die Beklagte geht jedoch davon aus, dass der Kläger zuletzt bei ihr bzw. ihrer Rechtvorgängerin, der AOK Bad H, versichert gewesen ist.
Sie erklärt ferner, dass in den Bescheiden vom 25.11.2014 bzw. 21.01.2015 lediglich eine Regelung zur Versicherung des Klägers in der GKV getroffen werden sollte.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag. Sie schließt sich den Ausführungen des Berufungsklägers an. Insbesondere trägt sie vor, anders als in dem vom Landessozialgerichts Baden-Württemberg entschiedenen Fall (L 11 KR 5133/14) gehe es hier um eine in die Zukunft gerichtete Leistungsunterbrechung.
Sie gehe allerdings nunmehr ebenfalls davon aus, dass dem Kläger materiell-rechtlich ein Leistungsanspruch im Juni 2014 wieder zugestanden habe. Die Leistungseinstellung für den Monat Juni 2014 sei wohl nur deshalb erfolgt, weil am 28.04.2014 eine Einstellung für den Monat Mai 2014 technisch nicht mehr möglich gewesen sei.
Im Übrigen hätte der Kläger aus ihrer heutigen Sicht schon am 05.06.2014 darauf hingewiesen werden müssen, dass ihm Grundsicherungsleistungen wieder zustanden.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Beigeladenen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
A) Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn diese ist zwar als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.
Gegenstand des Klageverfahrens ist dabei die Frage, ob es die Beklagte durch die Bescheide vom 25.11.2014 und 21.01.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.04.2015 zu Recht abgelehnt hat, ab dem 01.06.2014 eine versicherungspflichtige Mitgliedschaft des Klägers in der GKV – nach dem hier allein in Betracht zu ziehenden Tatbestand des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V (sog. Bürgerversicherung) – durchzuführen.
Der Kläger ist nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 SGG beschwert, da die genannten Bescheide, gegen deren formelle Rechtmäßigkeit keine Bedenken bestehen, auch materiell rechtmäßig sind.
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V sind Personen versicherungspflichtig, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, es sei denn, dass sie zu den in § 5 Abs. 5 SGB V oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 genannten Personen gehören oder bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätten.
I. Der Kläger war zwar zuletzt bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin (der AOK Bad H) gesetzlich krankenversichert, was zwischen den Beteiligten inzwischen auch unstreitig ist.
II. Dennoch sind die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V nicht erfüllt, weil der Kläger auch ab dem 01.06.2014 einen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 13 lit a) SGB V hatte. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 5 Abs. 8a S. 2 SGB V, der das Merkmal eines anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall näher konkretisiert (vgl. Peters in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Stand: 99. EL Mai 2018, § 5 SGB V Rn. 170) und dessen Voraussetzungen – wie das Sozialgericht zu Recht angenommen hat – hier erfüllt sind.
1. § 5 Abs. 8a S. 2 SGB V greift ein, wenn eine Person "Empfänger" laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Sechsten bzw. Siebten Kapitel des SGB XII oder nach § 2 des AsylbLG ist. Dies ist der Fall, wenn Leistungen – in dem maßgeblichen Zeitraum – beansprucht werden können, wobei es keine Rolle spielt, ob diese auch tatsächlich erbracht bzw. bezogen wurden (BSG, Urteil vom 06.10.2010 – B 12 KR 25/09 R Rn. 18 ff.).
a) Ob eine Leistung beansprucht werden kann, hängt zunächst davon ab, ob die materiell-rechtlichen Leistungsvoraussetzungen erfüllt sind.
Dies ist hier mit Blick auf die für den Kläger allein in Betracht zu ziehenden Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII und den Monat Juni 2014 der Fall, wovon die Beigeladene selbst entgegen ihrer Bescheinigung vom 05.06.2014 und dem Bescheid vom 31.05.2014 inzwischen ausgeht.
Der Kläger gehörte nach § 41 Abs. 2 S. 1 und S. 2 SGB XII zu dem leistungsberechtigten Personenkreis. Gemäß § 41 Abs. 1 S. 1 SGB XII in der bis zum 31.12.2015 geltenden Fassung (a.F.). Zu berücksichtigendes Einkommen (§§ 82-84 SGB XII a.F.) oder Vermögen (§ 90 SGB XII a.F.) standen dem Anspruch, (aufstockende) Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII zu erhalten, nicht (mehr) entgegen. Denn seine (einzigen) laufenden Einkünfte aus der Altersrente der DRV i.H.v. etwas mehr als 100 EUR monatlich waren offenkundig nicht bedarfsdeckend. Auch sein verwertbares Vermögen unterschritt zum 01.06.2014 die hier einschlägige Vermögensfreigrenze von 2.600 EUR (vgl. § 41 Abs. 1 S. 1 SGB XII a.F. i.V.m. § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 S. 1 Nr. 9 SGB XII a.F.). Das Guthaben auf dem Girokonto belief sich zu diesem Zeitpunkt auf 1.504,12 EUR und überstieg auch danach bis zum 01.07.2014 den Grenzbetrag ausweislich der vorliegenden Kontoauszüge nicht. Dass sich das in den Bestattungsvorsorge- bzw. Bestattungsvorsorge-Treuhandverträgen des Klägers mit der Fa. H: O. Bestattungen GmbH "gebundene" Vermögen (i.H.v. 3.200 EUR) nicht anspruchsschädlich auswirkt, ist zwischen den Beteiligten unstreitig und auf der Basis der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Beschluss vom 21.11.2017 – B 8 SO 51/17 B sowie Urteil vom 18.08.2008 – B 8/9b SO 9/06 R Rn. 20 ff.) nicht zu beanstanden, weil Anhaltspunkte für einen "direkten Vorsatz" des Klägers zur Erlangung von Sozialhilfeleistungen weder ersichtlich noch geltend gemacht sind.
Den nach der "Leistungseinstellung" (dazu auch noch weiter unter b)) der Beigeladenen (wieder) erforderlichen (dazu BSG, Urteil vom 29.09.2009 – B 8 SO 13/08 R Rn. 10 f.) Antrag (vgl. § 41 Abs. 1 S. 1 SGB XII) hat der Kläger im Rahmen seiner Vorsprache am 05.06.2014 bei der Beigeladenen gestellt. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen auf Seite 12 des angefochtenen Urteils des Sozialgerichts, die er sich zu eigen macht, und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Selbst wenn man dies anders sehen wollte, wäre der Kläger nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches so zu stellen, als hätte er diesen Antrag gestellt. Denn die Beigeladene räumt selber ein, dass er bei der Vorsprache am 05.06.2014 darüber hätte belehrt werden müssen, dass nach Unterschreiten der Vermögensfreigrenze ein Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel das SGB XII wieder bestand. Die Antragstellung wirkt auf den Monatsersten zurück (vgl. § 44 S. 2 SGB XII a.F.).
b) Obwohl die Beigeladene die Leistungen durch den Bescheid vom 31.05.2014 eingestellt hat, konnte der Kläger die Grundsicherungsleistungen im Juni 2014 weiterhin beanspruchen.
aa) Dabei ist der Beigeladenen zunächst insofern beizupflichten, als es sich bei der "Leistungseinstellung" inhaltlich um eine schlichte Leistungsablehnung gehandelt hat. Der Aufhebung (nach § 48 SGB X) bereits bewilligter Leistungen für die Zeit nach dem 31.05.2014 bedurfte es nicht, weil die Beigeladene die Leistungen an den Kläger nur monatsabschnittsweise bewilligt hat und damit eine Leistungsbewilligung für den Monat Juni 2014 noch nicht vorlag. Die monatsweise Bewilligung war auch rechtlich unbedenklich, weil die zeitliche Vorgabe in § 44 S. 1 SGB XII a.F. nicht verbindlich ist (vgl. dazu H. Schellhorn in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Auflage 2015, § 44 Rn. 8).
Diese Leistungsablehnung ist – für den Monat Juni 2014 – auch in Bestandskraft (§ 77 SGG) erwachsen (a.A. in einem ähnlichen Fall wohl LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.10.2015 – L 5 KR 5332/13 Rn. 42). Denn der Kläger hat – auch anlässlich seiner Vorsprache bei der Beigeladenen am 05.06.2014 wohl wegen des pflichtwidrig unterbliebenen Hinweises auf das (Wieder-)Bestehen des Leistungsanspruches – keinen Widerspruch gegen den Bescheid vom 31.05.2014 eingelegt.
Im Übrigen kann ein neuer Antrag (hier: vom 05.06.2014) zwar zur Erledigung (vgl. § 39 Abs. 2 SGB X) einer schlichten Leistungsablehnung führen. Dies gilt aber nur dann, wenn über den Neuantrag eine Entscheidung ergeht, und für den Zeitraum, der von der auf den Neuantrag gefällten Entscheidung betroffen ist (vgl. zum Ganzen ausführlich BSG, Urteil vom 11.12.2007 – B 8/9b SO 12/06 R Rn. 8). Da die Beigeladene auf den Antrag des Klägers vom 05.06.2014 erst für den Monat Juli 2014 eine Entscheidung getroffen hat (Bescheid vom 30.06.2014), ist eine Erledigung für den Leistungsmonat Juni 2014 nicht eingetreten. Die Leistungsablehnung hatte für diesen Zeitraum also weiter Bestand.
bb) Die Beanspruchung weiterer Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII für den Monat Juni 2014 steht die Bestandskraftwirkung jedoch nicht entgegen.
Dies ergibt sich zunächst aus der im Wesentlichen auf die Gesetzessystematik sowie die Gesetzesbegründung gestützte Argumentation des Sozialgerichts in der angefochtenen Entscheidung bzw. des Landessozialgerichts Baden-Württemberg in dem Urteil vom 10.05.2016 – L 11 KR 5133/14 (Rn. 36-47), wonach bei der Anwendung von § 5 Abs. 8a S. 2 und 3 SGB V letztlich allein auf die materiell-rechtliche Rechtslage abzustellen ist. Dies muss zumindest dann gelten, wenn der Leistungsträger – hier die Beigeladene -, wie sich aus ihren Verwaltungsvorgängen ergibt, unter Ausnutzung der fehlenden Rechtskunde des Leistungsberechtigten – hier des Klägers – offensichtlich zielgerichtet einen "Unterbrechungszeitraum" von genau einem Monat rechtswidrig konstruiert. Im Übrigen schließt sich der Senat der Argumentation des Sozialgerichts nach eigener Prüfung an und sieht auch insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Abgesehen davon kann zwar ein bestandskräftiger Verwaltungsakt eines Leistungsträgers aufgrund seiner Tatbestandswirkung (Drittbindungswirkung) einem anderen Leistungsträger grundsätzlich als bindend entgegengehalten werden.
Von diesem Grundsatz hat die sozialgerichtliche Rechtsprechung aber schon in anderen Bereichen Ausnahmen zugelassen. So ist etwa nach Entscheidungen des Bundessozialgerichts zu Erstattungsansprüchen im Zweiten Abschnitt des Dritten Kapitels des SGB X anerkannt, dass die Tatbestandswirkung dann unbeachtlich ist, wenn sich ein Verwaltungsakt als offensichtlich fehlerhaft erweist und sich dies zum Nachteil des anderen Leistungsträgers auswirkt (vgl. etwa BSG, Urteil vom 26.06.2008 – B 13 R 37/07 R Rn. 14; BSG, Urteil vom 30.05.2006 – B 1 KR 17/05 R Rn. 30; BSG, Urteil vom 01.04.1993 – 1 RK 10/92; BSG, Urteil vom 13.09.1984 – 4 RJ 37/83). Diese Grundsätze lassen sich auf die vorliegende Fallkonstellation übertragen; denn die Fallgestaltungen stimmen insoweit überein, als es letztlich um die Kostentragungspflicht eines Leistungsträgers geht, welche von einem anderen Leistungsträger durch dessen Verwaltungsentscheidung gesteuert werden kann. Zudem ist in beiden Konstellationen ein direktes Einwirken des drittbetroffenen Leistungsträgers (hier: der Beklagten) auf die Rechtmäßigkeit und den Bestand des Verwaltungsakts (hier: der Beigeladenen) nicht vorgesehen.
Auch in dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 24.06.2008 – B 12 KR 29/07 R (Rn. 15) ist, worauf das Sozialgericht zu Recht hingewiesen hat, ausgeführt, dass die Tatbestandswirkung spezialgesetzlichen Beschränkungen unterworfen sein kann, wobei es ausreicht, wenn sich Indizien dafür aus der Gesetzesbegründung ergeben. Hier lassen sich solche Beschränkungen aus der § 5 Abs. 8a S. 2 und 3 SGB V bzw. der diesen Vorschriften zu Grunde liegenden Gesetzesbegründung ableiten. Denn danach soll die Versicherungspflicht in der GKV nicht willkürlich durch den Leistungsträger herbeigeführt werden können, sodass der Träger der GKV die Versicherungspflicht ohne greifbare Anfechtungsmöglichkeit hinnehmen muss. Eine "Steuerung" der Versicherungspflicht durch den Leistungsträger nach des SGB XII bzw. des AsylbLG wollte der Gesetzgeber gerade vermeiden (BSG, Urteil vom 06.10.2010 – B 12 KR 25/09 R Rn. 24 m.w.N.). Dies gilt in besonderem Maße, wenn diese "Steuerung" – wie oben dargelegt – rechtswidrig und zielgerichtet erfolgt, um sich zulasten eines anderen Leistungsträgers der Leistungspflicht zu entziehen.
2. Wirkt der Leistungsantrag vom 05.06.2014 auf den Monatsersten zurück (§ 44 S. 2 SGB XII a.F. – s.o.), war der Kläger im ganzen Monat Juni 2014 "Empfänger" laufender Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII. Mangels Leistungsunterbrechung schließt damit auch § 5 Abs. 8a S. 3 SGB V die Anwendung von § 5 Abs. 8a S. 2 SGB V im vorliegenden Fall nicht aus.
B) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 S. 1 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.
C) Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Erstellt am: 15.10.2020
Zuletzt verändert am: 15.10.2020