NZB als unzulässig verworfen
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 15.01.2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Kosten sind einander in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Erstattung des Betrages, den die Klägerin für eine an sie ausgegebene Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung schwerbehinderter Menschen im öffentlichen Personenverkehr entrichtet hat.
Die am 00.00.1990 geborene Klägerin ist angolanische Staatsangehörige. Sie hält sich seit 2004 im Bundesgebiet auf und ist im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling bezog sie zunächst Jugendhilfeleistungen. Im Anschluss an eine Berufsförderungsmaßnahme ging sie einer Erwerbstätigkeit nach und erhielt nach deren Beendigung Arbeitslosengeld und aufstockend Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Seit Mai 2011bezieht sie Leistungen gem § 3 ff Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).
Mit Bescheid vom 07.09.2009 stellte die Beklagte einen Grad der Behinderung (GdB) von 80 wegen einer geistigen Behinderung sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Nachteilsausgleiche "erhebliche Gehbehinderung" (G) und "Erfordernis ständiger Begleitung" (B) fest. Am 30.08.2011 beantragte die Klägerin die Ausstellung eines neuen Beiblattes zur unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr und fragte an, ob die Möglichkeit bestehe, rückwirkend die Kosten der Wertmarken zu erstatten, da sie bereits seit Mai 2011 Leistungen nach dem AsylbLG erhalte. Mit Bescheid vom 13.10.2011 lehnte die Beklagte die Ausstellung eines kostenfreien Beiblattes ab, da die Klägerin keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), keine Leistungen nach dem dritten und vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII), keine Leistungen nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) vom Jugendamt, keine Leistungen der ergänzenden Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 27a Bundesversorgungsgesetz (BVG) und auch keine Leistungen für den Lebensunterhalt nach § 27d BVG erhalte. Die Klägerin wurde aufgefordert alternativ 60 Euro für das Beiblatt mit der 1-Jahreswertmarke oder 30 Euro für das Beiblatt mit der Halbjahreswertmarke zu zahlen. Im Folgenden überwies die Klägerin 60 Euro für den Zeitraum ab November 2011 und legte am 18.10.2011 Widerspruch ein. Auch für Leistungsempfänger nach dem AsylbLG sei aus Gründen der Gleichbehandlung eine kostenlose Wertmarke auszustellen. Mit Widerspruchsbescheid vom 30.11.2011 wies die Bezirksregierung Münster den Widerspruch als unbegründet zurück.
Am 08.12.2011 hat die Klägerin beim Sozialgericht Köln (SG) Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, dass das Bundessozialgericht (BSG) durch Urteil vom 03.09.2011 festgestellt habe, dass auch Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG in wortlauterweitender Auslegung des § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) einen Anspruch auf Befreiung von den Kosten der Wertmarke hätten. Für den Anspruch auf die Befreiung komme es maßgeblich darauf an, ob Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gewährt würden. Nach dem Willen des Gesetzgebers hätten alle Personen erfasst werden sollen, die zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhalts Leistungen der öffentlichen Fürsorge erhalten. Maßgebend sei die Zuordnung eines Personenkreises zum "System des Sozialhilferechts" in materiell-rechtlicher Hinsicht. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebiete es, den begünstigten Personenkreis nach sachgemäßen Erwägungen zu bestimmen. Zwar würden nach § 9 AsylbLG Leistungsberechtigte keine Leistungen nach dem SGB XII erhalten. Dies gelte sowohl für Grundleistungsempfänger als auch Analog-leistungsempfänger. Es seien jedoch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber damit mittelbar alle Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG von der sozialen Vergünstigung nach dem SGB IX habe ausschließen wollen. Den Materialien zur Einführung des AsylbLG 1993 sei nicht zu entnehmen, dass sich der mit dessen Einführung verbundene Systemwechsel auch im Schwerbehindertenrecht auswirken sollte. Die Reichweite des § 9 AsylbLG sei systematisch auf das Verhältnis zwischen AsylbLG und SGB XII begrenzt und erstrecke sich nicht auf das Aufgaben- und Leistungsprogramm anderer Leistungsträger. Zwar sei das AsylbLG nicht in das SGB eingegliedert worden. Auch sei eine bewusste Schlechterstellung dieses Personenkreises gegenüber den unmittelbar nach dem BSHG bzw SGB XII leistungsberechtigten Personen gewollt gewesen. Hieraus könne jedoch nicht geschlossen werden, dass auch eine Schlechterstellung dieses Personenkreises im Schwerbehindertenrecht gewollt gewesen sei. § 9 AsylbLG diene lediglich der Klarstellung, dass Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG keine weiteren existenzsichernden Leistungen nach dem SGB XII erhalten. Demgegenüber sei es Zweck des Schwerbehindertenrechts, alle Menschen mit Behinderungen – unabhängig von ihrem aufenthaltsrechtlichen Status – durch einen möglichst weitgehenden Ausgleich ihrer Behinderungen in die Gesellschaft zu integrieren. Eine Schlechterstellung der schwerbehinderten Klägerin sei verfassungswidrig. Aus ihrer Stellung als Schwerbehinderte würden ihr Teilhabe- und Gleichbehandlungsansprüche unter Einbeziehung staatlich gewährter Vergünstigungen erwachsen. Spätestens ab Erteilung eines rechtmäßigen Aufenthaltstitels sei es sachlich nicht zu rechtfertigen, die Klägerin in Bezug auf den Zugang zu sozialen Vergünstigungen anders zu behandeln, als nach dem SGB XII leistungsberechtigte behinderte Menschen. Unerheblich sei auch, dass sie – anders als in dem durch das BSG entschiedenen Sachverhalt – Leistungen gemäß § 3 und nicht gemäß § 2 AsylbLG beziehe. Sie erhalte nur deshalb keine Leistungen nach § 2 AsylbLG, weil sie im Anschluss an eine Berufsförderungsmaßnahme einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sei und insoweit noch nicht vier Jahre Grundleistungen gemäß § 3 erhalten habe. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe mit Urteil vom 18.07.2012 (1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11) festgestellt, dass die Grundleistungen nach § 3 Abs 2 S 2 Nr 1 sowie Abs 2 S 3 iVm Abs 1 S 4 Nr 2 AsylbLG verfassungswidrig seien. Das menschenwürdige Existenzminimum könne mit den evident unzureichenden Geldleistungen nach diesen Vorschriften nicht gedeckt werden. Die Klägerin erhalte deshalb rückwirkend ab April 2011 Leistungen auf der Grundlage der Übergangsregelung des BVerfG analog dem Regelbedarfsermittlungsgesetz. Unter Berücksichtigung dieser Entscheidung des BVerfG sei festzustellen, dass die Leistungen nach dem AsylbLG zweckidentisch denen des SGB XII und dem Sicherungssystem des Sozialhilferechts zugewiesen seien. Es bestehe kein sachlicher Grund für den Ausschluss der Klägerin von dem Anspruch auf Ausgabe einer kostenfreien Wertmarke.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2011 zu verurteilen, ihr die gezahlten Kosten für die Wertmarke zu erstatten und ihr das Beiblatt mit kostenloser Wertmarke für die unentgeltliche Beförderung im Straßenverkehr auszustellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, das BSG habe mit dem Urteil vom 06.10.2011 (B 9 SB 7/10 R) lediglich eine Einzelfallentscheidung für den Personenkreis der Leistungsbezieher nach § 2 AsylbLG getroffen, welche für den Personenkreis des § 3 AsylbLG keine Anwendung finde. Das BSG habe eine analoge Anwendung des § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX davon abhängig gemacht, dass die betroffenen Personen ihre Leistungen in entsprechender Anwendung des dritten und vierten Kapitels des SGB XII bezogen und materiell-rechtlich den Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichgestellt seien. Anders als Leistungsbezieher nach §§ 3 bis 7 AsylbLG erhielten Leistungsbezieher nach § 2 Abs 1 AsylbLG Leistungen in entsprechender Anwendung des SGB XII. Sie erhielten neben dem notwendigen Lebensunterhalt in analoger Anwendung auch Mehrbedarfszuschläge, einmalige Bedarfe, Bedarfe für Bildung und Teilhabe, Kosten der Unterkunft und Heizung, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Hilfe bei Krankheit, bei Schwangerschaft und Mutterschutz, Hilfe zur Pflege und Pflegegeld. Außerhalb einer Gemeinschaftsunterkunft gelte für sie der Vorrang des Geldleistungsprinzips analog zu § 10 Abs 3 SGB XII. Damit seien Leistungsbezieher nach § 2 Abs 1 AsylbLG den Sozialhilfeempfängern materiell-rechtlich im Wesentlichen gleichgestellt. Im Gegensatz hierzu würden den Leistungsempfängern nach § 3 bis 7 AsylbLG die Leistungen vorrangig als Sachleistungen gewährt. Ein Rechtsanspruch auf weitere Leistungen mit Ausnahme derjenigen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt bestehe nicht. Mit § 6 AsylbLG habe der Gesetzgeber insofern nur eine Ermessensregelung zur Erbringung von sonstigen, über den Grundbedarf hinausgehende Leistungen im Einzelfall getroffen. Insoweit würden Leistungsempfänger gemäß § 3 bis 7 AsylbLG ihre Leistungen weder in analoger Anwendung des SGB XII erhalten noch seien sie den Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichgestellt. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aufgrund der Entscheidung des BVerfG vom 18.07.2012, da es dort allein um die Höhe der nach dem AsylbLG zu bewilligenden Geldleistungen gegangen sei. Das BVerfG überlasse es dem Gesetzgeber aber weiterhin, ob er das Existenzminimum durch Geld-, Sach- oder Dienstleistungen sichere. Eine materiell-rechtliche Gleichstellung der Leistungsempfänger nach den §§ 3 – 7 AsylbLG mit den Sozialhilfeempfängern habe durch die Anpassung der Geldbeträge nicht stattgefunden.
Mit Urteil vom 15.01.2013 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, der Klägerin die gezahlten Kosten für die Wertmarke zu erstatten und ihr das Beiblatt mit kostenloser Wertmarke für die unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr auszustellen. Aus der verfassungskonformen Auslegung des § 145 Abs 1 S 5 Ziffer 2 SGB IX ergebe sich, dass auch Bezieher von Leistungen nach § 3 AsylbLG ab dem Jahr 2011 von der Eigenbeteiligung zu befreien seien. Ausweislich des Urteils des BSG vom 25.10.2012 (B 9 SB 1/12 R) sei es Ziel der Vergünstigung des § 145 SGB IX gewesen, die Teilhabe schwerbehinderter Menschen am öffentlichen Personenverkehr durch erleichterten Zugang zu öffentlichen Transportmitteln zu fördern, da Mobilität als Grundbedürfnis der modernen Gesellschaft anerkannt werde. Die Regelung von Ausnahmen von der Eigenbeteiligung für die Ausgabe der zur Beförderung berechtigenden Wertmarke habe dem Zweck gedient, "die Belange typischer Gruppen einkommensschwacher Freifahrtberechtigter" zu berücksichtigen, "ohne das die Versorgungsämter die Höhe des Einkommens im Einzelnen prüfen müssten". Bereits aus der Gesetzeshistorie ergebe sich, dass die Ausgabe einer kostenfreien Wertmarke eine Ausnahme von der Regel einer Freifahrtberechtigung unter Zahlung einer Eigenbeteiligung darstelle. Das Privileg unentgeltlicher Beförderung ohne Eigenbeteiligung habe nur einem begrenzten Personenkreis zukommen sollen. Die Befreiungsvorschrift sei daher grundsätzlich eng auszulegen. In seiner Entscheidung vom 06.10.2011 (B 9 SB 7/10 R) habe das BSG jedoch ausgeführt, dass es eine weite Auslegung des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem dritten und vierten Kapitel des Zwölften Buches" im Sinne des § 145 Abs 2 S 5 Nr 2 SGB IX für richtig halte. Von diesem Begriff seien nicht nur Leistungen umfasst, die ihren Rechtsgrund allein im SGB XII hätten, sondern auch für den Lebensunterhalt laufende Leistungen, die in entsprechender Anwendung des dritten und vierten Kapitels des SGB XII an Personen erbracht würden, die Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichständen. Dem stehe nicht entgegen, dass es sich bei § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX um eine Ausnahmevorschrift handele. Die Regel, dass derartige Vorschriften grundsätzlich eng auszulegen seien, gelte nicht allgemein. Entscheidend sei vielmehr der Grund aus dem der Gesetzgeber eine bestimmte Gruppe von Fällen aus dem Anwendungsbereich der Regelvorschrift herausgenommen habe. Das BSG habe ausgeführt, dass der Gesetzgeber die Vergünstigung der kostenfreie Wertmarke nicht allen einkommensschwachen Personen zukommen lassen wolle. Vielmehr habe er eine systembezogene Zuordnung zugenommen. Von entscheidender Bedeutung sei die Zuordnung von Freifahrtberechtigten zu dem System der öffentlichen Fürsorge. Dem System des SGB XII seien dabei nicht nur Personen zuzurechnen, die für den Lebensunterhalt laufende Leistungen in unmittelbarer Anwendung des dritten und vierten Kapitels des SGB XII bezögen, sondern auch solche, die diese Leistungen (nur) in entsprechender Anwendung dieser Vorschriften erhalten, aber materiell-rechtlich weitgehend Sozialhilfeempfängern gleichgestellt seien. Anders verhalte es sich dagegen mit Personen, deren laufender Lebensunterhalt durch Eigenmittel oder ein anderes Sicherungssystem gewährleistet würde. Entscheidend sei, dass es sich um Leistungsbezieher handele, die nicht unbedingt formal, aber materiell-rechtlich "dem System des Sozialhilferechts" zugewiesen seien. Zur Überzeugung der Kammer ergebe sich aus dem Urteil des BVerfG vom 18.07.2012 (1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11), dass auch die Klägerin als Leistungsbezieherin nach § 3 AsylbLG von der Eigenbeteiligung freizustellen sei. Sie gehöre zum System der öffentlichen Fürsorge und zwar zum System des Sozialhilferechts. Das BVerfG habe ausgeführt, dass Art 1 Abs 1 Grundgesetz (GG) iVm Art 20 Abs 1 GG einen Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums als Menschenrecht begründe und ausländischen Staatsangehörigen im Bundesgebiet gleichermaßen zustehe. Der unmittelbare verfassungsrechtliche Leistungsanspruch gewährleiste das gesamte Existenzminimum durch eine einheitliche grundrechtliche Garantie, die sowohl die psychische Existenz des Menschen (Nahrung, Kleidung, Hausrat, Unterkunft, Heizung, Hygiene und Gesundheit) als auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen kulturellen und politischen Leben umfasse. Der Bedarf an existenznotwendigen Leistungen für Menschen mit befristetem Aufenthaltsrecht könne nur dann abweichend vom Regelbedarf gesetzlich bestimmt werden, wenn nachvollziehbar festgestellt werden könne, dass infolge eines nur kurzfristigen Aufenthalts konkrete Minderbedarfe gegenüber Hilfeempfängern mit Daueraufenthaltsrecht bestehen. Sei dies der Fall und wolle der Gesetzgeber deren Leistungen für eine Personengruppe gesondert bestimmen, so müsse er hinreichend sicherstellen, dass die gesetzliche Umschreibung dieser Gruppe tatsächlich diejenigen erfasse, die sich regelmäßig nur kurzfristig in Deutschland aufhalten. Emigrationspolitische Erwägungen könnten eine geringere Bemessung der Leistungen an Asylbewerber und Flüchtlinge nicht rechtfertigen. Die Menschenwürde sei emigrationspolitisch nicht zu relativieren. Das BVerfG habe die Geldleistungen nach § 3 Abs 2 S 3 iVm Abs 1 S 4 AsylbLG als evident unzureichend bezeichnet und ausgeführt, dass die unzureichende Höhe der Geldleistungen nicht durch die Anwendung des § 6 AsylbLG kompensiert werden könne. Die Annahme, dass eine kurze Aufenthaltsdauer die begrenzte Leistungshöhe rechtfertige, entbehre einer hinreichend verlässlichen Grundlage. Das Regelungskonzept, wonach der Anwendungsbereich des AsylbLG Menschen erfasse, die sich nur kurz und vorübergehend in der Bundesrepublik aufhalten, werde der tatsächlichen Situation nicht gerecht. Dies werde besonders im Falle der Klägerin deutlich, die sich seit 2004 in der Bundesrepublik aufhält und nur deshalb keine Leistungen nach § 2 AsylbLG beziehe, weil sie nach einer Berufsförderungsmaßnahme zunächst einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist. Das BVerfG habe eine Übergangsregelung als geboten angesehen. Es habe insoweit auf das Regelbedarfsermittlungsgesetz zurückgegriffen und eine Rückwirkung bis zum 01.01.2011 vorgesehen. Durch die Anwendung des auf § 28 SGB XII beruhenden Gesetzes zur Ermittlung des Regelbedarfe seien die Bezieher von Leistungen nach § 3 AsylbLG im Ergebnis in das System der Sozialhilfe überführt worden, da die Regelbedarfe der Sicherung des Existenzminimums dienen sollen. Mit seiner Entscheidung habe das BVerfG im Ergebnis deutlich gemacht, dass Leistungsbezieher nach § 3 AsylbLG den Beziehern von Leistungen nach dem SGB XII im Wesentlichen gleichzustellen seien. Hieraus folge nach Auffassung der Kammer, dass auch die Eigenbeteiligung nach § 145 SGB IX entfalle. Das SG hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Gegen das am 20.02.2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 07.03.2013 Berufung eingelegt. Der Klage sei zu Unrecht stattgegeben worden. Die Klägerin erhalte weder die in § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 zweite Alternative SGB IX genannten Leistungen noch sei sie diesem Personenkreis gleichzustellen. Eine direkte Anwendung der Vorschriften des SGB XII sei bei Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG gemäß § 9 AsylbLG ausgeschlossen. Leistungsbezieher nach § 2 AsylbLG hätten zwar einen Anspruch auf die Ausgabe einer unentgeltlichen Wertmarke, weil dieser Personenkreis den Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehe. Dies treffe für Leistungsbezieher nach den §§ 3 bis 7 AsylbLG aber nicht zu. Dieser Personenkreis erhalte die Leistungen vorrangig als Sachleistungen. Der Leistungsanspruch umfasse die Leistungen für den notwendigen Lebensunterhalt, bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt. Ein Rechtsanspruch auf weitere Leistungen bestehe nicht, sondern gemäß § 6 AsylbLG nur eine Ermessensregelung. Die Differenzierung zwischen den Leistungsberechtigten des AsylbLG werde auch vom BSG gesehen, indem es klarstelle, dass § 2 Abs 1AsylbLG abweichend von den in §§ 3 bis 7 AsylbLG bestimme, dass das SGB XII auf einen bestimmten Kreis der Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG entsprechend anzuwenden sei. Damit stelle das BSG klar, dass es einen Unterschied zwischen Leistungsempfängern nach § 2 und denen nach §§ 3 bis 7 AsylbLG gebe. Insoweit seien die Ausführungen und Schlussfolgerungen des BSG auf Leistungsempfänger gemäß §§ 3 bis 7 AsylbLG nicht übertragbar. Denn nach dem AsylbLG würden nicht alle Bedarfe berücksichtigt, die nach dem SGB II und SGB XII neben den dortigen Regelbedarfen als Mehrbedarfe anerkannt werden können. Der Lebensunterhalt dieses Personenkreises werde durch ein anderes Sicherungssystem, nämlich das AsylbLG, gewährleistet. Dem stehe die Entscheidung des BVerfG vom 18.07.2012 nicht entgegen, da Gegenstand dieser Entscheidung die Höhe der nach dem AsylbLG zu bewilligenden Geldleistungen gewesen sei. Das BVerfG habe dort auch ausgeführt, dass die wertende Einschätzung des notwendigen Bedarfs enger sei, soweit der Gesetzgeber das zur Sicherung der physischen Existenz eines Menschen notwendige konkretisiere, und weiter, wo es um Art und Umfang der Möglichkeit zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gehe. Da sich die Werte nach § 3 AsylbLG auf das physische Existenzminimum bezögen, sei die Entscheidung des BVerfG folgerichtig gewesen. Dies bedeute entgegen der Auffassung des Sozialgerichts jedoch nicht, dass nunmehr alle Leistungsempfänger nach den §§ 3 ff AsylbLG den Leistungsberechtigten nach dem dritten und vierten Kapitel des SGB XII gleichzustellen seien. Vielmehr habe der Gesetzgeber bei Art und Umfang der Möglichkeit zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben einen weiteren Entscheidungsspielraum. Die Privilegierung der Bezieher von laufenden Hilfeleistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII stelle damit keinen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG dar. Die Differenzierung zwischen einzelnen Personengruppen sei gesetzmäßig.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 15.01.2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für rechtmäßig. Die Beklagte lasse bei ihrer Argumentation gänzlich außer Acht, dass die Unterscheidung zwischen Leistungsberechtigten nach § 3 und § 2 AsylbLG einzig in einem abweichenden Bedarf der Sicherung des Lebensunterhalts bei einem nur kurzen und vorübergehenden Aufenthalt liege und dass dies das einzig zulässige Differenzierungskriterium hinsichtlich der Frage der Existenzsicherung sei. Allerdings seien auch Leistungen gemäß § 3 AsylbLG solche zur Sicherung des Existenzminimums. Ob überhaupt ein abweichender Bedarf feststellbar sei, müsse der Gesetzgeber noch in einem entsprechenden Verfahren nachweisen. Bis dahin finde ab dem 01.01.2011 die Übergangsregelung des BVerfG Anwendung, die auf den Regelbedarf nach dem SGB XII zurückgreife. Dementsprechend habe die Klägerin für den gesamten Leistungszeitraum eine Nachzahlung erhalten und damit Leistungen auf der Grundlage des SGB XII. Insofern bestehe zumindest Vergleichbarkeit mit Leistungsberechtigten nach § 2 AsylbLG. Da nach Feststellungen des BVerfG der abweichende Bedarf das einzige zulässige Differenzierungskriterium im Bereich der Existenzsicherung sei, seien die Ausführungen der Beklagten zur Frage des Gestaltungsspielraums hinsichtlich der Art und des Umfangs des Teilhabeanspruchs nicht nachvollziehbar. Es liege eine behinderungsbedingte erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr vor. Der entsprechende Bedarf sei bei einer nach § 3 AsylbLG leistungsberechtigten Person nicht abweichend. Da das Existenzminimum aus verfassungsrechtlichen Gründen gesichert werden müsse, dürfe ein unabweisbarer, laufender besonderer Bedarf einem Hilfebedürftigen nicht vorenthalten werden. Auch das System des AsylbLG gehöre zum System der Existenzsicherung und damit des Sozialhilferechts. Die Differenzierung zwischen Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG und den Personengruppen der SGB XII/SGB II-Leistungsberechtigen sei verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen. Unter Berücksichtigung der Entscheidung des BVerfG zu den Grundleistungen durch Urteil vom 18.07.2012 sei eine wortlauterweiternde Auslegung notfalls auch contra legem geboten. Das BVerfG habe hervorgehoben, dass das Existenzminimum aus emigrationspolitischen Gründen nicht zu relativieren sei. Ziel des AsylbLG sei es gewesen, die Vermeidung einer den Asylmissbrauch begünstigenden wirtschaftlichen Anreizwirkung, die Bekämpfung des Schleppertums und eine Kostensenkung im Bereich der Ausgaben für Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums zu regeln. Dieses Differenzierungsziel habe das BVerfG für verfassungswidrig erklärt. Dies wirke sich auch für die vorliegend zu entscheidende Frage aus, ob die Zuordnung zum Sicherungssystem des AsylbLG die Versagung der gemäß § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX geregelten Privilegierung zu rechtfertigen. Die Entscheidung des BVerfG lasse die im Wortlaut eindeutige Regelung lückenhaft, ergänzungsbedürftig und zugleich ergänzungsfähig erscheinen. Eine Anpassung der Auslegung im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG sei in der vorliegenden Fallkonstellation zwingend. Andernfalls würde eine offensichtlich verfassungswidrige Regelung sehenden Auges weiter angewandt. Dieser Konflikt lasse sich nur dadurch lösen, dass die Regelung verfassungskonform ausgelegt werde.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der von der Beklagten beigezogenen Verwaltungsakte verwiesen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Erstattung der gezahlten Kosten für die Wertmarke und Ausstellung des Beiblattes für die unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr mit kostenloser Wertmarke.
Zulässige Klage ist die kombinierte Anfechtungs- und (unechte) Leistungsklage gemäß § 54 Abs 1 S 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG – (vgl BSG, Urteil vom 06.10.2011, B 9 SB 7/10 R, juris Rn 19 ff). Die Klägerin wendet sich zunächst gegen die Ablehnungsentscheidung des Beklagten mit Bescheid vom 13.10.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Münster vom 30.11.2011. Ob die Entscheidung über eine unentgeltliche Wertmarkenausgabe überhaupt durch Verwaltungsakt im Sinne des § 31 des 10. Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) zu erfolgen hat, kann insoweit offen bleiben, weil die Beklagte jedenfalls die Form des Verwaltungsaktes gewählt hat (vgl BSG, aa0, juris Rn 24). Darüber hinaus begehrt die Klägerin im Wege der (unechten) Leistungsklage die Erstattung des von ihr für die Wertmarke gezahlten Eigenanteils in Höhe von 60 Euro. Anders als in dem durch das BSG entschiedenen Sachverhalt (aa0) ist zu diesem Streitgegenstand ein Verwaltungsverfahren durchgeführt worden. Denn der Beklagte hat mit dem Bescheid vom 13.10.2011 den Antrag auf Erteilung einer kostenfreien Wertmarke vom 29.08.2011 zumindest konkludent abgelehnt. Die Bezirksregierung hat diese Entscheidung mit Widerspruchsbescheid vom 30.11.2011 ausdrücklich bestätigt. Es liegt damit ein Widerspruchsverfahren als Klagevoraussetzung im Sinne des § 78 Abs 3 iVm Abs 1 SGG vor. Selbst wenn dies nicht der Fall wäre, wäre die Klage insoweit zulässig, da die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens wie auch eines selbständigen Verwaltungsverfahrens in der vorliegenden Fallkonstellation entbehrlich wäre (vgl BSG, aa0, Rn 26). Auch die Entscheidung über den Widerspruch durch die Bezirksregierung Münster ist nicht zu beanstanden (vgl BSG, aa0, Rn 25).
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Rückzahlung des Eigenanteils in Höhe von 60 Euro (aktuell 72 Euro) ist der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch, da eine spezialgesetzliche Regelung über die Rückerstattung ohne Rechtsgrund geleisteter Beträge in § 145 Abs 3 SGB IX nicht ersichtlich ist (vgl BSG, aa0, Rn 28 ff). Voraussetzung eines allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruches ist, dass die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung des bei Ausgabe der Wertmarke für den Zeitraum ab November 2011 gezahlten Betrages in Höhe von 60 Euro hat, weil sie diesen Eigenanteil gemäß § 145 Abs 1 S 5 SGB IX nicht zu entrichten hatte und der Betrag gemäß § 145 Abs 1 S 3 SGB IX damit rechtsgrundlos von der Beklagten entgegen genommen worden ist. Denn dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch liegt der allgemeine und auch im Sozialrecht geltende Rechtssatz zugrunde, dass zu Unrecht empfangene Leistungen zurückzugeben sind (vgl BSG, aa0, Rn 31).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Klägerin hatte keinen Anspruch auf Ausgabe einer kostenfreien Wertmarke.
Rechtsgrundlage für die unentgeltliche Ausgabe einer Wertmarke ist § 145 Abs 1 S 1 bis 3 und 5 Nr 2 SGB IX. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist dabei derjenige der Vermögensverschiebung und damit vorliegend der Zeitpunkt der Überweisung der 60 Euro durch die Klägerin im Oktober 2011 (vgl BSG, aa0, Rn 32). Nach den oben genannten Regelungen werden schwerbehinderten Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmen, die öffentlichen Personennahverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs 5 SGB IX im Nahverkehr unentgeltlich befördert. Voraussetzung ist, dass der Ausweis mit einer gültigen Wertmarke versehen ist. Sie wird gegen Entrichtung eines Betrages von 60 Euro (inzwischen 72 Euro) für ein Jahr oder 30 Euro (bzw 36 Euro) für ein halbes Jahr ausgegeben. Auf Antrag wird eine für ein Jahr gültige Wertmarke, ohne dass der Betrag nach § 145 Abs 1 S 3 SGB IX zu entrichten ist, unter anderem an schwerbehinderte Menschen ausgegeben, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II oder für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem 3. und 4. Kapitel des SGB XII, dem SGB VIII oder den §§ 27a und 27d BVG erhalten.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Klägerin gehört zwar zum Kreis der berechtigten Personen im Sinne des § 145 Abs 1 S 1 SGB IX, da ihr die Beklagte das Merkzeichen "G" mit Bescheid vom 07.09.2009 zuerkannt hatte. Auch hat sie am 29.08.2011 die Ausgabe einer kostenfreien Wertmarke ausdrücklich beantragt. Sie wird jedoch nicht von der Vergünstigung des § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX erfasst. Die der Klägerin gewährten Leistungen nach § 3 ff AsylbLG fallen insbesondere nicht unter den Begriff "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem 3. und 4. Kapitel des Zwölften Buches" im Sinne des § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 Alternative 2 SGB IX. Ein unmittelbarer Anspruch auf Ausgabe einer kostenfreien Wertmarke entsprechend dieser Vorschrift ist nicht gegeben, da die Klägerin die dort ausdrücklich genannten Leistungen nicht bezieht.
Entgegen der Auffassung des SG ist auch eine entsprechende Anwendung des § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX auf den Personenkreis der Leistungsbezieher gemäß § 3 AsylbLG – anders als in den Fällen der Bezieher von "Analogleistungen" gemäß § 2 AsylbLG – nicht geboten. In seinen Urteilen vom 06.10.2011 (B 9 SB 6/10 R und B 9 SB 7/10 R) hat das BSG darauf abgestellt, welchem Sicherungssystem die "Behinderten" zugeordnet sind und festgestellt, dass die Zugehörigkeit zum System der öffentlichen Fürsorge (vgl BSG, Urteil vom 06.10.2011, B 9 SB 7/10, juris Rn 46), also materiell-rechtlich weitgehend zum System der Sozialhilfe, maßgeblich ist. Das BSG hat dort ausgeführt, es bestehe keine Veranlassung für eine den Wortlaut des § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 Alternative 2 SGB IX erweiternden Auslegung, die zu einer Erstreckung auf Personen führt, die nicht Bezieher laufender Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII sind (vgl BSG, aa0, Rn 36). Andererseits hat das BSG die Auffassung vertreten, dass "hieran anknüpfend" eine weite Auslegung des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem 3. und 4. Kapitel des Zwölfen Buches" im Sinne des § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX geboten ist. Danach sind von diesem Begriff nicht nur Leistungen umfasst, die ihren Rechtsgrund allein im SGB XII haben, sondern auch für den Lebensunterhalt laufende Leistungen, die in entsprechender Anwendung des 3. und 4. Kapitels des SGB XII an Personen erbracht werden, die Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleichstehen (vgl BSG, aa0, Rn 37). Der Befreiungstatbestand erfasst demnach auch Personen, die nach den gleichen Voraussetzungen zu gewährende Leistungen beziehen. Damit sind nicht nur Leistungen gemeint, die ihren Rechtsgrund alleine im SGB XII haben bzw im engeren Rechtssinne Leistungen der Sozialhilfe darstellen. Ausreichend ist es vielmehr, wenn die Leistungen in der entsprechender Anwendung der Regelungen des 3. und 4. Kapitels des SGB XII gewährt werden (vgl BSG, aa0, Rn 40). Einzubeziehen sind daher Personen, die Leistungen in entsprechender Anwendung des 3. und 4. Kapitels des SGB XII erhalten und materiell-rechtlich weitgehend Sozialhilfeempfängern gleichgestellt sind. Hierzu zählt das BSG auch die Bezieher von Analogleistungen gemäß § 2 AsylbLG. Anders verhält es sich dagegen mit Personen, deren laufender Lebensunterhalt durch eigene Mittel oder ein anderes Sicherungssystem gewährleistet wird. Bei diesen Personenkreisen sieht der Gesetzgeber keine Veranlassung für eine Befreiung vom Eigenanteil nach § 145 Abs 1 S 3 SGB IX (vgl BSG, aa0, Rn 49). Es kommt nicht auf die wirtschaftliche Lage bzw die Zweckidentität einer Leistung hinsichtlich der Gewährung des Existenzminimums bei der Auslegung des Begriffs "für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem 3. und 4. Kapitel des Zwölften Buches" entscheidend an. Maßgebend ist vielmehr die Zuordnung eines Personenkreises zum "System des Sozialhilferechts" (vgl BSG, aa0, Rn 50). Denn die Vergünstigungen nach dem SGB IX sind kein Regelungsgegenstand der existenzsichernden Systeme nach dem SGB II und SGB XII. Die Privilegierung einkommensschwacher schwerbehinderter Menschen im Rahmen des § 145 Abs 1 SGB IX stellt eine von den Systemen des Fürsorgerechts abgegrenzte soziale Begünstigung des Schwerbehindertenrechts dar (vgl BSG, aa0, Rn 48). Das BSG hat die Leistungsbezieher nach § 2 AsylbLG von denen nach den §§ 3 bis 7 AsylbLG ausdrücklich voneinander abgegrenzt und mittelbar klargestellt, dass die Bezieher von Leistungen nach § 3 bis 7 AsylbLG nicht dem System des Sozialhilferechts zuzurechnen sind, indem es ausgeführt hat, dass § 2 Abs 1 AsylbLG die entsprechende Anwendung des SGB XII abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG auf einen bestimmten Kreis der Leistungsberechtigten zulasse (vgl BSG, aa0, Rn 73). Das BSG hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass für den Personenkreis der Leistungsempfänger gemäß den §§ 3 ff AsylbLG besondere, asylbewerberleistungsrechtliche Vorschriften über zu berücksichtigendes Einkommen und Vermögen gelten, welche im Rahmen des § 2 Abs 1 AsylbLG keine Anwendung finden (vgl BSG, aa0, Rn 74). Danach handelt es sich bei den Leistungen gemäß § 3 ff AsylbLG um ein von dem Grundsicherungsrecht inhaltlich abzugrenzendes Sicherungssystem.
Dies gilt umso mehr, als auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 18.07.2012 (1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11) das AsylbLG als eigenes Sicherungssystem gerade nicht in Frage gestellt hat. Das BVerfG rügt im Wesentlichen die unzureichende Höhe der Leistungen gemäß den § 3 ff AsylbLG und die fehlende Transparenz bei der Ermittlung der (vom SGB XII abweichenden) Leistungshöhe. Bei der Bemessung der Leistungen nach der von ihm geschaffenen Übergangsregelung berücksichtigt es aber die Besonderheiten der Art der Leistungsgewährung und verweist auf die unterschiedlichen Regelungsstrukturen des AsylbLG sowie des System des Sozialhilferechts ohne diese dem Grunde nach zu beanstanden. Eine unmittelbare Übernahme der Sätze, die nach dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und nach dem allgemeinen Fürsorgerecht gelten, hat es wegen der unterschiedlichen Form der Leistungserbringung ausgeschlossen (vgl BVerfG, aa0, juris Rn 129 ff). Das BVerfG hat die Verbrauchsausgaben für die Abteilung 5 (Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände) unberücksichtigt gelassen, da nach § 3 AsylbLG nur Gebrauchsgüter des Haushalts, aber nicht der Hausrat zu den Grundleistungen gerechnet werde (vgl BVerfG, aa0, Rn 130). Auch hat es die Entscheidung des Gesetzgebers in § 3 Abs 2 S 1 AsylbLG, zur Deckung des existenzsichernden Bedarfs vorranging Sachleistungen vorzusehen, durch seine Übergangsregelung unberührt gelassen. Unter der Voraussetzung und in der Annahme, dass Sachleistungen aktuell das menschwürdige Existenzminimum tatsächlich decken, greife die Übergangsregelung nicht in die Regelungssystematik des AsylbLG hinsichtlich der Art der Leistungen ein (vgl BVerfG, aa0, Rn 135). Damit hat das BVerfG die Regelungssystematik des AsylbLG gerade nicht für verfassungswidrig erklärt. Vielmehr hat es in seiner Entscheidung an verschiedenen Stellen auf die besondere Regelungsstruktur des AsylbLG hingewiesen, ohne diese grundsätzlich zu beanstanden. Die Leistungen nach dem SGB II bzw XII einerseits und AsylbLG andererseits seien angesichts der unterschiedlichen Regelungsstrukturen nicht unmittelbar zu vergleichen (vgl BVerfG, aa0, Rn 112). Entsprechend verweist das BVerfG in seiner Übergangsregelung auch nicht auf eine entsprechende Anwendung des SBG XII, sondern bestimmt die Leistungshöhe nur (und auch dies nur mit Einschränkungen im Hinblick auf die Besonderheiten des AsylbLG) nach den Vorschriften des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 SGB XII. Dass dieses Gesetz seine Grundlage in § 28 SGB XII findet, macht die Leistungen aber nicht zu "SGB XII-Leistungen". Vielmehr hat das BVerfG klargestellt, dass es nur auf diese Regelungen zurückgegriffen hat, weil es ansonsten keine nachvollziehbar ermittelten Daten gebe, die einer verfassungsrechtlichen Kontrolle standhalten könnten.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist das Urteil des BVerfG vom 18.07.2012 (aa0) damit nicht geeignet, eine Gleichstellung der Leistungen gemäß §§ 3 ff AsylbLG mit den Analogleistungen gemäß § 2 AsylbLG oder denen nach dem SGB II bzw SGB XII zu begründen. Vielmehr das BVerfG die besondere Regelungsstruktur des AsylbLG grundsätzlich unbeanstandet gelassen. Die Leistungen nach § 3 bis 7 AsylbLG sind auch danach nicht dem System des Sozialhilferechts zuzurechnen.
Dass die Klägerin nach § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX keinen Anspruch auf Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke für die unentgeltliche Beförderung im Personenverkehr hat, verstößt nicht gegen die Verfassung.
Die Privilegierung einkommensschwacher schwerbehinderter Menschen im Rahmen des §§ 145 Abs 1 SGB IX stellt eine von den Systemen des Fürsorgerechts abgegrenzte soziale Begünstigung des Schwerbehindertenrechts dar (BSG, Urteil vom 06.10.2011, B 9 SB 7/10 R, juris Rn 48). Es liegt selbst dann kein Verstoß gegen das Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach Art 1 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 1 GG vor, wenn dem Berechtigten, der die Eigenbeteiligung aufzubringen hat, (nur) das vom Gesetzgeber in Höhe des Regelbedarfs normativ bestimmte soziokulturelle Existenzminimum zur Verfügung steht (vgl BSG, Urteil vom 06.10.2011, B 9 SB 7/10 R, juris Rn 48). Denn die Mobilitätsförderung von schwerbehinderten Menschen nach § 145 Abs 1 S 1 SGB IX wird durch den zu leistenden Eigenanteil nur moderat relativiert (vgl BSG, Urteile vom 06.10.2011, B 9 SB 6/10 R, juris Rn 47 und B 9 SB 7/10 R, juris Rn 48).
Der Ausschluss der Leistungsbezieher gemäß §§ 3 ff AsylbLG von der Vergünstigung im Sinne des § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX verstößt auch nicht gegen Art 3 Abs 1 GG. Die Umwandlung von einer unentgeltlichen Freifahrt in eine "Freifahrt" mit Kostenbeteiligung berechtigt den Gesetzgeber nicht, in unbeschränktem Ermessen Personenkreise von der Kostenbeteiligung auszunehmen. Der Gleichbehandlungsgrund des Art 3 Abs 1 GG gebietet es vielmehr, den begünstigten Personenkreis nach sachgemäßen Erwägun-gen zu bestimmen. Allgemein ist Art 3 Abs 1 GG verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obgleich zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art oder solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können. Für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der sozialen Vergünstigungen im Sinne des § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 SGB IX gilt als Maßstab das Willkürverbot (vgl BSG, Urteil vom 06.10.2011, B 9 SB 7/10 R, juris Rn 56). Das BSG hat die Auffassung vertreten, dass diesen Vorgaben eine Auslegung des § 145 Abs 1 S 5 Nr 2 Alt 2 SGB IX am ehesten gerecht wird, die auch Personen erfasst, die für ihren Lebensunterhalt laufende Leistungen in entsprechender Anwendung des 3. und 4. Kapitels des SGB XII erhalten und die Sozialhilfeempfängern im Wesentlichen gleich stehen. Maßgebend für die sachliche Rechtfertigung einer Gleich- oder Ungleichbehandlung ist es danach, ob die betroffene Person dem Fürsorgesystem der Sozialhilfe zuzuordnen ist. Da dies nach dem og gerade nicht der Fall ist und die Leistungsbezieher gemäß den §§ 3 ff AsylbLG damit einem unterschiedlichem Sicherungssystem zugewiesen sind, bestehen für die Ungleichbehandlung hinreichende sachliche Gründe. Auf die "Zweckidentität" der Leistungen, ein menschwürdiges Existenzminimum zu gewährleisten, kommt es insofern gerade nicht an. Der Gesetzgeber des SGB IX konnte vielmehr davon ausgehen, dass den Bedürfnissen der Personen, die sich in einem in § 145 SGB IX nicht genannten Sicherungssystem befinden, im Rahmen dieses Systems hinreichend Rechnung getragen werden kann. Dies gilt umso mehr, als die Mobilitätsbeförderung von schwerbehinderten Menschen nach § 145 Abs 1 S 1 SGB IX – wie bereits ausgeführt – durch den zu leistenden Eigenanteil nur moderat relativiert wird (vgl BSG, Urteile vom 06.10.2011, aaO).
Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich auch nichts anderes daraus, dass die Abgrenzung des Leistungsbezuges zwischen § 2 und §§ 3 ff AsylbLG gerade nicht an die Dauer des Aufenthalts als Kriterium anknüpft, sondern an den Leistungsbezug. Soweit die Klägerin eine Ungleichbehandlung darin sieht, dass für beide Leistungsarten nicht an die Dauer des Aufenthalts angeknüpft wird, hätte sie die entsprechenden Leistungsbescheide der Stadt anfechten und Leistungen gemäß § 2 AsylbLG beanspruchen müssen. Im Rahmen dieses Verfahrens wären verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Abgrenzungskriterien der Leistungen gemäß § 2 und 3 ff AsylbLG geltend zu machen. Demgegenüber ist in § 145 Abs 1 S 5 Ziffer 2 SGB IX der Bezug bestimmter Leistungen lediglich Tatbestandsvoraussetzung. Der (bestandskräftige) Bezug der dort genannten Leistungen hat daher zur Überzeugung des Senats bindende Wirkung und kann nicht im Rahmen des nach dem SGB IX geführten Verfahrens nachträglich korrigiert werden. Insofern stehen der Klägerin die Rechtsmittel gegen die Leistungsbescheide nach dem AsylbLG zur Verfügung. Macht sie hiervon keinen Gebrauch, so kann dies im Rahmen des § 145 Abs 1 S 5 Ziffer 2 SGB IX keinen Verstoß gegen Art 3 GG begründen. Darüber hinaus hat auch das BSG in dem Urteil vom 26.06.2013 (B 7 AY 6/11 R, juris Rn 13) ausgeführt, dass der Zeitraum des Leistungsvorbezuges jedenfalls nach der einfachrechtlichen Gesetzeslage nicht als reine Warte- oder Anwartschaftszeit ohne oder mit dem Bezug anderer Leistungen, erfüllt werden kann. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung der Leistungen hat es in dieser Entscheidung – eben wegen der Bestandskraft der Bewilligung von Leistungen nach § 3 ff AsylbLG – ausdrücklich offen gelassen (vgl BSG, aa0, Rn 11 und 29). In seinem Urteil vom 17.06.2008 (B 8/9b AY 1/07 R, juris Rn 28) hat das BSG hinsichtlich der Neuregelung der Vorbezugszeit von 48 Monaten von Leistungen nach § 3 AsylbLG für solche gemäß § 2 AsylbLG einen Verstoß gegen Art 3 Abs 2 GG ausdrücklich verneint, da alle Leistungsberechtigten dem Anwendungsbereich von § 2 AsylbLG in gleicher Weise unterfallen und von dem vierjährigen Ausschluss von Leistungsansprüchen entsprechend dem SGB XII betroffen sind.
Der derzeitige Ausschluss der Klägerin vom Erhalt der kostenlosen Wertmarke nach § 145 Abs 1 S 5 Ziffer 2 SGB IX verstößt auch nicht gegen das konventionsrechtliche Diskriminierungsverbot des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 13. 12.2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK). Denn die Regelung und insbesondere die Vorbezugszeit von 48 Monaten in § 2 AsylbLG knüpft nicht an die Behinderung im verfassungsrechtlichen oder konventionsrechtlichen Sinne an, sondern erfasst ausschließlich ausländerrechtliche Fragen. Das Erfordernis der Vorbezugszeit von 48 Monaten für den Erhalt der Analogleistungen hat lediglich eine Reflexwirkung auf die Klägerin als Behinderte. Darüber hinaus wird die in § 145 Abs 1 SGB IX enthaltene Kostenbeteiligung auch dem Artikel 20a UN-BRK gerecht, der vorgibt, die persönliche Mobilität mit großmöglicher Unabhängigkeit sicher zu stellen und zu erschwinglichen Kosten zu erleichtern. Dies ist bei einer geringen jährlichen Kostenbeteiligung von derzeit 72 Euro, früher 60 Euro, der Fall.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nr 1 oder 2 SGG) nicht als gegeben angesehen, da er von der Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 06.10.2011, B 9 SB 6/10 R und B 9 SB 7/10 R) nicht abweicht und die grundsätzliche Frage der Einbeziehung der Leistungsbezieher gemäß §§ 3 ff AsylbLG in den in § 145 Abs 2 S 5 Ziffer 2 SGB IX genannten Personenkreis durch diese Entscheidungen des BSG für hinreichend geklärt ansieht.
Erstellt am: 10.11.2014
Zuletzt verändert am: 10.11.2014