Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 24. Oktober 2006 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Umstritten ist, ob der Kläger die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "RF" (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) erfüllt.
Dem 1954 geborenen Kläger wurde mit Bescheid vom 23.01.1996 ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 zuerkannt wegen:
1.Seelische Erkrankung (80)
2.rechtsseitige Schwerhörigkeit mit Tinnitus ohne Gleichgewichtsstörungen (20)
3.Rechts-linkskonvexe Seitverbiegung der Wirbelsäule, degenerative Veränderung mit Bewegungseinschränkung an der Wirbelsäule, Beinverkürzung links (20).
Im Juni 2004 beantragte der Kläger unter Beifügung eines im Rentenstreitverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Köln, S 8 J 101/94, erstellten nervenärztlichen Gutachtens des Dr. C vom 24.08.1995 die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "RF". Nach Auswertung beigezogener Befundberichte des praktischen Arztes X und des Arztes für Neurologie und Psychiatrie L, dem u.a. einen Bericht des Reha-Zentrums für Hörgeschädigte über eine Rehabilitationsteilnahme in der Zeit vom 12.07. bis 09.08.2003 beigefügt war, lehnte es das Versorgungsamt L mit Bescheid vom 02.02.2005 ab, einen höheren GdB und "RF" festzustellen.
Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch begehrte der Kläger weiterhin den Nachteilsausgleich "RF". Er leide seit Jahren an einer an Taubheit grenzenden Hörstörung rechts. Wegen eines ständig wahrnehmbaren Tinnitus rechts sowie eines Tinnitus links bei geringster Lärmentwicklung sei er außerordentlich geräuschempfindlich und könne selbst bei geringen Umweltgeräuschen einem Gespräch oder einem Vortrag nicht mehr folgen. Aufgrund seiner gravierenden neurologischen Behinderung leide er unter regelmäßigen Erschöpfungszuständen. Er werde sehr schnell müde und schlafe dann zumindest kurz ein, was ihn ebenfalls an einer Teilnahme von öffentlichen Veranstaltungen hindere.
In dem daraufhin von der Versorgungsverwaltung veranlassten Gutachten des Arztes für Nervervenheilkunde Dr. B vom 09.06.2005 erachtete der Gutachter die gesundheitlichen Voraussetzungen für "RF", wie auch einen höheren GdB, nicht für gegeben. Mit Bescheid vom 12.07.2005 wies die Bezirksregierung Münster den Widerspruch zurück.
Mit der hiergegen am 18.07.2005 beim Sozialgericht Köln (SG) erhobenen Klage hat der Kläger weiterhin begehrt, ihm "RF" zu zuerkennen.
Das SG hat einen Befundbericht der HNO-Ärztin T vom 28.01.2006 eingeholt. Weiter ist Beweis erhoben worden durch Einholung eines HNO-ärztlichen Zusatzgutachtens des Dr. C1 vom 25.07.2006 (nach Aktenlage) und eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens des Dr. H vom 15.08.2006. Die Sachverständigen haben die gesundheitlichen Voraussetzungen für "RF" verneint.
Der Kläger hat die Gutachten "als von Lügnern erstellt" bzw. als "Fälschungen" bezeichnet. Die Gutachten hat er zerschnitten an das SG zurücksendet. Auf die Terminsmitteilung hat er dem Gericht am 23.10.2006 per E-Mail mitgeteilt, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sei, zum Gerichtstermin am 24.10.2006 zu erscheinen. Er bitte, ihm das Urteil per E-Mail zu übersenden.
Mit Urteil vom 24.10.2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Dabei hat es sich im Wesentlichen auf die Einschätzung der Sachverständigen gestützt. Das Urteil ist dem Kläger ausweislich der Postzustellungsurkunde (PZU), die als Bezeichnung das Aktenzeichen enthielt, nach erfolglosem Zustellungsversuch am 28.11.2006 am 30.11.2006 durch Einwurf in den Briefkasten zugestellt worden.
Mit E-Mail vom 28.11.2006 und 12.12.2006 hat der Kläger dem SG mitgeteilt, dass er sich seit dem 01.11.2006 in I / Vietnam aufhalte. Um in Berufung zu gehen, bitte er erneut, ihm das Urteil an seine E-Mail Anschrift zu senden. Am 13.12.2006 hat das SG Köln dem Kläger das Urteil per E-Mail übersandt. Mit weiterer E-Mail vom 17.01.2007 hat der Kläger nach Hinweis des Gerichts, dass die E-Mail vom 28.11.2006 keine Berufung, sondern nur die Andeutung, in Berufung gehen zu wollen, darstelle, klargestellt, dass er Berufung einlege.
Als Anlage zu einer weiteren E-Mail vom 08.04.2007 hat der Kläger nach seiner Rückkehr aus Vietnam die Berufungsbegründung übersandt. Er meint, das SG habe sein Vorbringen nicht berücksichtigt. Bei öffentlichen Veranstaltungen habe er, wie auch sonst, erhebliche Kommunikationsprobleme. Auch sei er bei öffentlichen Veranstaltungen motorisch unruhig und es bestehe die Gefahr, dass er aggressiv werde.
Mit Verfügung vom 17.04.2008 hat der Vorsitzende des Senats dem Kläger die Sach- und Rechtslage dargestellt. Daraufhin hat der Kläger dem Landessozialgericht über das Sozialgericht Köln erneut den Schriftsatz vom 08.04.2004, jetzt unterschrieben, zugeleitet. Mit E-Mail vom 09.05.2008 hat er den Senat für befangen erklärt und anregt, die Streitsache einem anderen Senat und anderen Richtern zu übergeben.
Über den Termin zur mündlichen Verhandlung am 14.05.2008 ist der Kläger ausweislich der Postzustellungsurkunde vom 24.04.2008 benachrichtigt worden. Zum Termin ist für den Kläger niemand erschienen.
Der Kläger beantragt schriftlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 24.10.2006 zu ändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 02.02.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2005 zu verurteilen, die gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "RF" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur weiteren Sachverhaltsdarstellung und bezüglich des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte die Streitsache in der Besetzung, wie sie der Geschäftsverteilungsplan vorsieht, verhandeln und entscheiden, obwohl der Kläger am 09.05.2008 einen Befangenheitsantrag gestellt hat. Über das Ablehnungsgesuch konnte der Senat auch zugleich mit der Entscheidung über die Berufung befinden (BSG, Beschluss vom 16.02.2001, B 11 AL 19/01 B = SozSich 2003, 397; BVerwG, Beschluss vom 14.06.2005, 6 C 11/05), weil der Kläger sein Ablehnungsrecht missbraucht hat und der Antrag damit unzulässig war. Insbesondere bedurfte es vor der mündlichen Verhandlung keiner förmlichen Entscheidung über den Befangenheitsantrag; denn ein offenbar rechtsmissbräuchlich gestelltes Befangenheitsgesuch macht eine förmliche Entscheidung über dieses nicht erforderlich (BSG, Urteil vom 26.04.1989 – 11 BAr 33/88 -; BVerfGE 72, 51 ff (59); Meyer/Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage München 2005, § 60 Rdnr. 10 d m.w.N.). Bei einem rechtsmissbräuchlichen Befangenheitsantrag ist eine dienstliche Äußerung der abgelehnten Richter gemäß § 60 Abs. 1 S. 1 SGG entbehrlich.
Der Befangenheitsantrag des Klägers ist in diesem Sinne rechtsmissbräuchlich. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn das Ablehnungsgesuch nicht ausreichend individualisiert ist und/oder keinerlei substantiierte Tatsachen vorgetragen werden (BVerwG NJW 97, 3327). Ein Ablehnungsgesuch muss nach § 60 Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 42 Abs. 2, 44 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) Befangenheitsgründe nennen und glaubhaft machen, die sich individuell auf den oder die an der zu treffenden Entscheidung beteiligten Richter beziehen (vgl. BVerfGE 11, 1,5; 37, 67, 75; BSG SozR Nr.5 zu § 42 ZPO; BSG SozR 1500 § 60 Nr.3; Meyer/Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 60 Rdnr. 10 c). Diesen Anforderungen wird der Befangenheitsantrag nicht gerecht. Der zum Aktenzeichen L 6 (7) 192/06 eingereichte "Befangenheitsantrag" enthält zur Konkretisierung der abgelehnten Personen lediglich die Anrede "Sehr geehrte Damen und Herren" und in der Begründung lediglich die Anregung, "die Streitsache einem anderen Senat und anderen Richtern" zu übergeben. Augenscheinlich meint der Kläger alle Richterinnen und Richter des 6. Senates. Das Ablehnungsgesuch enthält insoweit jedoch weder konkrete, auf jeden der "gemeinten" Richter bezogenen Ablehnungsgründe, noch werden konkrete Anhaltspunkte für eine individuelle Befangenheit in der aufgrund der bevorstehenden mündlichen Verhandlung am 14.05.2008 voraussichtlich ergehenden Kollegialentscheidung angeführt. Der Kläger hat nicht einmal angeführt, das Verhalten der Senatsmitglieder sei im Sinne einer Voreingenommenheit parteiisch.
Der Senat konnte die Streitsache auch in Abwesenheit des Klägers entscheiden, ohne seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) zu verletzen. Auf diese Möglichkeit ist der Kläger in der ordnungsgemäß zugestellten Terminsmitteilung ausdrücklich hingewiesen worden (§§ 153 Abs. 1, 110 Abs. 1 S. 2 SGG).
Richtiger Beklagter im Berufungsverfahren ist seit dem 01.01.2008 nunmehr der für den Kläger örtlich zuständige Rhein-Erft-Kreis (vgl. zur Kommunalisierung der Versorgungsverwaltung Urteile des erkennenden Senats vom 12.02.2008 – L 6 SB 101/06 = Rev-Az: B 9 SB 1/08 R -, vom 26.02.2008 = – L 6 SB 35/05 = Rev-Az: B 9 SB 3/08 R -, vom 11.03.2008 – L 6 V 28/07, rechtskräftig -, vom 11.03.2008 – 6 (10) VS 29/07 = Rev-Az: B 9 Vs 1/08 R und vom 11.03.2008 – L 6 V 13/06 = Rev-Az: B 9 VG 1/08 R -; alle Entscheidungen sind im Internet abgestellt).
Die Berufung ist zulässig. Sie ist letztlich auch fristgerecht erhoben worden. Allerdings hat der Kläger mit den verschiedenen E-Mails vom 28.11.2006, 12.12.2006 und vom 08.04.2007 das Rechtsmittel noch nicht wirksam eingelegt. Die E-Mails stellen keine wirksame, der vorgesehenen Schriftform entsprechende Berufung dar. Bei der E-Mail handelt es sich um ein elektronisches Dokument. Trotz der Verfügbarkeit moderner Kommunikationsmittel und dem sich allgemein durch Bürgerfreundlichkeit und fehlende Formstrenge auszeichnenden sozialrechtlichen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren müssen für die Wirksamkeit der Klage/Berufung zur Sicherung der Authentizitäts- und Sicherungsfunktion besondere Anforderungen erfüllt sein. Diese Authentizitätssicherung wird durch einfache E-Mails nicht gewährleistet (LSG Rheinland-Pfalz, vom 10.09.2007 – L 4 R 447/06 – Viefhues NJW 2005, 1009 ff.; LSG NRW vom 26.04.2007 – L 9 SO 25/06 -; LSG NRW, Urteil vom 15.02.2008 – L 10 SB 53/06 -; Beschluss vom 12.12.2007, – L 19 B 126/07 AS – und vom 24.04.2008 – L 19 AS 3/08 -). Landesrechtliche Regelungen, die die verfahrenserhebliche Kommunikation (digitaler Signatur) ermöglichen, bestehen in Nordrhein-Westfalen derzeit nicht (LSG NRW, Urteil vom 26.04.2007 – L 9 SO 25/06).
Zum Zeitpunkt des Eingangs der vom Kläger erstmals unterzeichneten Berufungsschrift am 07.05.2008 war die Berufungsfrist noch nicht abgelaufen, da sie mangels wirksamer Zustellung des angefochtenen Urteils noch gar nicht in Gang gesetzt war. Die angeordnete Zustellung per Postzustellungsurkunde (PZU) war fehlerhaft, weil auf der hierüber erstellten PZU das zuzustellende Schriftstück nicht ausreichend konkret bezeichnet war. Eine Zustellung mittels PZU ist nur dann wirksam, wenn die Sendung und die PZU jeweils mit der gleichen Bezeichnung versehen sind, die die Identifizierung der zugestellten Sendung ermöglichen muss. Allein – wie hier – die Angabe des Aktenzeichens, die durchgängig für den ganzen Aktenvorgang verwendet wird, wird dem nicht gerecht. Es bedarf daher neben der Angabe des Aktenzeichens des Vorgangs stets eines weiteren Zusatzes, der das zuzustellende Schriftstück bezeichnet. Daran fehlte es vorliegend (vgl. hierzu: BFH, Urteile vom 18.03.2004, V R 11/02 und vom 12.01.1990, VI R 137/86; VGH München, Beschluss 12 B 95.3687 vom 11. Juli 1996; VG Dresden, Urteil vom 13.03.2003, 14 K 2024/99; VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 10.10.2007, 5 K 1442/05). Da der Kläger das Urteil unstreitig erhalten und die Berufung auch begründet hat, bedurfte es einer erneuten förmlichen Zustellung nicht. Dies würde nur zu einer weiteren Verfahrensverzögerung führen.
Die mithin zulässige Berufung ist aber unbegründet.
Wie vom SG unter zutreffender Würdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme zu Recht entschieden, kann der Kläger nicht beanspruchen, dass der Beklagte die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "RF" gemäß § 69 Abs. 4 SGB IX feststellt und das Merkzeichen "RF" gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 5 Schwerbehindertenausweisverordnung in den Schwerbehindertenausweis einträgt. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die ihn überzeugenden Gründe des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren rechtfertigt keine andere Beurteilung. Unter Würdigung der nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens objektiv nachgewiesenen Befunde sieht der Senat auch unter Berücksichtigung der vom Kläger erneut geltend gemachten Einwendungen gegen die Gutachten des Dr. C1 und des Dr. H keinen Anlass, das erstinstanzliche Beweisergebnis in Frage zu stellen. Im Übrigen verdeutlicht auch der Umstand, dass der Kläger nach Vietnam reisen, sich dort über Monate aufhalten und im Internet-Café E-Mails absetzen konnte, dass die gesundheitlichen Voraussetzungen für RF nicht erfüllt sind. Soweit der Kläger erstmals im Berufungsverfahren behauptet, bei öffentlichen Veranstaltungen werde er motorisch unruhig und es bestehe die Gefahr, dass er aggressiv werde, findet sich hierfür nach dem neurologisch-psychiatrischen Gutachtens des Dr. H kein Anhalt. Auch steht diese Behauptung mit dem früheren Vorbringen des Klägers, wonach er unter regelmäßigen Erschöpfungszuständen leide, sehr schnell müde werde und dann zumindest kurz einschlafe, nicht in Einklang.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs.2 Nr.1 oder 2 SGG) nicht als gegeben angesehen.
Erstellt am: 26.06.2008
Zuletzt verändert am: 26.06.2008