Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 14.04.2014 wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Die Antragsteller sind bulgarische Staatsangehörige, die 1980 bzw. 1986 geborenen Antragsteller zu 1) und 2), die seit April 2013 im Bundesgebiet leben, sind die Eltern der 2004 geborenen Antragstellerin zu 3), die Antragstellerin zu 2) ist die Mutter der 2008 geborenen Antragstellerin zu 4). Die Antragsteller leben seit November 2013 nach einem Zuzug der Kinder aus Bulgarien gemeinsam in einer im Oktober 2013 angemieteten 41 qm großen Wohnung, für die 370 EUR Grundmiete, 80 EUR Nebenkostenvorauszahlung und 50 EUR Heizkostenvorauszahlung zu entrichten sind.
Mit Bescheiden vom 28.02.2014 und 26.03.2014 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 06.05.2014 lehnte der Antragsgegner den Antrag der Antragsteller auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gestützt auf § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ab.
Am 21.03.2014 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Köln beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu zahlen.
Auf Nachfrage durch das Sozialgericht haben die Antragsteller vorgetragen, sie würden von der Mutter und einem Onkel des Antragstellers zu 1) finanziell unterstützt. Aus vorgelegten Kontoauszügen ergeben sich Mietzahlungen i.H.v. 500 EUR bis März 2014.
Mit Beschluss vom 14.04.2014 hat das Sozialgericht den Antragsgegner verpflichtet, den Antragstellern ab dem 21.03.2014 bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, längstens für die Dauer von sechs Monaten, vorläufig den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts/Sozialgeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Im Übrigen hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt. Hinsichtlich der Kosten für Unterkunft und Heizung fehle ein Anordnungsgrund. Eine bevorstehende Wohnungslosigkeit der Antragsteller sei nicht ersichtlich und von den Antragstellern auch nicht vorgetragen. Vielmehr seien sie in der Lage gewesen, ihre Kosten für Unterkunft und Heizung bislang durch die Unterstützung von Verwandten und Bekannten vollumfänglich aufzubringen.
Gegen die Ablehnung der Verpflichtung zur Erbringung von Unterkunftskosten richtet sich die am 29.04.2014 erhobene Beschwerde der Antragsteller. Sie halten die Ablehnung einer entsprechenden Verpflichtung im Hinblick auf den existenzsichernden Charakter der begehrten Leistungen für einen verfassungswidrigen Eingriff in die Gewährleistung des Existenzminimums und einen Verstoß gegen die Garantie effektiven Rechtsschutzes.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Ein Anordnungsgrund hinsichtlich der Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung ist nur glaubhaft gemacht, wenn dem Antragsteller schwere und unzumutbare Nachteile drohen, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr revidiert werden können. Dies gilt namentlich, wenn – wie hier – aufgrund einer Folgenabwägung (Beschluss des Sozialgerichts S. 10 f.) bei offenem Verfahrensausgang in der Hauptsache Leistungen zugesprochen werden.
Für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes im einstweiligen Rechtsschutzverfahren auf Übernahme von Kosten der Unterkunft und Heizung ist daher erforderlich, dass konkret Wohnungs- und Obdachlosigkeit drohen (vergl. hierzu jüngst ausführlich Beschluss des Senats vom 05.05.2014 – L 19 AS 632/14 B ER m.w.N.).
Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Antragsteller machen nicht geltend, dass Mietrückstände bestehen. Durch die dem Sozialgericht vorgelegten Kontoauszüge ist belegt, dass die Mietzahlungen regelmäßig und fristgerecht erfolgen. Damit scheidet die Bejahung eines Anordnungsgrundes i.S.d. § 86b Abs. 2 S. 2 SGG aus.
Im Hinblick auf die von der Bevollmächtigten der Antragsteller erhobenen Einwendungen gegen die ständige Rechtsprechung aller für die Grundsicherung für Arbeitssuchenden zuständigen Senate des LSG Nordrhein – Westfalen, wonach in der Regel ein Anordnungsgrund grundsätzlich erst bei Rechtshängigkeit einer Räumungsklage gegeben ist und selbst eine fristlose Kündigung – die im vorliegenden Fall nicht ausgesprochen ist – für die Bejahung der Eilbedürftigkeit nicht ausreicht (u.a. Beschlüsse des Senats vom 05.05.2014 – L 19 AS 632/14 B ER m.w.N., vom 10.04.2014 – L 19 AS 471/14 B ER, vom 07.01.2013 – L 19 AS 2281/12, L 19 AS 2282/12 und 12.12.2013 – L 19 AS 2074/13 B ER; LSG Nordrhein-Westfalen Beschlüsse vom 24.02.2014 – L 12 AS 2319/13 B ER, vom 27.05.2013 – L 2 AS 1236/13 B ER, vom 08.05.2013 – L 7 AS 1235/13 B ER und 06.06.2013 – L 6 AS 170/13 B ER), weist der Senat ergänzend auf Folgendes hin:
Im Hinblick auf den gesetzlich vorgesehenen Schutzmechanismus zur Abwendung eines drohenden Wohnungsverlustes wegen Mietrückständen sind die genannten Anforderungen an einen Anordnungsgrund verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 30.07.2007 – 1 BvR 535/07 unter Hinweis auf § 22 Abs. 5 S. 1 und 2, Abs. 6 SGB II in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung, seither § 22 Abs. 9 SGB II; vgl. auch §§ 543 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 3, 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB). Allein aus dem existenzsichernden Charakter der Unterkunftskosten, auf den die Antragsteller im Übrigen zutreffend hinweisen, lässt sich ein Anordnungsgrund nicht ableiten. Denn für den Fall einer fristlosen Kündigung und einer sich anschließenden Räumungsklage kann die Kündigung noch abgewendet werden. Für den Fall der Räumungsklage enthält § 22 Abs. 9 SGB II Regelungen zur Sicherung der Unterkunft. Hiernach ist das Amtsgericht verpflichtet, dem Grundsicherungsträger unverzüglich Tatsachen und näher bezeichnete Einzelheiten einer Räumungsklage nach der Kündigung von Wohnraum wegen Zahlungsverzugs mitzuteilen. Dies dient der Prävention von Obdachlosigkeit und soll den Leistungsträgern ermöglichen, auch unabhängig von einem Antrag zu prüfen, ob die Kündigung durch Übernahme der Mietrückstände abzuwenden ist (Berlit in LPK-SGB II, 5. Auflage 2011, § 22 Rn. 207). Denn gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 BGB wird eine Kündigung unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach § 546a Abs. 1 BGB befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet. Sollte der Antragsgegner in einer solchen Situation die Leistungszahlung verweigern, steht den Antragstellern die Beantragung von einstweiligem Rechtsschutz – dann dem Zweck dieses Verfahrens entsprechend (Art. 19 Abs. 4 GG) – offen.
Allein der Umstand dass – wie von der Bevollmächtigten der Antragsteller befürchtet – diese in einem Räumungsprozess möglicherweise gesetzliche Fristen versäumen, rechtfertigt die Verpflichtung des Antragsgegners im summarischen Eilverfahren nicht.
Ein Anordnungsgrund resultiert nicht bereits aus eventuellen Kostenfolgen der Kündigung des Mietverhältnisses. Maßgebliches Kriterium für die Feststellung eines Anordnungsgrundes hinsichtlich der Geltendmachung des Bedarfs für Unterkunft und Heizung ist nicht die Vermeidung von Mehrkosten, sondern die drohende Wohnungs- bzw. Obdachlosigkeit (u.a. Beschlüsse des Senats vom 05.05.2014 – L 19 AS 632/14 B ER, vom 10.04.2014 – L 19 AS 471/14 B ER, vom 07.01.2013 – L 19 AS 2281/12, L 19 AS 2282/12 und 12.12.2013 – L 19 AS 2074/13 B ER; LSG Nordrhein-Westfalen Beschlüsse vom 25.05.2012 – L 7 AS 742/12 B ER; und 25.05.2011 – L 12 AS 381/11 B ER).
Ein Anordnungsgrund lässt sich nicht damit begründen, dass zwar die außerordentliche, nicht jedoch die ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs durch nachträgliche Zahlung des Mietzinses abgewendet werden könnte. Denn die ordentliche Kündigung setzt nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Gegensatz zur fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzugs ein Verschulden des Mieters voraus. Während der Mieter grundsätzlich, insbesondere auch bei Zahlungsverzug als Voraussetzung der außerordentlichen Kündigung, für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen hat und sich bei Geldmangel nicht auf § 286 Abs. 4 BGB berufen kann, entlastet ihn im Rahmen von § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB eine unverschuldete Zahlungsunfähigkeit. Bei der Prüfung der schuldhaften und nicht unerheblichen Pflichtverletzung i.S.d. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB sind die Gesamtumstände im Zusammenhang mit dem Zahlungsverhalten zu berücksichtigen Damit begünstigt § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB den Mieter bei einer ordentlichen Kündigung und eröffnet ihm im Gegensatz zur fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzugs die Möglichkeit, sich auf unvorhersehbare wirtschaftliche Engpässe zu berufen. Im Rahmen des Verschuldens kann zudem eine nachträgliche Zahlung des Mieters innerhalb der Schonfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB zu seinen Gunsten berücksichtigt werden, weil sie ein etwaiges Eigenverschulden in einem milderen Licht erscheinen lässt (BGH Urteile vom 10.10.2012 – VIII ZR 107/12 und 16.05.2005 – VII ZR 6/04 m.w.N.; Beschlüsse des Senats vom 29.05.2012 – L 19 AS 957/12 B ER und 10.04.2014 – L 19 AS 471/14 B ER; Weidenkaff in Palandt, BGB, 70. Aufl., § 573 Rn. 16 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren war abzulehnen. Die Rechtsverfolgung hat im Beschwerdeverfahren keine hinreichende Erfolgsaussicht i.S.v. § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 114 ZPO geboten. Auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 04.06.2014
Zuletzt verändert am: 04.06.2014