Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13.02.2014 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) an die Antragsteller, hier insbesondere über die Anrechnung des im November 2013 zugeflossenen Überbrückungsgeldes nach § 51 Abs. 1 Strafvollzugsgesetz (StVollzG).
Die Antragsteller zu 2) – 4) bezogen laufend Leistungen von dem Antragsgegner, zuletzt bewilligt für den Zeitraum vom 01.08. bis 31.12.2013 mit Bescheid vom 26.07.2013. Der Antragsteller zu 1) befand sich bis 07.11.2013 in Haft in der JVA N. Bei seiner Haftentlassung erhielt er ein Überbrückungsgeld in Höhe von 2.321,74 Euro. Auf den Änderungsantrag der Antragsteller hin bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern mit Änderungsbescheid vom 05.12.2013 Leistungen für den Zeitraum vom 01.11.2013 bis 31.12.2013 unter Berücksichtigung des Überbrückungsgeldes als einmalige Einnahme, die er auf sechs Monate verteilte. Zudem wurde Arbeitslosengeld als Einkommen berücksichtigt. Gegen den Bescheid vom 05.12.2013 legten die Antragsteller Widerspruch ein, den sie damit begründeten, dass das Überbrückungsgeld nicht über sechs Monate angerechnet werden dürfe. Den Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 15.01.2014 zurück. Mit Bescheid vom 18.01.2014 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern Grundsicherungsleistungen für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis 30.06.2014 unter Berücksichtigung von Einkommen, hier unter anderem wiederum unter Berücksichtigung des Überbrückungsgeldes als einmalige Einnahme.
Am 22.01.2014 stellten die Antragsteller einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Sie trugen vor, dass das Überbrückungsgeld komplett aufgebraucht sei. Sie vertraten die Ansicht, dass das Überbrückungsgeld nur für einen Zeitraum von vier Wochen angerechnet werden dürfe. Wenn es weiterhin angerechnet werde, könnten sie ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten, da die gewährten Leistungen neben dem Arbeitslosengeld und dem Kindergeld nicht ausreichen würden.
Der Antragsgegner vertrat die Auffassung, dass das Überbrückungsgeld als einmalige Einnahme gemäß § 11 Abs. 3 SGB II auf sechs Monate zu verteilen sei.
Das Sozialgericht Düsseldorf hat den Antrag als zulässig und begründet erachtet. Es hat zunächst den Antrag ausgelegt. Die Antragsteller als juristische Laien hätten zwar ausdrücklich den Bescheid vom 05.12.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.01.2014 angefochten. Aus ihrem Vortrag ergebe sich jedoch eindeutig, dass sie die Gewährung höherer Leistungen (auch) für die Zukunft begehrten. Denn sie hätten erklärt, dass ihnen die gewährten Leistungen in Zukunft, insbesondere nach Auslaufen des Arbeitslosengeldes, aber auch bereits jetzt nach Verbrauch des Überbrückungsgeldes, nicht zur Sicherstellung des Lebensunterhalts ausreichen würden. Es sei zudem davon auszugehen, dass ihnen bei Antragstellung am 22.01.2014 der Bescheid vom 18.01.2014 noch nicht vorlag, sie ihn anderenfalls mit vorgelegt hätten.
Nach § 86b Abs. 2 SGG könne das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr bestünde, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen seien auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheine (Satz 2). Die hier begehrte Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG setze die Glaubhaftmachung des streitigen Rechtsverhältnisses voraus, aus dem die Antragstellerin eigene Rechte – insbesondere Leistungsansprüche – ableite (Anordnungsanspruch). Ferner sei erforderlich, dass die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) vom jeweiligen Antragsteller glaubhaft gemacht werden würden. Dieses sei im Rahmen einer summarischen Prüfung zu bestimmen. Die Glaubhaftmachung beziehe sich auf die reduzierte Prüfungsdichte und die, eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde, Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes in summarischen Verfahren (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), 29.07.2003, Az.: 2 BvR 311/03). Könnten ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, seien die Erfolgsaussichten in der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Dann sei ggf. auf der Grundlage einer an der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, Az.: 1 BvR 569/05). Die Antragsteller hätten auch einen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Sie seien grundsätzlich leistungsberechtigt nach dem SGB II, denn sie erfüllten die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 19 Satz 1 SGB II (i. F. vom 24.03.2011, BGBl. I 2011, 453). Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II würden Leistungen nach diesem Buch Personen erhalten, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig (Nr. 2) und hilfebedürftig (Nr. 3) seien sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Die Antragsteller hätten insbesondere glaubhaft gemacht, hilfebedürftig i.S.v. § 9 Abs. 1 SGB II zu sein, da sie ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht aus zu berücksichtigendem Einkommen oder Vermögen gänzlich sichern können und die erforderliche Hilfe nicht in ausreichendem Maße von anderen, insbesondere von Angehörigen oder Trägern anderer Sozialleistungen, erhalten würden.
Das im November 2013 zugeflossene Überbrückungsgeld stelle Einkommen dar. Es sei nach Antragstellung zugeflossen, da die Antragsteller zu 2) – 4) bereits im laufenden Leistungsbezug stehen würden und der von der Antragstellerin zu 2) gestellte Antrag gemäß´§ 38 SGB II auch den Antragsteller zu 1) als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft mit umfassen würde (vgl. BSG, Urteil vom 22.08.2013 – B 14 AS 78/12 R -). Dieses Einkommen sei auch im Rahmen der Leistungsgewährung zu berücksichtigen, dies allerdings dem Zweck des § 51 StVollzG entsprechend nur für einen Zeitraum von vier Wochen. Dies habe das BSG zur alten Rechtslage (Anwendung der Alg II-VO zur Anrechnung des Einkommens) in einem vergleichbaren Fall entschieden (BSG, a.a.O.). Dem Antragsgegner, der darauf hinweise, dass vorliegend nicht mehr die Alg II-VO anzuwenden sei, sondern § 11 Abs. 3 SGB II nunmehr ausdrücklich die Verteilung der einmaligen Einnahme auf sechs Monate vorsehe, sei folgendes entgegenzuhalten: Zu berücksichtigen sei auch die Regelung des § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II. Danach seien Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Leistungen nach diesem Buch im Einzelfall demselben Zweck dienen würden. Das Überbrückungsgeld diene zwar grundsätzlich demselben Zweck, wie die Leistungen nach dem SGB II. Aber § 51 StVollzG laute konkret: "Aus den in diesem Gesetz geregelten Bezügen und aus den Bezügen der Gefangenen, die in einem freien Beschäftigungsverhältnis stehen (§ 39 Abs. 1) oder denen gestattet ist, sich selbst zu beschäftigen (§ 39 Abs. 2), ist ein Überbrückungsgeld zu bilden, das den notwendigen Lebensunterhalt des Gefangenen und seiner Unterhaltsberechtigten für die ersten vier Wochen nach seiner Entlassung sichern soll." Der Zweck des Überbrückungsgeldes liege also darin, für vier Wochen den Lebensunterhalt zu sichern und in dieser Zeit ggf. auch aufgebraucht zu werden. Eine Anrechnung über den Vier-Wochen-Zeitraum hinaus sei dann ausgeschlossen. Die Antragsteller hätten hierzu vorgetragen, das Überbrückungsgeld vollständig aufgebraucht zu haben. Wenn eine einmalige Einnahme aufgebraucht sei, sei eine weitere Verteilung nach den Maßstäben des § 11 Abs. 3 SGB II nicht mehr möglich, da Hilfebedürftigkeit tatsächlich bestehe. Wenn die einmalige Einnahme, deren Berücksichtigung als Einkommen in Rede stehe, tatsächlich nicht (mehr) uneingeschränkt zur Verfügung stehe, sei ein Leistungsanspruch nicht ausgeschlossen. Die Verweigerung existenzsichernder Leistungen aufgrund einer unwiderleglichen Annahme, dass die Hilfebedürftigkeit bei bestimmtem wirtschaftlichen Verhalten – hier dem Verbrauch der einmaligen Einnahme in bestimmten monatlichen Teilbeträgen – (teilweise) abzuwenden gewesen wäre, sei mit Art 1 Grundgesetz (GG) i. V. m. Art 20 GG nicht vereinbar (BSG, Urteil vom 29.11.2012 – B 14 AS 33/12 R -). Die zu treffende Folgenabwägung falle zugunsten der Antragsteller aus. Ihr Interesse, den Lebensunterhalt sicherstellen zu können, überwiege das Interesse des Antragsgegners, keine finanziellen Aufwendungen erbringen zu müssen, die möglicherweise nicht rückholbar seien. Dies gelte insbesondere deshalb, weil minderjährige Kinder von der Entscheidung betroffen seien. Für den vorliegenden Fall bedeute dies, dass die Anrechnung des Überbrückungsgeldes für die vier Wochen ab Haftentlassung zulässig sei, nicht jedoch darüber hinaus. Ein Anordnungsgrund sei ebenfalls glaubhaft gemacht. Die Antragsteller würden nicht über ausreichend Einkommen oder aktuell verwertbares Vermögen verfügen. Zur Sicherung des Existenzminimums sei eine sofortige Entscheidung erforderlich, ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung sei nicht zumutbar. Soweit das Begehren Leistungen vor Eingang des Antrages betreffe, läge kein Anordnungsgrund vor.
Der Beschluss des Sozialgerichts ist dem Antragsgegner am 17.02.2014 zugestellt worden; er hat hiergegen am 06.03.2014 Beschwerde erhoben. Zur Begründung trägt er vor, dass entgegen den Ausführungen im angefochtenen Beschluss weder von der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes noch eines Anordnungsanspruches ausgegangen werden könne. Bei dem Übergangsgeld handele es sich nicht um privilegiertes Einkommen, da es zum Zwecke der Sicherung des notwendigen Lebensunterhalts gewährt werde und denselben Zweck wie die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II verfolge. Darüber hinaus führe die Ansicht, es handele sich um eine nach § 11 a Abs. 3 Satz 1 SGB II privilegierte Einnahme dazu, dass diese Einnahme weder im Zuflussmonat noch in der Folgezeit bei der Leistungsgewährung berücksichtigt werden könne. Es sei auch bislang kein Nachweis erbracht worden, dass das Überbrückungsgeld tatsächlich verbraucht sei. Der Beschluss beinhalte auch die Gewährung der Kosten der Unterkunft und Heizung, obwohl weder von den Antragstellern vorgetragen noch aus dem Akteninhalt ersichtlich sei, dass eine Räumungsklage des Vermieters anhängig sei.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Das Sozialgericht Düsseldorf hat zu Recht dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung der Antragsteller vom 22.01.2014 im oben genannten Umfang stattgegeben. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat ausdrücklich Bezug auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung, die er sich nach Prüfung zu Eigen macht (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
Auch die im Rahmen der Beschwerde vorgebrachten Argumente vermögen eine andere Bewertung nicht zu rechtfertigen. Vor dem Hintergrund einer summarischen Prüfung im Rahmen des einstweiligen Rechtschutzes teilt der Senat die Auffassung der ersten Instanz, dass zur Bestimmung des vom Verordnungsgeber genannten angemessenen Zeitraumes auf die vom Gesetzgeber in § 51 Abs. 1 StVollzG angegebene Zweckbestimmung für das Überbrückungsgeld zurückzugreifen sei. Denn dieses soll den notwendigen Lebensunterhalt des Gefangenen und seiner Unterhaltsberechtigten für die ersten vier Wochen nach seiner Entlassung sichern und setzt somit eine zeitliche Zäsur.
Die Antragsteller haben auch eine besondere Eilbedürftigkeit glaubhaft gemacht, die es erlaubt, das Hauptsacheverfahren vorwegzunehmen und ihnen vorläufig Leistungen nach zur Sicherung des Lebensunterhalts zu bewilligen. Es ist den Antragstellern nicht zumutbar, das Hauptsacheverfahren abzuwarten. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird auf die Ausführung des Sozialgerichts ausdrücklich verwiesen.
Klarstellend weist der Senat darauf hin, dass entgegen der Beschwerdebegründung des Antragsgegners der Tenor des Ausgangsbeschlusses nicht auch die Gewährung der Kosten der Unterkunft und Heizung beinhaltet. Damit weicht der Beschluss auch nicht von der ständigen Rechtsprechung des hiesigen Landessozialgerichts ab. Denn das Sozialgericht hat "Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts" und nicht (allgemein) "Leistungen nach dem SGB II" zugesprochen. Lediglich in der zuletzt genannten Variante wären die Kosten der Unterkunft und Heizung enthalten.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar, § 177 SGG
Erstellt am: 22.05.2014
Zuletzt verändert am: 22.05.2014