Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15.08.2014 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die vorläufige Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu Recht abgelehnt.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (Anordnungsanspruch) treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)).
Bereits das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs nach § 7 Abs. 1 SGB II hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Es kann insoweit dahin stehen, ob er hilfebedürftig im Sinne von § 9 SGB II ist, weil ein möglicher Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II auch bei bestehender Hilfebedürftigkeit nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen ist. Ausgenommen von Leistungen nach dem SGB II sind nach dieser Vorschrift Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Dies ist beim Antragsteller der Fall. Ein anderes Aufenthaltsrecht als das zum Zweck der Arbeitsuche steht ihm nicht zu.
Der Antragsteller ist belgischer Staatsangehöriger. Er war nach eigenen Angaben seit seiner Einreise im November 2011 nach Deutschland zu keinem Zeitpunkt in seinem Beruf als Journalist tätig, weil ihm die Ausübung einer diesbezüglichen Tätigkeit bereits mangels deutscher Sprachkenntnisse nicht möglich war. Der Antragsteller ist damit weder als Arbeitnehmer nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 FreizügG/EU noch als Selbständiger nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt. Er ist auch nicht als Nicht-Erwerbstätiger nach § 2 Abs. 2 Nr. 5 iVm § 4 Satz 1 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt, weil es ihm an ausreichenden Existenzmitteln fehlt. Sein Aufenthaltsrecht kann sich damit allenfalls aus dem Zweck der Arbeitssuche (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 FreizügG/EU) ergeben. Eine aktive Arbeitsuche des Antragstellers ist allerdings bisher zu keinem Zeitpunkt erfolgt. Es stellt sich daher die Frage, ob der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II auch auf die EU-Bürger anwendbar ist, die sich ohne materielles Aufenthaltsrecht in Deutschland aufhalten (vgl. eingehend zum Meinungsstand SG Dortmund, Beschluss vom 18.11.2014 – S 35 AS 3929/14 ER, juris RdNrn. 2 ff). Teilweise wird diesbezüglich vertreten, dass der Leistungsausschluss nur eingreife, wenn das Aufenthaltsrecht des Ausländers zur Arbeitsuche positiv festgestellt werden kann (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 05.05.2014 – L 19 AS 430/13, juris RdNr. 42 ff; Hessisches LSG, Urteil vom 27.11.2013 – L 6 AS 378/12, juris RdNr. 54). Die Vorschrift könne nicht dahingehend erweiternd ausgelegt werden, dass der Leistungsausschluss "erst recht" für EU-Ausländer ohne materielles Aufenthaltsrecht gelten müsse. Als Ausnahmevorschrift müsse § 7 Abs. 1 Satz Nr. 2 SGB II vielmehr eng ausgelegt werden. Die Voraussetzungen für einen methodisch zulässigen "erst recht"-Schluss seien zudem nicht erfüllt, da eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage nicht vorlägen. Art. 14 Abs. 4 b) der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (Richtlinie 2004/38 EG) regele einen Ausweisungsschutz bei nachgewiesener Arbeitssuche. Allein für diesen freizügigkeitsberechtigten Personenkreis solle der Leistungsausschluss gelten. Bei Personen ohne materielles Aufenthaltsrecht bestehe demgegenüber die Möglichkeit zur Einleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen durch die Ausländerbehörde.
Die Gegenauffassung nimmt demgegenüber an, dass der Leistungsausschluss auch auf die EU-Bürger anwendbar ist, bei denen ein Aufenthaltsrecht zum Zwecke der Arbeitsuche nie bestanden hat oder fortgefallen ist und kein anderes Aufenthaltsrecht feststellbar ist (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 24.07.2014 – L 15 AS 202/14 B ER, juris RdNr. 15 ff.; Hessisches LSG, Beschluss vom 14.10.2009 – L 7 AS 166/09 B, juris RdNr. 21; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 130/13, juris RdNr. 35 f.). Dieser Auffassung schließt sich der Senat an. Er geht davon aus, dass Wortlaut und Aufbau der Norm darauf hindeuten, dass der Gesetzgeber mit der Vorschrift alle EU-Bürger vom Leistungsbezug ausschließen wollte, die nicht über zusätzliche Aufenthaltsrechte als die des bis zu drei monatigen Aufenthaltes oder des Aufenthalts zur Arbeitssuche verfügen (vgl. hierzu auch SG Dortmund, Beschluss vom 18.11.2014 – S 35 AS 3929/14 ER, juris). Insbesondere unter Berücksichtigung des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) hält er es nicht für vertretbar, arbeitsuchende EU-Bürger, die über ein Aufenthaltsrecht verfügen, vom Leistungsbezug auszuschließen, EU-Bürger ohne materielles Aufenthaltsrecht aber mit einzubeziehen und hält daher allein eine weite Auslegung der Ausschlussregelung für sachgerecht (so auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 24.07.2014 – L 15 AS 202/14 B ER, juris RdNr. 16;). Hierfür spricht auch der Sinn und Zweck der Norm, eine unangemessene Belastung der sozialen Sicherungssysteme zu verhindern. Dieser Sinn und Zweck gebietet es gerade, die nicht erwerbstätigen EU-Bürger, die nicht einmal zum Zweck der Arbeitsuche eingereist sind und die nicht über ausreichende Mittel zur Existenzsicherung verfügen, in den Leistungsausschluss mit einzubeziehen (vgl. Greiser in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014 Anhang zu § 23 , juris RdNr. 15.4). Die Anwendung des SGB II auf diese Ausländer ist vor dem Hintergrund, dass diese Leistung nicht nur zur Unterhaltssicherung, sondern auch zur Integration in den Arbeitsmarkt dienen systemwidrig (vgl. erneut LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 24.07.2014 – L 15 AS 202/14 B ER, juris RdNr. 16).
Das Argument, gegen letztere bestehe die Möglichkeit, aufenthaltsbeendende Maßnahmen einzuleiten, so dass eine vergleichbare Interessenlage nicht gegeben sei, ist nicht tragfähig, weil das Freizügigkeitsrecht nach §§ 5 Abs. 5, 6 und 7 FreizügG/EU so lange besteht, bis sein Verlust nach § 5 Abs. 4 FreizügigG/EU festgestellt worden ist. Bis zum Erlass eines solchen Feststellungsaktes gilt damit zunächst die Vermutung der Freizügigkeit. Das somit formal bis zur Ausweisung noch bestehende Aufenthaltsrecht kann aber keine Rechtsposition begründen, die über diejenige eines aufenthaltsberechtigten EU-Ausländers hinausgeht (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 24.07.2014 – L 15 AS 202/14 B ER, juris RdNr. 16; Greiser in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014 Anhang zu § 23 , juris RdNr. 15.2 f. ). Allein die Möglichkeit, einer unangemessenen Beanspruchung der Leistungen durch aufenthaltsbeendende Maßnahmen zu begegnen, lässt zudem die Erforderlichkeit einer Anwendung des Leistungsausschlusses bis zur tatsächlichen Durchsetzung dieser Maßnahmen nicht zwingend entfallen (vgl. Greiser in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014 Anhang zu § 23, juris RdNr. 15.3). Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass der EU-Ausländer bereits nach kurzzeitiger Ausreise erneut für drei Monate nach Deutschland einreisen kann.
Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist demnach auf den Antragsteller anzuwenden, weil er auch die Ausländer erfasst, die – wie dieser – wirtschaftlich inaktiv sind, ohne über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel zu verfügen.
Unter Berücksichtigung der Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union – EUGH in Sachen Dano (Urteil vom 11.11.2014 – C-333/13, zitiert nach curia.europa.eu) ist auch davon auszugehen, dass der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht europarechtswidrig ist.
Art. 24 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2004/38 bestimmt zwar, dass jeder Unionsbürger, der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates aufhält, grundsätzlich ein Recht auf die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen des Mitgliedstaates hat, er gilt aber nach der oben zitierten Entscheidung des EUGH nur, wenn und solange der Aufenthalt des Unionsbürgers im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats die Voraussetzungen der Richtlinie 2004/38 überhaupt erfüllt. Dies setzt nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 bei einem Aufenthalt von über drei Monaten im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaates voraus, dass der Unionsbürger entweder Arbeitnehmer oder Selbständiger im Aufnahmemitgliedstaat ist (Art. 7 Abs. 1 a)) oder für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während des Aufenthalts keine Sozialleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, und er und seine Familienangehörigen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügen (Art. 7 Abs. 1 b)). Nur solange sie diese Voraussetzungen erfüllen, steht ihnen das Aufenthaltsrecht zu (Art. 14 Abs. 2 der RL 2004/13). Bei der Beurteilung dieser Frage ist eine konkrete Prüfung der wirtschaftlichen Situation des Betroffenen vorzunehmen, wobei die beantragten Leistungen nicht zu berücksichtigen sind (vgl. EUGH in Sachen Dano, Urteil vom 11.11.2014 – C-333/13, zitiert nach curia.europa.eu, RdNr. 69 ff.). Liegen die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht nach der Richtlinie nicht vor, kann der Unionsbürger hinsichtlich des Zugangs zu Sozialleistungen keine Gleichbehandlung mit den Staatsangehörigen des Aufnahmestaats verlangen.
Der Antragsteller verfügt aber nach seinen eigenen Angaben und unter Berücksichtigung seiner vorgelegten Kontoauszüge nicht über ausreichende Existenzmittel. Auch ein Krankenversicherungsschutz besteht bei ihm nicht. Er kann sich damit nicht auf das Diskriminierungsverbot des Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie berufen.
Auch Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004, die ab dem 1. Mai 2010 die Verordnung Nr. 1408/71 ersetzt hat, steht dem Leistungsausschluss nicht entgegen.
Art. 4 ("Gleichbehandlung") der Verordnung lautet: "Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, haben Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates." In Art. 70 Abs. 1) und 2) der Verordnung sind diesbezüglich die "besonderen beitragsunabhängigen Leistungen" geregelt, zu denen nach Anhang X der Verordnung 883/2004 auch die Leistungen nach dem SGB II gehören. Diese werden aber nach Art. 70 Abs. 4 der Verordnung 883/2004 ausschließlich in dem Mitgliedsstaat, in dem die betreffenden Personen wohnen, und nach dessen Rechtsvorschriften gewährt. Hieraus folgt nach der Auffassung des EUGH, dass eine nationale Regelung – wie § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II – die die Gewährung solcher Leistungen an nicht erwerbstätige Unionsbürger von dem Erfordernis abhängig macht, dass sie die Voraussetzungen der Richtlinie 2004/38 für ein Recht auf Aufenthalt im Aufnahmemitgliedsstaat erfüllen, nicht europarechtswidrig ist (vgl. EUGH in Sachen Dano, Urteil vom 11.11.2014 – C-333/13, zitiert nach curia.europa.eu, RdNr. 83).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 08.12.2014
Zuletzt verändert am: 08.12.2014