Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14.04.2014 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Erstattung der Kosten eines isolierten Widerspruchsverfahrens nach § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X.
Die 1979 geborene Klägerin 1), der 1976 geborene Kläger zu 2) und ihre gemeinsamen Kinder, der 2000 geborene Kläger zu 3) und die 2003 geborene Klägerin zu 4) reisten im Herbst 2012 von Ungarn in die Bundesrepublik ein. Bis Ende Oktober 2012 wohnten sie bei einer Bekannten oder einer Cousine der Klägerin zu 1) in Q. Ab dem 24.10.2012 waren sie wohnungslos.
Durch Bescheid vom 01.10.2012 bewilligte der Beklagte den Klägern den Regelbedarf für die Zeit vom 01.10.2012 bis zum 31.12.2012 als Darlehen nach §§ 42a, 12 SGB II. Unter dem 25.10.2012 legten die Kläger dem Beklagten ein Mietangebot für eine ca. 57 qm große Dreizimmerwohnung in der S Straße 00 in Q mit einer Bruttowarmmiete von 416,98 EUR zur Prüfung vor. Mit Bescheid vom 26.10.2012 lehnte der Beklagte die Erteilung einer Zusicherung der zukünftigen Unterkunftskosten für diese Wohnung ab. Die Kosten der Wohnung seien zwar angemessen. Der Umzug sei aber unter Berücksichtigung der angegebenen Gründe nicht notwendig. Hiergegen legten die Kläger, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, am 05.11.2012 Widerspruch ein, "insoweit dort die Notwendigkeit eines Umzugs abgelehnt wurde". Sie hätten gemäß § 22 Abs. 4 SGB II einen Anspruch auf "Zusicherung der Erforderlichkeit des Umzugs", denn dieser sei notwendig.
Mit Bescheid vom 01.11.2012 lehnte der Beklagte einen weiteren – wohl unter dem 29.10.2012 gestellten – Antrag auf Übernahme von Wohnbeschaffungskosten mit der Begründung ab, dass ein Umzug nicht erforderlich sei.
Am 08.11.2012 reichten die Kläger ein weiteres Mietangebot betreffend eine 78 qm große Vierzimmerwohnung in der E Straße 00 in I mit einer Bruttowarmmiete von 498,00 EUR ein. Mit Bescheid vom 13.11.2012 lehnte der Beklagte hinsichtlich dieses Wohnungsangebotes die "Zusicherung zum Umzug" ab. Durch Beschluss vom 14.11.2012 verpflichtete das Sozialgericht Dresden den Beklagten im Wege einer einstweiligen Anordnung, den Klägern vorläufig die Zusicherung zur Übernahme der Aufwendungen der Wohnung E Straße 00 in 01809 I zu erteilen. In Ausführung dieses Beschlusses sicherte der Beklagten unter dem 15.11.2012 vorläufig eine Übernahme der Aufwendungen für die Wohnung E Straße 00 in I zu. Mit Schreiben vom 23.11.2012 legten die Kläger – vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten – gegen die vorangegangenen Bescheide vom 01.11.2012 und 13.11.2012 Widerspruch ein.
Zum 01.12.2012 bezogen die Kläger die Wohnung E Straße 00 in I.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.08.2012 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 26.10.2012 betreffend die Zusicherung zu der Wohnung S Straße 00, Q als unbegründet zurück (Geschäftszeichen: XXX). Ein Rechtsschutzinteresse an der begehrten Zusicherung bestehe nach erfolgtem Umzug nicht mehr. Kosten seien gemäß § 63 Abs. 1 SGB X nicht zu erstatten.
Am 20.09.2013 haben die Kläger vor dem Sozialgericht Düsseldorf Klage erhoben und eine Erstattung der anlässlich des Widerspruchsverfahrens XXX entstandenen Rechtsanwaltsgebühren begehrt. Mit Gerichtsbescheid vom 14.04.2014 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Auf die Gründe wird Bezug genommen.
Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 23.04.2014 zugestellten Gerichtsbescheid haben die Kläger am 24.04.2014 Berufung eingelegt. Sie sind der Auffassung, dass sich die "widerspruchsbefangene Beschwer" auch durch den Umzug in eine andere Wohnung nicht erledigt habe. Mit dem angegriffenen Bescheid vom 26.10.2012 habe der Beklagte zum Ausdruck gebracht, dass er einen Umzug grundsätzlich nicht für erforderlich erachte. Anders als zum Beispiel die Angemessenheit der Unterkunftskosten, sei dieser Ablehnungsgrund nicht wohnungsbezogen und habe daher Bedeutung über das konkrete Mietangebot hinaus.
Der Prozessbevollmächtigte der Kläger beantragt schriftsätzlich,
unter Aufhebung des Gerichtsbescheids vom 14.04.2014 (S 25 AS 3250/13) sowie unter Abänderung des Bescheids vom 26.10.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.08.2013
1. den Klägern die im Widerspruchsverfahren XXX resultierend aus dem Widerspruch gegen den Bescheid vom 26.10.2012 entstandenen notwendigen Auslagen zu übernehmen und
2. festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes in diesem Widerspruchsverfahren notwendig war.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Mit Schreiben vom 17.04.2015 haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte Bezug, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der Beratung des Senats gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis erklärt haben.
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Die Berufung ist nach § 114 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG statthaft. Danach bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Streitgegenstand des Verfahrens ist der Widerspruchsbescheid 22.08.2013, soweit in ihm die Erstattung der Kosten des Widerspruchsverfahrens – XXX – nach § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X abgelehnt wurde. Die Aufwendungen der Kläger für das Widerspruchsverfahren – Kosten für die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts nach § 63 Abs. 2 SGB X – belaufen sich nach der im Berufungsverfahren übersandten Mustergebührenrechnung ihres Bevollmächtigten auf 769,93 EUR. Damit übersteigt die Beschwer der Kläger den Betrag von 750,00 EUR. Zwar erscheint dem Senat der Ansatz einer höheren Geschäftsgebühr (627,00 EUR) als der Schwellengebühr nach Nr. 2400, 1008 VV RVG i.d.F. bis zum 30.06.2013 (456,00 EUR) unbillig i.S.v. § 14 Abs. 1 RVG und damit nicht gerechtfertigt. Dies ist für die Wertbemessung nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG jedoch ohne Belang, da die Beschwer sich nach dem Begehren des Rechtsmittelklägers und nicht nach dessen materiell-rechtlichem Anspruch richtet (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11.Aufl., § 144 Rn.14f). § 144 Abs. 4 SGG ist nicht einschlägig. Die Vorschrift bezieht sich nur auf die Kosten des laufenden Gerichtsverfahrens, nicht solche eines isolierten Vorverfahrens, die Gegenstand eines Klageverfahrens sind (BSG Urteil vom 25.04.1984 – 11 RA 29/84). Die Berufung ist form- und fristgerecht erhoben worden.
Die Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Kläger sind nicht beschwert i.S.v. § 54 Abs. 2 SGG. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen nach § 63 Abs. 1 SGB X, die ihnen aufgrund ihres Widerspruches gegen den Bescheid vom 26.10.2012 entstanden sind.
Rechtsgrundlage für den Anspruch der Kläger ist § 63 Abs. 1S. 1 SGB X. Danach hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist. Das Widerspruchsverfahren war für die Kläger nicht erfolgreich i.S.d. § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Behörde dem Widerspruch stattgibt (BSG Urteile vom 12.06.2013 – B 14 AS 68/12 R -, NZS 2012, 957 und vom 19.06.2012 – B 4 AS 142/11 R -, SozR 1300 § 63 Nr. 20 m.w.N.). Maßgebend für die Beantwortung der Frage, ob und inwieweit der Widerspruch erfolgreich oder erfolglos war, ist ein Vergleich des mit dem Widerspruch Begehrten und des Inhalts der das Vorverfahren abschließenden Sachentscheidung (BSG Urteil vom 19.06.2012, a.a.O.). Gegenstand des den Bescheid vom 26.10.2012 betreffenden Vorverfahrens war die Erteilung einer Zusicherung zu den bei Bezug der Wohnung S Straße 00 in Q anfallenden Unterkunftskosten nach § 22 Abs. 4 SGB II. Eine solche Zusicherung wurde den Klägern weder während des Widerspruchsverfahrens noch mit Widerspruchsbescheid vom 22.08.2013 erteilt.
Soweit sich die Kläger im gerichtlichen Verfahren dahingehend einlassen, dass Gegenstand des Widerspruchsverfahren auch ihr Begehren auf abstrakte Feststellung der Erforderlichkeit des Umzuges gewesen sei und der Beklagte mit Bescheid vom 15.11.2012 diese Feststellung getroffen habe, begründet dies keinen Erfolg i.S.v. § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X. Die im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erstrittene vorläufige Erteilung einer Zusicherung zu den Aufwendungen für die Wohnung E Straße 00 in I betreffen eine Unterkunft, die zu keinem Zeitpunkt Gegenstand des hier streiterheblichen Vorverfahrens waren; vielmehr wurde diesbezüglich ein gesondertes Widerspruchsverfahren geführt (Geschäftszeichen: XXX). Der Bescheid vom 15.1.12012 ist ein sog. Ausführungsbescheid, in dem der Beklagte die ihm vom Sozialgericht Dresden im Wege der Regelungsanordnung auferlegte Verpflichtung betreffend einer anderen Wohnung umsetzte. Der Bescheid vom 15.11.2012 trifft keine Regelung hinsichtlich des Verfahrensgegenstandes des Widerspruchsverfahrens – XXX -; ein solcher Regelungswille des Beklagten ist dem Bescheid nicht zu entnehmen. Die von den Klägern geltend gemachte Sachentscheidung – Feststellung der Erforderlichkeit des Umzugs – traf der Beklagte in dem Widerspruchsverfahren – XXX – nicht. Als Erfolg des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 26.10.2012 ist schließlich entgegen der Auffassung der Kläger nicht zu werten, dass im Rahmen des die Wohnung E Straße 00 in I betreffenden Eilverfahrens eine Erforderlichkeit des Umzugs als Tatbestandsvoraussetzung inzident bejaht wurde. Erfolgreich ist ein Widerspruch erst dann, wenn der angefochtene Verwaltungsakt ganz oder zumindest teilweise aufgehoben wurde (LSG NRW Beschluss vom 07.05.2013 – L 6 AS 226/13 B -). Eine solche (teilweise) Aufhebung des mit dem Widerspruch angegriffenen Verwaltungsaktes vom 26.10.2012 i.S. des § 31 SGB X ist nicht gegeben.
Dahinstehen kann, ob der Beklagte berechtigt war, die Zusicherung zu den Unterkunftskosten der hier streitrelevanten Wohnung in der S Straße in Q mangels Erforderlichkeit abzulehnen. Bei der Beurteilung des Erfolgs eines Widerspruchsverfahrens ist unerheblich, ob der angegriffene Verwaltungsakt (überhaupt) rechtswidrig bzw. die Begründung unzutreffend war. Entscheidend ist, in welchem Umfang dem sachlichen Begehren im Widerspruchsverfahren entsprochen wurde (BSG Urteil vom 12.06.2013, a.a.O.). Insoweit hat das Sozialgericht zutreffend dargelegt, dass bis auf die Regelung des § 63 Abs. 1 S. 2 SGB X Veranlassungsgesichtspunkte bei einer Entscheidung nach § 63 Abs. 1 SGB X keine Berücksichtigung finden (BSG Urteile vom 20.10.2012 – B 13 R 15/10 R -, SozR 4-1500 § 193 Nr. 6 und vom 19.06.2012, a.a.O.).
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Bescheid vom 26.10.2012 keinen eigenständigen Verfügungssatz über die Erforderlichkeit eines Umzugs enthält, welcher über das konkrete Wohnungsangebot – S Straße 00 in Q – hinaus eine präjudizielle Wirkung auch für andere, zukünftige Mietangebote entfaltet. Die Verneinung der Erforderlichkeit des Umzugs im Rahmen dieses Bescheids stellt keine eigenständige Regelung im Sinne des § 31 S. 1 SGB X dar, die isoliert zum Gegenstand eines Widerspruchs- oder Klageverfahrens hätte gemacht werden können. Es handelt sich um die Verneinung eines Tatbestandsmerkmals, welches neben der Angemessenheit der Unterkunftskosten gemäß § 22 Abs. 4 SGB II vorliegen muss, damit die Aufwendungen für eine konkrete Wohnung zugesichert werden können (BSG Urteil vom 06.05.2011 – B 4 AS 5/10 R, FEVS 63, 10 9m.w.N.). Das Merkmal der Erforderlichkeit eines Umzugs ist grundsätzlich einer isolierten Feststellung oder Zusicherung nicht zugänglich. Ein Anspruch auf Erteilung einer Zusicherung nach § 34 SGB X allein bezogen auf die Frage der Notwendigkeit bzw. Erforderlichkeit des Auszugs aus der bisherigen Wohnung besteht nicht. Es entspricht dem Willen des Gesetzgebers, dass die in § 22 Abs. 4 SGB II normierte Zusicherung als gegenüber § 34 SGB X speziellere Sonderregelung abschließend bestimmt, unter welchen Voraussetzungen bei den Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem SGB II Zusicherungen möglich sein sollen (Bt-Drucks. 15/1516 S. 57, BSG Urteile vom 22.11.2011 – B 4 AS 219/10 R -, SozR 4-4200 § 22 Nr. 57und vom 06.04.2011, a.a.O.,). Eine Zusicherung kann daher nach dem Gesetzeswortlaut des § 22 Abs. 4 SGB II, dem Willen des Gesetzgebers (vgl. Bt.-Drucks. 15/1516 S. 57) und der Systematik des § 22 Abs. 4 SGB II nur kumulativ zu den Voraussetzungen der Erforderlichkeit eines beabsichtigen Umzugs und zur Angemessenheit der künftigen Unterkunftskosten eingeholt werden (vgl. BSG Urteil vom 22.11.2011, a.a.O.). Eine vorzeitige und unabhängig von den Aufwendungen für die neue Unterkunft erfolgende Bindung des SGB II – Trägers allein bezogen auf das Tatbestandsmerkmal der "Erforderlichkeit" i.S. des § 22 Abs. 4 SGB II soll nicht möglich sein (BSG Urteil vom 06.04.2011, a.a.O.; siehe auch Beschluss des Senats vom 06.10.2014 – L 19 AS 1098/14).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Erstellt am: 28.05.2015
Zuletzt verändert am: 28.05.2015