Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 18.03.2013 aufgehoben. Dem Antragsteller wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt U, S, bewilligt. Kosten sind für dieses Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I. Der Antragsteller wendet sich in der Hauptsache gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 10.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.08.2012 und eine damit verbundene Rückforderung von 2180,63 Euro.
Der Antragsteller bezieht seit Dezember 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Mit Bescheid vom 08.11.2010 wurden ihm für den Zeitraum 01.12.2010 bis 31.05.2011 zunächst Leistungen in Höhe von monatlich 844,78 Euro bewilligt. Mit Änderungsbescheiden vom 03.02.2011, 23.03.2011, 26.03.2011 und 02.08.2011 wurden die Leistungen neu berechnet und zuletzt auf monatlich 1039,07 Euro erhöht. Maßgeblich für die Erhöhung war die Anhebung des Zuschusses zur privaten Krankenversicherung.
Mit Bescheid vom 28.02.2011 bewilligte die gesetzliche Unfallversicherung VBG dem Antragsteller aufgrund eines im Dezember 2010 vor dem Sozialgericht Düsseldorf geschlossenen Vergleichs rückwirkend ab November 2005 eine Verletztenrente, die ab dem 01.07.2007 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 berechnet wurde. Die laufende Rente beträgt 201,11 Euro, die Nachzahlung für den Zeitraum 2005 bis 28.02.2011 wurde mit insgesamt 13.662,- Euro berechnet. Im März 2011 gingen diese Nachzahlung und die Rente für den laufenden Monat März 2011 auf dem Konto des Antragstellers ein. Im Rahmen des am 04.05.2011 gestellten Fortzahlungsantrags teilte dieser dem Antragsgegner erstmalig mit, dass er nunmehr eine Verletztenrente von monatlich 201,11 Euro erhalte. Mit Schreiben vom 27.06.2011 übersandte sein Bevollmächtigter den diesbezüglichen Bewilligungsbescheid der VGB, aus dem sich auch die Nachzahlung ergab.
Mit Schreiben vom 04.11.2011 hörte der Antragsgegner den Antragsteller dazu an, dass dieser nach seinen Erkenntnissen möglicherweise für den Zeitraum vom 01.04.2011 bis 30.09.2011 Arbeitslosengeld II in Höhe von insgesamt 3710,34 Euro zu Unrecht erhalten und zu erstatten habe. Durch die Nachzahlung der Verletztenrente aus der Unfallversicherung im März 2011 könnte sein Anspruch auf Arbeitslosengeld II entfallen sein.
Mit dem hier streitigen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 10.11.2011 hob der Antragsgegner die Leistungsbewilligung vom 08.11.2010 und die hierzu ergangenen Änderungsbescheide auf. Er forderte für den Monat März 2011 Regelleistungen in Höhe von 102,49 Euro und für die Monate April und Mai 2011 die gesamten Leistungen in Höhe von jeweils 1039,07 Euro monatlich zurück. Rechtsgrundlage der Entscheidung sei § 50 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 3, Abs. 4 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) i.V.m. § 330 Abs. 3 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III), § 48 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 2, 3 und 4 SGB X.
Mit Änderungsbescheid vom 28.12.2011 berechnete der Antragsgegner die an den Antragsteller für den Zeitraum 01.12.2010 bis 31.05.2011 zu gewährenden Leistungen nochmals neu und errechnete einen monatlichen Anspruch von 1107,69 Euro. Hintergrund dieser Neuberechnung war ein am 16.05.2011 geschlossener Vergleich vor dem Sozialgericht, in dem der Antragsgegner sich dazu verpflichtete bis zum 01.11.2011 die tatsächlichen Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 425,50 Euro anstelle der zuvor bewilligten 356,88 Euro zu gewähren.
Die Änderung erfolgte unter Hinweis auf den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 10.11.2011, gegen den der Antragsteller am 09.12.2011 Widerspruch eingelegt hatte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.08.2012 wies der Antragsgegner diesen Widerspruch zurück.
Der Antragsteller hat am 27.09.2012 Klage vor dem Sozialgericht Düsseldorf erhoben und einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt U gestellt. Zur Begründung macht er geltend, die Anrechnung der Nachzahlung auf die Zeit ab April 2011 sei unzulässig, weil sich die Nachzahlung auf den Zeitraum bis Februar 2011 beziehe. Allenfalls eine Anrechnung auf die einzelnen Monate, für die die Nachzahlung erbracht worden sei, sei zulässig. Diese Anrechnung sei aber nicht erfolgt.
Mit Beschluss vom 18.03.2013 hat das Sozialgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit der Begründung abgelehnt, die beabsichtigte Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die im Monat März 2011 zugeflossene Rentenzahlung von 201,11 Euro sei auf die Leistungen für diesen Monat anzurechnen. Dies ergebe sich aus § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB II. Die Nachzahlung von rund 13.000,- Euro sei als einmaliges Einkommen nach § 11 Abs. 3 SGB II zu behandeln und in den Folgemonaten zu berücksichtigen. Die Aufhebung der Bewilligungsbescheide sei daher zu Recht erfolgt.
Gegen den am 20.03.2013 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 16.04.2013 Beschwerde eingelegt. Er ist weiterhin der Auffassung, dass die Rentennachzahlung keine einmalige Einnahme, sondern die nachträgliche Zahlung der Rente für die entsprechenden Monate und die Anrechnung auf den Zeitraum März bis Mai 2011 daher unzulässig sei.
Ergänzend verweist er darauf, dass der Antragsgegner noch mit Änderungsbescheid vom 02.08.2011 in Kenntnis der Zahlung der Unfallrente für den hier streitigen Zeitraum Leistungen in voller Höhe bewilligt habe. Auf diesen letzten Änderungsbescheid sei abzustellen. Dieser sei aber bereits bei seinem Erlass rechtswidrig gewesen, so dass die maßgebliche Rechtsgrundlage für die Aufhebung § 45 SGB X und nicht § 48 SGB X sei. Die Voraussetzungen der erstgenannten Vorschrift seien aber nicht erfüllt, weil er, der Antragsteller, nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt habe.
II. Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist begründet. Das Sozialgericht hat die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren zu Unrecht abgelehnt.
Beteiligte, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen können, erhalten gemäß § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Der Antragsteller bezieht Leistungen nach dem SGB II und hat glaubhaft gemacht, dass er die Kosten der Prozessführung nicht selbst aufbringen kann.
Die Rechtsverfolgung bietet auch hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Eine solche besteht, wenn das Gericht nach vorläufiger Prüfung den Rechtsstandpunkt des Antragstellers für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 73a RdNr.7a f.). Die Erfolgsaussichten dürfen dabei aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht überspannt werden. Es reicht eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit.
Eine solche ist hier gegeben, weil sich nicht ohne weiteres feststellen lässt, dass die Voraussetzungen für die Aufhebung und Erstattung in Höhe von 2180,63 Euro vorliegen.
Die Erstattung zu Unrecht erbrachter Geldleistungen nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X setzt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) voraus, dass sämtliche Leistungsbescheide, mit denen für den maßgeblichen Zeitraum die Leistungen bewilligt worden sind, aufgehoben worden sind. Dies gilt auch für alle Änderungsbescheide, mit denen die ursprüngliche Leistungsbewilligung modifiziert worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 29.11.2012 – B 14 AS 196/11 R). Fraglich ist diesbezüglich bereits, wie der im zuletzt erteilten Änderungsbescheid vom 28.12.2011 erteilte Hinweis auf den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 10.11.2011 rechtlich zu bewerten ist. Eine mit der in diesem Bescheid erfolgten Bewilligung der Leistungen erfolgte gleichzeitige Aufhebung wird man dem Hinweis nicht ohne weiteres entnehmen können. Bereits hieraus ergeben sich Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides. Hinsichtlich der weiteren zum Bewilligungsbescheid vom 08.11.2010 ergangenen Änderungsbescheide ist eine Aufhebung zwar erfolgt, fraglich ist aber, ob sie auch rechtmäßig ist. Maßgebliche Rechtsgrundlage für die Aufhebung der nach Zufluss der Rentenzahlung ergangenen Änderungsbescheide, insbesondere des Änderungsbescheides vom 02.08.2011, ist – worauf der Bevollmächtigte des Antragstellers zu Recht hinweist – § 45 SGB X und nicht § 48 Satz 2 SGB X.
Entscheidend für die Abgrenzung von § 48 SGB X und § 45 SGB X ist der Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes, der aufgehoben werden soll. War der Verwaltungsakt bereits zu diesem Zeitpunkt objektiv rechtswidrig, gilt § 45 SGB X, ist die Änderung, die ihn rechtswidrig macht, erst nach seinem Erlass eingetreten, muss § 48 SGB X angewendet werden (BSG, Urteil vom 21.06.2011 – B 4 AS 22/10 R).
Jedenfalls der Änderungsbescheid vom 02.08.2011 war bereits bei seinem Erlass rechtswidrig, weil dem Antragsteller zu diesem Zeitpunkt die nach Auffassung des Antragsgegners nach § 11 Abs. 3 SGB II als einmaliges Einkommen anzurechnende Nachzahlung der Verletztenrente bereits zugeflossen war.
Zwar ist das Auswechseln der Rechtsgrundlagen des § 45 SGB X und des § 48 SGB X grundsätzlich möglich, weil beide auf dasselbe Ziel, nämlich die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, gerichtet sind, Voraussetzung hierfür ist aber, dass die besonderen Voraussetzungen der jeweiligen Norm vorliegen (vgl. BSG, Urteil vom 21.06.2011 – B 4 AS 22/10 R). Bei einer Umdeutung im Rahmen der Rücknahme für die Vergangenheit nach § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X sind dies insbesondere die besonderen Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X. Ihr Vorliegen bedarf noch einer weiteren Überprüfung, weil der Änderungsbescheid vom 02.08.2011 vom Antragsgegner in Kenntnis der erfolgten Nachzahlung erteilt worden ist und für den Antragsteller bei seinem Erlass nicht ohne weiteres nachvollziehbar war, dass die für den Zeitraum 2005 bis Februar 2011 nachgezahlte Verletztenrente seinen Leistungsanspruch ab April 2011 trotz der erneuten Bewilligung der Leistungen wegen der Anrechnung von Einkommen möglicherweise entfallen lässt.
Sofern das Sozialgericht bei dieser Überprüfung zu dem Ergebnis gelangt, dass die besonderen Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X erfüllt sind und eine Umdeutung daher in Betracht kommt, wird es darüber hinaus in eigener Zuständigkeit zu prüfen haben, ob die Nachzahlung der Verletztenrente überhaupt eine Einmalzahlung im Sinne von § 11 Abs. 3 SGB II darstellt, weil die Leistungsbewilligung für die Monate April und Mai 2011 nur in diesem Fall rechtswidrig war. Das BSG hat diesbezüglich zur Abgrenzung von regelmäßigen und einmaligen Einnahmen nach § 11 SGB II ausgeführt, dass laufende Einnahmen solche sind, die auf demselben Rechtsgrund beruhen und regelmäßig erbracht werden, während sich bei einmaligen Einnahmen das Geschehen in einer einzigen Leistung erschöpft (vgl. BSG, Urteil vom 21.12.2009 – B 14 AS 46/08 R).
Die Rechtsverfolgung ist auch nicht mutwillig. Im Hinblick auf die Komplexität der Sach- und Rechtslage ist die Beiordnung eines Rechtsanwalts erforderlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a Abs. 1 SGG iVm § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Erstellt am: 15.08.2013
Zuletzt verändert am: 15.08.2013