Auf die Beschwerden der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 26.03.2011 geändert. Der Antragstellerin wird für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt L aus M bewilligt. Die Beschwerde bezüglich der Ablehnung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren ab dem 09.06.2011 (Antragstellung) Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt L aus M beigeordnet.
Gründe:
Die zulässigen Beschwerden der Antragstellerin sind hinsichtlich der Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe begründet, bezüglich des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unbegründet.
Die Voraussetzungen des § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches, d. h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 -1 BvR 569/05-, NVwZ 2005, S. 927).
Die Auffassung des SG, es fehle dem Antrag der Antragstellerin das Rechtsschutzbedürfnis, weil sie sich vor der Antragstellung beim SG nicht erfolglos an die zuständige Behörde gewandt habe, wird nicht geteilt. Denn der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin wandte sich unter dem 22.11.2010 an den Antragsgegner zwecks Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Selbst wenn zu diesem Zeitpunkt eine Vollmacht dem Antragsgegner nicht vorgelegen hat, ist dieser Mangel spätestens durch die Vorlage einer Vollmacht im Rahmen des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung am 26.01.2011 geheilt worden. Denn diese Vollmacht wurde auch zur außergerichtlichen Vertretung erteilt.
Gleichwohl hat die Beschwerde bezüglich der Ablehnung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung keinen Erfolg. Die Antragstellerin hat weder gegenüber dem Antragsgegner noch gegenüber der Beigeladenen einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen. Es fehlt an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches.
Der Antragstellerin, die bulgarische Staatsangehörige ist, steht kein Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu. Denn die Antragstellerin ist ungeachtet der Frage, ob sie die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 SGB II erfüllt, jedenfalls gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Danach sind Ausländer und ihre Familienangehörigen von den Leistungen ausgeschlossen, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zwecke der Arbeitsuche ergibt. Die Antragstellerin gehört zu diesem Personenkreis. Zur Überzeugung des Senats ergibt sich das Aufenthaltsrecht der Antragstellerin, die nach einer von ihr unter dem 12.04.2011 unterschriebenen Erklärung am 01.10.2009 aus Bulgarien nach E "wegen Arbeit" gezogen ist, allein aus dem Zwecke der Arbeitsuche. Sie hält sich nach dem Tod ihres Ehemannes am 27.05.2010 allein zum Zwecke der Arbeitsuche in Deutschland auf.
Ein anderer, Unionsbürger gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 Freizügigkeitsgesetz/EU zur Freizügigkeit und somit zum Aufenthalt in einem anderen EU-Mitgliedstaat berechtigender Aufenthaltszweck, welcher nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum die Anwendung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ausschließt (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 08.06.2009, L 10 AS 617/09; LSG NRW, Beschluss vom 20.01.2008, L 20 B 76/07 SO ER; Spellbrink und Blüggel in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 7 Rn. 16 und 24 und § 8 Rn. 46c), ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
Ein Zugang zu den Leistungen nach dem SGB II wird der Antragstellerin auch nicht dadurch eröffnet, dass ihr primärrechtlich aufgrund der Unionsbürgerschaft i.V.m. dem allgemeinen Freizügigkeitsrecht und dem allgemeinen Diskriminierungsverbot (Art. 17 i.V.m. Art. 18, 12 EGV) ein diskrimierungsfreier Zugang zu allen Sozialleistungen im Aufnahmestaat gewährleistet wird. Dies würde voraussetzen, dass sie einen gleichen Zugang zum inländischen Arbeitsmarkt hätte wie deutsche Arbeitsuchende. Diese Voraussetzung erfüllen Arbeitsuchende aus Rumänien und Bulgarien aber nur, wenn sie im Besitz einer Arbeitsgenehmigung-EU sind. Fehlt sie, besteht ein objektiver Grund, sie von den Leistungen auszuschließen (vgl. zum Arbeitslosengeld II-Anspruch von Ausländern im Hinblick auf die Ausschlusstatbestände des § 7 Abs. 1 SGB II, Schreiber: Der Arbeitslosengeld II-Anspruch von Unionsbürgern und Drittstaatsangehörigen, info also 2008 Heft 13).
Über eine Arbeitsgenehmigung-EU verfügt die Antragstellerin derzeit nicht. Vielmehr ist die Erteilung einer Arbeitserlaubnis für eine Tätigkeit als Reinigungskraft mit Bescheid vom 29.12.2010 durch die Bundesagentur für Arbeit abgelehnt worden. Nach der Bescheinigung gemäß § 5 Freizügigkeitsgesetz/EU vom 18.01.2010 ist der Antragstellerin die Aufnahme einer Beschäftigung nur gemäß gültiger Arbeitserlaubnis- oder Arbeitsberechtigung-EU gestattet.
Auf einen Verstoß gegen Art. 39 EG kann sich die Antragstellerin nicht berufen. Der EuGH hat in seiner Entscheidung vom 04.06.2009 (vgl. EuGH, C 22/08, C 23/08) klargestellt, dass sich EU-Bürger, die sich ausschließlich zur Arbeitsuche in einem anderen Mitgliedsstaat aufhalten, auf einen Verstoß gegen Art. 39 EG berufen können, wenn der Mitgliedsstaat eine finanzielle Leistung verweigert, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern soll und der Unionsbürger in dem Mitgliedsstaat bereits eine Verbindung zum Arbeitsmarkt geschaffen hat. Dabei kann vorliegend dahin gestellt bleiben, ob es sich bei den von der Antragstellerin begehrten Leistungen um den erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt bezweckende Leistungen handelt. Jedenfalls liegt eine Verbindung zum Arbeitsmarkt bei der Antragstellerin nicht vor. Dem Anwendungsbereich des Freizügigkeitsgesetz/EU unterfallende Unionsbürger können sich nach der Rechtsprechung des EuGH (a.a.O. Rn. 38 m.w.N.) nämlich nur dann auf den in Art. 39 Abs. 2 EG normierten Gleichbehandlungsgrundsatz berufen, wenn sie eine "tatsächliche Verbindung mit dem Arbeitsmarkt dieses Staates" hergestellt haben und diese feststellbar ist. Dabei hat der EuGH es ausdrücklich den zuständigen nationalen Behörden und ggf. den innerstaatlichen Gerichten überlassen, das Vorliegen einer tatsächlichen Verbindung mit dem Arbeitsmarkt festzustellen (vgl. EuGH, a.a.O. Rn. 41). Eine solche tatsächliche Verbindung der Antragstellerin zum deutschen Arbeitsmarkt vermag der Senat nicht festzustellen. Insbesondere folgt diese nicht daraus, dass die Antragstellerin, die seit ihrem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland noch keiner Beschäftigung nachgegangen ist, sich um Beschäftigungen bemüht. Denn nach Auffassung des Senats vermag die Arbeitsuche allein bei nachrangig zugangsberechtigten EU-Bürgern der "neuen" EU-Länder die erforderliche Verbindung zum deutschen Arbeitsmarkt nicht herzustellen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu berücksichtigen, dass bei nachrangig zugangsberechtigten EU-Bürgern die Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 4 b) der Richtlinie 2004/38/EG, wonach die Verbindung zum innerstaatlichen Arbeitsmarkt und die Aufenthaltsberechtigung bereits dann gegeben ist, wenn der Nachweis der Arbeitsuche erbracht wird und die begründete Aussicht auf Einstellung besteht – anders als bei Alt-EU-Bürgern mit unbeschränktem Arbeitsmarktzugang – nicht grundsätzlich angenommen werden kann. Denn nachrangig zugangsberechtigte Arbeitnehmer der "neuen" EU-Länder benötigen eine Arbeitsgenehmigung nach § 284 SGB III, deren Erteilung erst geprüft werden kann, wenn der Arbeitnehmer einen einstellungsbereiten Arbeitgeber gefunden hat, der nachweisen muss, dass er für die benötigte Arbeit keinen bevorrechtigten Arbeitnehmer finden kann. Über eine solche Genehmigung verfügt die Antragstellerin (derzeit) nicht.
Bei summarischer Prüfung steht dem Leistungsausschluss auch nicht der Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 4 in Verbindung mit Art. 70 VO (EG) Nr. 883/2004 entgegen (a.A. Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 14.07.2011, L 7 AS 107/11 B ER). Danach haben Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaates wie die Staatsangehörigen dieses Staates. Nach Art. 3 Abs. 3 gilt diese Verordnung auch für die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen gemäß Art. 70. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liegt nicht vor. Vielmehr ist die unterschiedliche Ausgestaltung der Vorschriften im Hinblick auf die eingeschränkte Freizügigkeit der Neu-EU-Bürger unionsrechtlich gerechtfertigt. Denn für die Antragstellerin gelten als bulgarische Staatsangehörige nach Maßgabe des EU-Beitrittsvertrages (Amtsblatt der Europäischen Union vom 21.06.2005, L 157/18) Einschränkungen der Freizügigkeit. Nach Art. 1 Abs. 3 des EU-Beitrittsvertrages zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und der Republik Bulgarien und Rumänien sind die Bedingungen und Einzelheiten der Aufnahme in dem diesem Vertrag beigefügten Protokoll festgelegt. Die Bestimmungen des Protokolles sind gemäß Art. 1 Abs. 3 Satz 2 Bestandteil des EU-Beitrittsvertrages. Gemäß Art. 20 des Protokolls über die Bedingungen und Einzelheiten der Aufnahme der Republik Bulgarien und Rumänien in die Europäische Union (Amtsblatt der Europäischen Union vom 21.06.2005, L 157/29) gelten die in den Anhängen VI und VII aufgeführten Maßnahmen in Bezug auf Bulgarien und Rumänien unter den in jenen Anhängen festgelegten Bedingungen. Im Anhang VI zur Liste nach Art. 20 des Protokolls (Amtsblatt der Europäischen Union vom 21.06.2005, L 157/104) ist geregelt, dass Freizügigkeit nur vorbehaltlich der Übergangsbestimmungen der Nr. 2 bis 14 gewährleistet wird (Nr. 1 zu 1. Freizügigkeit). Nr. 2 Abs. 1 regelt dazu, dass abweichend von den Artikeln 1 bis 6 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 die derzeitigen Mitgliedstaaten nationale oder sich aus bilateralen Abkommen ergebende Maßnahmen anwenden werden, um den Zugang bulgarischer Staatsangehöriger zu ihren Arbeitsmärkten zu regeln. Von der Möglichkeit der Beschränkung der Freizügigkeit bulgarischer Staatsangehöriger hat die Bundesrepublik Gebrauch gemacht mit der Folge, dass § 284 SGB III für die Antragstellerin auch weiterhin anwendbar ist. Der Vertrag vom 25.04.2005 über den Beitritt Bulgariens und Rumäniens zur EU sieht eine dreiphasige, bis zu siebenjährige Übergangsfrist (2+3+2 Modell) vor. Die erste Phase der Übergangsfrist endete am 31.12.2008. Die zweite Phase endet am 31.12.2011. Die dritte Phase endet spätestens am 31.12.2013. Ob die letzte Phase der Übergangsregelung in Anspruch genommen wird, steht noch nicht fest. Während der Übergangsfrist gelten die nationalen und bilateralen Regelungen des Arbeitsmarktzugangs fort (zur dreiphasigen Übergangsfrist vgl. Durchführungsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit zu § 284 Abs. 1 SGB III, Anmerkung 4.1.110a, Stand 5/2011). Da die Antragstellerin nur über ein eingeschränktes Freizügigkeitsrecht verfügt und eine tatsächliche Verbindung zum Arbeitsmarkt, die nach der Rechtsprechung des EuGH die Berufung auf einen Verstoß gegen Art. 39 EG rechtfertigen würde, bei der Antragstellerin nicht vorliegt, hat sie nicht den gleichen Zugang zum inländischen Arbeitsmarkt wie deutsche Arbeitsuchende. Mithin ist aufgrund der eingeschränkten Freizügigkeit der Antragstellerin ein sachlicher Grund gegeben, sie von den Leistungen auszuschließen.
Auch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 19.10.2010, B 14 AS 23/10 R) zum Schutzbereich des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) führt nicht zu einer unionsrechtlich gebotenen Ausweitung. Das EFA gilt kraft Bundesrecht. Es ist ein völkerrechtlicher Vertrag, den die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen seiner Mitgliedschaft im Europarat schloss und durch Ratifikation in das Bundesrecht überführt hat. Es betrifft nur diejenigen Ausländer, die vom Schutzbereich des Europäischen Fürsorgeabkommen erfasst werden. Bulgarische Staatsangehörige unterfallen nicht dem Schutzbereich des EFA. Dabei verkennt der Senat nicht, dass namentlich die aus Rumänien und Bulgarien stammenden EU-Bürger im Hinblick auf die Erbringung von Leistungen nach dem SGB II schlechter gestellt sind als Ausländer, die gleichzeitig EFA-Staatsangehörige sind, da für diese nach der Rechtsprechung des BSG der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II keine Anwendung findet (vgl. hierzu Anmerkung von Prof. Dr. Dr. h.c. F, Rechtsprechung mit Anmerkungen, SGb 8/11, Seite 458 ff.). Das unterschiedliche Ergebnis verstößt im Falle der Antragstellerin nicht gegen Unionsrecht. Es findet, wie oben ausgeführt, seine Rechtfertigung in der (befristeten) eingeschränkten Freizügigkeit bulgarischer Staatsangehöriger, die insoweit auch das ansonsten unionsrechtlich geltende Diskriminierungsverbot einschränkt.
Aus den oben angeführten Gründen schließt sich der Senat die in Rechtsprechung und Literatur geäußerten Bedenken im Hinblick auf die Vereinbarkeit des Ausschlusstatbestandes des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II mit europäischem Gemeinschaftsrecht nicht an (siehe Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 14.07.2011, L 7 AS 107/11 B ER, Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29.11.2010, L 34 AS 1001/10 B ER; SG Berlin, Urteil vom 24.05.2011, S 149 AS 17644/09; vgl. auch Thie-Schoch in LPK-SGB II, 4. Auflage 2011, § 7 Rn. 27 ff.; Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 7 Rn. 17 m.w.N. und Hailbronner, ZFSH/SGB 2009, 195 ff.). Vielmehr hält der Senat den Leistungsausschluss, jedenfalls im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und solange keine eindeutigen entgegenstehende Hinweise in der Judikative des Bundessozialgerichts oder des Bundesverfassungsgerichts bzw. des EuGH gegeben werden, für europarechtskonform (zum Leistungsausschluss vgl. LSG NRW, Beschluss vom 28.06.2011, L 19 AS 317/11 B ER, LSG NRW, Urteil vom 22.06.2010, L 1 AS 36/08, LSG NRW, Beschluss vom 27.06.2008, L 9 B 100/08 AS ER).
Auf Grund des – gemeinschaftsrechtskonformen – Leistungsausschlusses des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II hat die Antragstellerin keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Unter Hinweis auf diese Vorschrift hat der Antragsgegner mit Bescheid vom 12.04.2011 den Antrag der Antragstellerin (vom 12.04.2011) auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II abgelehnt. Die abschließende Klärung, ob die Entscheidung des Antragsgegners rechtmäßig ist, muss einem etwaigen Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
Ein Anspruch gegen die beigeladene Stadt auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) steht ihr ebenfalls nicht zu. Denn nach § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII haben Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich, wie vorliegend, allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, sowie ihre Familienangehörigen keinen Anspruch auf Sozialhilfe. Es begegnet jedoch rechtlichen Bedenken, Neu-EU-Bürger, wie auch die Antragstellerin, bei einem rechtmäßigen Aufenthalt in der Bundesrepublik von jeglicher staatlicher Unterstützung selbst bei untragbaren Verhältnissen auszuschließen.
Die Antragstellerin hält sich rechtmäßig in der Bundesrepublik auf. Sie verfügt über eine Freizügigkeitsbescheinigung nach § 5 FreizügG/EU. Solange die Ausländerbehörde nicht von ihrer Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, den Verlust oder das Nichtbestehen des Aufenthaltsrechts nach § 5 Abs. 5 FreizügG/EU festzustellen, entspricht es der gesetzlichen Konzeption des Freizügigkeitsrechts, von der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts auszugehen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 19.10.2010, B 14 AS 23/10 R, Rn. 14). Erst mit der Verlustfeststellung ist die Ausreisepflicht nach § 7 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU begründet. Zudem würde sich auch eine Schlechterstellung der Unionsbürger aus den Beitrittsgebieten gegenüber aus entfernteren Ländern stammenden Antragstellern nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ergeben. Zur Überzeugung des Senats kommt bei untragbaren Verhältnissen unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Wertungen nach Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG) eine Mindestsicherung nach dem SGB XII bzw. Asylbewerberleistungsgesetz im Wege einer Rechtsfolgenanwendung in Betracht (wie z.B. Hilfe bei einer unabweisbar gebotenen Behandlung im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 2 SGB XII).
Solche Verhältnisse sind bei der Antragstellerin jedoch nicht gegeben. Seit dem Tod ihres Ehemannes am 27.05.2010 konnte die Antragstellerin ihren Lebensunterhalt durch die Unterstützung von Landsleuten, Bekannten und Freunden sicherstellen. Ihr Aufenthalt in Bulgarien in der Zeit vom 22.12.2010 bis 12.02.2011 wurde nach ihren Angaben unter großer Mühe durch die Familie finanziert. Dass sie nach ihrem Vortrag keine Möglichkeit hat, einer Erwerbsobliegenheit in Bulgarien nachzugehen, rechtfertigt ebenfalls nicht die Annahme von untragbaren Verhältnissen. Weitere Gründe, die eine Feststellung untragbarer Verhältnisse aufdrängen würden, hat sie auf Anfrage des Senats nicht genannt.
Hinsichtlich der Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe ist die Beschwerde der Antragstellerin jedoch begründet. Die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussichten konnten der Rechtsverfolgung der Antragsteller nicht von vornherein abgesprochen werden, da die Entscheidung in der Hauptsache, insbesondere zur Reichweite des Leistungsausschlusses gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II, von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt. Die Antragstellerin ist auch nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aus eigenen Mitteln zu bestreiten (§ 73a SGG i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung -ZPO-).
Aus den selben Gründen war der Antragstellerin für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens Prozesskostenhilfe ab Antragstellung (09.06.2011) zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG. Soweit sich die Beschwerde gegen die Ablehnung der Prozesskostenhilfe für das Ausgangsverfahren richtet, werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht erstattet (§ 73a SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Erstellt am: 05.12.2011
Zuletzt verändert am: 05.12.2011