Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 30.10.2014 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern ab dem 01.02.2015 bis zum 30.04.2015 Leistungen zur Deckung des Regelbedarfs nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin T, L, beigeordnet. Der Antragsgegner hat 1/4 der außergerichtlichen Kosten der Antragssteller für beide Rechtszüge zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.
Die Antragsteller sind bulgarische Staatsangehörige. Der Antragsteller zu 1) ist vor ca. 2 Jahren nach Deutschland eingereist. Die Antragstellerin zu 2) folgte ihm ca. sechs Monate später. Sie ging im Zeitraum vom 13.08.2013 bis zum 14.03.2014 einer geringfügigen Beschäftigung nach. Das Beschäftigungsverhältnis wurde aus betriebsbedingten Gründen gekündigt. Vom vormals zuständigen Jobcenter S erhielten die Antragsteller ursprünglich Leistungen für den Zeitraum vom 01.08.2014 bis zum 31.01.2015. Aufgrund Umzugs der Antragsteller in das Zuständigkeitsgebiet des Antragsgegners wurde der Bewilligungsbescheid mit Bescheid vom 07.08.2014 aufgehoben. Leistungen erhielten die Antragsteller bis Ende August 2014.
Im August 2014 beantragten die Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II beim Antragsgegner. Sie trugen im Rahmen der Antragstellung ohne einen Übersetzer vor, ihr Lebensunterhalt werde von der Cousine und dem Bruder aus Bulgarien bestritten. Die Antragsteller forderten den Antragsgegner zur Bescheidung ihres Antrags bis zum 06.10.2014 auf.
Am 07.10.2014 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Düsseldorf (SG) beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zur Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu verpflichten. Die Antragsteller sind der Auffassung, die Antragstellerin habe aufgrund ihrer Tätigkeit einen Bezug zum deutschen Arbeitsmarkt hergestellt. Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II sei weder mit Gemeinschaftsrecht noch mit Verfassungsrecht zu vereinbaren.
Mit Bescheid vom 09.10.2014 hat der Antragsgegner den Antrag auf Leistungen abgelehnt. Hiergegen richtet sich der Widerspruch der Antragsteller vom 14.10.2014, über den noch nicht entschieden ist.
Der Antragsgegner hat vorgetragen, die Antragsteller seien nicht hilfebedürftig, der Antragsteller habe im Rahmen der Antragstellung erklärt, er besitze ca. 70 ha Wald in Bulgarien. Im Übrigen seien die Antragsteller vom Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II erfasst.
Mit Beschluss vom 30.10.2014 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Eine Bedürftigkeit sei von den Antragstellern nicht glaubhaft gemacht worden. Es sei nicht nachvollziehbar, dass nicht eine weitere Unterstützung der Verwandten erfolgen könne. Der Antragsteller verfüge über beträchtliches Grundvermögen.
Gegen den am 06.11.2014 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragssteller vom 13.11.2014. Die Antragsteller haben zur Glaubhaftmachung ihrer Bedürftigkeit eine Bescheinigung der Gemeinde W, Bulgarien überreicht, nach der laut bei der Gemeinde vorliegender Dokumente keine Eintragung des Antragstellers als Eigentümer oder Nutzer bestehe. Die Antragsteller haben zudem die sich im Soll befindlichen Kontoauszüge der letzten drei Monate eingereicht und vorgetragen, die Verwandten seien nur bis zur Durchsetzung der Leistungsansprüche eingesprungen. Die Antragstellerin habe zur Anwendung der Mittellosigkeit ihre Wertsachen verpfändet, für die sie laut beigefügtem Pfandkreditvertrag 550,- EUR erhalten habe. Die Antragsteller haben eine eidesstattliche Versicherung nachgereicht, mit der sie versichern, weder in Deutschland noch in Bulgarien über Einkünfte und Vermögen zu verfügen.
Im Übrigen habe der EuGH in der Entscheidung vom 11.11.2014 (Az. C-333/13) die europarechtliche Konformität des in § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II geregelten Leistungsausschlusses nicht bestätigt. Die Streitsache "Dano" beziehe sich nur auf den wirtschaftlich inaktiven Unionsbürger. Beide Antragsteller seien aber arbeitsuchend. Die Antragstellerin habe in Deutschland bereits gearbeitet.
Nach Rückfrage des Senats hat der Antragsteller erklärt, es handele sich bei der Erklärung zum Grundbesitz in Bulgarien um ein Missverständnis; er habe dies so nie erklärt und verwies auf Verständigungsprobleme. Weitere aktuellere Kontoauszüge konnten aufgrund Kontensperrung nicht mehr von den Antragstellern eingereicht werden. Die Verwandten der Antragssteller haben in eidesstattlichen Erklärungen mitgeteilt, dass sie die Antragsteller zwischen August 2014 und Januar 2015 unterstützt haben.
Die Antragsteller beantragen,
den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 30.10.2014 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 30.10.2014 aufzuheben und Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren unter Beiordnung von Rechtsanwältin T, L zu bewilligen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und – soweit die Antragsteller Leistungen zur Deckung des Regelbedarfs ab dem 01.02.2015 begehren – begründet. Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht in der Hauptsache (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens ergeben sich aus Art. 19 Abs. 4 GG, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Eine solche Fallgestaltung ist anzunehmen, wenn es – wie hier – im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Sicherung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums während eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens geht (vgl. Beschluss des Senats vom 10.09.2014 – L 7 AS 1385/14 B ER). Ist eine abschließende Prüfung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, ist im Wege der Folgenabwägung zu entscheiden, in die insbesondere die grundrechtlich relevanten Belange der Antragsteller einzustellen sind (BVerfG Beschlüsse vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 und 06.02.2013 – 1 BvR 2366/12; Beschluss des Senats vom 11.07.2014 – L 7 AS 1035/14 B ER).
Ob ein Anordnungsanspruch im Sinne eines im Hauptsacheverfahren voraussichtlich durchsetzbaren Anspruchs auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II glaubhaft gemacht ist, muss offen bleiben. Zwar erfüllen die Antragsteller jedenfalls ab Februar 2015 die Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 4 SGB II. Sie haben das 15. Lebensjahr vollendet, die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht, sind erwerbsfähig und haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Die Antragsteller haben auch ihre Hilfebedürftigkeit ab Februar 2015 glaubhaft gemacht. Für den vorhergehenden Zeitraum haben die Antragssteller noch auf verwertbares eigenes Vermögen zurückgreifen können oder sie sind von Verwandten unterstützt worden. Nach den glaubhaften Erklärungen sind die Verwandten nun aber nicht mehr in der Lage, den Antragstellern zu helfen. Insbesondere der Antragsteller kann nicht auf verwertbaren Grundbesitz als zur Bestreitung des Lebensunterhalts bereite Mittel zurückgreifen.
Umstritten und fraglich ist daher lediglich, ob ein Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II eingreift, weil sich das Aufenthaltsrecht der Antragsteller allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt.
Der EuGH hat – entgegen der Auffassung des Antragsgegners – in seiner Entscheidung vom 11.11.2014 (Az. C-333/13, Rechtssache Dano) die europarechtliche Konformität des in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II geregelten Leistungsausschlusses nicht ausdrücklich bestätigt. Die Entscheidung des EuGH beruht auf der Feststellung, dass Frau Dano sich nicht um Arbeit bemüht habe und es sich damit um eine Unionsbürgerin handele, die mit dem Ziel eingewandert sei, in den Genuss von Sozialhilfe zu kommen (Rn. 78 der Entscheidung). Eine Entscheidung des EuGH für Personen, bei denen die Arbeitsuche zu bejahen ist, steht noch aus (BSG EuGH-Vorlage vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R; Az EuGH C-67/14, Rechtssache Alimanovic).
Beide Antragsteller haben sich glaubhaft um Arbeit bemüht. Die Antragstellerin hat auch für einen kurzen Zeitraum eine Beschäftigung gehabt. Die Antragsteller unterfallen daher nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht der o.g. Entscheidung des EuGH vom 11.11.2014.
Die Komplexität der gesetzlichen Regelungen unter Berücksichtigung der Einwirkungen der europarechtlichen Rechtsnormen auf die nationalen Gesetze lässt sich dem beim BSG unter dem Aktenzeichen B 4 AS 9/13 R geführten Verfahren, in dem Ansprüche von schwedischen Staatsangehörigen streitig sind, entnehmen. Das BSG hat das vorgenannte Verfahren ausgesetzt, um eine Vorabentscheidung des EuGH zu den verschiedenen Fragen einzuholen, u.a., ob das Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 VO (EG) 883/2004 mit Ausnahme des Exportausschlusses des Art. 70 Abs. 4 VO (EG) 883/2004 auch für die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen im Sinne von Art. 70 Abs. 1, 2 VO (EG) 883/2004 gilt (BSG, EuGH-Vorlage vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R, Az. beim EuGH C-67/14, Rechtssache Alimanovic).
Auf Grund der Komplexität dieser Rechtsfragen kann die Rechtslage im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht abschließend beurteilt werden, so dass anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden ist. Diese fällt zu Gunsten der Antragsteller aus. Hierbei sind die besondere Bedeutung der beantragten Leistungen für die Antragsteller gegen das fiskalische Interesse des Antragsgegners, die vorläufig erbrachten Leistungen im Falle des Obsiegens in der Hauptsache möglicherweise nicht zurück zu erhalten, abzuwägen. Von besonderem Gewicht ist bei dieser Abwägung die Bedeutung des betroffenen Grundrechts aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, das nach der Rechtsprechung des BVerfG dem Grunde nach unverfügbar ist und einen Leistungsanspruch nach sich zieht (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 – juris). Eine Verletzung dieser grundrechtlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern (BVerfG Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 – NVwZ 2005, 927). Aus diesem Grund tritt das Interesse des Antragsgegners hinter das Interesse der Antragsteller zurück. Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II dienen der Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Ohne die beantragten Leistungen drohen den Antragstellern für den tenorierten Zeitraum existentielle Nachteile, welche sie aus eigener Kraft nicht abwenden können. Ihr Lebensunterhalt ist nicht mehr gesichert. Der Antragsgegner hingegen hat allein finanzielle Nachteile durch die vorläufige Zahlung der Leistungen. Im Lichte des in Art. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG verankerten Gebots des effektiven Rechtsschutzes und der Menschenwürde kann den Antragstellern nicht zugemutet werden, ohne jede staatliche Existenzsicherung eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (vgl. Beschlüsse des Senats vom 22.01.2015 – L 7 AS 2162/14 B ER und vom 08.09.2014 – L 7 AS 1231/14 B mit Verweis auf Beschluss vom 03.04.2013 – L 7 AS 2403/12 B und Beschluss vom 28.04.2014 – L 7 AS 550/14 B ER und Beschluss vom 22.01.2015 – L 7 AS 2162/14 B ER). Durch die zeitliche Beschränkung der vorläufigen Gewährung sind die nachteiligen Folgen auf Seiten des Antragsgegners begrenzt. Im Übrigen war die Beschwerde zurückzuweisen.
Für die Zeit vor Februar 2015 ist angesichts der im Beschwerdeverfahren vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen der Verwandten eine Hilfebedürftigkeit nicht glaubhaft gemacht. Ob es sich bei den bis Januar 2015 geleisteten Zuwendungen um bedarfsminderndes Einkommen handelt, ist im Hauptsacheverfahren zu klären.
Hinsichtlich der Kosten für Unterkunft und Heizung fehlt ein Anordnungsgrund. Die Antragsteller haben zu keinem Zeitpunkt geltend macht, dass akut ein Verlust der Mietwohnung droht.
Die Begrenzung des Bewilligungszeitraums orientiert sich an § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II.
Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren ist im Ergebnis zu Recht abgelehnt worden. Die hierfür erforderlichen Erfolgsaussichten waren bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des SG nicht gegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. Kosten für das Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe sind nicht erstattungsfähig (§§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 127 Abs. 4 ZPO).
Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe liegen zweitinstanzlich vor (§§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 119 ZPO). Die Beiordnung der Rechtsanwältin ist unter Berücksichtigung der Schwierigkeit von Sach- und Rechtslage als erforderlich anzusehen.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Erstellt am: 09.03.2015
Zuletzt verändert am: 09.03.2015