Der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 28.01.2013 wird abgeändert. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 06.11.2012 gegen den Widerspruchsbescheid vom 29.10.2012 wird abgelehnt. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist eine Aufforderung zur Stellung eines Rentenantrags nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).
Der am 00.00.1950 geborene Antragsteller lebt zusammen mit seiner am 00.00.1950 geborenen Ehefrau und seiner am 00.00.1978 geborenen Tochter in einer Mietwohnung in E (Nettokaltmiete 350 EUR, kalte Nebenkosten 128 EUR, Heizkosten 53 EUR monatlich, zusammen: 531 EUR). Die Wamwasseraufbereitung erfolgt über die Heizungsanlage. Der Antragsteller und seine Ehefrau haben eine Hausrat- und eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen (jährlicher Beitrag 102,34 EUR und 64,93 EUR).
Der Antragsteller konnte in den letzten Jahren nicht mehr in Arbeit vermittelt werden. Ausweislich einer Information der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Rheinland vom 18.07.2012 wird der Antragsteller ab dem 01.08.2015 angesichts der zum 01.01.2011 abgeschafften Pflichtmitgliedschaft von Beziehern von Leistungen nach dem SGB II in der gesetzlichen Rentenversicherung eine abschlagsfreie Regelaltersrente iHv 955,81 EUR monatlich erzielen. Seine Ehefrau wird ab dem 01.07.2015 eine Regelaltersrente iHv 457,50 EUR erzielen. Der Antragsteller kann seit dem 01.01.2013 eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit erhalten, deren monatlicher Zahlbetrag im Verhältnis zur Regelaltersrente je Kalendermonat einer vorzeitigen Inanspruchnahme um 0,3 % gekürzt würde.
Der Antragsgegner gewährte dem Antragsteller und seiner Ehefrau zuletzt mit Bescheid vom 17.01.2013 für März bis August 2013 Leistungen nach dem SGB II iHv 1.043,99 EUR monatlich unter Berücksichtigung von zwei Dritteln der Unterkunftskosten (Anspruch des Antragstellers: 345 EUR + 177,01 EUR = 522,01 EUR). Seine Tochter, die ebenfalls Leistungen nach dem SGB II bezieht, wird als eigene Bedarfsgemeinschaft geführt.
Nach Feststellung einer fehlgeschlagenen Integration in den Arbeitsmarkt wurde der Antragsteller am 14.08.2012 im Rahmen einer persönlichen Vorsprache aufgefordert, einen Rentenantrag zu stellen. Nachdem der Antragsteller dies am 14.08.2012 und 10.09.2012 abgelehnt hatte, erließ der Antragsgegner am 10.09.2012 einen Bescheid, mit dem er den Antragsteller aufforderte, bis zum 19.11.2012 einen Antrag auf vorzeitige Altersrente zu stellen. Andernfalls werde der Antragsgegner dies tun. Die gesetzlichen Voraussetzungen einer Pflicht zur vorzeitigen Rentenbeantragung seien gegeben. Der Verweis auf den Bezug einer (geminderten) Altersrente sei angemessen und geeignet, die Hilfebedürftigkeit zu vermeiden. Der Antragsteller legte am 27.09.2012 Widerspruch ein. Er habe keinen Vorteil von einer vorzeitigen Rentenantragstellung. Er verliere im Gegenteil monatlich ca. 77 EUR. Die Altersrente würde auf seine Frau angerechnet, beide blieben im Leistungsbezug. Der Antragsgegner wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29.10.2012 zurück. Es lägen keine Ausnahmetatbestände nach der Verordnung zur Vermeidung unbilliger Härten durch Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente vom 14.04.2008 (Unbilligkeitsverordnung) vor. Diese sei abschließend.
Am 06.11.2012 erhob der Antragsteller Klage beim Sozialgericht Duisburg (S 25 AS 4434/12). Die Unbilligkeitsverordnung sei nicht abschließend.
Am 30.11.2012 hat der Antragsteller einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gestellt.
Er hat ergänzend vorgetragen, bei Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente seien seine Frau und er dauerhaft auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe (SGB XII) angewiesen, zumal bei einem Auszug der Tochter höhere Unterkunftskosten anfielen.
Der Antragsgegner hat ergänzend vorgetragen, er habe sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Ein Ermessensfehler sei nur bei einem atypischen Fall gegeben, der hier nicht vorliege.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 28.01.2013 die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet. In den angefochtenen Bescheiden werde das Ermessen insofern fehlerhaft ausgeübt, als der Antragsgegner unzutreffenderweise keine Erwägungen dazu angestellt habe, ob der Antragsteller bei vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente dauerhaft auf Grundsicherungsleistungen angewiesen sein werde.
Der Antragsgegner hat gegen den ihm am 30.01.2013 zugestellten Beschluss am 14.02.2013 Beschwerde eingelegt.
Er hat ergänzend vorgetragen, auch bei vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente drohe kein dauerhafter Bezug von Leistungen nach dem SGB XII. Im Falle eines Auszugs der Tochter des Antragstellers seien nur die für einen 2-Personen-Haushalt als angemessen anzusehenden Unterkunftskosten anzusetzen. Dies seien maximal 274,30 EUR + 126,10 EUR = 400,40 EUR zzgl. Heizkosten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten, die beigezogenen Verwaltungsakten des Antragsgegners und die beigezogenen Gerichtsakten des Sozialgerichts Duisburg S 25 AS 4434/12 und S 27 AS 485/08 Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Der zulässige Antrag nach §§ 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 86a Abs. 2 Nr. 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG – i.V.m. § 39 Nr. 3 SGB II ist unbegründet.
Die Zulässigkeit eines Antrages nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG ergibt sich daraus, dass die hier streitige Aufforderung einen Verwaltungsakt darstellt (vgl. BSG Beschluss vom 16.12.2011 – B 14 AS 138/11 B = juris Rn 5; Beschluss des Senats vom 01.02.2010 – L 19 B 371/09 AS ER = juris Rn 6; Hessisches LSG Beschluss vom 24.05.2011 – L 7 AS 88/11 B ER = juris Rn 21; Meyerhoff in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 5 Rn 101; Luthe in Hauck/Noftz, VIII/10, § 5 SGB II Rn 122; Knickrehm in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 5 Rn 34; Armborst in LPK-SGB II, 4. Aufl. 2011, § 5 Rn 49; Burkiczak in BeckOK-SGB II, Stand: 01.03.2013, § 5 Rn 5; vgl. auch BSG Urteil vom 27.07.2000 – B 7 AL 42/99 R = juris Rn 26 zu § 134 AFG und BSG Urteil vom 17.12.2002 – B 7 AL 18/02 R = juris Rn 12 zu § 202 SGB III).
Bei der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung hat das Gericht eine Abwägung des Interesses des Antragstellers, die Wirkung des angefochtenen Bescheides (zunächst) zu unterbinden (Aussetzungsinteresse) mit dem Vollzugsinteresse des Antragsgegners vorzunehmen. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs ist anzuordnen, wenn das Aussetzungsinteresse das Vollzugsinteresse überwiegt. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber in der vorliegenden Fallgestaltung ein Regel-/Ausnahmeverhältnis angeordnet hat. In der Regel überwiegt das Vollzugsinteresse des Antragsgegners, da der Gesetzgeber die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen ausgeschlossen hat (vgl. BSG Beschluss vom 29.08.2011 – B 6 KA 18/11 R = juris Rn 12; vgl. auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 86b Rn 12c).
Diese Abwägung geht zu Lasten des Antragstellers aus, da die angefochtenen Bescheide keinen durchgreifenden Bedenken begegnen.
Rechtsgrundlage für die hier streitige Aufforderung des Antragsgegners an den Antragsteller, eine vorzeitige Altersrente in Anspruch zu nehmen, ist § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II. Danach können die Leistungsträger nach diesem Buch einen Antrag auf Leistungen eines anderen Trägers stellen sowie Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einlegen, wenn der Leistungsberechtigte einen solchen Antrag trotz Aufforderung nicht selbst stellt. Auch die Aufforderung zur Stellung des Rentenantrags steht im Ermessen des Leistungsträgers (vgl. Beschluss des Senats vom 01.02.2010 – L 19 B 371/09 AS ER = juris Rn 9; LSG NRW Beschluss vom 12.06.2012 – L 7 AS 916/12 B ER = juris Rn 6; Hessisches LSG Beschluss vom 24.05.2011 – L 7 AS 88/11 B ER = juris Rn 21; Bieback in Gagel SGB II/III, Juni 2011, § 5 SGB II Rn 84, 94 f.; Geiger in LPK-SGB II, 4. Aufl. 2011, § 12a Rn 7; Burkiczak in BeckOK-SGB II, Stand: 01.03.2013, § 5 Rn 5).
§ 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II setzt dabei eine Pflicht des Leistungsberechtigten zur Inanspruchnahme vorrangiger Leistungen – hier der Rente – voraus. Diese bereits zuvor in §§ 5, 7 und 9 SGB II vorausgesetzte Pflicht zur Inanspruchnahme vorrangiger Leistungen wird durch § 12a SGB II konkretisiert (vgl. BT-Drs 16/7460 S 12 zu § 12a). § 12a SGB II betrifft unter Berücksichtigung von § 65 Abs. 4 SGB II alle Leistungsberechtigten, die nach dem 01.01.2008 das 58. Lebensjahr vollendet haben und damit nicht mehr in den Genuss der sog. 58er-Regelung kommen (vgl. Hengelhaupt in Hauck/Noftz, VI/08, § 12a SGB II Rn 30; Luthe in Hauck/Noftz, VIII/10, § 5 SGB II Rn 119; Meyerhoff in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 5 Rn 98; vgl. hierzu auch Beschluss des Senats vom 01.02.2010 – L 19 B 371/09 AS ER = juris Rn 7 f. mwN). Gemäß § 12a Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB II sind Leistungsberechtigte verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich ist. Bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres gilt dies aber nicht für eine vorzeitige Inanspruchnahme einer Altersrente. Auch nach Vollendung des 63. Lebensjahres muss eine Rente ausnahmsweise dann nicht vorzeitig in Anspruch genommen werden, wenn dies eine "Unbilligkeit" iSd auf Grundlage von § 13 Abs. 2 SGB II mit Wirkung ab dem 01.01.2008 erlassenen Unbilligkeitsverordnung darstellt. Nach der gesetzlichen Konzeption stellt die Verpflichtung zur Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente den Grundsatz und die fehlende Pflicht bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres bzw. bei Unbilligkeit die Ausnahme dar (vgl. zu letzterem BT-Drs 16/7460 S 12 zu § 13; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, VI/08, § 12a SGB II Rn 32).
Der Antragsteller hat am 14.03.2008 (also nach dem 01.01.2008) das 58. Lebensjahr und am 14.03.2013 das 63. Lebensjahr vollendet. Die Eingliederung in den Arbeitsmarkt ist gescheitert (vgl. hierzu Luthe in Hauck/Noftz, XII/08, § 5 SGB II Rn 114). Es liegt kein Fall von §§ 2 – 5 Unbilligkeitsverordnung vor. Das gilt auch für § 3 Unbilligkeitsverordnung, der eine Inanspruchnahme einer Rente dann für unbillig erklärt, wenn der Hilfebedürftige in nächster Zukunft die Altersrente abschlagsfrei in Anspruch nehmen kann. Ausweislich der Verordnungsbegründung ist ein Zeitraum von längstens drei Monaten gemeint (vgl. Referentenentwurf zur Unbilligkeitsverordnung Seite 8, http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Gesetze/unbilligkeitsverordnung-begruendung.pdf?-blob=publicationFile; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, XI/12, § 13 SGB II Rn 307). Der Antragsteller wird die Regelaltersrente erst ab dem 01.08.2015 beziehen können.
Gegen die Annahme weiterer Ausnahmefälle spricht zunächst die Gesetzesbegründung zu § 13 SGB II (BT-Drs 16/7460 S 12 zu § 13): "Das in der Verordnungsermächtigung zum Ausdruck gebrachte Regel-Ausnahme-Verhältnis soll verdeutlichen, dass die Verordnung lediglich eng umgrenzte Fälle bestimmen soll, in denen die Verpflichtung, eine vorzeitige Altersrente in Anspruch zu nehmen, unbillig wäre."
Jedenfalls gegen die Anerkennung eines Ausnahmefalles, soweit der Betreffende gerade aufgrund der mit der vorzeitigen Inanspruchnahme verbundenen Abschläge dauerhaft hilfebedürftig nach dem SGB II oder dem SGB XII bliebe, könnte die Entwicklung des AFG bzw. des SGB III sprechen. § 134 Abs. 3c Satz 1 und 2 AFG in der bis zum 31.12.1997 gültigen Fassung sah ebenfalls die Möglichkeit vor, zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente aufzufordern, und ordnete bei Unterlassen das Ruhen des Arbeitslosenhilfeanspruchs an. Das Bundessozialgericht sah aber den Fall, dass die Altersrente niedriger als die Arbeitslosenhilfe sein würde, als atypischen Fall an, der angesichts des in § 134 Abs. 3c Satz 1 AFG vorgesehenen intendierten Ermessens ("soll") eine Ermessensprüfung eröffne (vgl. BSG Urteil vom 27.07.2000 – B 7 AL 42/99 R = juris Rn 29, 31). Das Bundessozialgericht bestätigte diese Rechtsprechung für die Folgeregelung in § 202 Abs. 1 SGB III in der bis zum 31.12.2001 gültigen Fassung (vgl. BSG Urteil vom 17.12.2002 – B 7 AL 18/02 R = juris Rn 15 ff). In Reaktion hierauf änderte der Gesetzgeber § 202 Abs. 1 SGB III mit Wirkung vom 01.01.2002 dahingehend ab, dass die Höhe der Altersrente nicht maßgeblich sei (vgl. BT-Drs 14/6944 S 38 zu § 202). Mit Wegfall der Arbeitslosenhilfe zum 31.12.2004 ist diese Regelung aufgehoben worden. Sie könnte aber zur Auslegung von §§ 5, 12a, 13 SGB II bzw. der Unbilligkeitsverordnung herangezogen werden.
Selbst wenn die in der Unbilligkeitsverordnung genannten Fälle nicht abschließend sein sollten (so Hengelhaupt in Hauck/Noftz, XI/12, § 13 SGB II Rn 298 mit Verweis auf die Regelungsstruktur der Unbilligkeitsverordnung; Geiger in LPK-SGB II, 4. Aufl. 2011, § 12a Rn 6; offen gelassen von LSG NRW Beschluss vom 13.05.2012 – L 7 AS 525/13 B ER und L 7 AS 526/13 B) und ein weiterer Ausnahmefall gerade dann vorliegen sollte, wenn der Betreffende aufgrund der mit der vorzeitigen Inanspruchnahme verbundenen Abschläge dauerhaft hilfebedürftig nach dem SGB II oder dem SGB XII bliebe (vgl. Bieback in Gagel SGB II/III, Juni 2011, § 5 SGB II Rn 95), so liegt hier kein solcher Fall vor.
Nach Auskunft der DRV Rheinland vom 20.03.2013 beliefe sich die monatliche Rente des Antragstellers bei Beantragung im März 2013 auf 883,78 EUR. Auch nach Abzug des Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrags von zusammen 10,25 % könnte der Antragsteller damit ohne Weiteres seinen eigenen Bedarf von 522,01 EUR decken. Mangels einer § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II entsprechenden Regelung im SGB XII würde der Antragsteller auch dann nicht hilfebedürftig, wenn der Gesamtbetrag aus seiner Rente und der seiner Frau zukünftig nicht deren "Gesamtbedarf" nach dem SGB XII decken würde (vgl. hierzu Coseriu in jurisPK-SGB XII, Stand: 13.05.2013, § 19 Rn 26).
Das Renteneinkommen des Antragstellers und seiner Ehefrau wird voraussichtlich sogar so hoch sein, dass auch die Ehefrau des Antragstellers keine ergänzenden Leistungen nach dem SGB XII wird beziehen müssen. Der Gesamtbedarf beträgt im SGB II wie im SGB XII derzeit ausweislich des Bescheids vom 17.01.2013 1.043,99 EUR. Dem stünden ausweislich der Rentenauskünfte der DRV Rheinland vom 18.07.2012 und 24.04.2012 Rentenansprüche von 955,81 EUR und 457,50 EUR, zusammen: 1.413,31 EUR, gegenüber. Abzüglich des Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrags von 10,25 % = 144,86 EUR stünde ein Renteneinkommen von 1.268,45 EUR zur Bedarfsdeckung zur Verfügung. Auch wenn die Beiträge zur Haftpflicht- und Hausratversicherung von jährlich insgesamt 167,27 EUR einkommensmindernd zu berücksichtigen sein sollten (vgl. hierzu Schmidt in jurisPK-SGB XII, Stand: 29.04.2013, § 82 Rn 55 ff mwN) änderte sich hieran nichts, wobei diese Beiträge entgegen der Auffassung des Antragstellers nur im Fälligkeitsmonat zu berücksichtigen sein dürften (vgl. Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 4. Aufl. 2012, § 82 Rn 79; LSG NRW Urteil vom 30.10.2008 – L 9 SO 12/06 = juris Rn 26). Überlegungen des Antragstellers zu Rentenkürzungen einerseits und Regelsatzerhöhungen andererseits sind rein spekulativ und im Rahmen der hier anzustellenden Prognose unbeachtlich. Gleiches gilt für den vom Antragsteller dargestellten Fall des Auszugs seiner Tochter, zumal der Antragsgegner zutreffend darauf hinweist, dass die Kosten der Wohnung ausgehend von seinem Konzept für zwei Personen nicht angemessen iSv §§ 42 Satz 1 Nr. 4, 35 Abs. 2 SGB XII sein dürften.
Liegen demnach keine Ausnahmefälle vor, ist der Antragsteller zur Beantragung der vorzeitigen Rente verpflichtet. Dann wiederum darf der Antragsgegner ihn auch zur Stellung des Rentenantrags auffordern. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller hierzu eine ausreichende Frist gesetzt (vgl. hierzu Bieback in Gagel SGB II/III, Juni 2011, § 5 SGB II Rn 88). Gesichtspunkte, die im Rahmen des Ermessens einer Aufforderung entgegen stünden, sind nicht ersichtlich. Auch wenn die angefochtenen Bescheide keine ausdrücklich mit "Ermessenserwägungen" überschriebenen oder als solche bezeichneten Ausführungen enthalten, stellen die umfangreichen Erwägungen am Ende des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2012 (" kein Grund erkennbar, weshalb vom ausdrücklich aus den Gesetzesmaterialien hervorgehenden Willen abgewichen werden sollte") einen Ermessensgebrauch dar (vgl. zum Ausreichen der Ermessensbetätigung bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens Schütze in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 41 Rn 11 iVm § 8 Rn 8; wohl aA LSG NRW Beschluss vom 12.06.2012 – L 7 AS 916/12 B ER = juris Rn 6).
Die vom Sozialgericht angenommene Ermessensunterschreitung wegen fehlender Prüfung einer späteren Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II/SGB XII liegt nicht vor. Fraglich ist schon, ob angesichts der dargestellten fehlenden Hilfebedürftigkeit bei Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente überhaupt eine Ermessensunterschreitung angenommen werden könnte, selbst wenn es sich hierbei um eine im Rahmen des Ermessens zu prüfende Frage handelte. Dies kann aber dahinstehen, weil die etwaige spätere Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II/SGB XII keine Frage des Ermessens darstellt (aA Bieback in Gagel SGB II/III, Juni 2011, § 5 SGB II Rn 95). Soweit diese Frage überhaupt zu prüfen ist, führt ihre Bejahung dazu, dass keine Pflicht zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente besteht. In einem solchen Fall dürfte der Leistungsträger den Hilfebedürftigen nicht zur Beantragung einer Rente auffordern (so ausdrücklich für die Fälle der Unbilligkeitsverordnung Referentenentwurf zur Unbilligkeitsverordnung aaO Seite 8; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, XI/12, § 13 SGB II Rn 300). Diese zwingende Folge spricht für die Verortung der Prüfung auf Tatbestandsebene. Andernfalls müssten sämtliche Fälle der Unbilligkeitsverordnung im Ergebnis als gesetzliche Anordnung einer Ermessensreduzierung auf Null angesehen werden, was nicht nur ungewöhnlich wäre, sondern auch der gesetzlichen Konzeption des SGB II insofern widerspräche, als die Pflicht zur Inanspruchnahme vorrangiger Leistungen nach der Gesetzesbegründung (u.a.) in § 5 SGB II vorausgesetzt wird (vgl. BT-Drs 16/7460 S 12 zu § 12a). Diese Auffassung stimmt insofern mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 134 AFG bzw. § 202 SGB III in der bis zum 31.12.2001 gültigen Fassung überein, als dort der Fall, dass die Altersrente niedriger als die Arbeitslosenhilfe sein würde, als atypischer Fall angesehen wurde, der die Ermessensprüfung erst eröffnete (vgl. BSG Urteil vom 27.07.2000 – B 7 AL 42/99 R = juris Rn 29, 31; Urteil vom 17.12.2002 – B 7 AL 18/02 R = juris Rn 15; nach Meyerhoff in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 5 Rn 101 setzt ein Ermessenfehler auch bei der Aufforderung nach § 5 SGB II einen atypischen Fall voraus). Auch im Rahmen von § 48 SGB X ist anerkannt, dass die Entscheidung, ob ein atypischer Fall vorliegt, nicht Teil der Ermessensentscheidung, sondern dieser vorgelagert ist (vgl. Merten in Hauck/Noftz, XII/12, § 48 SGB X Rn 68 mwN).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 13.06.2013
Zuletzt verändert am: 13.06.2013