Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 01.03.2007 geändert. Der Klägerin wird für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt I aus Bad I beigeordnet.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts (SG) liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vor.
Die Klägerin begehrt die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 16.01.2006 über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 04.08.2005 bis 31.01.2006. Die Klägerin wendet sich insbesondere gegen die von der Beklagten im Anschluss an das Hinweisschreiben vom 26.01.2005 vorgenommene Reduzierung der Kosten für Unterkunft und Heizung auf einen Betrag von 361,00 Euro.
Die Rechtsmittelbelehrung im Bescheid vom 16.01.2006 lautete: "Gegen diesen Bescheid können Sie innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erheben. Der Widerspruch ist schriftlich oder zur Niederschrift bei der oben angegebenen Stelle einzulegen". Der Bescheid enthielt im Text den Hinweis, dass Zahlungen an die "Regionaldirektion NRW, Bundesagentur für Arbeit" zu leisten sind. Im Briefkopf wurde die "ARGE S Grundsicherung für Arbeitsuchende im S, Postfach 000, T" genannt.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 09.11.2006 Widerspruch ein u. a. mit der Begründung, die Beklagte habe die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung zu berücksichtigen. Ergänzend betonte die Klägerin, dass die Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig sei. Die Frist zur Einlegung des Widerspruchs betrage daher ein Jahr, so dass der Widerspruch rechtzeitig eingelegt worden sei.
Die Beklagte verwarf den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14.11.2006 als unzulässig. Der am 16.01.2006 zur Post gegebene Bescheid gelte am 19.01.2006 als bekannt gegeben. Der Nachweis über die Aufgabe zur Post sei dadurch erbracht, dass der Ausdruck über das EDV-Rechenzentrum der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg veranlasst worden sei. Bei einer nicht ordnungsgemäßen Ausführung des Druckauftrages wäre ein entsprechender Hinweis in der Datenverarbeitung erfolgt. Die Klägerin habe den Widerspruch erst nach Ablauf der Widerspruchsfrist eingelegt. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 67 Sozialgerichtsgesetz (SGG) seien nicht ersichtlich. Die Rechtsbehelfsbelehrung sei inhaltlich nicht zu beanstanden. Es sei eindeutig, dass nur die "ARGE S" als "Stelle" bezeichnet werde, bei der der Widerspruch einzulegen sei. Die Regionaldirektion sei eindeutig als Zahlungsempfänger deklariert worden. Eine sachliche Überprüfung nahm die Beklagte nicht vor.
Die Klägerin hat rechtzeitig Klage bei dem Sozialgericht (SG) Köln erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt.
Das SG hat mit Beschluss vom 01.03.2007 den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die hinreichende Erfolgsaussicht fehle, da die Klage unzulässig sei. Das nach § 78 SGG notwendige Vorverfahren sei nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Der Widerspruch sei unzulässig gewesen. Die Rechtsbehelfsbelehrung im Bescheid vom 16.01.2006 sei rechtmäßig. Es sei zweifelsfrei erkennbar gewesen, dass der Widerspruch allein bei der Beklagten einzulegen war.
Die Beschwerde der Klägerin vom 12.03.2007, der das SG nicht abgeholfen hat, ist begründet. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe liegen vor.
Nach § 73 a SGG in Verbindung mit §§ 114, 115 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Der Senat bejaht die hinreichende Aussicht auf Erfolg. Diese ist bereits dann anzunehmen, wenn bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage eine Beweiserhebung von Amts wegen erforderlich ist und diese Ermittlungen eine reale Möglichkeit eröffnen, dass sich die rechtserheblichen Tatsachen nachweisen lassen. Die Erforderlichkeit weiterer Ermittlungen genügt, um bereits eine hinreichende Erfolgsaussicht zu bejahen. Zunächst weist der Senat darauf hin, dass das SG die hinreichende Erfolgsaussicht zu Unrecht deswegen verneint, weil "die Klage unzulässig sei". Der Widerspruchsbescheid vom 14.11.2006 wurde am 15.11.2006 zur Post gegeben, so dass die Klägerin rechtzeitig am 18.12.2006 (Montag) Klage erhoben hat. Nach summarischer Prüfung bedarf es zudem weiterer Ermittlungen, da die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zu Unrecht als unzulässig verworfen hat und daher die inhaltliche Prüfung des Bescheides vom 16.01.2006 unterblieben ist. Nach § 84 Abs. 1 SGG ist der Widerspruch binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekannt gegeben worden ist, schriftlich oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Dabei beginnt der Lauf einer Frist, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit dem Tag nach der Zustellung, oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit dem Tag nach der Eröffnung oder Verkündung (§ 64 Abs. 1 SGG). Entgegen der Einschätzung der Beteiligten bedarf es vorliegend keiner Entscheidung darüber, ob und wann der Bescheid der Klägerin zugestellt worden ist. Denn der Fristablauf ist dadurch verhindert worden, dass die in dem angefochtenen Bescheid enthaltene Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig ist. Unrichtig im Sinne des § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG ist jede Rechtsbehelfsbelehrung, die nicht zumindest die Merkmale zutreffend wiedergibt, die § 66 Abs. 1 SGG als Bestandteile der Belehrung nennt: den Rechtsbehelf als solchen (seiner Art nach), die Verwaltungsstelle oder das Gericht, bei dem der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist (BSG, Urteil vom 28.05.1991 – 13/5 RJ 48/90; Engelmann in von Wulffen, Kommentar zum SGB X, 5. Auflage, § 36 Anm. 8). Nach § 36 SGB X muss die Rechtsbehelfsbelehrung eines Verwaltungsaktes ebenfalls die Behörde mit Ortsangabe, Straße und Hausnummer angeben (Engelmann, a.a.O.).
Diese Voraussetzungen erfüllt die Rechtsbehelfsbelehrung der Beklagten nicht. Die Rechtsbehelfsbelehrung selbst enthält diese Angaben nicht. Die Bezugnahme, dass der Widerspruch "bei der oben genannten Stelle" einzulegen sei, genügt den gesetzlichen Anforderungen ebenso wenig (so auch Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 17.03.2006 – L 8 AS 4314/05 -). Denn es ist nicht eindeutig und zweifelsfrei zu erkennen, welche Stelle im Sinne des § 36 SGB X gemeint ist. Aus dem Wortlaut des Bescheides ergeben sich zwei Behörden, nämlich die ARGE Rhein-Sieg, Grundsicherung für Arbeitsuchende im Rhein-Sieg-Kreis und die Regionaldirektion NRW, Bundesagentur für Arbeit. Diese Unbestimmtheit ist insbesondere deswegen nicht hinzunehmen, weil die Behörde nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung sicherstellen soll, dass der unvertretene Bürger auf den ersten Blick erkennt, wo er den Widerspruch einlegen muss. Denn auch im Prozessrecht gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG), so dass der Zugang für alle Recht Suchenden in gleicher Weise gewährleistet sein muss. Weit überwiegend teilen die Behörden in der Rechtsbehelfsbelehrung die vollständige Anschrift der Widerspruchsbehörde mit, so dass es der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet, die Recht Suchenden aus dem Zuständigkeitsbereich der Beklagten nicht schlechter zu stellen. Dies gilt umso mehr, als der Aufwand für die Beklagte, die vollständige Anschrift mitzuteilen, als gering einzustufen ist. Infolgedessen sind Ermittlungen in der Sache zu Unrecht unterblieben. Das SG wird im Hauptsacheverfahren die materiell-rechtlichen Einwände der Klägerin gegen den Bescheid vom 16.01.2006, d. h. insbesondere die Reduzierung der Leistungen für die Unterkunft auf 361,00 Euro unter Berücksichtigung des § 22 SGB II und der hierzu ergangenen Rechtsprechung zu prüfen haben.
Die Klägerin ist nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen.
Kosten des PKH-Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten (§ 227 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 07.05.2007
Zuletzt verändert am: 07.05.2007