Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligen streiten um einen Anspruch auf Zahlung großer Witwenrente für den Zeitraum 01.11.2003 bis 31.01.2005.
Die 1960 geborene Klägerin ist die Witwe des am 11.06.1998 verstorbenen H. L. Sie ist Mutter von vier Kindern. Das jüngste Kind ist die 1985 geborene Adoptivtochter J. L.
Mit Bescheid vom 30.10.1998 bewilligte die Beklagte der Klägerin große Witwenrente beginnend mit dem 11.06.1998 (Todestag des Versicherten).
Die Adoptivtochter der Klägerin ist geistig minderbegabt und lernbehindert. Sie befand sich von Januar 2002 bis Februar 2005 in einer seit März 2003 vom Arbeitsamt finanzierten Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben in dem Christlichen Jugenddorfwerk (CJD) Jugenddorf-Christophorus-Schule E – Berufskolleg, einer Förderschule mit den Förderschwerpunkten Lernen sowie emotionale und soziale Entwicklung. Parallel hierzu – von Januar 2002 bis August 2005 – wurde K. L. im CJD Jugenddorf E, Jugendhilfe, in dessen Einrichtung für betreutes Wohnen an Werktagen ganztägig durch zwei Bezugsbetreuer betreut. Diese Maßnahme wurde durch das Jugendamt G in Kooperation mit dem Jugendamt V finanziert. Während dieser Zeit war die Klägerin voll erwerbstätig.
Mit Bescheid vom 27.10.2003 bewilligte die Beklagte der Klägerin ab dem 01.11.2003 nur noch eine kleine Witwenrente. Den Wegfall der großen Witwenrente begründete die Beklagte mit der Vollendung des 18. Lebensjahres der Tochter K. L. am 18.10.2003. Die Neuberechnung der kleinen Witwenrente erfolgte mittels Bescheid der Beklagten vom 16.01.2004.
Gegen letzteren Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 04.03.2004 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass sie nach wie vor ihre Tochter K. versorge, indem eine Betreuung im christlichen Jugenddorf E für sie eingerichtet sei. Denn die Tochter sei seelisch stark behindert; es bestünde eine grenzwertige Behinderung zwischen geistiger und Lernbehinderung.
Wegen Überschreitung der einmonatigen Widerspruchsfrist legte die Beklagte den "Widerspruch" der Klägerin als Überprüfungsantrag gegen die Bescheide vom 27.10.2003 und 16.01.2004 nach § 44 des Sozialgesetzbuches – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) aus und lehnte diesen mit Bescheid vom 12.03.2004 ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass die von der Klägerin geltend gemachte Sorge für eine über 18jähriges behindertes Kind nicht vorliege, da das Kind in einem Heim untergebracht sei, so dass eine Sorge in "häuslicher Gemeinschaft", wie es das Gesetz für die Weiterzahlung großer Witwenrente verlange (§ 46 Abs. 2 Satz 3 des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Rentenversicherung – [SGB VI]), nicht vorliege.
Dagegen legte die Klägerin fristgerecht Widerspruch ein und begründete diesen im Wesentlichen damit, dass die Tochter durch sie versorgt werde. K. sei an Wochenenden, sämtlichen Ferien und im Krankheitsfall bei ihr. In der Woche werde sie zum Zwecke der Förderung in dem CJD E geschult.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.09.2004 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen für eine Weiterzahlung großer Witwenrente lägen nicht vor, da die Tochter der Klägerin in einem Heim untergebracht sei, so dass eine Sorge in häuslicher Gemeinschaft nicht vorliege.
Hiergegen richtet sich die am 13.10.2004 erhobene Klage. Zur Begründung macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass die häusliche Gemeinschaft mit der Tochter K. fortbestehe und nicht durch den Aufenthalt im E Internat aufgehoben sei. Dieser diene nur Schulzwecken. Lebensmittelpunkt sei nach wie vor die Wohnung der Mutter. Hier verbringe K. ihre Wochenenden und die Ferien. Auch hole sie ihre Tochter bei Krankheiten oder sonstigen Krisensituationen nach Hause. Sie habe sich schweren Herzens entschlossen, K. ins Internat zu geben, da dies im Interesse des lernbehinderten Kindes die beste Lösung sei. Dafür dürfe sie jetzt nicht "doppelt bestraft" werden.
Mit Bescheid vom 02.12.2004 hat die Beklagte der Klägerin beginnend mit dem 01.02.2005 wieder große Witwenrente bewilligt, weil die Klägerin am 26.01.2005 das 45. Lebensjahr vollendete.
Die Klägerin beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 12.03.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.09.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr unter Rücknahme der Bescheide vom 27.10.2003 und 16.01.2004 für die Zeit vom 01.11.2003 bis 31.01.2005 große Witwenrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide weiterhin für rechtmäßig.
Das Gericht hat schriftliche Auskünfte sowohl beim CJD-Jugenddorf Christophorusschule E als auch beim CJD E Jugendhilfe (Betreuungseinrichtung) eingeholt, um Einzelheiten der schulischen und außerschulischen Betreuung der Tochter der Klägerin aufzuklären. Dabei sind im Wesentlichen folgende Auskünfte erteilt worden:
Laut Christophorusschule besuchte K. L: von März 2003 bis Februar 2005 den Förderlehrgang F 3. Dieser habe in kleinen Gruppen eine spezifische sonderpädagogische Förderung ermöglicht, die angesichts der diagnostizierten Behinderungen bei K. L. erforderlich gewesen sei. Die Tochter der Klägerin habe eine deutliche Lernbehinderung aufgewiesen. Hinzu kämen Auffälligkeiten in der emotionalen und sozialen Entwicklung. Der Förderbedarf sei aufgrund dieser Entwicklung während der gesamten Unterrichtszeit intensiver gewesen als in einer allgemeinbildenden Schule. Die schulische Betreuung von K. L: habe während der Schulzeit und der Kernunterweisungszeit von 39 Std. pro Woche (mit Ausnahme der Wochenenden und der Ferien) stattgefunden, darüber hinaus von der Jugendhilfe in der betreuten Wohneinrichtung. Die Tochter der Klägerin habe kleinschrittige Vorwärtsbewegungen gezeigt, die immer wieder auftretenden Stimmungsschwankungen und ihr recht geringes Durchhaltevermögen hätten jeweils zu einem vorzeitigen Ende des Praktikums geführt. Das begleitende Wohnen sei für K. Ls Nachreifung unerlässlich.
Das CJD-Jugenddorf E Jugendhilfe hat zusammenfassend folgende Auskünfte erteilt: K. L. E sei von Januar 2002 bis August 2005 durch zwei Bezugsbetreuer betreut worden. Die Betreuung habe 24 Stunden am Tag in der Regelgruppe inklusive des Förderlehrgangs und einer Projektorientierungsmaßnahme stattgefunden. Mit Ausnahme des Förderlehrgangs und der Projektorientierungsmaßnahme habe die Betreuung auch an den Wochenenden und in den Ferien stattgefunden. Die Mutter sei in Kooperation mit dem Jugendamt an den Heimfahrtwochenenden und Weihnachten etc. mit der Betreuung von K. L befasst gewesen; dies ca. 65 Std. im Monat. Frau L habe betreut werden müssen, weil sie unter seelischen Störungen, psychischer Labilität, Selbstgefährdung, selbstzerstörerischen Tendenzen und depressiven Stimmungsschwankungen gelitten habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte und auf die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die Klägerin ist nicht gem. § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beschwert, da sich der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 12.03.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.09.2004 als rechtmäßig erweist.
Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, die Bescheide über die Gewährung einer kleinen Witwenrente vom 27.10.2003 und 16.01.2004 nach Maßgabe des § 44 SGB X zurückzunehmen. Denn der Klägerin stand im Zeitraum vom 01.11.2003 bis 31.01.2005 nur die kleine Witwenrente gem. § 46 Abs. 1 SGB VI zu.
Nach § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei dessen Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb u.a. Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Klägerin hat für den Zeitraum 01.11.2003 bis 31.01.2005 keinen Anspruch auf Gewährung großer Witwenrente nach Maßgabe des § 46 Abs. 2 SGB VI.
Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 SGB VI haben Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwen- bzw. Witwerrente, wenn sie
1.ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen, 2.das 45. Lebensjahr vollendet haben oder 3.erwerbsgemindert sind.
Nach § 46 Abs. 2 Satz 3 SGB VI steht der Erziehung die in häuslicher Gemeinschaft ausgeübte Sorge für ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, auch nach dessen vollendetem 18. Lebensjahr gleich.
Ein Anspruch auf Gewährung großer Witwenrente nach § 46 Abs. 2 Satz 1 SGB VI scheitert im streitgegenständlichen Zeitraum schon daran, dass die jüngste Tochter der Klägerin am 18.10.2003 ihr 18. Lebensjahr vollendete, so dass die Anspruchsvoraussetzung des § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI mit Ablauf des 31.10.2003 wegfiel (s. §§ 100 Abs. 3, 102 Abs. 3 SGB VI). Erst als die Klägerin am 26.01.2005 ihr 45. Lebensjahr vollendete, hatte sie wegen § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI erneut Anspruch auf große Witwenrente ab dem 01.02.2005 (s. § 99 Abs. 2 SGB VI).
Die Gewährung großer Witwenrente an die Klägerin zwischen dem 01.11.2003 und 31.01.2005 kommt aber auch nicht nach der hier streitentscheidenden Norm des § 46 Abs. 2 Satz 3 SGB VI in Betracht. Zwar ist die über 18jährige Tochter der Klägerin K. L wegen einer geistigen oder seelischen Behinderung außer Stande, sich selbst zu unterhalten. Die Klägerin hat im verfahrensgegenständlichen Zeitraum jedoch keine "Sorge" für ihre jüngste Tochter in "häuslicher Gemeinschaft" ausgeübt.
Nach dem Ergebnis der Sachverhaltsermittlungen steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Tochter der Klägerin im maßgeblichen Zeitraum von Montag bis Freitag im Regelfall ganztägig in den Einrichtungen des Christlichen Jugenddorfes E betreut worden ist. Als Schülerin mit sonderpädagogischem Förderbedarf wurde sie zum einen von Kräften der CJD Jugenddorf Christophorusschule E – Berufskolleg während der Schulzeit sowie der Kernunterweisungszeit von 39 Stunden in der Woche mit Ausnahme des Wochenendes und der Ferien betreut. Letztlich streitentscheidend ist jedoch, dass K. L auch außerhalb der Schulzeit an Werktagen 24 Stunden täglich in der Regelgruppe im Rahmen einer Einrichtung der Jugendhilfe des CJD E zum betreuten Wohnen von festen Bezugsbetreuern betreut worden ist. Zwar war auch die Klägerin in die Betreuung der Tochter eingebunden. Soweit sich diese in der mütterlichen Wohnung vollzog, erstreckte sie sich aber nur auf das Wochenende, die Ferien sowie auf Krankheiten und (mit den Worten der Klägerin) "Krisensituationen". Dabei summierte sich die Betreuung durch die Klägerin auf lediglich ca. 65 Stunden im Monat.
Die Kammer stützt dieses Ermittlungsergebnis in erster Linie auf die glaubhaften schriftlichen Auskünfte der CJD Jugenddorf Christophorusschule E – Berufskolleg sowie der Jugendhilfe des CJD E. Diese werden von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen, auch wenn sie – wie in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer ausgeführt – Vorbehalte gegen Art und Weise der Betreuung gehabt haben mag. Jedenfalls ist die ganztägige außerhäusliche Betreuung der jüngsten Tochter der Klägerin im CJD Jugenddorf E zumindest an fünf (Werk-)Tagen in der Woche unstreitig. Dies leuchtet auch deswegen ein, weil eben nicht nur die intensive schulische Betreuung aufgrund ihres sonderpädagogischen Förderungsbedarfs erforderlich war, sondern ebenso die Betreuung in einer Wohneinrichtung der Jugendhilfe angesichts der seelischen Störungen der Tochter mitsamt ihren eine häusliche Betreuung erschwerenden Begleiterscheinungen (Labilität, Selbstgefährdung, selbstzerstörerische Tendenzen, depressive Stimmungsschwankungen). Die Klägerin selbst hat ausgeführt, dass diese Intensivbetreuung außer Haus die beste Lösung für K. L darstelle.
Angesichts dieses Sachverhaltes fehlt es an einer "Sorge" der Klägerin für ihr behindertes Kind "in häuslicher Gemeinschaft". Allerdings ist weder der Begriff der "Sorge" noch derjenige der "häuslichen Gemeinschaft" in § 48 Abs. 2 Satz 3 SGB VI definiert. Diese Begriffe müssen dementsprechend ausgelegt werden. Hierbei ist vom Wortlaut, der Entstehungsgeschichte, dem systematischen Zusammenhang sowie dem Sinn und Zweck, soweit er im Gesetz zumindest andeutungsweise seinen Niederschlag gefunden hat, auszugehen. Dabei hat keine Auslegungsmethode absoluten Vorrang, sondern ist im Gesamtzusammenhang der betr. Regelung zu betrachten.
Hiernach muss der Begriff der "häuslichen Gemeinschaft" eng ausgelegt werden. § 48 Abs. 2 Satz 3 SGB VI stellt in systematischer Hinsicht zunächst eine Ausnahmevorschrift dar (s. KassKomm/Gürtner, Stand: März 2005, § 46 SGB VI Rdnr. 39). Denn sie weicht von dem in § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI niedergelegten Grundprinzip ab, dass die Gewährung großer Witwenrente bei Erziehung eines (eigenen) Kindes an die Nichtvollendung seines 18. Lebensjahres geknüpft ist. Das Gesetz verbindet den Anspruch auf große Witwenrente demzufolge im Grundsatz mit der bürgerlich-rechtlichen Erziehungsberechtigung und -verpflichtung, die mit der Vollendung des 18. Lebensjahres des Kindes, also mit Eintritt von dessen Volljährigkeit, endet (s. §§ 2, 1626, 1631 BGB; so schon zur Vorgängerregelung BSG 21.09.1983 SozR 2200 § 1268 Nr. 22; s. auch KassKomm/Gürtner, § 46 SGB VI Rdnr. 27; Wannagat/J. Schmitt, Stand: Juni 1993, § 46 SGB VI Rdnr. 29). Selbst wenn der Begriff der "Erziehung" im Rentenversicherungsrecht mehr in einem tatsächlichen Sinne zu verstehen sein sollte, so ist doch die Minderjährigkeit des Kindes und deren Ende mit der Vollendung des 18. Lebensjahres ausweislich des insoweit eindeutigen Wortlauts des § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI das rechtlich ausschlaggebende Moment für den Anspruch auf große Witwenrente bzw. dessen Wegfall (vgl. BSG 16.05.2001 SozR 3-2600 § 243 Nr. 8). Nur die der Erziehung gleichgestellte Sorge für ein behindertes volljähriges Kind unter dem Kautel der häuslichen Gemeinschaft durchbricht diesen Grundsatz, was für eine enge Auslegung dieses Begriffs spricht.
Dementsprechend setzt der Gesetzgeber ausweislich der Begründung zu § 46 SGB VI i.d.F. des Rentenreformgesetzes (RRG 1992) den Begriff der "häuslichen Gemeinschaft" mit der engen Voraussetzung gleich, dass das behinderte Kind "zu Hause versorgt" wird (s. Begr. BR-Drs. 120/89, S. 164). Der Begriff der häuslichen Gemeinschaft ist folglich auch im Zusammenhang mit dem Begriff der "Sorge" zu sehen. Sorge bedeutet tatsächliche Betreuung, Beaufsichtigung und Versorgung (Wannagat/J. Schmitt, § 46 SGB VI Rdnr. 33). Damit ist eine Versorgung durch eine nicht nur vorübergehende auswärtige Unterbringung, insbesondere in einem Heim oder einer heim-ähnlichen Einrichtung jedoch unvereinbar und erfüllt die Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 Satz 3 SGB VI nicht (vgl. KassKomm/Gürtner, § 46 SGB VI Rdnr. 44; Wannagat/J. Schmitt, § 46 SGB VI Rdnr. 33; Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Hdb. d. Rentenversicherung, Stand: Januar 1993, § 46 SGB VI Rdnr. 34).
Etwas anderes gilt nur, wenn das häusliche Zusammenleben mit dem Kind nur vorübergehend unterbrochen würde, etwa durch eine Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen oder internatsmäßige Aufnahme in ein Berufsbildungswerk für einige Monate zwecks Vorbereitung auf eine Erwerbstätigkeit (Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, a.a.O.,§ 46 SGB VI Rdnr. 34).
Hiervon kann im vorliegenden Fall keine Rede sein. Die internatsmäßige Unterbringung der Tochter der Klägerin in der betreuten Wohneinrichtung des CJD E diente nicht ausschließlich der Vorbereitung auf eine Erwerbstätigkeit (hierfür war die Christophorus-Schule zuständig), sondern ausweislich der schriftlichen Auskunft der Jugendhilfe des CJD E auch der erforderlichen Nachreifung aufgrund Auffälligkeiten in ihrer emotionalen und sozialen Entwicklung. Die intendierte Eingliederung war mithin nicht allein "erwerbsmäßiger" Natur, sondern diente auch der allgemeinen Persönlichkeitsentwicklung. Zudem war die Unterbringung nicht auf einige Monate beschränkt. Die regelmäßigen Wochenend- und Ferienheimfahrten der Tochter der Klägerin sowie ihr Aufenthalt in der mütterlichen Wohnung bei Krankheit ändern nichts am Ergebnis. Denn daraus kann nicht gefolgert werden, dass die häusliche Gemeinschaft zwischen Klägerin und Tochter nur unterbrochen wurde. Im Gegenteil wurde damit nur die ständige außerhäusliche Betreuung der Tochter im CJD-Jugenddorf unterbrochen, die schon zeitlich den eindeutigen Schwerpunkt bildete.
Für dieses Ergebnis spricht neben der grammatikalischen und systematischen Auslegung sowie der Entstehungsgeschichte des § 46 Abs. 2 Satz 3 SGB VI endlich auch der Sinn und Zweck der Norm. Mit dem grundsätzlichen Ende der Anspruchsberechtigung auf eine große Witwenrente aufgrund Eintritts der Volljährigkeit des Kindes geht das Gesetz davon aus, dass die Witwe oder der Witwer durch das Kind nicht mehr an der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gehindert ist. Die Einkommensersatzfunktion der großen Witwenrente gelangt in Wegfall. Die Ausnahme des § 46 Abs. 2 Satz 3 SGB VI wird dementsprechend damit gerechtfertigt, dass der Berechtigte durch die häusliche Versorgung des behinderten volljährigen Kindes gebunden und deshalb an der Aufnahme einer Berufstätigkeit gehindert ist. Hierfür soll ein Ausgleich geschafft werden (Verbandskommentar, Stand: Mai 2005, § 46 SGB VI Rdnr. 6.3). Hier ist die Klägerin während des streitigen Zeitraums jedoch durchgehend voll erwerbstätig gewesen. Allerdings wäre die Ausübung einer vollen Erwerbstätigkeit nach dem Wortlaut des § 46 Abs. 2 Satz 3 SGB VI kein Ausschlussgrund für die große Witwenrente, da allein entscheidend ist, ob der Berechtigte tatsächlich in häuslicher Gemeinschaft für das behinderte Kind sorgt (Verbandskommentar, § 46 SGB VI Rdnr. 6.3). Da dies hier nicht der Fall ist (s.o.), kann dieser Aspekt letztlich dahinstehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Erstellt am: 03.07.2006
Zuletzt verändert am: 03.07.2006