Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 07.03.2008 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob sich aus verfassungsrechtlichen Gründen der Bemessungszeitraums für Elterngeld durch Zeiten des Bezugs von Erziehungsgeld verlängern muss.
Die am 00.09.1965 geborene Klägerin ist die Mutter des am 00.04.2007 geborenen K. Von Januar bis November 2006 bezog die Klägerin Erziehungsgeld für ihren am 00.11.2005 geborenen Sohn Kind M in Höhe von monatlich 300,00 Euro. Bis zur Geburt von M war die Klägerin berufstätig und erzielte ein Brutto- Monatsgehalt von rund 2200 Euro. Vom 31.03. bis 07.07.2007 bezog sie Mutterschaftsgeld in Höhe von 13 Euro kalendertäglich.
Am 11.06.2007 beantragte die Klägerin Elterngeld für ihren Sohn K.
Mit Bescheid vom 13.06.2007 bewilligte ihr das Versorgungsamt H Elterngeld vom 29.06.2007 – 28.07.2007 in Höhe von 262,50 Euro monatlich und vom 29.07.2007 – 28.04.2008 in Höhe von 375,00 Euro monatlich. Dabei legte das Versorgungsamt den Sockelbetrag gemäß § 2 Abs. 5 BEEG mit 300,00 Euro sowie den Geschwisterbonus nach § 2 Abs. 4 S. 1 BEEG in Höhe von 10 % mit 75,00 Euro zu Grunde. Für die ersten beiden Lebensmonate des Kindes rechnete sie nach § 3 Abs. 1 BEEG das Mutterschaftsgeld an.
Mit Schreiben vom 04.07.2007 widersprach die Klägerin. Sie sei seit der Geburt ihres ersten Sohnes in der sog. Elternzeit, weshalb ihr Arbeitsvertrag ruhe. Für ihr erstes Kind M erhalte sie Erziehungs- und Kindergeld sowie eine jährliche Einmalzahlung ihres Arbeitgebers. Es sei ihr unverständlich, warum der Bemessungszeitraum für das Elterngeld nicht in die vorvergangene Zeit gelegt werde, sondern nur strikt 12 Monate vor Geburt berücksichtigt würden. In diesen 12 Monaten habe nicht der Regelzustand der Erwerbstätigkeit, sondern die zeitlich begrenzte Unterbrechung durch ihre Elternzeit gelegen. Nach ihrer Ansicht müsse das Erziehungsgeld analog zum Elterngeld behandelt werden, da es sich dem Grunde nach um vergleichbare Leistungen handele.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.08.2007 wies die Bezirksregierung Münster den Widerspruch zurück, weil die Berechnung des Elterngeldes zutreffend erfolgt sei.
Mit ihrer rechtzeitig erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Beklagte behandele Eltern von Kinder, die im Jahre 2007 ihr erstes Kind bekommen hätten, anders als solche, die im Jahre 2007 ihr zweites Kind bekommen hätten und die sich noch in Elternzeit befänden. Für diese Ungleichbehandlung von wesentlich gleichen Sachverhalten sei kein Rechtfertigungsgrund ersichtlich. Eine Benachteiligung von Geschwisterkindern dürfe nicht erfolgen. Das Elterngeld solle nach Absicht des Gesetzgebers die Funktion haben, Eltern in der Frühphase der Elternschaft zu unterstützen und dazu beizutragen, dass sie in diesem Zeitraum selbst für ihre Kinder sorgen könnten. Eltern mit kleinen Einkommen und Eltern von Geschwisterkindern, die in enger Folge geboren würden, sollten besonders berücksichtigt werden. Diese Ziele des Gesetzgebers seien jedoch aufgrund eines offensichtlichen technischen Mangels im Gesetzgebungsverfahren nicht verwirklicht worden.
Mit dem angefochtenen Urteil vom 07.03.2008 hat das Sozialgericht Gelsenkirchen die auf Zahlung höheren Elterngelds gerichtete Klage abgewiesen. Die Regelung des § 2 Abs. 7 Satz 5 BEEG, die lediglich beim Bezug von Elterngeld den Bezugsmessungszeitraum verschiebe, sei nicht verfassungswidrig. Das neue Elterngeld sei gegenüber dem bisherigen Erziehungsgeld u.A. durch Ausweitung des Empfängerkreises und Veränderung der Einkommensabhängigkeit völlig neu konzipiert worden. Der Gesetzgeber habe sich ermessensgerecht dafür entschieden, zur Bestimmung der Leistungshöhe auf die aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse des Anspruchsberechtigten abzustellen und eine Verschiebung des Bemessungszeitraums nur in Ausnahmefällen zuzulassen. Würde der Zeitraum des Erziehungsgeldbezuges wie der der Elternzeit ebenfalls bei der Bestimmung des Elternzeitraums unberücksichtigt bleiben, hätte dies bei Antragstellern mit mehreren älteren Kindern zur Folge, dass auf länger zurückliegende Einkünfte abzustellen wäre, die die wirtschaftliche Situation im Zeitpunkt der Geburt des letzten Kindes nicht mehr zutreffend wiedergäben.
Mit ihrer rechtzeitig erhobenen Berufung trägt die Klägerin vor, § 2 BEEG müsse aus Gründen der Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden, dass zur Berechnung der Höhe des Elterngeldes das Einkommen in Ansatz gebracht werde, welches in den letzten 12 Kalendermonaten vor dem Lebensabschnitt Elternzeit erzielt worden sei. Die Auslegung durch die Beklagte verstoße gegen die Zielsetzung des Gesetzgebers. Insbesondere Familien mit mehreren Kindern würden von der gesetzlichen Regelung extrem benachteiligt.
Zudem stelle Art. 6 Abs. 1 GG Ehe und Familien unter den besonderen Schutz des Staates.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 07.03.2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.06.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.08.2007 zu verurteilen, der Berechnung des Elterngeldes für das Kind K das im Zeitraum von November 2004 bis Oktober 2005 bezogene Einkommen zugrunde zulegen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die angefochtenen Bescheide und das angefochtene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs und die Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Klage und Berufung richten sich, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, inzwischen gegen den Beklagten, weil nach der Auflösung der Versorgungsämter durch das 2. Gesetz zur Straffung der Behördenstruktur in NRW vom 30.10.2007 (GVBl. NRW 2007, S. 482) die Versorgungsämter mit Ablauf des 31.12.2007 aufgelöst worden sind und der Beklagte seit dem 01.01.2008 für Aufgaben nach dem BEEG zuständig ist. Dadurch hat der Beklagte kraft Gesetzes gewechselt; einer Zustimmung der Beteiligten dazu bedurfte es nicht.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig. Die Beklagte hat das Elterngeld in zutreffender Höhe gewährt. Sie hat insbesondere den für die Höhe des Elterngeldes gemäß § 2 BEEG maßgeblichen Einkommenszeitraum richtig bestimmt. Für die von der Klägerin geforderte Modifizierung dieses Zeitraums nach oder in entsprechender Anwendung von § 2 Abs. 7 S. 5 BEEG und die Berücksichtigung des vor der Geburt von K bezogenen Erwerbseinkommens bestehen weder eine gesetzliche Grundlage noch eine verfassungsrechtlich zu begründende Notwendigkeit.
Die gesetzliche Regelung des § 2 BEEG ist eindeutig.
Nur der Zeitraum des Bezugs von Elterngeld, nicht derjenige des Bezugs von Erziehungsgeld oder die Inanspruchnahme von Elternzeit können die Verlagerung des maßgeblichen Bemessungszeitraumes nach sich ziehen, § 2 Abs. 7 S. 5 BEEG. Eine planwidrige Gesetzeslücke, die sich durch eine analoge Anwendung des § 2 Abs. 7 S. 5 BEEG für Fälle des Bezugs von Erziehungsgeld oder Erziehungszeit nach früherem Recht für ein älteres Geschwisterkind schließen ließe, liegt nicht vor. Denn dass die Bezugsdauer von Elterngeld und die Dauer der Elternzeit auseinander fallen können, ist dem Gesetzgeber ebenso wenig verborgen geblieben wie die Übergangsproblematik von Mehrkinderfamilien mit vor dem Stichtag (01.01.2007) geborenen älteren Geschwistern. Das machen nicht nur die Begründung des Gesetzentwurfs der Regierungsfraktionen zum Zuschlag nach § 2 Abs. 4 Sätze 3 und 4 des Entwurfs (BT-Drucks. 16/1889, S. 44) sondern auch die anschließende parlamentarische Diskussion und die spätere Ausgestaltung des Geschwisterbonus und der Fälle der Verlängerung des Bemessungszeitraums deutlich (vgl. § 2 Abs. 4, § 2 Abs. 7 Sätze 5 und 6 BEEG).
Die Verschiebung des Bemessungszeitraums durch § 2 Abs. 7 Satz 5 BEEG im Fall von Elterngeldbezug bezweckt, in den Fällen kurzer Geburtenfolge dadurch Nachteile zu vermeiden, dass der Elterngeldbezug aus dem Einkommensbezugszeitraum heraus gerechnet wird. Die Privilegierung des (kurzen) Zeitraumes des Bezuges von Elterngeld ist auch insofern systemgerecht, als das Elterngeld Eltern, die sich im ersten Lebensjahr des Neugeborenen vorrangig der Erziehung des Neugeborenen widmen, bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlage helfen soll (vgl. BT-Drucks. 16/1889, S. 2). Der Gesetzgeber zielt dabei mit der von ihm gewählten Ausgestaltung des Elterngeldes insbesondere darauf ab, Eltern, namentlich junge Mütter, zu einer möglichst schnellen Wiederaufnahme ihrer Berufstätigkeit zu bewegen (Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 16/1889, S. 48; sowie Beitrag der Abgeordneten Marks (SPD) zur abschließenden Lesung des BEEG-Entwurfs, BT-Plenarprotokoll 16/55, S. 5360 linke Spalte Buchstabe B).
Andere Gründe für eine längere Unterbrechung der Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes, für das Elterngeld beansprucht wird, die durch den persönlichen Lebensentwurf der Mutter oder die Lebensumstände begründet sein können, hat der Gesetzgeber daher – systemgerecht und folgerichtig – unberücksichtigt gelassen (vgl. auch Senat, Urteil vom 17.10.2008 – L 13 EG 24/08 -).
Einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 oder 6 Abs. 1 GG vermag der Senat darin nicht zu erkennen.
Mit der Gewährung von Elterngeld ist der Gesetzgeber der aus Art. 6 Abs. 1 GG resultierenden Pflicht nachgekommen, Familien zu schützen und zu fördern (vgl. hierzu und dem folgenden Müller-Terpitz, JZ 2006 S. 991 ff.). Da diese Schutz- und Förderpflicht grundsätzlich alle Familien gleich begünstigt, verbietet sich vor dem Hintergrund von Art. 3 Abs. 1 GG ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, der einer Familiengruppe eine Begünstigung gewährt, einer anderen Familiengruppe jedoch vorenthält, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigten (vgl. BSG, Urteil vom 23.01.2008 – B 10 EG 5/07 R – juris. Rz. 17 m.w.N.). Dabei kommt es auch darauf an, in welchem Maße sich die Ungleichbehandlungen nachteilig auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheit auswirkt oder inwieweit die benachteiligte Gruppe durch eine Verhaltensänderung der Ungleichbehandlung ausweichen kann. Nicht entscheidend ist dem gegenüber, ob der Gesetzgeber, der bei der Wahl seiner Ziele und der dafür geeigneten Mittel für die Förderung von Grundrechtsausübung einen weiten Einschätzungsspielraum hat, die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat (vgl. BVerfGE 55, 72 (90); 81, 108 (117 f.); 81, 204 (205 f.)).
Nach diesen Maßstäben hegt der Senat keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelung des § 2 Abs. 7 Satz 5 BEEG, weil der Gesetzgeber nach seinem Regelungskonzept hinreichende Gründe hatte, um den Bemessungszeitraum des Elterngeldes durch die Zeiten des Erziehungsgeldbezuges und der Elternzeit nicht zu verlängern. Mit dem Elterngeld hat der Gesetzgeber, wie das Sozialgericht im Einzelnen zutreffend dargelegt hat, einen Systemwechsel bei der Familienförderung vorgenommen. Zugrunde lag die Einschätzung, dass die mit dem Erziehungsgeld verfolgten Zwecke, insbesondere die Wahlfreiheit zwischen Erwerbstätigkeit und Kindererziehung zu fördern, nicht oder nur unzureichend erreicht worden waren. Anders als das Erziehungsgeld sieht das Elterngeld deswegen für alle Einkommensschichten einen Lohnersatz für den Zeitraum unmittelbar nach der Geburt eines Kindes vor, wenn der betreuende Elternteil seine zuvor ausgeübte Berufstätigkeit unterbricht. Die Schaffung eines finanziellen Schonraumes durch den Lohnersatz soll ihm ermöglichen, sich der Kindererziehung zu widmen. Andererseits bezweckt der Gesetzgeber mit dem Elterngeld, wie ausgeführt, auch Berufstätige, insbesondere Mütter, zu einer schnelleren Rückkehr in den Beruf zu veranlassen. Wegen der wesentlich unterschiedlichen Konzeption des Erziehungs- und des Elterngeldes ist es nach der Regelungskonzeption des Gesetzgebers deshalb gerechtfertigt, den Erziehungsgeldbezug nicht für die Verlängerung des Bemessungszeitraumes des Elterngeldes zu berücksichtigen. Einerseits hätte die Berücksichtigung des bis zu zwei Jahre lang gezahlten Erziehungsgeldes das Ziel des Gesetzgebers, eine rasche Wiederaufnahme der Berufstätigkeit zu veranlassen, in Frage gestellt. Bei dem ohne Weiteres möglichen Erziehungsgeldbezug für mehrere Kinder hätte sich diese Wirkung, wie das Sozialgericht zu Recht ausgeführt hat, noch potenziert. Dazu kommt, dass sich nach dem Regelungskonzept des Gesetzgebers kaum hätte begründen lassen, warum nur zum Bezug von Erziehungsgeld berechtigte Eltern mit niedrigerem Familieneinkommen an länger zurückliegende Erwerbstätigkeiten anknüpfen hätten können, obwohl das Elterngeld der Vereinbarung von Beruf und Familie für alle Einkommensklassen dienen sollte.
Die Nichtberücksichtigung von Zeiten des Erziehungsgeldbezuges ist schließlich nicht unverhältnismäßig. Insbesondere wird die Verhältnismäßigkeit dadurch hergestellt, dass Berechtigte mit mehreren Kindern und einer längeren Unterbrechung der Erwerbspause wie die Klägerin jedenfalls den Sockelbetrag des Elterngeldes erhalten, sich also nicht entscheidend schlechter stehen als unter der Geltung des Erziehungsgeldgesetzes.
Die Gestaltung des Bemessungszeitraums für das Elterngeld verletzt auch nicht Art. 6 Abs. 1 GG in seiner Funktion als Abwehrrecht (vgl. BVerfG NJW 1999, 557 (558)). Die Freiheit der Eltern, das Familienleben nach eigenen Vorstellungen einzurichten, wird durch die Nichtberücksichtigung von Zeiten des Erziehungsgeldbezugs und der Elternzeit nicht wesentlich berührt, sondern bleibt Gegenstand ihrer eigenen Entscheidung (s.auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 04.09.2008 – L 12 EG 5/08). Im Fall der Klägerin ist dies besonders augenfällig, weil sie sich lange vor dem Inkrafttreten des Elterngeldgesetzes für eine längere Berufsunterbrechung entschieden hatte.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
Anlass zur Zulassung der Revision bestand nicht, weil sich die aufgeworfen. Rechtsfragen auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und des Bundesverfassungsgericht beantworten lassen.
Erstellt am: 20.01.2009
Zuletzt verändert am: 20.01.2009