Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 25. Januar 2007 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Verfahrens in zweiter Instanz. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird auf 9.331,02 EURO festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Feststellung der Versicherungspflicht von Mitarbeitern der Klägerin, den Beigeladenen zu 9. bis 15., und die Rechtmäßigkeit einer Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen.
Die Klägerin betrieb bis zum 31.01.2003 u. a. eine F-Filiale in O (Kreis T). Dort waren im Jahre 1999 die Beigeladenen zu 9. bis 15. als geringfügig Beschäftigte tätig. Daneben verfügt die Klägerin über weitere Niederlassungen im Einzelhandelsbereich.
Die o. g. Betriebsstätte der Klägerin lag im räumlichen und fachlichen Geltungsbereich der Tarifverträge für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen (NW). Der Manteltarifvertrag (MTV) für den Einzelhandel NW vom 20.09.1996 i. d. F. der Protokollnotiz vom 04.12.1996 wurde ab dem 01.11.1996 für allgemeinverbindlich erklärt. Der Tarifvertrag über Sonderzahlungen (Urlaubsgeld und Sonderzuwendung) vom 20.09.1996 wurde ab dem 01.01.1997, die Lohn- und Gehaltstarifverträge des Einzelhandels NW wurden für 1997/1998 ab dem 01.04.1997, für 1998/1999 ab dem 01.04.1998 sowie für 1999/2000 ab dem 01.04.1999 für allgemeinverbindlich erklärt. Aufgrund des Tarifvertrages über Sonderzahlungen hatten alle Beschäftigten ab dem 01.01.1997 einen Anspruch auf Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Dies galt nach § 10 Nr. 5 MTV Einzelhandel NW auch für Teilzeitbeschäftigte.
Tatsächlich war den im Jahre 1999 beschäftigten Beigeladenen zu 9. bis 15. von der Klägerin aber ein geringeres als das tarifliche Arbeitsentgelt entsprechend den jeweiligen einzelvertraglichen Vereinbarungen ausgezahlt worden. Bezüglich der Einzelheiten nimmt der Senat auf die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug.
Am 28.08.2003 führte die Beklagte in der o. g. Betriebsstätte der Klägerin eine Betriebsprüfung für den Prüfzeitraum vom 01.01.1999 bis zum 31.01.2003 durch. Mit Bescheid vom 24.09.2003 stellte die Beklagte nach Anhörung der Klägerin die Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 9. bis 15. fest und forderte Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 9.331,02 EUR bei der Klägerin nach. Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, dass die Voraussetzungen für eine geringfügige Beschäftigung bei den o. g. Beschäftigten nicht vorgelegen hätten. Aufgrund des allgemeinverbindlichen Lohn- und Gehaltstarifvertrages des Einzelhandels NW sei für die Feststellung der Versicherungspflicht das höhere, den Beschäftigten tarifvertraglich geschuldete Arbeitsentgelt an Stelle des tatsächlich ausgezahlten geringeren Arbeitsentgelts maßgebend. Ausgehend von der tariflich niedrigsten Lohngruppe bestehe bei den Beigeladenen zu 9. bis 15. Versicherungspflicht in allen Sozialversicherungszweigen. Eine Unterschreitung des tariflichen Mindestlohnes könne bei Allgemeinverbindlichkeit des maßgeblichen Tarifvertrages nicht wirksam vereinbart werden. Der Anspruch auf Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge sei nicht davon abhängig, ob der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt tatsächlich in der tariflich geschuldeten Höhe ausgezahlt habe.
Ihren fristgerecht am 07.10.2003 eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin im Wesentlichen wie folgt: Aus Wortlaut und Systematik der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften sowie unter Berücksichtigung des sozialversicherungsrechtlichen Äquivalenzprinzips und der Einheit der Rechtsordnung müsse nicht das Entstehungs-, sondern das Zuflussprinzip zugrunde gelegt werden. Daher sei für die Feststellung der Versicherungspflicht nicht das rechtlich geschuldete, sondern das tatsächlich gezahlte (geringere) Arbeitsentgelt maßgebend. Eine Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 9. bis 15. habe, ausgehend vom Zuflussprinzip, im Prüfzeitraum nicht bestanden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.08.2004 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück: Spätestens seit Inkrafttreten des Sozialgesetzbuches Viertes Buch (SGB IV) am 01.07.1977 gelte das Entstehungs- und nicht das Zuflussprinzip. Dies sei durch Rechtsprechung als geklärt anzusehen. Die Klägerin habe auch nicht darauf vertrauen dürfen, dass sich ihr Verstoß gegen gesetzesähnliche Normen eines allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages beitragsrechtlich nicht auswirke.
Zur Begründung ihrer am 03.09.2004 zum Sozialgericht Dortmund erhobenen Klage hat die Klägerin ergänzend vorgetragen, Gesetzeswortlaut, Systematik sowie Motive des Gesetzgebers ließen ihrer Auffassung nach nur eine Auslegung dahingehend zu, dass lediglich tatsächlich erzielte und zugeflossene Einnahmen eines abhängig Beschäftigten Bemessungsgrundlage für Sozialversicherungsbeiträge sein könnten.
Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,
den Bescheid vom 24.09.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.08.2004 aufzuheben.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist bei der Auffassung verblieben, der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Die Einheit der Rechtsordnung gebiete es, nichtigen Absprachen aus dem Bereich des Arbeitsrechts nicht im Sozialrecht zur Geltung zu verhelfen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 25.01.2007 abgewiesen. Die für die Betriebsprüfung gemäß § 28p SGB IV zuständige Beklagte habe die Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 9. bis 15. zutreffend festgestellt und die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 9.331,02 EUR – wie zwischen den Beteiligten auch unstreitig – rechnerisch richtig ermittelt. Die Beigeladenen zu 9. bis 15. seien im streitgegenständlichen Zeitraum während ihrer Beschäftigung bei der Klägerin versicherungspflichtig gewesen. Es habe keine Versicherungsfreiheit bestanden, da keine geringfügige Beschäftigung vorgelegen habe. Das jeweilige Arbeitsentgelt habe die damalige Geringfügigkeitsgrenze von monatlich 630,00 DM überstiegen; denn der Beurteilung dieser versicherungs- und beitragsrechtlichen Frage sei nicht das gezahlte, sondern das tariflich geschuldete Arbeitsentgelt zugrunde zu legen (sog. Entstehungsprinzip). Wegen der weiteren Begründung nimmt der Senat auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils Bezug.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 01.02.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28.02.2007 Berufung eingelegt. Sie trägt ergänzend vor, die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), auf die sich das Sozialgericht beziehe, vermöge aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu überzeugen. Es sei in einem Parallelverfahren unter dem Az. 1 BvR 2007/05 eine Verfassungsbeschwerde anhängig. Gerügt werde, dass sich das BSG bei der Herleitung des Entstehungsprinzips unter Missachtung des Gewaltenteilungsprinzips auf Richterrecht berufe, der Gesetzgeber sich jedoch auch im Bereich des sozialversicherungsrechtlichen Beitragsrechts für das Zuflussprinzip entschieden habe. Dies folge aus einer am Wortlaut, an Systematik und an Historie orientierten Auslegung der §§ 14 ff. SGB IV. Das Entstehungsprinzip lasse sich auch nicht damit begründen, dass ein Ar-beitgeber, der tarifrechtliche Ansprüche von Arbeitnehmern nicht erfülle, in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht nicht schutzwürdiger sein könne als ein Arbeitgeber, der solchen Ansprüchen nachkomme. Das Sozialversicherungsrecht diene nicht dazu, Arbeitgeber, die nicht tariftreu seien, zu bestrafen. Vielmehr sei es Aufgabe des Sozialversicherungsrechts, den abhängig beschäftigten Arbeitnehmern als dem geschützten Personenkreis für die durch ihre Arbeit erwirtschafteten Beitragsleistungen entsprechende Gegenleistungen zu verschaffen. Das gebotene Äquivalenzprinzip werde jedoch dadurch gravierend verletzt, dass die entsprechend dem Zuflussprinzip entrichteten Beiträge nachträglich im Rahmen gesonderter Verfahren durch Nacherhebungen ergänzt würden, die sich wegen des häufig eingetretenen Zeitablaufs nicht mehr beitragsrechtlich zugunsten der Versicherten auswirken könnten.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 25.01.2007 zu ändern und den Bescheid vom 24.09.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.08.2004 aufzuheben. Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 25.01.2007 zurückzuweisen.
Sie bezieht sich zur Begründung auf das aus ihrer Sicht zutreffende erstinstanzliche Urteil.
Die Beigeladenen stellen keine Anträge.
Der Senat hat die Beigeladenen zu 9. bis 15. zu den Umständen ihrer Arbeitsverhältnisse befragt. Diese haben bestätigt, dass die Ermittlungen der Beklagten zu den tatsächlich gezahlten Arbeitsentgelten vollumfänglich zutreffend gewesen sind. Sämtliche Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Sach- und Rechtslage und des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Prozess- sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der richterlichen Beratungen gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht mit Urteil vom 25.01.2007 die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 24.09.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.08.2004 ist rechtmäßig. Die Beklagte hat zutreffend unter Berücksichtigung des Entstehungsprinzips Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 9.331,02 EUR nacherhoben.
Grundsätzlich waren gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen während des streitigen Prüfungszeitraums gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in der Kranken-, gemäß § 20 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) in der Pflege-, gemäß § 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der Renten- und gemäß § 25 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig.
Versicherungsfreiheit bestand in allen genannten Versicherungszweigen ausnahmsweise bei einer geringfügigen Beschäftigung, vgl. § 7 Abs. 1 SGB V, § 5 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI, § 27 Abs. 2 S. 1 SGB III. Wann eine solche geringfügige Beschäftigung vorlag, richtete sich im hier maßgeblichen Jahre 1999 bis zum 31. März nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV i. d. F. des Art. 2 Nr. 1 des 2. Gesetzes zur Änderung des Sozialgesetzbuches vom 13. Juni 1994 (BGBl. I, 1229). Danach setzte Geringfügigkeit voraus, dass das Arbeitsentgelt regelmäßig im Monat 1/7 der monatlichen Bezugsgröße (§ 18 SGB IV) nicht überstieg. Das Siebtel der monatlichen Bezugsgröße lag im ersten Quartal 1999 bei 630,00 DM. In dieser Höhe wurde die Geringfügigkeitsgrenze nach der Neufassung des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV durch Art. 1 Nr. 2 lit. a des Gesetzes zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse vom 24. März 1999 (BGBl. I, 388) vom 01. April 1999 an festgeschrieben.
Auf den Betrieb der Klägerin fanden im Jahre 1999 die Tarifverträge für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen (MTV vom 20.09.1996; Tarifvertrag über die Sonderzahlungen vom 20.09.1996; Lohn- und Gehaltstarifverträge) Anwendung, da diese für den klägerischen Betrieb sowohl räumlich als auch betrieblich-fachlich einschlägig und für allgemeinverbindlich erklärt worden waren. Nach § 4 Abs. 1 S. 1 des Tarifvertragsgesetzes (TVG) gelten die Rechtsnormen eines Tarifvertrages bei beiderseitig tarifgebunden Verbandsmitgliedern unmittelbar und zwingend, also gesetzesähnlich. Ist ein Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt worden, so erfassen die Rechtsnormen des Tarifvertrages in seinem Geltungsbereich auch die nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (§ 5 Abs. 4 TVG). Von der zwingenden Wirkung des normativ geltenden Tarifvertrages kann außerhalb tarifvertraglicher Gestattung nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers abgewichen werden (§ 4 Abs. 3 TVG). Individualvertragliche Abweichungen von den zwingenden Normen eines Tarifvertrages sind, soweit sie dem betreffenden Arbeitnehmer ungünstig sind, gemäß § 134 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) i.V.m. § 4 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 TVG unwirksam.
Eine solche Fallkonstellation ist vorliegend gegeben. Die Beklagte hat im Rahmen der Betriebsprüfung festgestellt, dass durch die vertraglichen Vereinbarungen der Klägerin mit den Beigeladene zu 9. bis 15. der tariflich zustehende Mindestlohn unterschritten wurde. Diese Feststellungen sowie die ihnen zugrunde liegenden Berechnungen in der Anlage zum Bescheid vom 24.09.2003 hat die Klägerin nicht im Einzelnen angegriffen. Zudem sind auch sonst Fehler in der Berechnung nicht ersichtlich. Die untertarifliche Bezahlung ist damit gemäß § 134 BGB i.V.m. §§ 4 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, § 5 Abs. 4 TVG unwirksam. Die Klägerin wäre verpflichtet gewesen, an die Beigeladenen zu 9. bis 15. den tariflichen Mindestlohn zu zahlen. Der geschuldete Arbeitslohn überschritt nach den zutreffenden Berechnungen der Beklagten in allen vorliegend zur Entscheidung gestellten sieben Fällen die Geringfügigkeitsgrenze von einem Siebtel der Bezugsgröße, ebenso mangels anderweitiger Einkünfte der Beigeladenen zu 9. bis 15. im streitigen Zeitraum die Geringfügigkeitsgrenze von einem Sechstel des Gesamteinkommens.
Wie das Sozialgericht zutreffend erkannt hat, ist für die Feststellung der Versicherungs-, der Beitragspflicht sowie der Beitragshöhe das sog. Entstehungs- und nicht das sog. Zuflussprinzip maßgebend. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber – wie hier – tatsächlich Arbeitsentgelt in geringerer als in der geschuldeten Höhe ausbezahlt. Auf den Zufluss kommt es dagegen nur an, soweit dem Beschäftigten über das geschuldete Arbeitsentgelt hinaus überobligatorische Zahlungen zugewendet werden (vgl. BSG Sozialrecht -SozR- 4-2400 § 22 Nrn. 1 und 2; BSG SozR 4-2400 § 14 Nr. 7). Entgelte dieser Art haben die Beigeladenen zu 9. bis 15. jedoch nicht erhalten.
Bezüglich der Geltung des Entstehungs- und nicht des Zuflussprinzips für die Feststellung der Versicherungs-, der Beitragspflicht und -höhe sowie der Berücksichtigung des tariflich zustehenden, nicht des lediglich zugeflossenen Arbeitsentgelts bei untertariflicher Bezahlung bezieht sich der Senat nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage vollinhaltlich auf die diesbezüglichen Entscheidungsgründe des BSG in seinem Urteil vom 14.07.2004 (SozR 4-2400 § 22 Nr. 2), denen er sich vollinhaltlich anschließt.
Die Argumente, die die Klägerin gegen die Geltung des Entstehungsprinzips vorbringen lässt, vermögen nach Auffassung des Senates nicht zu überzeugen. Aus §§ 14 ff. SGB IV lässt sich entgegen der Auffassung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin die angebliche Geltung des Zuflussprinzips nicht herleiten. Danach sind Arbeitsentgelte alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 Abs. 1 SGB IV sind in erster Linie die tariflich geregelten, ansonsten die einzelvertraglich vereinbarten Entgeltbestandteile. Wenn Versicherungspflicht bereits bei einer Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht und nicht von dessen Zahlung abhängt, kann das in § 14 Abs. 1 SGB IV legaldefinierte Arbeitsentgelt jedoch nicht im Sinne des Zuflussprinzips verstanden werden (BSG SozR 4-2400 § 22 Nr. 2). Außerdem regelt § 14 SGB IV weder die Versicherungspflicht noch das Entstehen oder die Fälligkeit von Beitragsforderungen. Vielmehr ist das Arbeitsentgelt an dieser Stelle nur als Einkunftsart geregelt, die neben dem Arbeitseinkommen des § 15 SGB IV und dem Gesamteinkommen des § 16 SGB IV an vielen Stellen des Sozialversicherungsrechts von Bedeutung ist. Demnach kann die Verwendung der Begriffe "Einnahmen", "geleistet" und "erzielt" im vorliegenden Zusammenhang nicht als Bestätigung für eine allgemeine Geltung des Zuflussprinzips angesehen werden. Auf den Zufluss kommt es vielmehr nur an, soweit dem Arbeitnehmer mehr geleistet wird, als ihm tariflich oder einzelvertraglich zusteht, soweit ihm also über das geschuldete Arbeitsentgelt hinaus überobligatorische Zahlungen zugewendet oder geleistet werden (BSG SozR 4-2400 § 14 Nr. 7).
Für die Geltung des Entstehungsprinzips bei einer dem Arbeitnehmer nachteiligen Abweichung des tatsächlich geleisteten vom geschuldeten Arbeitsentgelt spricht insbesondere § 22 Abs. 1 SGB IV. Nach Abs. 1 S. 1 der Vorschrift entstehen die Beitragsansprüche der Versicherungsträger, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Nach § 22 Abs. 1 S. 2 SGB IV entstehen bei einmalig gezahltem Arbeitsentgelt die Beitragsansprüche, sobald dieses ausgezahlt worden ist. Damit normiert § 22 Abs. 1 S. 2 SGB IV die Geltung des Zuflussprinzips bei einmalig gezahltem Arbeitsentgelt. Hieraus ergibt sich jedoch im Umkehrschluss, dass für das laufende Arbeitsentgelt das Zuflussprinzip gerade nicht gilt (BSG SozR 4-2400 § 22 Nr. 2). Dazu kommt, dass S. 2 des § 22 Abs. 1 SGB IV erst am 01. Januar 2003 in Kraft getreten ist, so dass selbst für Einmalzahlungen bis zum 31.12.2002 das Entstehungsprinzip galt (BSG SozR 4-2400 § 22 Nr. 2).
Auch aus der Einheit der Rechtsordnung folgt nicht die Geltung des Zuflussprinzips. Die von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin hervorgehobene angebliche Harmonisierungstendenz zwischen Sozialversicherungs- und Steuerrecht umfasst nicht zwingend die Geltung des Zuflussprinzips. Insbesondere spricht die Verordnungsermächtigung in § 17 SGB IV dagegen. Es soll nach § 17 Abs. 1 S. 2 SGB IV lediglich eine "möglichst weitgehende" Übereinstimmung mit den Regelungen des Steuerrechts sichergestellt werden. Damit hat es sich der Gesetzgeber, wie auch aus der in § 17 Abs. 1 S. 1 der Vorschrift sichtbaren Anwendung der Enumerationsmethode deutlich wird, vorbehalten, von diesem Harmonisierungsziel dann abzuweichen, wenn dies Strukturunterschiede zwischen Sozialversicherungs- und Steuerrecht gebieten. Dies ist, wie sich insbesondere aus § 22 Abs. 1 SGB IV ergibt (s. o.), hier der Fall. Der Gesetzgeber hat mit der Geltung des Entstehungsprinzips gerade der Einheit der Rechtsordnung dadurch gedient, dass er Sozialversicherungsrecht und (individuelles und kollektives) Arbeitsrecht miteinander systemharmonisch verknüpft hat. Denn es dient der Einheit der Rechtsordnung, wenn durch die Geltung des Entstehungsprinzips den durch staatlichen Anwendungsbefehl kraft Allgemeinverbindlichkeitserklärung normativ geltenden Tarifnormen zur tatsächlichen Durchsetzung verholfen wird, indem durch eine untertarifliche Bezahlung weder der Versicherungsschutz der Arbeitnehmer beeinträchtigt wird noch der Arbeitgeber sich durch sein rechtswidriges Handeln Vorteile gegenüber tariftreuen Arbeitgebern verschafft (BSG SozR 4-2400 § 22 Nr. 2).
Schließlich ist keine Verletzung des sozialversicherungsrechtlichen Äquivalenzprinzips ersichtlich. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können bei einer einverständlichen untertariflichen Bezahlung nicht mit Erfolg geltend machen, der Beitragsforderung habe kein ausreichendes leistungsrechtliches Äquivalent gegenüber gestanden. Anderenfalls würde die untertarifliche Bezahlung zum Maßstab für eine angemessene gesetzliche Regelung erhoben sowie versicherungs- und beitragsrechtlich belohnt. Dies aber liefe gesamtsystematischen Grunderwägungen des Beitragsrechts in der Sozialversicherung zuwider (BSG SozR 4-2400 § 22 Nrn. 1 und 2).
Dass die Klägerin ihre nachträgliche Heranziehung zu Gesamtsozialversicherungsbeiträgen als "Bestrafung" empfindet, erscheint kaum nachvollziehbar. Bei rechtstreuem Verhalten hätte sie nicht nur den betroffenen Arbeitnehmerinnen höhere Arbeitsentgelte zahlen müssen, sondern zusätzlich auch die sozialversicherungsrechtlichen Lasten – abgesehen von den Anteilen, die bei rechtzeitiger Umlegung von den Arbeitnehmern zu tragen sind -. Abgesehen davon, dass § 28e SGB IV dem Sozialversicherungsträger eine eigene Anspruchsposition einräumt, richtet sich dieser Anspruch gerade nicht auf das gesamte, vom Arbeitnehmer individuell einklagbare, gegebenenfalls infolge Zeitablaufs inzwischen verjährte Arbeitsentgelt, sondern ausschließlich auf den Gesamtsozialversicherungsbeitrag, wenn auch in ungeteilter Höhe.
Das Bestehen eines Vertrauensschutzes hat die Klägerin nicht geltend gemacht und hätte einen solchen auch nicht mit Erfolg einfordern können (BSG SozR 4-2400 § 22 Nr. 2).
Der Anspruch auf die 1999 fällig gewesenen Beiträge ist gemäß § 25 Abs. 1 S. 1 SGB IV nicht verjährt, da die Beklagte mit Erlass des Bescheides vom 24.09.2003 die Verjährungsfrist von vier Jahren (nach Ablauf des Kalenderjahres der Fälligkeit) unterschritten hat.
Bezüglich einer möglichen Verwirkung ist bereits zweifelhaft, ob das außergesetzliche Institut der Verwirkung unter Geltung der Verjährungsregelung des § 25 Abs. 1 S. 1 SGB IV überhaupt Anwendung finden kann. Jedenfalls liegt Verwirkung deswegen nicht vor, weil kein Verwirkungsverhalten der Beklagten erkennbar ist. Weder hat die Beklagte den Beitragsanspruch über einen längeren Zeitraum nicht geltend gemacht (sog. Zeitmoment) noch hat sie durch ihr Verhalten bei der Klägerin die Erwartung wecken können, dass die Beitragsforderungen nicht mehr durchgesetzt werden sollen (sog. Umstandsmoment). Bloßes Nichtstun begründet jedenfalls keine Verwirkung (BSG SozR 4-2400 § 22 Nr. 1).
Wie das Sozialgericht weiter zutreffend erkannt hat, greifen die Einwände der Klägerin auch zur Bemessungsgrundlage nicht durch. Aus § 14 Abs. 2 SGB IV (Nettolohnvereinbarung) ergibt sich, dass auch die auf den Arbeitnehmer entfallenden Anteile zur Sozialversicherung der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind (vgl. beispielhaft Kassler Kommentar/Seewald, Sozialversicherungsrecht, § 14 SGB IV RdNr. 14 m. w. N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 S. 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Voraussetzungen einer Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG haben nicht vorgelegen.
Der festgesetzte Streitwert entspricht der Höhe des Nachforderungsbetrages (9.331,02 Euro).
Erstellt am: 28.11.2007
Zuletzt verändert am: 28.11.2007