Der Beklagte wird unter Abänderung seiner mit dem Bescheid vom 15. Oktober 2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. April 2015 verlautbarten bewilligenden Verfügungen verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum vom 01. Oktober 2014 bis zum 31. März 2015 Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe eines Betrages von insgesamt jeweils monatlich 335,00 Euro zu gewähren.
Der Beklagte hat dem Kläger die ihm entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten dem Grunde nach in voller Höhe zu erstatten.
Gerichtskosten werden in Verfahren der vorliegenden Art nicht erhoben.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger gegen den Beklagten ein Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung nach Maßgabe der Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) für den Zeitraum vom 01. Oktober 2014 bis zum 31. März 2015 zusteht.
Der im September 1964 geborene Kläger beantragte im September 2014 bei dem Beklagten die Gewährung von passiven Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach den Bestimmungen des SGB II und legte hierfür ua einen mit seiner Mutter abgeschlossenen Formular-Mietvertrag vom 29. August 2014 über eine 50 Quadratmeter große abgeschlossene Einliegerdachgeschosswohnung – bestehend aus einem Zimmer, einem Flur, einer Küche und einem Bad – in dem seiner zwischenzeitlich verstorbenen Mutter mit dem dazugehörigen Grund und Boden zu Eigentum gehörenden Einfamilienhaus in der X-Straße in 16816 Neuruppin vor. Ausweislich des Mietvertrages begann das Mietverhältnis am 01. August 2010 und sollte auf unbestimmte Zeit laufen. Der monatlich vereinbarte Mietzins sollte 248,00 Euro nebst 46,00 Euro Betriebskostenvorschuss sowie 41,00 Euro Heizkostenvorschuss – mithin einen Gesamtbetrag in Höhe von 335,00 Euro – betragen, der spätestens am dritten Werktag jeden Monats auf das Konto seiner Mutter überwiesen werden sollte.
Mit Bescheid vom 15. Oktober 2014/Änderungsbescheid vom 23. März 2015 bewilligte der Beklagte dem Kläger für den Zeitraum vom 01. Oktober 2014 bis zum 31. März 2015 Leistungen nach dem SGB II in Höhe des Regelbedarfes und nur in Höhe von kopfteiligen Kosten der Unterkunft und Heizung. Die sich aus dem Mietvertrag ergebenden Beträge gewährte der Beklagte dem Kläger nicht, weil "innerfamiliäre Mietverträge" nur unter engen Voraussetzungen berücksichtigt werden könnten, die hier nicht vorlägen. Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 18. Oktober 2014 Widerspruch, den der Beklagte unter Einbeziehung des Änderungsbescheides vom 23. März 2015 mit Widerspruchsbescheid vom 22. April 2015 als unbegründet zurückwies. Zur Begründung seiner Entscheidung führt er im Wesentlichen aus, die Mietzinsforderung aus dem mit der Mutter geschlossenen Mietvertrag stelle keinen zu berücksichtigenden Bedarf dar. Im Zuge eines Hausbesuches habe die Wohnung des Klägers einen im Wesentlichen unbewohnten Eindruck gemacht, zudem sei das Haus nicht belastet. Nach Würdigung der Gesamtumstände fehle es an einer ernsthaften Mietzinsforderung. Für die Mutter des Klägers sei es möglich und zumutbar auf die Mietzinsforderung während der Hilfebedürftigkeit des Klägers zu verzichten; die Mutter des Klägers sei auf die Mieteinnahmen angesichts ihrer wirtschaftlichen Situation auch nicht angewiesen. Auch sei davon auszugehen, dass die Mutter des Klägers für den Fall der Zahlungsunfähigkeit des Klägers auf die Zahlung der Miete verzichten und bei Ausbleiben der Mietzinszahlungen keine rechtlichen Schritte einleiten würde. Auch sei nicht davon auszugehen, dass die Mutter des Klägers die Wohnung an einen fremden Dritten vermieten würde. Durch die Übernahme der Pflege der Mutter durch den Kläger sei von einer engen persönlichen Bindung auszugehen, aufgrund derer die Mutter des Klägers auch für diesen einstehen würde.
Unter dem 28. April 2015 hat der Kläger bei dem Sozialgericht Neuruppin Klage erhoben. Zur Begründung seines auf Gewährung von höheren Kosten der Unterkunft und Heizung gerichteten Begehrens führt er aus, es handele sich um eine ernsthafte Mietzinsforderung. Er habe den vereinbarten Mietzins regelmäßig und vereinbarungsgemäß auf das Konto seiner Mutter überwiesen. Soweit der Beklagte meine, er habe von seinem Konto keine Lebenshaltungskosten gezahlt, habe er diesen durch das Sammeln von Flaschen und durch Essen bei seinem Bruder bestritten.
Der Kläger beantragt (nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß),
den Beklagten unter Abänderung seiner mit dem Bescheid vom 15. Oktober 2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. April 2015 verlautbarten bewilligenden Verfügungen zu verurteilen, dem Kläger für den Zeitraum vom 01. Oktober 2014 bis zum 31. März 2015 Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe eines Betrages von insgesamt jeweils monatlich 335,00 Euro zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung seines Antrages vertieft er im Wesentlichen seine Ausführungen in dem – auch – angegriffenen Widerspruchsbescheid vom 22. April 2015. Ergänzend fügt er hinzu, selbst wenn die Kontoauszüge eine monatliche Zahlung in Höhe der Mietzinsverpflichtung belegten, habe der Kläger diesen Betrag an seine Mutter für die gesamte Versorgung gezahlt, weil sich aus den Kontoauszügen keine sonstige Ausgaben für Lebenshaltungskosten ergäben, so dass jedenfalls nur ein Teilbetrag auf die Mietzinszahlung entfalle.
Nach Eingang der von dem Gericht von dem kontoführenden Kreditinstitut des Klägers angeforderten vollständigen Kontoauszüge des Girokontos des Klägers, die nach Einrichtung eines Dauerauftrages eine regelmäßige, pünktliche, vollständige, unter Einhaltung der vereinbarten Zahlungsweise und unter ausdrücklicher Nennung des Verwendungszweckes "monatliche Miete" erfolgte Zahlung von monatlich 335,00 Euro auf das Girokonto der Mutter des Klägers ausweisen, hat das Gericht die Beteiligten mit richterlicher Verfügung vom 01. April 2020 zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
Die Prozessakte sowie die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten des Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird ergänzend auf den Inhalt der Prozess- und der Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klagen, über die die Kammer gemäß § 105 Abs 1 S 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Gerichtsbescheid entscheiden konnte, weil die Sache keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten aufweist, der Sachverhalt geklärt ist, die Beteiligten gemäß § 105 Abs 1 S 2 SGG zuvor mit der gerichtlichen Verfügung vom 01. April 2020 zu dieser beabsichtigten Entscheidungsform ordnungsgemäß angehört worden sind, eine ausdrückliche Zustimmung der Beteiligten hierzu nicht erforderlich ist und weil das Gericht – ebenso wie im Rahmen der mündlichen Verhandlung – weder zur vorherigen Darstellung seiner Rechtsansicht (vgl Bundessozialgericht, Beschluss vom 03. April 2014 – B 2 U 308/13 B, RdNr 8 mwN) noch zu einem vorherigen umfassenden Rechtsgespräch verpflichtet ist (vgl Bundessozialgericht, Urteil vom 30. Oktober 2014 – B 5 R 8/14 R, RdNr 23), haben Erfolg.
1. a) Streitgegenstand des Klageverfahrens sind Ansprüche des Klägers gegen den Beklagten auf Gewährung von höheren passiven Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach den Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 01. Oktober 2014 bis zum 31. März 2015. Gegenstand des Klageverfahrens sind dementsprechend die in der Antragstellung genannten Verfügungen des Beklagten, mit denen dieser dem Kläger Leistungen nach dem SGB II gewährt hat.
b) Der Kläger hat den Streitgegenstand dabei zulässig auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt (vgl hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 25. April 2018 – B 14 AS 14/17 R. RdNr 8 mwN), um deren Höhe gestritten wird. Die prozessuale Abtrennbarkeit der Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung als Streitgegenstand rechtfertigt sich aus der rechtlichen Eigenständigkeit des Verfügungssatzes der jeweils durch Verwaltungsakte im Sinne des § 31 S 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) zu gewährenden und gewährten Kosten der Unterkunft und Heizung einerseits und des Regelbedarfes andererseits.
2. a) Der Kläger verfolgt sein auf die Gewährung von höheren Leistungen nach dem SGB II gerichtetes Begehren zu Recht mit einer Kombination aus Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 Regelung 2 SGG und § 54 Abs 4 SGG sowie § 56 SGG). Mit der Anfechtungsklage im Sinne des § 54 Abs 1 S 1 Regelung 2 SGG erstrebt der Kläger die Abänderung der mit den angegriffenen bewilligenden Verfügungen bekannt gegebenen Höchstbetragsfestsetzungen, mit der Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs 4 SGG erstrebt er die Gewährung von höheren Leistungen nach dem SGB II.
b) Die so verstandenen statthaften Klagen sind auch im Übrigen zulässig.
3. a) Die danach insgesamt zulässigen Anfechtungsklagen im Sinne der Regelung des § 54 Abs 1 S 1 Regelung 2 SGG sind auch begründet. Die mit dem angegriffenen Bescheid des Beklagten vom 15. Oktober 2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. April 2015 verlautbarten monatlichen Höchstbetragsfestsetzungen sind rechtswidrig und beschweren den Kläger in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten (vgl § 54 Abs 2 S 1 SGG).
aa) Entgegen der Auffassung des Beklagten steht dem Kläger nämlich jeweils ein höherer monatlicher Anspruch auf Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung – hier im Umfang der monatlichen Mietzinszahlungsverpflichtung in Höhe von jeweils 335,00 Euro – zu. Anspruchsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs des Klägers ist § 19 SGB II in Verbindung mit §§ 7, 9, 11 ff, 20 ff SGB II, jeweils in der Fassung, die die genannten Vorschriften vor dem Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums hatten, weil in Rechtsstreitigkeiten über bereits abgeschlossene Bewilligungszeiträume das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden ist (sog Geltungszeitraumprinzip, vgl dazu nur Bundessozialgericht, Urteil vom 19. März 2020 – B 4 AS 1/20 R, RdNr 13 mwN).
bb) Gemäß § 19 Abs 1 S 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeitslosengeld II, das gemäß § 19 Abs 1 S 3 SGB II den Regelbedarf, die Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung umfasst. Die Grundvoraussetzungen, um Arbeitslosengeld II zu erhalten (§ 7 Abs 1 S 1 SGB II), erfüllte der Kläger (vgl § 7 Abs 3 Nr 1 SGB II), der im streitgegenständlichen Zeitraum 50 Jahre alt war (vgl § 7 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB II), erwerbsfähig war (vgl § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II) und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatte (vgl § 7 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB II); auch ein von Leistungen nach dem SGB II ausschließender Tatbestand lag nicht vor.
cc) Der Kläger war auch – in einem größeren Umfang als der Beklagte angenommen hat – hilfebedürftig im Sinne von § 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II.
aaa) Neben den von dem Beklagten zugrunde gelegten Regelbedarf in Höhe von monatlich 391,00 Euro (01. Oktober 2014 bis 31. Dezember 2014; vgl § 20 Abs 1 SGB II, § 20 Abs 4 SGB II sowie § 20 Abs 5 S 1 SGB II iVm § 28a des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe – (SGB XII) iVm § 40 S 1 Nr 1 SGB XII iVm der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2014 (RBSFV 2014) vom 15. Oktober 2013, BGBl I S 3856) und in Höhe von monatlich 399,00 Euro (01. Januar 2015 bis 31. März 2015; vgl § 20 Abs 1 SGB II, § 20 Abs 4 SGB II sowie § 20 Abs 5 S 1 SGB II iVm § 28a SGB XII iVm § 40 S 1 Nr 1 SGB XII iVm der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung&61600;2015 (RBSFV 2015) vom 14. Oktober 2014, BGBl I S 1618) sind bei dem Kläger im streitigen Zeitraum – entgegen der Auffassung der Beklagten – auch höhere Bedarfe für die Kosten der Unterkunft und Heizung im Umfang des von ihm begehrten Betrages in Höhe von monatlich 335,00 Euro zu berücksichtigen. Gemäß § 22 Abs 1 S 1 SGB II werden Bedarfe für Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Hierbei sind nur die tatsächlich anfallenden Unterkunftskosten eines Leistungsberechtigten für eine Unterkunft berücksichtigungsfähig, mit der dieser sein Grundbedürfnis "Wohnen" bezogen auf den streitgegenständlichen Zeitraum tatsächlich befriedigt (vgl Bundessozialgericht, Urteil vom 23. Mai 2012 – B 14 AS 133/11 R RdNr 20 mwN sowie Bundessozialgericht, Urteil vom 03. März 2009, – B 4 AS 37/08 R, RdNr 24 mwN). Für die Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs 1 S 1 SGB II ist grundsätzlich Voraussetzung, dass der Leistungsberechtigte einer wirksamen und nicht dauerhaft gestundeten Mietzinsforderung ausgesetzt ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 03. März 2009, – B 4 AS 37/08 R, RdNr 24). Die Mietkosten gegenüber nahen Angehörigen sind vom SGB II-Leistungen Träger nur dann zu übernehmen, wenn diese auf einer wirksamen rechtlichen Verpflichtung beruhen, die unabhängig davon, ob die Höhe oder die Vertragsgestaltung einem rechtlichen Fremdvergleich standhält (vgl Bundessozialgericht, Urteil vom 03. März 2009, – B 4 AS 37/08 R, RdNr 26f). Es kann auch zwischen Familienangehörigen ein wirksames Mietverhältnis vorliegen. Für die Frage eines wirksamen Mietverhältnisses kommt es auf die Glaubwürdigkeit der vorgetragenen Tatsachen und die feststellbaren Indizien an, aus denen sich die richterliche Überzeugung speist.
Gemessen an diesen Maßstäben ist das Gericht von dem Bestehen einer ernsthaften Mietzinsforderung schon deshalb überzeugt (vgl § 128 Abs 1 S 1 SGG und § 128 Abs 1 S 2 SGG), weil der Kläger ausweislich der von der Kammer angeforderten Kontounterlagen der mit dem Mietvertrag vereinbarten Mietzinszahlungsverpflichtung regelmäßig, pünktlich, vollständig, nach Einrichtung eines Dauerauftrages unter Einhaltung der vereinbarten Zahlungsweise und unter ausdrücklicher Nennung des Verwendungszweckes "monatliche Miete" nachgekommen ist, was auch der Beklagte im Ergebnis nicht in Zweifel zieht. Wenn aber nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der die Kammer folgt, weil sie sie für überzeugend hält, bereits der Gesetzeswortlaut eindeutig vorgibt, dass der Grundsicherungsträger nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II nur solche Kosten zu übernehmen hat, die dem Leistungsberechtigten tatsächlich entstanden sind und für deren Deckung ein Bedarf besteht und wenn "tatsächliche Aufwendungen" für eine Wohnung nicht nur dann vorliegen, wenn der Leistungsberechtigte die Miete bereits gezahlt hat und nunmehr deren Erstattung verlangt und es – wie dargelegt –ausreichend ist, dass der Leistungsberechtigte im jeweiligen Leistungszeitraum einer wirksamen und nicht dauerhaft gestundeten Mietzinsforderung ausgesetzt ist (vgl Bundessozialgericht, Urteil vom 03. März 2009, – B 4 AS 37/08 R, RdNr 24), ist von einer ernsthaften Mietzinsforderung und einem entsprechenden Bedarf erst recht auszugehen, wenn der Leistungsberechtigte der vereinbarten Mietzinszahlungsverpflichtung – wie hier – vereinbarungsgemäß, regelmäßig, pünktlich und vollständig nachgekommen ist.
Die von dem Beklagten gegen die Ernsthaftigkeit des Mietzinsverlangens vorgebrachten Einwände vermögen die Kammer bei dieser Sachlage nicht zu überzeugen, zumal die Mutter des Klägers zwischenzeitlich verstorben ist und deshalb nicht mehr als Zeugin vernommen werden kann, was im Übrigen zuvörderst Aufgabe des Beklagten gewesen wäre, um seiner ihm obliegenden Verpflichtung, den Sachverhalt vollständig aufzuklären, ordnungsgemäß nachzukommen, wozu insbesondere auch die Vernehmung von Zeugen gehört (vgl § 20 Abs 1 SGB X, § 20 Abs 2 SGB X und § 21 Abs 1 S 1 SGB X sowie § 21 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB X). Zwar ist der volle Beweis für eine Tatsache – hier also das Bestehen einer ernsthaften Mietzinsforderung – erst dann erbracht, wenn sie für das erkennende Gericht mit Gewissheit feststeht, wobei Gewissheit in diesem Sinn bedeutet, dass ein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch keinen Zweifel hat (vgl G. Becker in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 7, RdNr 117 mwN). Weil es aber Aufgabe der Sozialgerichte ist, die Entscheidung der Verwaltungsbehörde zu überprüfen, nicht aber die Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts erst zu schaffen (vgl für die Anfechtungssituation Bundessozialgericht, Urteil vom 25. Juni 2015 – B 14 AS 30/14 R, RdNr 25), begnügt sich das Gericht angesichts des Nachweises der vereinbarungsgemäß erfolgten regelmäßigen und vollständigen Mietzinszahlungen des Klägers an seine Mutter vorliegend mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl zu diesem Aspekt des Vollbeweises erneut G. Becker in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 7, RdNr 117 mwN).
Vorliegend spricht im Übrigen nach Auffassung der Kammer angesichts des bereits mit Wirkung ab dem 01. August 2010 vereinbarten Mietvertragsbeginns auch nichts dafür, dass der Kläger und seine Mutter den Mietvertrag erst zur Erlangung von Sozialleistungen abgeschlossen haben, auch wenn der Mietvertrag erst aus Anlass des erstmaligen Antrages auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II im September 2014 verschriftlicht wurde, was angesichts der gerichtsbekannten und nachvollziehbaren Forderung des Beklagten, Nachweise über das tatsächliche Vorhandensein der geltend gemachten Bedarfe vorzulegen, auch nahe liegt.
Auch mit dem von dem Beklagten gegen die Berücksichtigung der Mietzinszahlungen des Klägers an seine Mutter zuletzt vorgebrachten Einwand, die Zahlungen seien als Entgelt für die gesamte Versorgung des Klägers anzusehen und deshalb seien geldwerte Vorteile – teilweise – zu Ungunsten des Klägers mindernd zu berücksichtigen, vermag er hiermit nicht durchzudringen. Soweit der Beklagte damit eine Kürzung des Regelbedarfes selbst meinen sollte, wäre ein solches Vorgehen mit Blick auf die pauschalisierte Bemessung der Regelbedarfe vom Gesetz nicht vorgesehen. Sollte er meinen – was näher liegt – entsprechende geldwerte Vorteile müssten bei dem Kläger als Einkommen hilfebedürftigkeitsmindernd Berücksichtigung finden, kann dieser Einwand schon im Hinblick auf die zulässige Streitgegenstandsbegrenzung und die Anrechnungsregelung des § 19 Abs 3 S 2 SGB II, wonach zu berücksichtigendes Einkommen und Vermögen zunächst die Bedarfe nach den §§ 20, 21 und 23 SGB II und erst danach die Bedarfe nach § 22 SGB II deckt, schon im Ausgangspunkt nicht verfangen.
bbb) Weil der Kläger im streitigen Zeitraum, jedenfalls soweit es die Bedarfe für die Kosten der Unterkunft und Heizung im Sinne des § 22 Abs 1 S 1 SGB II betrifft, weder über anzurechnendes Einkommen gemäß § 11 SGB II noch über einzusetzendes Vermögen gemäß § 12 SGB II verfügte, steht ihm jeweils ein monatlicher Anspruch auf Gewährung von Kosten der Unterkunft und Heizung im Umfang der Mietzinszahlungsverpflichtung gegen den Beklagten zu, weshalb sich die angegriffenen Höchstbetragsfestsetzungen des Beklagten als rechtswidrig erweisen und den Kläger in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten beschweren (vgl § 54 Abs 2 S 1 SGG); daher erweisen sich auch die Anfechtungsklagen im Sinne des § 54 Abs 1 S 1 Regelung 2 SGG als begründet.
b) Wenn danach die Anfechtungsklagen begründet sind, erweisen sich auch die mit ihnen kombinierten Leistungsklagen im Sinne des § 54 Abs 4 SGG als begründet, weil dem Kläger – wie aufgezeigt – ein Anspruch auf höhere Leistungen nach dem SGB II zusteht.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 S 1 SGG. Es entsprach dabei der Billigkeit, dass der Beklagte dem Kläger die ihm entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten dem Grunde nach in voller Höhe zu erstatten hat, weil der Kläger vollumfänglich obsiegte.
5. Gerichtskosten werden in Verfahren der vorliegenden Art nicht erhoben (§ 183 S 1 SGG).
Rechtsmittelbelehrung
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Richter am Sozialgericht
Erstellt am: 15.07.2020
Zuletzt verändert am: 23.12.2024