Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 25.10.2013 wieder herzustellen, hilfsweise, die Beigeladene zu 1. zu verpflichten, der Antragstellerin für die Krankenbehandlungsleistungen im Wege des einstweiligen Rechtsschutz zu bewilligen und auszuzahlen, weiter hilfsweise, der Beigeladenen zu 2. aufzugeben, die für die Krankenbehandlung der Antragstellerin erforderlichen Leistungen zu bewilligen, wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Lolan zur unentgeltlichen Verfolgung ihrer Rechte beigeordnet.
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten um die Herausgabe der Krankenversichertenkarte der Antragstellerin, die die Antragstellerin als Mitglied der Beigeladenen zu 2. – ein Träger der gesetzlichen Krankenversicherung – ausweist.
Die Antragstellerin ist Inhaberin einer ausländerrechtlichen Duldung, die den Aufenthalt auf das Gebiet des Landes Nordrhein-Westfalen beschränkt und in einer Nebenbestimmung die Wohnsitznahme nur im Stadtgebiet der Antragsgegnerin erlaubt. Sie bezog von der Antragsgegnerin bis zum 30.9.2013 Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG); die entsprechenden Leistungsbescheide hob die Antragsgegnerin mit bestandskräftigem Bescheid vom 7.11.2013 mit Wirkung zum 1.10.2013 auf.
Bereits am 18.9.2013 war die Antragstellerin aus dem Stadtgebiet der Antragsgegnerin in das Stadtgebiet der Beigeladenen zu 1.umgezogen. Die Beigeladene zu 1. verweigerte der Antragstellerin zunächst Leistungen nach dem AsylbLG mit der Begründung, dass sich aus der Rechtsprechung des Landessozialgerichts (LSG) NRW ergebe, dass die Antragstellerin weder einen Anspruch auf Leistungen nach § 2 AsylbLG habe, da aus einer wirksamen Beschränkung der örtlichen Wohnsitznahme auch eine asylbewerberleistungsrelevante räumliche Beschränkungen derselben resultiere, und ein Anspruch aus § 10 a Absatz 1 S. 2 AsylbLG ausscheide, da es sich ebenfalls um einen Aufenthalt zuwider einer ausländerrechtlichen räumlichen Bestimmung handele.
In dem beigezogenen Streitverfahren S 26 AY 119/13 ER haben sich die Beteiligten nach Hinweis des Gerichts darauf, dass der Antragstellerin Leistungen nach § 11 Abs. 2 AsylbLG zustehen dürften, und der dortige Begriff der "nach den Umständen unabweisbar gebotenen" Leistungen nach der Rechtsprechung des LSG NRW verfassungskonform dahingehend auszulegen sein dürfte, dass der Leistungsumfang das menschenwürdige Existenzminimum nicht unterschreiten dürfe und dementsprechend wohl der Höhe nach Leistungen nach der vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 18.7.2012 bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung (zu § 3 AsylbLG) getroffenen Übergangsregelung zu bewilligen seien, dahingehend geeinigt, dass sich die Beigeladene zu 1. verpflichtete, der Antragstellerin ab dem 1.11.2013 Leistungen nach § 3 AsylbLG in Höhe von 458,00 EUR monatlich bis zum Ablauf des 31.12.2013 zu gewähren. Darüber hinaus haben sich die Beteiligten nachfolgend noch dahingehend geeinigt, dass sich die Beigeladene zu 1. darüber hinaus bereit erklärte, zusätzlich die der Antragstellerin durch den Pflegedienst XXX erbrachten Pflegedienstleistungen zu gewähren. Mit Schriftsatz vom 13.2.2014 hat sich die Beigeladene zu 1. Nochmals ausdrücklich dazu verpflichtet, der Antragsstellerin Leistungen nach § 4 AsylbLG zu gewähren.
Mit Bescheid vom 25.10.2013 forderte die Antragsgegnerin von der Antragstellerin die Herausgabe ihrer Krankenversichertenkarte. Der Bescheid über die Bewilligung von Krankenhilfe werde mit Wirkung zum 1.10.2013 aufgehoben, da seit dem 30.9.2013 kein Anspruch auf Krankenhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe – (SGB XII) mehr bestehe. Bei der Beigeladenen zu 2. habe die Antragsgegnerin die Antragstellerin abgemeldet. Zur Rückgabe der Krankenversichertenkarte wurde der Antragstellerin eine Frist bis zum 23.112013 gesetzt. Die Antragstellerin wurde auf hingewiesen, dass durch das benutzen der Krankenversichertenkarte nach der Abmeldung bei der Krankenkasse Sozialhilfe zu Unrecht gewährt werde, die zurückgefordert werden müsse. Bei Nichteinhalten der Frist zur Rückgabe der Krankenversichertenkarte wurde ein Zwangsgeld von 50 EUR angedroht. Gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wurde die sofortige Vollziehung des Bescheides angeordnet.
Hiergegen erhob die Antragstellerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 29.11.2013 Widerspruch.
Mit Schriftsatz vom 29.11.2013 beantragte sie gleichzeitig die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Sie ist der Auffassung, dass sie nicht verpflichtet sei, ihre Krankenversichertenkarte herauszugeben, da sie weiterhin leistungsberechtigt nach dem AsylbLG sei.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 25.10.2013 wieder herzustellen,
hilfsweise, die Beigeladene zu 1. zu verpflichten, der Antragstellerin für die Krankenbehandlungsleistungen im Wege des einstweiligen Rechtsschutz zu bewilligen und auszuzahlen,
weiter hilfsweise, der Beigeladenen zu 2. aufzugeben, die für die Krankenbehandlung der Antragstellerin erforderlichen Leistungen zu bewilligen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Antragstellerin sowie auf den Inhalt der beigezogenen Akte Sozialgericht Dortmund S 26 AY 119/13 ER zu genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung geworden.
II. 1) a. Der zulässige Hauptantrag ist unbegründet.
Nach § 86b Absatz 1 S. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.
Der Widerspruch der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 25.10.2013, hat nicht bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung, da die Antragsgegnerin gemäß § 86 a Abs. 2 Nr. 5 SGG die sofortige Vollziehung des Bescheides angeordnet hat. Nach dieser Vorschrift entfällt die aufschiebende Wirkung in Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten ist und die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, die sofortige Vollziehung mit schriftlicher Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung anordnet.
Allerdings besteht kein Anspruch auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs. Die Frage, ob die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage aufgrund von § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG anzuordnen ist, ist anhand einer Interessenabwägung zu beurteilen. Die öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug des Verwaltungsaktes und die privaten Interessen an der Aussetzung der Vollziehung sind gegeneinander abzuwägen. Dabei ist zu beachten, dass das Gesetz mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung einräumt. Diese typisierend zulasten des Einzelnen ausgestaltete Interessenabwägung kann aber auch im Einzelfall zu Gunsten des Betroffenen ausfallen. Die konkreten gegeneinander abzuwägenden Interessen ergeben sich in der Regel aus den konkreten Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens, den konkreten Vollziehungsinteressen und der für die Dauer einer möglichen aufschiebenden Wirkung drohenden Rechtsbeeinträchtigung. Da der vorläufige Rechtsschutz den Rechtsschutz in der Hauptsache sichern soll, sind für diese Interessenabwägung die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs grundsätzlich, wenngleich nicht stets in jedem Fall, ausschlaggebend; je nach Fallgestaltung sind auch andere Belange zu berücksichtigen. Wird der Rechtsbehelf oder das Rechtsmittel in der Hauptsache aller Voraussicht nach erfolgreich sein, überwiegt regelmäßig das private Aufschubinteresse des Antragstellers, andernfalls kommt dem öffentlichen Vollziehungsinteresse regelmäßig der Vorrang zu. Die Interessenabwägung fällt grundsätzlich von vornherein zu Gunsten der sofortigen Vollziehbarkeit aus, wenn die gegenläufigen Interessen nicht schutzwürdig sind, weil der Rechtsbehelf oder das Rechtsmittel gegen den Verwaltungsakt aufgrund der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur summarischen Prüfung erkennbar aussichtslos ist. Ist keiner dieser Fälle der erkennbaren Aussichtslosigkeit des Rechtsbehelfs oder der erkennbaren Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts gegeben, so sind die Interessen der Beteiligten anhand sonstiger Umstände im Einzelfall zu ermitteln und gegeneinander abzuwägen.
Nach Maßgabe des Vorstehenden war die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin nicht anzuordnen. Unter Berücksichtigung des Maßstabs der nur summarischen Prüfung erweist sich der angefochtene Bescheid der Antragsgegnerin als rechtmäßig. Der Widerspruch hiergegen dürfte aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben.
Ermächtigungsgrundlage für das Handeln der Antragsgegnerin ist § 264 Abs. 5 S. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V). Danach haben die Träger der Sozialhilfe die Krankenversicherungskarte von Empfängern von Leistungen nach dem AsylbLG einzuziehen und an die ständige Krankenkasse zu übermitteln, wenn die Empfänger gemäß § 264 Abs. 5 S. 1 SGB V gegenüber dem Träger der Sozialhilfe nicht mehr bedürftig im Sinne des Zwölften Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe – (SGB XII) sind und die Träger der Sozialhilfe die Leistungsempfänger bei der jeweiligen Krankenkasse abmelden.
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Antragsgegnerin hat die Antragstellerin bei der zuständigen Krankenkasse – der Beigeladenen zu 2. – zum 30.9.2013 abgemeldet. Denn die Antragstellerin hatte zu diesem Zeitpunkt jedenfalls gegenüber der Antragsgegnerin aufgrund des Umzugs in den Zuständigkeitsbereich der Stadt Hagen keinen Anspruch auf Leistungen nach § 2 AsylbLG mehr; im Verhältnis zur Antragsgegnerin war die Antragstellerin somit nicht mehr bedürftig. Denn die Antragsgegnerin war nach dem Wegzug der Antragsstellerin örtlich nicht mehr zuständig. Dies ergibt sich aus § 10 a Abs. 1 S. 2 AsylbLG, der auf den tatsächlichen Aufenthalt einer Person zur Begründung der örtlichen Zuständigkeit für die nach § 10 AsylbLG bestimmte Behörde anknüpft. Dass die der Antragsstellerin erteilte Duldung den erlaubten Aufenthalt auf das Gebiet der Antragsgegnerin beschränkt, ändert hieran nichts.
War die Antragsgegnerin berechtigt, die Krankenversicherungskarte der Antragstellerin aufgrund der erfolgten Abmeldung zum 30.9.2013 einzuziehen, ergibt sich schon hieraus, dass die zutreffende Interessenabwägung nur zulasten der Antragsgegnerin und damit zur Ablehnung des Antrags der Antragstellerin führen konnte.
b. Der hilfsweise gestellte Antrag, die Beigeladene zu 1. zu verpflichten, der Antragstellerin für die Krankenbehandlung Leistungen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu bewilligen und auszuzahlen, ist zunächst dahingehend auszulegen, dass es sich um die Bewilligung von notwendigen Leistungen zur Pflege handelt; dies ergibt sich für die Kammer aus den mit Schriftsatz vom 29.1.2014 vorgelegten Unterlagen, die sämtlich pflegerische Maßnahmen betreffen.
Dieser Antrag ist ebenfalls unbegründet. Nach § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Diese Voraussetzungen sind zur Überzeugung der Kammer nicht erfüllt. Denn die Antragstellerin hat zwar nach dem in den beigezogenen Verfahren S 26 AY 119/13 ER geschlossenen Vergleich Anspruch auf Leistungen nach § 3 AsylbLG und auf die Übernahme der Kosten, die durch die Versorgung der Antragstellerin durch den Pflegedienst XXX notwendig entstehen; daneben hat die Antragstellerin auch Anspruch auf Leistung nach § 4 AsylbLG, was die Beigeladene zu 1. mit Schriftsatz vom 13.2.2014 (nochmals) ausdrücklich anerkannt hat. Weitere Voraussetzung zur Verurteilung eines Beigeladenen nach § 75 Abs. 5 SGG ist jedoch, dass der streitige Anspruch – hier: Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs – gegenüber der Antragsgegnerin und der Beigeladenen in Wechselwirkung stehen muss; es muss danach ein Ausschließlichkeitsverhältnis dahingehend bestehen, dass der streitige Anspruch entweder gegen die Antragsgegnerin oder die Beigeladene zu 1. besteht (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 75, Rn. 18, mit weiteren Nachweisen). Hieran mangelt es.
c. Der weiter gestellte Hilfsantrag des Inhalts, der Beigeladenen zu 2. aufzugeben, für die Krankenbehandlung der Antragstellerin die erforderlichen Leistungen zu bewilligen, war unter Berücksichtigung der Ausführungen unter b. aus gleichem Grund ebenfalls abzulehnen.
2) Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG analog und folgt dem Unterliegen der Antragstellerin in der Hauptsache.
3) Der Antragstellerin war Prozesskostenhilfe zu gewähren, denn die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe gem. § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) liegen vor. Die Antragstellerin Kann die Kosten für die Prozessführung nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht selbst aufbringen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bot trotz des oben unter I. Ausgeführten hinreichende Aussicht auf Erfolg und erschien nicht mutwillig, Die Beiordnung eines Rechtsanwalts erschien erforderlich, da die Sach- und Rechtslage schwierig zu übersehen war.
Erstellt am: 07.03.2014
Zuletzt verändert am: 07.03.2014