Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer Kostenerstattung für eine Gleitsichtbrille.
Der xxx geborene Kläger ist gelernter Industriekaufmann und war zuletzt als Versicherungsaußendienstmitarbeiter beschäftigt. Seit November 1999 ist der Kläger durchgehend arbeitslos.
Am 02.09.2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zur Anschaffung einer Lesebrille/Gleitsichtbrille. Durch die Fehlsichtigkeit bzw. Kurzsichtigkeit sei es ihm, so die Begründung zum Antrag, unmöglich, ohne große Anstrengung zu lesen, sei es am Computer, beim Printmedien oder Bescheiden etc.
Mit Bescheid vom 16.09.2009 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht erheblich gefährdet oder gemindert sei, da er in der Lage sei, eine zumutbare Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt weiterhin auszuüben.
Seinen hiergegen fristgerecht eingelegten Widerspruch begründete der Kläger im Wesentlichen damit, dass die nicht vorhandene Brille und die daraus resultierende Behinderung seine Chancen, einen Arbeitsplatz zu finden, verschlechtere und einer Diskriminierung gleich komme. Darüber hinaus falle dies unter den Begriff "Wiederherstellung der Arbeitskraft" und sei somit sicherlich eine Leistung der Rentenversicherung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2009 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück.
Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, dass eine Kostenübernahme durch die Beklagte als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nur dann in Betracht komme, wenn das Hilfsmittel (hier Gleitsichtbrille) ausschließlich für eine bestimmte Form der Berufsausübung benötigt werde. Da es sich bei der begehrten Gleitsichtbrille um ein Hilfsmittel zum Ausgleich der Sehminderung handele, die damit auch im privaten Lebensbereich oder jedweder beruflichen Tätigkeit erforderlich sei, sei diese durch den Rentenversicherungsträger nicht förderungswürdig. Die Tatsache, dass derartige Hilfsmittel von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht mehr gefördert würden, könne nicht zu einer Leistungsverpflichtung der Beklagten führen. Da der Kläger zudem in keinem unbefristeten Arbeitsverhältnis stehe, könnten die besonderen Anforderungen an das Sehvermögen nicht geprüft werden.
Mit der fristgerecht am 02.12.2009 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Hierzu macht er im Wesentlichen geltend, dass er einen Arbeitsplatz nicht ohne die beantragte Brille erlangen könne; daher verstehe er den Bescheid der Beklagten als "üblen Schildbürgerstreich".
Der Kläger beantragt schriftsätzlich und sinngemäß,
den Bescheid der Beklagten vom 16.09.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer Kostenübernahme für die Anschaffung einer Gleitsichtbrille nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Hierzu führt sie aus, dass die Ausstattung mit einem Hilfsmittel, welches benötigt werde, damit überhaupt eine sinnvolle Tätigkeit ausgeübt bzw. eine Arbeit verrichtet werden könne, in den Aufgabenbereich der gesetzlichen Krankenversicherung falle, da dieses Hilfsmittel zur Herstellung und Erhaltung der Arbeitsfähigkeit notwendig sei. Bei dem Kläger liege die Annahme für einen ausschließlich beruflich bedingten Hilfsmittelbedarf fern. Es liege eine Fehlsichtigkeit vor, die die Versorgung mit einer gegebenenfalls Gleichtsichtbrille bereits im privaten Lebensbereich erforderlich mache, um darüber hinaus dem Kläger überhaupt den Zugang zu einer beruflichen Tätigkeit zu ermöglichen. Auch die Tatsache, dass Brillen als Hilfsmittel von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht mehr erbracht würden, verpflichte nicht den Rentenversicherungsträger zur Erbringung derartiger Leistungen, zumal der Kläger keiner Erwerbstätigkeit nachgehe, aufgrund derer durch Versagen der begehrten Leistung eine Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eintreten könne. Das Studium von Printmedien, Lesen von Bescheiden gehöre zum privaten Lebensbereich.
Das Gericht hat am 06.05.2010 einen Erörterungstermin durchgeführt und die Beteiligten darauf hingewiesen, dass es beabsichtigt, diesen Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zu entscheiden. Im Übrigen wird auf das Protokoll des Erörterungstermins Bezug genommen.
Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
II.
Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 105 Abs. 1 S. 1 SGG). Die Beteiligten sind im Erörterungstermin vom 06.05.2010 zu der beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid ordnungsgemäß gehört worden (§ 105 Abs. 1 S. 2 SGG).
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Kläger ist nicht gemäß § 54 Abs. 2 SGG beschwert, da sich der angefochtene Bescheid der Beklagten als rechtmäßig erweist.
Die Beklagte hat den Antrag des Klägers auf Kostenübernahme für die Anschaffung einer Gleitsichtbrille als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben im Ergebnis zu Recht abgelehnt.
Gemäß § 13 Abs. 1 S. 1 des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) bestimmt der zuständige Träger der Rentenversicherung im Einzelfall unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung von Rehabilitationsleistungen nach pflichtgemäßen Ermessen. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbringen die Träger der Rentenversicherung gemäß § 16 SGB VI hierbei nach Maßgabe der Vorschriften der §§ 33 bis 38 des Sozialgesetzbuches – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – (SGB VIIII).
Gemäß § 33 Abs. 1 SGB VIIII werden zur Teilhabe am Arbeitsleben die erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wieder herzustellen und ihrer Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Diese Leistungen umfassen gemäß § 33 Abs. 3 Nr. 1 und 6 SGB VIIII insbesondere Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes einschließlich vermittlungsunterstützender Leistungen (Nr. 1) sowie sonstige Hilfen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben, um behinderten Menschen eine angemessene und geeignete Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit zu ermöglichen und zu erhalten (Nr. 6). Die Leistungen nach § 33 Abs. 3 Nr. 1 und 6 SGB VIIII umfassen nach § 33 Abs. 8 S. 1 Nr. 4 SGB VIIII unter anderem Kosten für Hilfsmittel, die wegen Art oder Schwere der Behinderung der Berufsausübung, zur Teilnahme an einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben oder zur Erhöhung der Sicherheit auf dem Weg von und zum Arbeitsplatz und am Arbeitsplatz erforderlich sind, es sei denn, dass eine Verpflichtung des Arbeitgebers besteht oder solche Leistungen als medizinische Leistungen erbracht werden können.
Auf dieser rechtsmaßstäblichen Grundlage hat die Beklagte den Antrag des Klägers auf Kostenübernahme für die Anschaffung einer Gleitsichtbrille rechtsfehlerfrei abgelehnt.
Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger überhaupt die persönlichen Voraussetzungen für die Gewährung für Leistungen zur Teilhabe nach § 10 Abs. 1 SGB VI erfüllt, dass mithin seine Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und bei denen voraussichtlich bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben abgewendet werden kann (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 a SGB VI). Denn jedenfalls liegen die Voraussetzungen des § 16 SGB VI i.V.m. § 33 Abs. 8 S. 1 Nr. 4 SGB VIIII nicht vor.
Bei der vom Kläger begehrten Gleichtsichtbrille handelt es sich um ein Hilfsmittel zum Ausgleich seiner bestehenden Sehminderung. Im Erörterungstermin vom 06.05.2010 hat der Kläger ausgeführt, dass er beim Lesen eine Brille mit der Stärke 2,5 bis 3,5 Dioptrien benötigt, während sich der Fernbereich auf 1,25 bis 1,5 Dioptrien belaufen würde. Der Kläger hat ferner bereits im Verwaltungsverfahren eingeräumt, dass ihm ohne das Tragen der von ihm begehrten Gleitsichtbrille auf das Lesen von Printmedien und Bescheiden sowie die Arbeit am Computer schwerfallen würde. Damit ist unstreitig, dass der Kläger die begehrte Sehhilfe nicht nur bei jedweder beruflichen Tätigkeit oder Bildungsmaßnahme, sondern auch im privaten Lebensbereich benötigt. Hierfür ist jedoch eine Zuständigkeit des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 16 SGB VI i.V.m. § 33 Abs. 8 S. 1 Nr. 4 SGB VIIII jedoch nicht gegeben. Dies wäre nur dann der Fall, wenn das Hilfsmittel ausschließlich für eine bestimmte Form der Berufsausübung oder Berufsausbildung benötigt wird. Andernfalls ist die materielle Zuständigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung für das begehrte Hilfsmittel gegeben. An dieser materiell-rechtlichen Zuständigkeitsabgrenzung hält das Gericht ausdrücklich fest. Dies gilt umso mehr, als die Zuständigkeit der Krankenversicherung auch Hilfsmittel umfassen kann, die nur für die Berufsausübung erforderlich sind. Zwar besteht eine Leistungspflicht der Krankenkassen nur für solche Hilfsmittel, die zur Ausübung eines elementaren Grundbedürfnisses erforderlich sind. Hierzu zählt jedoch auch die Ausübung einer sinnvollen beruflichen Tätigkeit überhaupt. Denn es zählt zu den elementaren Grundbedürfnissen des Menschen, eine berufliche oder andere gleichwertige Tätigkeit auszuüben. Wird der Kläger mit den erst durch das von ihm begehrte Hilfsmittel in die Fähigkeit versetzt, eine Arbeit zu verrichten, handelt es sich um eine Aufgabe der Krankenversicherung (BSG 12.10.1988, SozR 2200, § 182 b Nr. 36; BSG 21.08.2008, SozR 4-3250, § 14 Nr. 7; LSG Niedersachsen 24.05.1995 – L 4 KR 129/94 -; abweichend BSG 17.12.2009 – B 3 KR 20/08 R -). Diese schon aus Gründen der Rechtssicherheit notwendig vorzunehmende Zuständigkeitsabgrenzung im materiell-rechtlichen Sinne erweist sich gerade im Fall des Klägers als sinnvoll. Denn dieser ist seit November 1999 durchgehend arbeitslos und steht somit nicht in einem Beschäftigungsverhältnis. Wie die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 23.11.2009 zutreffend ausführt, können besondere Anforderungen an das Sehvermögen gar nicht geprüft werden, weil diese an einen konkreten Arbeitsplatz anknüpfen, den der Kläger nicht inne hat.
Allerdings ist die Beklagte als erstangegangener Leistungsträger, der seine Zuständigkeit nach Maßgabe des § 14 Abs. 1 und 2 SGB VIIII selbst bejaht hat, verpflichtet, sämtliche Rechtsgrundlagen zu prüfen, die in der Bedarfssituation für behinderte Menschen vorgesehen sind. Hierzu gehören auch Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V), siehe BSG 26.10.2004, SozR 4 – 3250 § 14 Nr. 1; BSG 21.08.2008, SozR 4 – 3250 § 14 Nr. 7.
Die Beklagte hat auch auf dieser Rechtsgrundlage einen Anspruch des Klägers auf Versorgung mit den von ihm begehrten Hilfsmittel nach § 33 SGB V rechtsfehlerfrei verneint.
Nach § 33 Abs. 2 S. 1 haben Versicherte bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach § 31 Abs. 1 SGB V. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie aufgrund ihrer Sehschwäche oder Blindheit, entsprechend von der WHO empfohlenen Klassifikation des Schweregrades der Sehbeeinträchtigung auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 aufweisen (§ 33 Abs. 2 S. 2 SGB V). Ausweislich dieser WHO Klassifikation liegt eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 vor, wenn die Sehschärfe (Visus) bei bestmöglicher Korrektur mit einer Brillenversorgung oder möglichen Kontaktlinsenversorgung auf dem besseren Auge unter 0,3 beträgt oder das beidäugige Gesichtsfeld unter 10 Grad bei zentraler Fixation ist. Die Sehfähigkeit mit bestmöglicher Korrektur muss damit von 0,3 bis 0,1 betragen. Diese Voraussetzungen liegen bei dem xxx geborenen Kläger ersichtlich nicht vor. Denn ausweislich seiner Ausführungen im Erörterungstermin, an deren Richtigkeit das Gericht keinerlei Zweifel hegt, benötigt der Kläger allein zum Zwecke des Lesens eine Brille mit der Stärke 2,5 bis 3,5 Dioptrien. Der Fernbereich würde sich auf 1,25 bis 1,5 Dioptrien belaufen. Bei diesen Werten liegt eine schwere Sehbeeinträchtigung entsprechend der Klassifikation der WHO nicht vor, so dass ein Anspruch gegen die nach § 14 SGB VIIII förmlich zuständige Beklagte auf Versorgung mit der begehrten Gleitsichtbrille nach § 31 Abs. 2 SGB V nicht gegeben ist. Angesichts der materiellen Zuständigkeitsabgrenzung im Bereich der Leistungen zur Teilhabe, vermag ein Leistungsausschluss in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht die "ersatzweise" Zuständigkeit der Beklagten in ihrer Eigenschaft als Rentenversicherungsträger zu begründen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Erstellt am: 21.07.2010
Zuletzt verändert am: 21.07.2010