Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27. Oktober 2005 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Düsseldorf zurückverwiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen die Aufhebung ihres Bescheides und die Zurückverweisung der Sache nach § 131 Abs. 5 Satz 1Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der nach seinen Angaben 1927 in T, L, geborene Kläger war in seiner Heimat der nationalsozialsozialistischen Verfolgung ausgesetzt und ist deshalb als Verfolgter nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) anerkannt.
Am 9.12.2002 beantragte er eine Altersrente unter Berücksichtigung von Zeiten nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) und erklärte mit seinem Antrag, im Ghetto Schaulen von 1941 bis 1943 auf dem Flughafen Z bei einer Firma G Bauarbeiten gegen Entgelt verrichtet zu haben. Unter dem 22.5.2003 machte er zum Versicherungsverlauf folgende Angaben: Er habe von 8/1941 bis 9/1943 im Ghetto Schaulen bei Fa. G in Vollzeitbeschäftigung verschiedene Bauarbeiten verrichtet und dafür Bezugscheine und Lebensmittelkarten erhalten. Ab September 1943 bis 2.5.1947 sei er im ZAL und im KZ gewesen und im Juli 1947 in P eingetroffen. In einem ebenfalls unter dem 22.5.2003 unterzeichneten weiteren Fragebogen schilderte er nochmals seine Arbeiten beim Bau des Flughafens Z und deren nähere Umstände.
Die Beklagte zog die Entschädigungsakte der Oberfinanzdirektion München bei. Im Antrag auf Entschädigung nach dem BEG hatte der Kläger angegeben, beim Herannahen der Deutschen sei er nach S geflüchtet. Kurz darauf habe er ins Ghetto Schaulen müssen, wo er schwere Zwangsarbeiten zu verrichten gehabt habe. Er habe dort auf dem etwa 5 km entfernten Flugplatz S gearbeitet. In dem im Entschädigungsverfahren eingeholten vertrauensärztlichen Gutachten des Dr. T, T, vom 8.9.1963 ist unter "Angaben des Antragstellers" von schwerer Zwangsarbeit auf dem ca. 6 km von S entfernten Flugplatz S die Rede. Die Anamnese zum Gutachten der Frau Dr. H, T, vom 26.8.2000 enthält ebenfalls eine Schilderung des Klägers von Flucht nach S, Verbringung ins Ghetto und schwerer Zwangsarbeit am Flughafen; nach Auflösung eines der beiden Schaulener Ghettos sei er später ins ZAL am Flughafen überführt worden.
Mit Schriftsatz vom 12.12.2003 übersandte der Kläger Kopien aus einem 2002 in Vilnius erschienen Buch über die Häftlingslisten des Ghettos Schaulen des Jahres 1942: Hierin sei sein Name in litauischer Schreibweise und mit dem Geburtsjahr 1928 statt 1927 aufgeführt, als Beruf Arbeiter und als Beschäftigungsort Kaffeewerkstätte genannt. Er fügte eine Kopie bei, in der u.a. ein "Rotsteinas Bencijonas" mit einem offenbar handschriftlich in 11.8.1928 geänderten Geburtsdatum aufgeführt ist. Der Kläger machte nunmehr geltend, er sei zunächst für etwa ein Jahr in einem Betrieb für Kaffeeerzeugung beschäftigt gewesen. Er habe für die damalige Besitzerin dieser Fabrik, Frau D S, gearbeitet. Erst nach dieser Tätigkeit sei er dann für die Firma "G" tätig gewesen. Diese Arbeit habe er nicht schon vorher angegeben, weil er gemeint habe, dass die Arbeit am Flughafen viel wichtiger sei, als die in der Werkstätte.
Die Beklagte lehnte den Rentenantrag durch Bescheid vom 13.7.2004 ab, weil es sich bei der Arbeit am Flughafen um Zwangsarbeit gehandelt habe und die Beschäftigung bei der Kaffeeerzeugung nicht glaubhaft gemacht sei. Es sei nicht nachvollziehbar, aus welcher Quelle die Unterlage stamme und dass es sich um den Kläger handele. Auch der Inhalt der Liste sei unverständlich, weil dort die Verwandtschaftsgrade aufgeführt würden. In allen Angaben und Aussagen im Entschädigungsverfahren sei ausschließlich von der schweren Zwangsarbeit am Flughafen die Rede gewesen.
Der Kläger vertiefte zur Begründung seines Widerspruchs sein Vorbringen zur Arbeit in der Kaffee-Werkstatt und wies auf die Besonderheiten der litauischen Schreibweisen der jüdischen Namen sowie auf Schwankungen hinsichtlich der Angabe der Geburtsdaten vor dem Hintergrund der Übertragung jüdischer Geburtsdaten in die moderne Zeitrechnung nach litauischen Vorgaben hin. Dazu legte er englischsprachige Unterlagen vor.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Bescheid vom 24.5.2005 zurück, weil ein Beschäftigungsverhältnis aus eigenem Willensentschluss nicht überwiegend wahrscheinlich sei.
Mit der am 27.6.2005 zum Sozialgericht Düsseldorf (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt: Er hat sinngemäß beantragt, die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 13.7.2004 und 24.5.2005 zu verurteilen, für ihn eine Rentenunterlage herzustellen und ihm eine monatliche Altersrente nach dem ZRBG unter Anerkennung von Beitragszeiten vom 1.8.1941 bis 30.9.1943 zu gewähren. Zur Begründung hat er sein Vorbringen wiederholt und gerügt, dass die Beklagte im Widerspruchsbescheid nicht auf sein Vorbringen zur Tätigkeit in der Kaffee-Werkstatt eingegangen sei, sondern nur allgemeine Ablehnungsformeln gebraucht habe. Die Tätigkeiten in der Kaffee-Werkstatt habe er seinerzeit im Entschädigungsverfahren nicht angegeben, weil er dies damals für jenes Verfahren nicht für erheblich gehalten habe. Aus den von ihm vorgelegten Unterlagen ergebe sich, dass es sich bei dem dort genannten Arbeiter um ihn handele. Gegen die vom SG angekündigte Entscheidung nach §§ 105,131 Abs.5 Satz 1SGG hat der Kläger keine Einwendungen erhoben.
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags ausgeführt, dass sie eine Beschäftigung des Klägers in der Kaffee-Werkstatt nicht für glaubhaft gemacht halte. Die Voraussetzungen für eine Entscheidung nach § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG lägen nicht vor.
Mit Gerichtsbescheid vom 27.10.2005 hat das SG nach Anhörung der Beteiligten die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Es habe gemäß § 105 SGG durch Gerichtsbescheid entscheiden können, weil die Beurteilung, ob ein Aufhebungsfall nach § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG vorliege, keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweise und insoweit der Sachverhalt sich klar aus den Akten ergebe. Dass der Klageantrag ursprünglich auf Verpflichtung der Beklagten gerichtet gewesen sei, sei hier schon allein deshalb unerheblich, weil der Kläger der angekündigten bloßen Aufhebung der Bescheide im Schriftsatz vom 5.10.2005 zugestimmt habe; damit sei sinngemäß der Klageantrag auf die Aufhebung der angefochtenen Bescheide beschränkt worden.
§ 131 Abs. 5 SGG sei auch auf solche Klagen anwendbar, die "eigentlich bzw. ursprünglich" auf eine Verpflichtung der beklagten Behörde gerichtet seien. Es bestehe auch kein relevanter Rechtsnachteil für den Kläger, wenn nur eine "Zurückverweisung" ohne Sachentscheidung ergehe. Diese Vorgehensweise habe für den Kläger den Vorteil, dass ihm quasi erneut das volle Rechtsmittelverfahren eröffnet werde, ohne dass er jetzt schon die Kosten des Klageverfahrens einschließlich seiner außergerichtlichen Kosten zu tragen hätte. Ein Rechtsnachteil für den Kläger liege hier auch deshalb nicht vor, weil er selbst sich durch seinen Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 5.10.2005 mit der Aufhebung der Bescheide einverstanden erklärt habe.
Die Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 SGG seien erfüllt. Nach Art und Umfang seien nämlich noch Ermittlungen erforderlich, um den Sachverhalt möglichst sachgerecht und abschließend beurteilen zu können. Der Kläger habe nachvollziehbar vorgetragen, dass er nicht nur für den Flughafen außerhalb des Ghettos gearbeitet habe, sondern auch in der Kaffee-Herstellung. Dazu habe er auch Unterlagen vorgelegt. Sein Vortrag dazu, weshalb er seine frühere Tätigkeit in der Kaffee-Herstellung im Entschädigungsverfahren noch nicht angegeben hatte, sei durchaus nachvollziehbar und jedenfalls nicht schon unglaubwürdig. Die Beklagte habe jedoch davon abgesehen, sich damit in irgendeiner Weise auseinanderzusetzen. Sollte der Kläger für eine Frau S im Ghetto tätig gewesen sein bzw. für deren ehemalige Firma, so könnte eine solche Tätigkeit die Voraussetzungen für eine Beschäftigung nach § 1 ZRBG erfüllen. Dazu könne im Wege der Glaubhaftmachung auch der Kläger befragt werden und die Beklagte müsse dem Kläger Gelegenheit geben, dazu erforderlichenfalls noch weitere Beweise vorzubringen, unter Unständen auch eidesstattliche Versicherungen von ihm oder von Zeugen. Es gehe jedenfalls nicht an, dass die Beklagte mit dem Widerspruchsbescheid auf die Tätigkeit in der Kaffeeherstellung überhaupt nicht mehr eingehe ohne sich die englischen Unterlagen übersetzen zu lassen.
Die Aufhebung der angefochtenen Bescheide und die "Zurückverweisung" an die Beklagte sei hier auch sachdienlich im Sinne von § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG, weil nur damit dem der Beklagten obliegenden Untersuchungsgrundsatz des § 20 Sozialgerichtsgesezt 10. Teil (SGB X) Genüge getan werde und weil es in diesem jetzigen frühen Verfahrensstand auch dem Kläger günstig sei.
Gegen den ihr am 9.11.2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 16.11.2005 Berufung eingelegt. Sie hält den Gerichtsbescheid schon deshalb für gesetzeswidrig, weil § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG auf die reine Anfechtungsklage beschränkt sei.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27.10.2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27.10.2005 aufzuheben und den Rechtsstreit zur Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Düsseldorf zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Er betont, dass er erstinstanzlich keineswegs sein Begehren auf die Anfechtungsklage beschränkt habe. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakten und der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers und seines Bevollmächtigten verhandeln und entscheiden, weil der Bevollmächtigte mit der am 16.12.2005 ordnungsgemäß zugestellten Terminsmitteilung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist und Anlass zur Vertagung nicht bestanden hat.
Die zulässige Berufung ist im Sinne des Hilfsantrags der Beklagten begründet.
Der Senat hat gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 SGG den Rechtsstreit an das SG zurückverwiesen, weil des SG zu Unrecht den Bescheid vom 13.7.2004 und den Widerspruchsbescheid vom 24.5.2005 ohne Prüfung und Entscheidung des auf Rentengewährung gerichteten Leistungsantrag aufgehoben hat und die Sache nicht entscheidungsreif ist. Ob das SG den Kläger zudem seinem gesetzlichen Richter dadurch entzogen hat, dass es durch Gerichtsbescheid und damit ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter entschieden hat, lässt der Senat dahingestellt. Die in dem Gerichtsbescheid anklingende Auffassung, die mit Blick auf die Frist des § 131 Abs. 5 Satz 4 SGG bestehende Eilbedürftigkeit könne auf die Besetzung des Gerichts (§ 12 Abs. 1 SGG) Einfluss haben, vermag nicht ohne weiteres zu überzeugen, zumal innerhalb der Anhörungsfrist auch zur mündlichen Verhandlung hätte geladen werden können. Fraglich dürfte ferner sein, ob die Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG bejaht werden können, wenn es, wie hier mit einer Entscheidung nach § 131 Abs. 5 SGG im Falle einer Klage nach § 54 Abs. 4 SGG, um eine in der prozessualen Literatur überwiegend verneinte Verfahrensmöglichkeit geht, über die höchstrichterlich noch nicht entschieden worden ist.
Der Kläger hatte mit seiner Klageschrift vom 27.6.2005 mit der Anfechtungsklage eine letztlich auf die Gewährung einer Rente gerichtete Leistungsklage verbunden (§ 54 Abs. 4 SGG). Mit dem darüber hinaus in der Klageschrift bezeichneten Verlangen nach Herstellung einer Versicherungsunterlage wird dagegen kein weiterer Anspruch im Sinne des § 123 SGG im Wege der Verpflichtungsklage erhoben, sondern lediglich eine (möglicherweise vermeintliche) Vorfrage des letztlich für den Kläger allein bedeutenden Rentenanspruchs bezeichnet.
Die Leistungsklage hat der Kläger nicht zurückgenommen; er hat auch sonst sein Begehren nicht eingeschränkt, was mangels einer ausdrücklichen oder jedenfalls zu fordernden klar dahin gehenden Erklärung des Klägers feststeht und schon deshalb eindeutig sein dürfte, weil ein Rechtschutzbedürfnis für eine isolierte Anfechtungsklage nicht erkennbar gewesen wäre und allenfalls eine Beschränkung auf eine Neubescheidung dem Rechtsschutzinteresse des Kläger hätte nahe kommen können. Im übrigen hat der Kläger im Berufungsverfahren die Gelegenheit genutzt, zweifelsfrei darzutun, dass er mit seinem Schriftsatz vom 5.10.2005 lediglich zur Sachdienlichkeit einer Entscheidung nach § 131 Abs. 5 SGG Stellung beziehen wollte.
Auch wenn der Gerichtsbescheid die schriftsätzlich vorgebrachten Anträge nicht wiedergibt (vgl. aber § 136 Abs. 2 Satz 2 SGG iVm § 105 SGG) und unklar und widersprüchlich vom "eigentlichen" (Im Sinne von wirklichem?) bzw "ürsprünglichen" (Im Sinne von früherem?) Ziel einer Verpflichtung der Beklagten spricht, wird noch hinreihend deutlich, dass das SG bewusst und damit nicht versehentlich im Sinne des § 140 SGG (vgl. dazu etwa BSG, Beschluss v. 5.8.2000, B 14 KG 3/99; BVerwG, Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 25) nicht über die Leistungsklage entschieden hat. Denn in der Begründung des Gerichtsbescheides wird ausgeführt, der Kläger habe sein Begehren auf die Anfechtung beschränkt. Damit hätte das SG allerdings das Begehren des Klägers (s. o.) verkannt und § 123 SSG verletzt. Wenn das SG jedoch meint, der Kläger habe sich auf die Anfechtung beschränkt, wären die Ausführungen des SG zur Frage, ob eine Entscheidung nach § 131 Abs. 5 SGG auch bei anderen Klagarten als der isolierten Anfechtungsklage möglich ist, überflüssig gewesen. Der Senat geht deshalb davon aus, dass das SG letztlich und entgegen anders lautenden Ausführungen in den Gründen seines Gerichtsbescheides doch nicht eine (nach – vermeintlicher – teilweiser Klagerücknahme) isolierte Anfechtungsklage zugrunde gelegt hat, sondern die Möglichkeit angenommen hat, ungeachtet der Leistungsklage nach § 131 Abs. 5 SGG die angefochtenen Bescheide isoliert aufzuheben.
Dazu war das SG indes nicht berechtigt. Gemäß §§ 103, 106 SGG sind die Sozialgerichte verpflichtet, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen und alle für die Entscheidung über die Anfechtungs- und Leistungsklage erheblichen Tatsachen festzustellen. Es ist grundsätzlich Spruchreife herzustellen. Das SG hat jedoch die von ihm selbst für klärungsbedürftig befundenen Tatsachen nicht aufgeklärt, weil es sich nach § 131 Abs. 5 SGG für befugt gehalten hat, über den Rechtsstreit allein durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und des Widerspruchsbescheides der Beklagten zu entscheiden.
Nach § 131 Abs. 5 SGG kann das Gericht auch dann, wenn es eine weitere Sachaufklärung für erforderlich hält, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Die Vorschrift ist aber auf Leistungs- und Verpflichtungsklagen und damit auch auf die vorliegende Anfechtungs- und Leistungsklage nicht anwendbar, was sowohl aus dem Wortlaut als auch aus der Entstehungsgeschichte der Norm und der Systematik des SGG folgt (vgl. LSG NRW, Urt. v. 20.4.2004 – L 17 U 285/04; LSG NRW, Urt. v. 16.12.2005 – L 4 R 69/05; Bienert, SGb 2005,84 ff.; Humpert in Jansen SGG, 2. Aufl. 2005 § 131 Rn. 8; Krasney/Udsching, Handbuch des Sozialgerichtlichen Verfahrens, 4. Aufl. 2005, Kapitel VII Rn.138; Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8.Aufl. 2005 § 131 Rn.18; a.A. LSG NRW ,Urt. v. 11.5.2005 – L 8 RJ 141/04; Sächsisches LSG, Urt. v. 26.10.2005 – L 6 SB 24/05 und 47/05 ; Zeihe, SGG, Stand 21.7.2005, § 131 Rn.). Das entspricht der Rechtslage nach § 100 Abs.3 FGO und § 113 Abs.3 VwGO, an die sich die Regelung des § 131 Abs. 5 SGG anlehnt und mit denen sie eine gemeinsame Wurzel in § 124 Abs. 3 des gescheiterten Entwurfs einer VwPO hat, welcher ausschließlich die Anfechtungsklage betraf (vgl. BT-Drucksache 10/3437 S. 30 f.; BVerwGE 107,128).
Nur im Falle der (isolierten) Anfechtungsklage entspricht die nach § 131 Abs. 5 SGG ermöglichte Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsaktes und des Widerspruchsbescheides dem Rechtsschutzziel des Klägers. Nur bei dieser Klageart wird dem Begehren mit der Aufhebung des ihn belastenden Verwaltungsaktes auf der Grundlage eines nur teilweise aufgeklärten Sachverhalts in vollem Umfang stattgegeben, sodass insoweit kein entscheidungserheblicher Reststreitstoff verbleibt (vgl. BVerwGE 107,128; Gerhardt in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner VwGO § 113 Rn.51). Auch das Sächsische LSG ( a.a.O.) räumt ein, dass mit der bloßen Aufhebung der angefochtenen Bescheide nach § 131 Abs. 5 SGG der gestellte Klageantrag auf Leistung oder Verpflichtung überhaupt nicht ausgeurteilt werde, mithin durch das Verfahren nach § 131 Abs. 5 SGG im prozessualen Sinne nicht über den gesamten Streitgegenstand entschieden werde und ohne Rücksicht auf den Willen des Klägers eine Reduzierung des Streitgegenstandes erfolge bzw die Klage streng genommen abgewiesen werde. Dafür bietet zur Überzeugung des Senats jedoch im Hinblick auf die Verpflichtung der Sozialgerichte, über den gelten gemachten Anspruch umfassend zu entscheiden (vgl. §§ 123,140 SGG) und dazu Spruchreife herzustellen, auch § 131 Abs. 5 SGG keine gesetzliche Grundlage. Dies wurde vor allem dann deutlich würde, wenn sich ein Kläger mit der Berufung dagegen wenden würde, dass er entgegen dem von ihm formulierten Klageziel wieder ins Verwaltungsverfahren zurück geschickt wurde. Im Falle einer Anfechtungs- und Leistungsklage würde sich ein Kläger mit der bloßen Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsaktes nämlich lediglich weiter von seinem Ziel entfernen, welches sich eben nicht in der Aufhebung des Verwaltungsaktes erschöpft, sondern auf Leistungsgewährung und auch nicht auf "Erziehung" des Leistungsträgers zu besserer Ermittlungsarbeit gerichtet ist. Ein neues Verwaltungsverfahren hat für den Kläger auch keinen Selbstzweck. Deshalb kann es zur Überzeugung des erkennenden Senats für einen Kläger keinen Gewinn bedeuten, nach der Zurückverweisung ein erneutes komplettes Antrags- und Widerspruchsverfahren vor sich zu haben (a.A. LSG NRW, Urt. v. 11.5.2005 – L 8 RJ 141/04). Hat der Versicherungsträger durch grobe Verletzung seiner Amtsermittlungspflicht Anlass zur Klage gegeben, könnte dies zudem bei der Kostenentscheidung des Gerichts berücksichtigt werden, sollte der Kläger nach Nachholung der erforderlichen Ermittlungen durch das Gericht unterliegen.
Die vom SG angenommene Befugnis, allein den angefochtenen Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufzuheben und damit nur über die Leistungsklage zu enstcheiden, ergibt sich auch nicht aus der Formulierung in § 131 Abs.5 SGG "ohne in der Sache zu entscheiden".Damit wird nämlich keineswegs zum Ausdruck gebracht, dass ein Reststreitstoff nämlich der Anspruch auf Rentenleistung vom Gericht unbeachtet oder in der Instanz anhängig bleiben dürfe. Bei der Aufhebung des Verwaltungsaktes nach § 131 Abs.5 SGG handelt es sich i.ü. durchaus um eine – allerdings nicht notwendig endgültige – Entscheidung in der Sache, nicht um ein Prozessurteil. Die angesprochene Gesetzesformulierung kann deshalb zur andeuten, dass das Urteil im Falle des § 131 Abs. 5 SGG, weil die Aufhebung allein wegen eines Ermittlungsdefizites erfolgt ist, dem Erlass eines Verwaltungsaktes mit gleichem Regelungsgehalt nicht entgegen steht.
Auch die Regelung des § 131 Abs. 5 Satz 2 SGG zu einer vom Gericht zu treffenden Anordnung kann nur für die Situation der Anfechtungsklage passen. Sinn und Zweck dieser Regelung ist nicht die Erweiterung des – einstweiligen – Rechtsschutzes, sondern der Schutz der Behörde (vgl. Bienert a.a.O. S. 85). Dem im SGG zum Ausdruck kommenden System entspricht es, dass allein unter den Voraussetzungen des § 86 b SGG eine Leistung bei noch nicht vollständig geklärtem Sachverhalt gewährt werden kann, nicht aber schon allein deshalb, weil der Leistungsträger eine erforderliche Ermittlung im Sinne des § 131 Abs.5 SGG unterlassen hat.
Wenn das SG für die Anwendung des § 131 Abs. 5 SGG im Falle auch einer Leistungs- oder Verpflichtungsklage anführt, dass ansonsten die Sozialgerichtsbarkeit für die überwiegende Zahl der Verfahren eines wichtigen Instrumentes beraubt würde, setzt dies voraus, dass es sich um ein solches handelte. Bereits zu § 124 Abs. 3 des Entwurf einer VwPO aber auch zu § 113 VwGO war selbst zur Anfechtungsklage deutlich gemacht worden, dass es sich um ein Instrument handelt, das ohnehin nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen in Betracht kommen könne. Zudem findet die Anfechtungsklage auch im sozialgerichtlichen Verfahren in einer namhaften Anzahl von Fällen statt, wenn etwa im sozialen Entschädigungsrecht oder in der gesetzlichen Unfallversicherung wegen des Eintritts einer wesentlichen Besserung der Schädigungsfolgen bzw der Unfallfolgen Leistungen entzogen werden.
Dass das Sächsische LSG, das die Anwendbarkeit des § 131 Abs. 5 SGG im Falle der kombinierten Anfechtungs- und Leistungs- bzw. Verpflichtungsklage im Grundsatz befürwortet, im Rahmen der in § 131 Abs. 5 geforderten Sachdienlichkeit der Aufhebung schon allein für das Schwerbehindertenrecht eine Reihe von Differenzierungskriterien aufstellen muss, die sich wie das des "Ermittlungsausfalls" dem Gesetzeswortlaut nicht unmittelbar entnehmen lassen, spricht zur Überzeugung des Senats zudem dafür, dass § 131 Abs. 5 SGG mit einer Ausweitung der Anwendung auf die Fällen der Leistungs- oder Verpflichtungsklage zu konturlos und die Eignung des Instruments im konkreten Fall zu unklar würde, um die Fälle deutlich genug hervortreten zu lassen, in denen eine schnelle Wiederholung des Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens erforderlich, möglich und sinnvoll sowie für beide Beteiligte akzeptabel erscheint, weil sie ihre Belange für berücksichtigt halten können.
Selbst wenn entgegen der Auffassung des erkennenden Senats § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG hier anwendbar wäre, lägen seine Voraussetzungen hier nicht vor, insbesondere ist die "Zurückverweisung in die Verwaltung" nicht sachdienlich.
Wie das BVerwG (Urt. v. 18.11.2002 – 9 C 2/02, BVerwGE 117,200 ) zur Anfechtungsklage überzeugend ausgeführt hat, soll im Spannungsverhältnis zwischen dem öffentlichen Interesse an einer Entlastung der Gerichte von umfangreichen Sachverhaltsermittlungen und dem Bedürfnis der Beteiligten an einer abschließenden und verbindlichen Regelung das Interesse an der Entlastung der Justiz nur in besonders gelagerten Fällen überwiegen. Das ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien zu § 113 Abs. 3 VwGO, die zur Auslegung des § 131 Abs. 5 SGG heranzuziehen sind, da der Gesetzgeber die Regelungen dieser Vorgängervorschrift übernehmen wollte (vgl. BT-Drucksache 11/7030 S.30; LSG NRW, Urt. vom 16.12.2005 – L 4 R 69/05). Die Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 SGG sind daher eng auszulegen. Sie sind, legt man die Ansicht des SG zu Art und Umfang der erforderlichen Ermittlungen zugrunde, nicht ansatzweise erfüllt.
Das SG bleibt bei seinen Ausführungen dazu, was die Beklagte im neuen Verwaltungsverfahren zu tun hätte, undeutlich. Es hat der Beklagten nicht dezidiert aufgegeben, was von ihr zunächst zu veranlassen sei. Wenn es die Ausführungen der Beklagten zur Arbeit des Klägers in der Kaffeeerzeugung als befremdlich anprangert, beanstandet es damit zunächst nur die Beweiswürdigung der Beklagten; diese habe sich mit den englischsprachigen Unterlagen nicht auseinander gesetzt. Die Beweiswürdigung im Widerspruchsverfahren allein kann jedoch nie eine Entscheidung nach § 131 Abs. 5 SGG rechtfertigen, denn das SG hat die Beweise selbst zu würdigen und muss bei Entscheidungsreife über die Leistungsklage sachlich entscheiden. Wenn das SG zum Ausdruck bringen wollte, es solle ein neues Verwaltungsverfahren durchgeführt werden, damit die englischsprachigen Unterlagen übersetzt und von der Beklagten gewürdigt werden, handelt es sich um Maßnahmen, die ohne weiteres und schneller im Gerichtsverfahren erledigt werden können als über den Umweg über ein neues Verwaltungsverfahren. Sie müssen zur Gewährung effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes ggf. vom SG vorgenommen werden und rechtfertigen keinesfalls die "Zurückverweisung" in die Verwaltung. Dass der Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten muss, ist selbstverständlich und im Gerichtsverfahren gewährleistet.
Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des SG vorbehalten.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Erstellt am: 10.03.2006
Zuletzt verändert am: 10.03.2006