Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 27. April 2007 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird auf 623,56 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte der Klägerin einen Betrag in Höhe von 623,56 Euro zu erstatten hat, der nach dem Tod der Rentnerin L.D. als Rentenzahlung auf deren Konto bei der Beklagten überwiesen worden war.
Die am 00.00.2005 verstorbene L.D. bezog von der Klägerin Witwenrente in Höhe von zuletzt 659,71 Euro monatlich. Die Rente wurde in dieser Höhe auch nach dem Tod von Frau D. für die Monate Juli bis September 2005 auf ihr Girokonto bei der Beklagten überwiesen.
Am 29.06.2005 befand sich das Girokonto von Frau D. mit 2749,73 Euro im Soll. Die Rente für Juli 2005 wurde ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Kontoauszüge am 30. Juni 2005 gutgeschrieben. An diesem Tag führte die Beklagte auch den in ihren AGB vorgesehenen vierteljährlichen Rechnungsabschluss durch. Danach wies das Konto noch ein Soll von 1835,14 Euro aus.
Im Juli kam es zu folgenden Kontobewegungen:
am 01.07.2005 Abhebung in Höhe von 500 Euro am Geldautomaten mit PIN, am 11.07.2005 Abhebung in Höhe von 505 Euro am Geldautomaten mit PIN, am 14.07.2005 Abhebung in Höhe von 100 Euro am Geldautomaten mit PIN, am 22.07.2005 Lastschrift in Höhe von 52,44 Euro zugunsten der DTAG, am 26.7.2005 Abhebung in Höhe von 200 Euro am Geldautomaten mit PIN.
Eine Unterschriftsberechtigung für das Konto der Verstorbenen bestand nicht. Alle bekannten Angehörigen haben die Erbschaft ausgeschlagen.
In der Folgezeit blieb das Konto durchgängig im Soll. Vor Eingang der Rentenrückforderung belief sich das Soll auf 1433, 32 Euro.
Mit am 27.07.2005 und 4.10.2005 bei der Beklagten eingegange Schreiben forderte der Rentenservice der Deutschen Post die Renten von Juli bis September 2005 in Höhe von 1943,07 Euro von der Beklagten zurück.
Die Beklagte zahlte auf diese Forderung 1319,51 Euro. Hinsichtlich des verbleibenden Betrags von 623,56 Euro machte sie geltend, sie sei durch die im Monat Juli erfolgten Abhebungen bzw. die Überweisung entreichert.
Die Klägerin hat am 01.03.2006 Klage auf Rückzahlung des überzahlten Rentenbetrags in Höhe der noch streitigen 623,56 Euro erhoben.
Das Sozialgericht Köln hat die Beklagte mit Gerichtsbescheid vom 27.04.2007 antragsgemäß verurteilt, an die Klägerin 623,56 Euro zu zahlen. Auf den Entreicherungseinwand des § 118 Abs. 3 Satz 3 SGB VI könne sich die Beklagte nicht berufen, weil sich das Konto bereits vor den Rentenzahlungen und auch danach durchgängig im Soll befunden habe. Das Sozialgericht hat sich insoweit ausdrücklich der diesbezüglichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts angeschlossen (unter Verweis auf Urteil vom 13.12.2005 – B 4 RA 28/05 R). Der Renteneingang habe das Vermögen der Verstorbenen bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise nur dadurch vermehrt, dass Schulden gegenüber der Beklagten vermindert worden seien. Nach seinem Schutzzweck solle der § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI aber nur einen Geldzufluss vom Geldinstitut zu einem Dritten rückabwickeln, der sich der fehlgeschlagenen Rentenzahlung zuordnen lasse. Davon könne hier nicht ausgegangen werden.
Die Beklagte hat gegen den am 30.04.2007 zugestellten Gerichtsbescheid am 21.05.2007 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt sie ihren umfangreichen Vortrag aus der ersten Instanz sowie aus anderen Verfahren gegen die Rechtsprechung des 4. Senats des Bundessozialgerichts. Die Beklagte ist weiterhin der Ansicht, das Bundessozialgericht versuche lediglich, mit angreifbaren rechtspolitischen Argumenten Dritte vor der unerwünschten Inanspruchnahme durch die Klägerin zu schützen. Auch bei Überweisungen aus einem Konto im Soll bestehe ein Wertbezug zur Rente, weil die Bank anderweitige Verfügungen nur zulasse, weil die zuvor eingegangene Rente den Verfügungsrahmen dafür öffne. Zudem sprächen Wortlaut, Systematik und Gesetzgebungsgeschichte des § 118 SGB VI gegen die Argumentation des Bundessozialgerichts. Dessen Gesetzesauslegung sei zudem verfassungs- und europarechtswidrig.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 27. April 2007 abzuändern und die Klage abzuweisen sowie
der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzulegen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die ständige Rechtsprechung des 4. Senats des Bundessozialgerichts sowie auf die Rechtsprechung des Landessozialgerichts NRW zu den Fällen von zu Unrecht erfolgten Rentenzahlungen auf Konten im Soll.
Wegen weiterer Einzelheiten verweist der Senat auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und die Gerichtsakte.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.
Die von der Klägerin erhobene allgemeine Leistungsklage ist nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig. Die Klägerin war nicht befugt, ihren Rückforderungsanspruch aus § 118 Abs. 3 S. 2 SGB VI durch Verwaltungsakt festzusetzen, weil sie der Beklagten im Streit um den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch aus § 118 Abs. 3 S. 2 SGB VI in einem Gleichordnungsverhältnis gegenübersteht (Bundessozialgericht – BSG -, Urteil vom 13.12.2005 – B 4 RA 28/05 R, Juris Rz. 11).
Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus § 118 Abs. 3 S. 2 SGB VI einen Anspruch auf Rückzahlung von 623,56 Euro.
Nach § 118 Abs. 3 S. 1 SGB VI gelten Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten auf ein Konto bei einem Geldinstitut im Inland überwiesen werden, als unter Vorbehalt erbracht. Nach S. 2 der Vorschrift hat das Geldinstitut sie dem Träger der Rentenversicherung zurückzuüberweisen, wenn dieser sie als zu Unrecht erbracht zurückfordert.
Die Voraussetzungen des Rückerstattungsanspruchs – Rentenzahlung zu Unrecht und ordnungsgemäßes Rückforderungsverlangen der Klägerin – sind hinsichtlich der Rentenzahlung für Juli 2005, die allein noch in der geltend gemachten Höhe streitbefangen ist, erfüllt. Darüber sind sich die Beteiligten einig.
Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf den Einwand der Entreicherung nach § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI berufen. Zwar war ihr, als das Rückforderungsverlangen einging, die Rückerstattung aus einem Guthaben nicht möglich, vgl. § 118 Abs. 3 S. 3 Hs. 2 SGB VI. Auch war der überwiesene Betrag hier zunächst – durch Gutschrift auf das Konto der verstorbenen Rentnerin am 30. Juni 2005 – vollständig aus dem Vermögen der Beklagten ausgeschieden (vgl. BSG, Urteil vom 26.04.2007 – B 4 R 89/06 R, Juris Rz. 48 m.w.Nw.).
Der Entreicherungseinwand setzt aber weiter voraus, dass bei Eingang des Rückforderungsverlangens anderweitig über die ohne Rechtsgrund gezahlte Rente verfügt worden ist. Wie sich aus § 118 Abs. 3 S. 4 SGB VI ergibt, darf die anderweitige Verfügung keine des Geldinstituts sein, mit der es den entsprechenden Betrag verwendet, um eigene Forderungen zu befriedigen. Nach § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI muss vielmehr das Fehlen eines ausreichenden Guthabens für die Rückerstattung gerade darauf beruhen, dass Dritte gegenüber der Bank wirksam über den Betrag verfügt haben und ihnen der Vermögenswert der ohne Rechtsgrund gezahlten Rente zugeflossen ist.
Hat dagegen das Geldinstitut selber diesen Wert seinem Vermögen zugeführt, kann es sich nicht auf Entreicherung berufen (BSG, Urteil vom 26.04.2007 – B 4 R 89/06 R, Juris Rz. 48 m.w.Nw.). Nach ständiger Rechtsprechung des 4. Senats des Bundessozialgerichts (BSG a.a.O. m.w.Nw.; Urteil vom 13.12.2005 – B 4 RA 28/05 R, Juris; Urteil vom 04.08.1998 – B 4 RA 72/97 R, Juris), der sich der Senat angeschlossen hat (LSG NRW, Urteil vom 20.10.2006 – L 13 R 75/06, Juris), genügt es dafür bereits, wenn die Bank die ohne Rechtsgrund auf ein im Soll stehendes Konto gezahlte Rente in das Tagessaldo einstellt, also vorläufig gegen ihre offenen Forderungen aus dem Kontokorrentverhältnis verrechnet (BSG Urteil vom 13.12.2005 – B 4 RA 28/05 R, Juris Rz. 23). Erst recht entfällt daher der Entreicherungseinwand, wenn die Bank den entsprechenden Betrag endgültig mit eigenen Forderungen verrechnet und ihn damit dauerhaft ihrem Vermögen zuführt.
So liegt es hier. Die Beklagte hat am 30.06.2005, nach der Gutschrift der überzahlten Rente für den Monat Juli, aber vor den Geldabhebungen im Juli, den vierteljährlichen Rechnungsabschluss durchgeführt, wie ihn ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen vorsehen (Ziffer 7.3 AGB-Postbank). Dabei hat sie einen Teil ihrer offenen Forderungen aus dem Kontokorrentverhältnis gegen die Rentengutschrift für Juli 2005 verrechnet. Folge einer solchen periodischen Verrechnung ist nach § 355 Abs. 1 HGB, dass die beiderseitigen verrechnungsfähigen Forderungen und Leistungen, soweit sie sich in ihrer Summe betragsmäßig decken, getilgt werden (Schimanski in: Schimanski/Bunte/Lwowsky, Bankrechts-Handbuch, § 47 Rdnr. 44 m. w. Nw.). Mit der teilweisen Tilgung ihrer Forderungen hat die Beklagte über den zu Unrecht gezahlten Betrag verfügt und ihn wieder ihrem Vermögen zugeführt.
Soweit sie gegen die Wirksamkeit der Verrechnung einwendet, § 118 Abs. 3 S. 4 SGB VI verbiete es ihr, mit dem überwiesenen Betrag eigene Forderungen zu befriedigen, so greift dieses Argument nicht durch. Die Vorschrift enthält nur ein relatives Verfügungsverbot (BSG, Urteil des 4. Senats vom 04.08.1998 – B 4 RA 72/97 R, Juris, Rz. 39). Die von der Beklagten durchgeführte Verrechnung ist damit nur im Verhältnis zum Rentenversicherungsträger und zum Kontoinhaber, nicht aber gegenüber Dritten unwirksam (vgl. Palandt/Heinrichs, 63. Auflage, § 104 Rdnr. 30). § 118 Abs. 3 S. 4 SGB VI soll die Rückabwicklung der zu Unrecht erfolgten Rentenzahlung offenhalten. Es würde diesen Zweck ins Gegenteil verkehren, wenn die Vorschrift den Zugriff Dritter auf den überwiesenen Betrag erweitern würde.
Ebenso wenig verhindert § 55 Abs. 1 S. 1 SGB I die (relative) Wirksamkeit der vorgenommenen Verrechnung. Zwar ist danach eine Forderung, die durch die Gutschrift von Geldleistungen auf das Konto des Berechtigten entsteht, für sieben Tage seit der Gutschrift unpfändbar. Nach Ansicht des Senats wird die Vorschrift in der vorliegenden Konstellation indes von § 118 Abs. 3 SGB VI verdrängt, weil § 118 Abs. 3 SGB VI als Sonderregelung (lex specialis) des Pfändungs- und Aufrechnungsschutzes dem § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB I vorgeht (LSG NRW, Urteil vom 20.10.2006 – L 13 R 75/06, Juris Rz. 24 m.w.Nw.).
Da die Beklagte, wie ausgeführt, zuvor über den Betrag in Höhe der Rentengutschrift für Juli 2005 drittwirksam verfügt hat und er dadurch wieder in ihr Vermögen gelangt ist, konnten Dritte auf diesen Betrag nicht mehr zugreifen. Auf deren spätere Verfügungen und ihre Wirksamkeit kommt es für die Entscheidung des Falls nicht an. Der Senat lässt deshalb offen, ob die hier allein in Frage kommenden Abhebungen, die Unbekannte nach dem Tod der Kontoinhaberin mit deren Geld- bzw. EC-Karte und PIN-Nr. getätigt haben, überhaupt anderweitige Verfügungen Berechtigter im Sinne des § 118 Abs. 3 Satz 3 SGB VI sein können. Dagegen spricht, dass die besonderen Kartenbedingungen der Beklagten die Weitergabe der PIN an Dritte ausdrücklich verbieten. Zudem sind hier wegen der Ausschlagung des Erbes durch alle bekannten Angehörigen der verstorbenen Kontoinhaberin keine Rechtsnachfolger ersichtlich, vgl. § 1953 BGB.
Verfassungsrechtliche Bedenken der Beklagten gegen die zugrunde gelegte Auslegung des § 118 SGB VI teilt der Senat nicht (so schon Urteil vom 20.10.2006 – L 13 R 75/06, Juris Rz. 27).
Der in der Rückzahlungspflicht liegende Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Beklagten aus Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG belastet sie nicht unverhältnismäßig. Der Eingriff dient dem Schutz des legitimen Gemeinwohlinteresses der Versichertengemeinschaft an einer effizienten Rückerstattung ohne Rechtsgrund gezahlter Renten. Ihm stehen die wirtschaftlichen Vorteile der Beklagten aus der Führung zahlreicher Konten für Rentenüberweisungen gegenüber (vgl. im Einzelnen LSG NRW, Urteil vom 03.08.2007 – L 4 (18) R 31/06, Juris Rz. 34 ff.).
Ebenso wenig verletzt § 118 Abs. 3 SGB VI den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG durch die fehlende Geltung für ausländische Konten. Die Rückerstattungspflicht trifft in- und ausländische Banken gleichermaßen, wenn es um ein Konto im Inland geht. Ausländische Geldinstitute ohne Zweigstelle ihm Inland unterliegen nicht dem an Art. 3 Abs. 1 GG zu messenden Zugriff des deutschen Gesetzgebers (vgl. LSG NRW, Urteil vom 23.05.2007 – L 8 R 361/06).
Für die gerügten Verletzung der europäischen Wettbewerbsregeln des Art. 81 und 82 EG-Vertrag sowie der europäischen Grundfreiheiten fehlt der grenzüberschreitende Bezug der Rentenzahlungen eines deutschen Versicherungsträgers auf Konten im Inland (vgl. im Einzelnen Urteil LSG NRW, Urteil des 4. Senats vom 03.08.2007 – L 4 (18) R 31/06 – Juris Rz. 41).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und 2 VwGO und folgt der Entscheidung in der Sache.
Die Streitwertentscheidung beruht auf § 197 a SGG i.V.m. § 92 Abs. 3 GKG.
Anlass zur Revisionszulassung besteht nicht.
Erstellt am: 30.01.2008
Zuletzt verändert am: 30.01.2008