Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 27.07.2007 wird zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Umstritten ist, nach welcher Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) dem Kläger Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) zu gewähren ist.
Der 1930 geborene Kläger wurde nach Kriegsende im August 1945 in der Nähe von Leipzig von sowjetischen Soldaten in Gewahrsam genommen, nach Sibirien verschleppt und als Zwangsarbeiter im Wald und in einem Kupferbergwerk eingesetzt. Später gelangte er nach Kasachstan und Estland. Im September 1975 kehrte er über das Grenzdurchgangslager Friedland in die Bundesrepublik zurück. In der Bescheinigung des Oberkreisdirektors des Rhein-Sieg-Kreises vom 10.11.1976 wird die Zeit von August 1945 bis September 1975 als Zeit des politischen Gewahrsams i.S.d. §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 9 Abs. 1 Häftlingshilfegesetz (HHG) mit Zwangsarbeitslager und Zwangsaufenthalt im Uralgebiet, in Kasachstan und zuletzt in Estland bestätigt.
Das Versorgungsamt L erkannte mit Bescheiden vom 18.04.1989, 27.09.1990, 25.10.1993 und zuletzt vom 26.04.1999 als Schädigungsfolgen mit einer MdE um 80 v.H. an:
a) geringfügige silikotische Einlagerungen (hervorgerufen durch schädigende Ereignisse iSd § 1 Abs. 1 (BVG) sowie
b) Verkürzung und Verbiegung des rechten Oberschenkels nach in Fehlstellung verheiltem Bruch mit Verschleiß und Bewegungseinschränkung im rechten Hüft-, Knie und Sprunggelenk, Rippenbuckel links (hervorgerufen durch schädigende Ereignisse iSd § 4 Abs. 1 HHG).
Der Kläger, dessen Grad der Behinderung (GdB) nach dem SGB IX mit 100 festgestellt ist, beantragte am 30.10.2003 Versorgung nach einer höheren MdE und machte geltend, sein Kriegsleiden habe sich wesentlich verschlechtert. Die Silikose habe bei ihm Lungenkrebs verursacht, was als Schädigungsfolge zu berücksichtigen sei. Durch die Fehlbelastung des verkürzten linken Beines und durch den Verschleiß der Hüft-, Knie-, und Sprunggelenke hätten sich Folgeschäden eingestellt. Die Fehlstellung des Skelettes sowie die Rippenbuckelbildung führten bei ihm zu immer größeren, unerträglichen Schmerzen.
Nach Beiziehung und Auswertung ärztlicher Unterlagen u. a. über eine stationäre Badekur in Bad P im September und Oktober 2003 lehnte das Versorgungsamt mit Bescheid vom 01.12.2004, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 04.04.2005, die Gewährung höherer Versorgung ab. Eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen sei nicht eingetreten. Insbesondere bestehe kein sicherer radiologischer Hinweis auf eine Silikose. Der Kupferbergbau bringe keine spezifischen Risiken für die Atmungsorgane mit sich und könne kein schweres Bronchialleiden hervorrufen. Veränderungen diesbezüglich seien nicht als Schädigungsfolge anzuerkennen. Die anerkannten Schädigungsfolgen hätten sich nicht wesentlich verschlimmert.
Der Kläger hat am 19.04.2005 bei dem Sozialgericht (SG) Köln rechtzeitig Klage erhoben und sein Entschädigungsbegehren weiter verfolgt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei ihm volle Versorgung zu zahlen.
Der Beklagte hat demgegenüber an der Feststellung festgehalten, die Schädigungsfolgen seien mit einer MdE um 80 v.H. zutreffend bewertet.
Das SG hat zunächst die Akten der vom Kläger gegen die Bergbau Berufsgenossenschaft in Bonn (Bergbau BG) wegen der Anerkennung der Berufskrankheit Silikose mit Bronchialkarzinom geführten Klage – S 2 (15) Kn 45/04 U – beigezogen. Der in diesem Verfahren gehörte Internist und Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde sowie Allergologie, Dr. H, L, hat keine Zeichen für eine Quarzstaubeinlagerung in der Lunge festgestellt. Eine Quarzstaublungenerkrankung mit einer aktiven Lungentuberkulose bestehe ebenso wenig wie ein Lungenemphysem und eine obstruktive Bronchitis. Folgen einer Silikose/Tuberkulose könnten nicht festgestellt werden. Der Kläger hat dem Ergebnis der Beweisaufnahme Rechnung getragen und die Klage gegen die Bergbau BG zurückgenommen.
Das SG hat gemäß § 106 SGG weiter Beweis erhoben worden durch Einholung orthopädischer Gutachtens von Dr. W, S (Gutachten vom 23.05.2006) und auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von Dr. C, I (Gutachten vom 29.12.2006). Auf den Inhalt der Gutachten wird Bezug genommen.
Anschließend hat das SG die Klage durch Urteil vom 27.07.2007 abgewiesen und die angefochtenen Bescheide des Beklagten bestätigt. Es hat sich auf die Darlegungen des Sachverständigen Dr. W gestützt, der eine wesentliche Verschlimmerung auf orthopädischem Fachgebiet gegenüber April 1999 nicht habe feststellen können. Die MdE sei mit 80 v.H. nicht zu niedrig bemessen. So lasse sich mit der geringfügig rechtskonvexen Drehseitverbiegung der Lendenwirbelsäule mit kompensatorischem Gegenschwung im dorsolumbalen Übergang keine messbare Erhöhung der MdE begründen. Eine fixierte seitliche Verbiegung mit ungünstigen statisch-funktionellen Verhältnissen entsprechend Ziffer 128 Abs. 2 der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2005 (AHP; ebenso jetzt auch AHP 2008) bestünde beim Kläger nicht. Es habe sich keine einseitige schmerzhafte Fixierung gefunden. Auch die Funktionseinschränkungen in den Armen seien keine Schädigungsfolge. So habe Dr. W lediglich einen Weichteilreizzustand beider Schultergelenke mit endgradiger Bewegungseinschränkung festgestellt. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen der AHP Ziffer 133 nicht vor. Danach könne erst eine langfristige, mindestens fünf Jahre andauernde, beidseitige Benutzung von Unterarmgehstützen mitursächliche Bedeutung für die Veränderungen an den Schultergelenken haben. Der Kläger nutze beidseitige Unterarmgehstützen jedoch nicht. Demgegenüber könne dem Gutachten des Dr. C nicht gefolgt werden. Es sei schon nicht nachvollziehbar, weil es sich nicht an den AHP und den dort niedergelegten Grundsätzen für die Kausalitätsbeurteilung orientiere. Die Schlussfolgerung des Sachverständigen, die fachorthopädischen Diagnosen würden bei Weitem ausreichen, eine MdE um 100 v.H. zu rechtfertigen, seien weder hinreichend differenziert noch überzeugend. Die festgestellten geringfügigen silikotischen Einlagerungen würden sich nicht MdE-erhöhend auswirken.
Der Kläger hat gegen das ihm am 06.08.2007 zugestellte Urteil am 27.08.2007 Berufung eingelegt. Er erkenne das Gutachten von Dr. W nicht an. Vielmehr stütze er sich auf das Gutachten von Dr. C. Seiner Ansicht nach würden alle jetzt bei ihm vorliegenden Krankheiten auf der Kriegsschädigung beruhen, was auch seine ab dem 7. Lebensjahr beginnende Leidensgeschichte zeige.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 27.07.2007 zu ändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 01.12.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2005 zu verurteilen, ihm ab Antragstellung Versorgung nach dem BVG nach einer MdE um 100 v.H. zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte, auf die vom SG Köln beigezogene Prozessakte S 2 (15) Kn 45/04 U und auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen. Die Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig.
Der Kläger stützt die geltend gemachten Ansprüche auf schädigende Ereignisse, die insgesamt entweder unmittelbar nach §§ 5 Abs. 1 Buchst. d), 1 Abs. 2 Buchst. a) BVG (Zwangsarbeitslager und Zwangsaufenthalt) oder nach § 5 Abs. 1 Buchst. d), § 1 Abs. 2 Buchst. a) BVG (Zwangsarbeitslager) und § 4 Abs. 1, § 1 Abs. 1 Nr. 1 HHG (Zwangsaufenthalt) zu beurteilen sind. Der Senat braucht nicht zwischen der Zeit im Zwangsarbeitslager und dem späteren Zwangsaufenthalt zu differenzieren, weil sich die Ansprüche auch insoweit, als das HHG einschlägig ist, in jedem Fall unmittelbar nach dem BVG richten (§ 4 Abs. 1, 2 Hs HHG bzw. § 6 Abs. 1 HHG).
Richtiger Klagegegner im Berufungsverfahren ist der Landschaftsverband Rheinland (LVR). Das Land Nordrhein-Westfalen ist im Bereich der Kriegsopferversorgung (KOV) durch Art. 1, Abschnitt I, §§ 1 und 4 des Zweiten Gesetzes zur Straffung der Behördenstruktur in Nordrhein-Westfalen vom 30.10.2007 (GV.NRW S. 482, im Folgenden: Straffungsgesetz) zum 01.01.2008 durch einen Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes aus dem Verfahren ausgeschieden und durch den Landschaftsverband Rheinland ersetzt worden. Die Landschaftsverbände sind ab 01.01.2008 zuständige Behörden zur Wahrnehmung der vormals den Versorgungsämtern übertragenen Aufgaben der Kriegsopferversorgung geworden und nach materiellem Recht auch zur Gewährung oder Verweigerung der vom Kläger begehrten Leistung berechtigt (sog. Passivlegitimation).
Die Feststellung über die Gewährung einer Kriegsopferversorgung obliegt seit dem 01.01.2008 dem für den in L wohnhaften Kläger zuständigen LVR. Entsprechend hat ein Rechtsträgerwechsel vom Land NRW auf den LVR stattgefunden. Überträgt ein zuständiger Rechtsträger Aufgaben auf ein anderes Organ, so bedeutet dies grundsätzlich einen Wechsel in der funktionalen Zuständigkeit und damit in der Rechtsträgerschaft. Etwas anderes gilt nur dann, wenn ersichtlich ist, dass es sich lediglich um eine Aufgabenübertragung im Rahmen einer Organleihe bzw. Institutsleihe handeln soll, bei der nicht die Zuständigkeit als solche übertragen wird, sondern lediglich personelle und sächliche Mittel verlagert werden. Da der Grundsatz der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung gilt, stellt die Organleihe eine Ausnahme dar, die einen sachlichen Grund haben und eine eng umgrenzte Verwaltungsmaterie betreffen muss (zu den Voraussetzungen im Einzelnen s. BVerfG, Urteil vom 12.01.1983, 2 BvL 23/81 = BVerfGE 63, 1). Eine solche Ausnahme ist hier nicht anzunehmen. Es ist nicht erkennbar, dass der Landesgesetzgeber trotz Übertragung der Aufgaben im Straffungsgesetz die Zuständigkeit hierfür behalten wollte. Es sind auch im Gesetzgebungsverfahren keine sachlichen Gründe genannt oder ersichtlich, aufgrund derer der Ausnahmefall einer Organleihe in Betracht kommen könnte. Im Gegenteil hat das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales in einem an die Vorsitzenden der Senate 6, 7 und 10 des Landessozialgerichts NRW gerichteten Schreiben vom 07.01.2008 ausdrücklich mitgeteilt, dass mit dem Straffungsgesetz die Rechtsträgerschaft der Aufgaben im Schwerbehindertenrecht und im Sozialen Entschädigungsrecht auf die Kreise und kreisfreien Städte bzw. Landschaftsverbände übergehen sollte. Darüber hinaus ist zu beachten, dass den Gemeinden und Gemeindeverbänden nach Art. 28 Abs. 2 GG ein Recht zur Regelung der Aufgaben in eigener Verantwortung (kommunale Selbstverwaltungsgarantie) eingeräumt worden ist und Art. 78 Abs. 2 der Landesverfassung NRW bestimmt, dass die Gemeinden und Gemeindeverbände in ihrem Gebiet die alleinigen Träger der öffentlichen Verwaltung sind, soweit die Gesetze nichts anderes vorschreiben. Solange es somit an einer ausdrücklichen Regelung darüber fehlt, dass es sich bei der Aufgabenübertragung auf die Kreise und kreisfreien Städte lediglich um eine Organleihe handeln soll, ist davon auszugehen, dass eine funktionelle Aufgabenübertragung und damit eine Änderung der Rechtsträgerschaft erfolgen sollte und erfolgt ist.
Ein Wechsel in der Behördenzuständigkeit und damit ein Rechtsträgerwechsel führt in anhängigen Streitverfahren zu einem Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes (vgl. BSG, Urteil vom 05.07.2007, B 9/9a SB 2/07 R; Zeihe, SGG, 45. Ergänzungslieferung Stand 01.11.2007, Bem. 2 A VIII 2 vor § 54). Allein der im Laufe des Verfahrens zuständig gewordene Träger kann die begehrten Rechte gewähren, so dass die Klage gegen diesen gerichtet werden muss (BSG, aaO).
Örtlich zuständig ist vorliegend der LVR, in dessen Zuständigkeitsbereich der Kläger wohnhaft ist. Dies ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung der Verordnung über die Zuständigkeiten im Bereich des Sozialen Entschädigungsrechts (ZustVO SER) vom 18.12.2007 (GV.NRW S. 740) i.V.m. § 3 Abs. 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren in der Kriegsopferversorgung (VfG-KOV) vom 02.05.1955 (BGBl I S. 2022) i.d.F. vom 19.06.2001 (BGBl I S. 1046). Unmittelbar ist § 3 Abs. 1 des VfG-KOV nicht anwendbar, da der Anwendungsbereich des VfG-KOV lediglich Leistungen betrifft, die von den im Gesetz über die Errichtung der Verwaltungsbehörden der Kriegsopferversorgung (KOV-ErrG) vom 12.03.1951 (BGBl I, S. 169), zuletzt geändert durch das Zweite Zuständigkeitslockerungsgesetz vom 03.05.2000 (BGBl I S. 632, 635) bestimmten Behörden gewährt werden (s. § 1 VfG-KOV). Im KOV-ErrG genannte Behörden sind seit der Neuregelung der Zuständigkeiten durch das Straffungsgesetz in NRW nicht mehr Leistungsträger der Kriegsopferversorgung. § 3 Abs. 1 des VfG-KOV ist auch nicht aufgrund Verweisung der ZustVO SER heranziehbar. Ausdrücklich erklärt § 2 Abs. 3 der ZustVO nur § 3 Abs. 2 bis Abs. 4 des VfG-KOV für anwendbar. Den fehlenden Verweis auf Abs. 1 bewertet der Senat als ein redaktionelles Versehen, das in analoger Anwendung zu korrigieren ist. Ohne eine solche Korrektur würde es weitgehend an einer Bestimmung der örtlich zuständigen Behörde für den Bereich der Kriegsopferversorgung fehlen. Ausdrückliche Regelungen der örtlichen Zuständigkeit finden sich in § 2 Abs. 1 ZustVO lediglich für den Bereich der Opferentschädigung und in § 2 Abs. 2 ZustVO für alle Fälle des Sozialen Entschädigungsrechts, in denen der Antragsteller zur Zeit der Antragstellung nicht in Nordrhein-Westfalen wohnt oder sich dort gewöhnlich aufhält, sein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt nicht feststeht oder die Schädigung auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug eingetreten ist. Im Bereich des Schwerbehindertenrechts ist § 3 Abs. 1 des VfG-KOV über die Verweisungsvorschrift des § 69 Abs. 1 S. 4 SGB IX anwendbar. Es ist weder ersichtlich noch begründbar, dass es der Verordnungsgeber, der mit der ZustVO der geänderten Verwaltungsstruktur des Straffungsgesetzes Rechnung getragen hat, willentlich unterlassen hat, eine Regelung der örtlichen Zuständigkeit für die Fälle des Sozialen Entschädigungsrechts, in denen der Antragsteller in Nordrhein-Westfalen wohnhaft ist, zu treffen. Dies gilt um so mehr, als der Landesgesetzgeber mit § 4 Straffungsgesetz (sachliche Zuständigkeit der Landschaftsverbände) und §§ 11 Abs. 2 bis 21 Abs. 2 Straffungsgesetz die personalrechtlichen Maßnahmen strikt an der Gebietsaufteilung des § 1 Landschaftsverbandsordnung NRW (LVerbO) orientiert und die jeweiligen Versorgungsämter entsprechend den Landschaftsverbänden zugeordnet hat. Die versehentliche Lücke in der ZustVO ist daher zu schließen.
Die durch Art. 1, Abschnitt I, §§ 1 und 4 des Straffungsgesetzes durchgeführte Kommunalisierung der Versorgungsverwaltung im Aufgabenbereich der Kriegsopferversorgung und hiermit die Übertragung der Aufgaben auf den LVR ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Die vom Landesgesetzgeber mit dem Straffungsgesetz vorgenommene Übertragung der Aufgaben im Bereich der Kriegsopferversorgung auf die Kommunalverbände ist von der Ermächtigungsnorm des Art. 84 Grundgesetz (GG) in der Fassung des 52. Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 28.08.2006, BGBl. I S. 2034 (im Folgenden: n.F.) gedeckt.
Die Wahrnehmung der Aufgaben der Kriegsopferversorgung nach dem BVG wird nach einhelliger Auffassung von den Bundesländern gemäß Art. 83 GG als eigene Angelegenheit und in eigener Zuständigkeit ausgeführt (vgl. BT-Drs. 16/518; BSG, Urteil vom 12.06.2001, B 9 V 5/00 R = BSGE 88, 153; Maunz, in: Maunz/Dürig, Komm. z. GG, Art. 104a Rn 37; Schaefer, in: von Münch/Kunig, GGK III, 5. Aufl. 2003, Rn 7 zu Art. 120 GG; Rodenbach, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, 11. Aufl. 2008, Art. 120 Rn 4) und unterfällt damit dem Bereich der Landeseigenverwaltung gem. Art. 84 GG. Dieser Zuordnung steht die Regelung des Art. 104a Abs. 3 GG nicht entgegen, obwohl hier festgelegt ist, dass Gesetze, bei denen der Bund die Hälfte der Ausgaben oder mehr trägt, im Auftrag des Bundes (gem. Art. 85 GG) auszuführen sind und die Kriegsfolgelasten vom Bund gem. Art. 120 GG sogar vollständig getragen werden. Durch Art. 120 GG wollte der originäre Verfassungsgeber ab Inkrafttreten des Grundgesetzes am 23.05.1949 mittels einer besonderen Bestimmung vorschreiben, dass ausschließlich der Bund die Kriegsfolgelasten zu tragen habe (so BVerfG, Urteil vom 24.07.1962, 2 BvL 15/61 u.a. = BVerfGE 14, 221; ebenso zuvor bereits BVerfG, Urteil vom 16.06.1959, 2 BvF 5/56 = BVerfGE 9, 305, 329). Der Regelungsgehalt dieser Vorschrift ist auf die Zuweisung der finanziellen Last beschränkt. Die Zuordnung der Verwaltungskompetenz hingegen blieb den allgemeinen Vorschriften in Art. 83 ff. GG vorbehalten (Schaefer, in: von Münch/Kunig, a.a.O.). Mithin war die Finanzverantwortung des Bundes kraft dieser besonderen Verfassungsbestimmung auf die Kriegsopferversorgung bezogen, obwohl es sich hier um ein Sachgebiet handelt, dass verwaltungsmäßig nicht zum Kompetenzbereich des Bundes gehörte (Schaefer, in: von Münch/Kunig, a.a.O.). An dieser Maßgabe hat sich in der Folgezeit durch die Reform der Finanzverfassung von 1969, mit der Art. 104a Abs. 3 in das Grundgesetz eingefügt wurde, nichts geändert (Siekmann, in: Sachs, Grundgesetz, 4. Aufl. 2007, Art. 120 Rdn. 29; Rodenbach, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, a.a.O. m.w.N.). Die ursprünglich vertretene Ansicht, dass die Aufgaben des BVG ab dem 01.01.1970 aufgrund des Art. 104a Abs. 3 GG nun in Bundesauftragsverwaltung auszuführen seien (so Görg, VersB 1969, 111, 135 sowie Erlass des BMI und BMF vom 16.07.1969, VersB 1970, 2) ist im Weiteren aufgegeben worden. Eine solche Annahme stützt Art. 104a Abs. 3 GG auch weder vom Wortlaut noch in historisch-systematischer Betrachtung. So betrifft Art. 104a Abs. 3 GG nach seinem Wortlaut allein Bundesgesetze, die eine Geldleistung "gewähren". Voraussetzung hierfür ist nach überwiegender Auffassung, dass es der freiwilligen Entscheidung des Gesetzgebers unterliegt, eine Geldleistung zu regeln oder dies zu unterlassen. Die Kriegsopferversorgung hingegen beruht – ebenso wie die grundgesetzlich vorgeschriebene Enteignungsentschädigung gem. Art. 14 GG bzw. die Amtshaftung gem. Art. 34 GG – nicht auf einer freiwilligen Entscheidung, sondern ist eine aus übergeordneter verfassungsrechtlicher Maßgabe resultierende Verpflichtung (Maunz in: Maunz/Dürig, a.a.O., Art. 104a GG Rn 34 m.w.N.). Die mit Art. 104a Abs. 3 GG getroffene Neuregelung ließ dementsprechend den Anwendungsbereich der Kriegsfolgenentschädigung unberührt (Schaefer, in: von Münch/Kunig, aaO; Siekmann, in: Sachs, a.a.O.). Zudem ist Art. 120 GG wegen der dort getroffenen besonderen Regelung als lex specialis zu Art. 104a Abs. 3 GG anzusehen und der Anwendungsbereich für eine Bundesauftragsverwaltung aus diesem Grund nicht eröffnet (Siekmann, in: Sachs, a.a.O., Art. 120 Rdn 5, 29; Maunz, in Maunz/Dürig, a.a.O., Rn 37; Rohr, VersB 1969, 113).
Führen die Länder ein Bundesgesetz als eigene Angelegenheit aus, so ist es ihnen nach Art. 84 Abs. 1 S. 1 GG überlassen, die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren (letzteres mit der zeitlichen Einschränkung des Art. 125b Abs. 2 GG) zu regeln. Insbesondere können sie aufgrund ihrer Organisationskompetenz eigenverantwortlich die für den Gesetzesvollzug zuständige Ebene und Stelle bestimmen (Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, a.a.O., Art. 84 Rn 20 m.w.N.). Dem Land ist, solange bundes- und landesverfassungsrechtliche Schranken die Organisationskompetenz nicht einengen, ohne Weiteres die Entscheidung über die Frage überlassen, auf welcher Verwaltungsstufe die jeweilige Norm auszuführen ist (Lerche, in: Maunz-Düring, a.a.O., Art. 84 Rn 26). Aufgaben können den Gemeinden und Gemeindeverbänden nach der Föderalismusreform nur noch durch Landesrecht, hingegen gemäß Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG ausdrücklich nicht mehr durch den Bundesgesetzgeber übertragen werden (vgl. auch BT-Drs. 16/813 zu Nr. 9).
Die in Art. 1, Abschnitt I, §§ 1 und 4 des Straffungsgesetzes in Nordrhein-Westfalen vorgenommene Aufgabenübertragung auf die kommunale Ebene unterfällt dem in Art. 84 GG aufgeführten Regelungsbereich der "Einrichtung von Behörden".
Der Begriff der "Einrichtung der Behörden" i. S. d. Art. 84 Abs. 1 GG ist weit zu verstehen (vgl. z.B. Trute, in: v. Mangoldt/Klein/Stark, GG III, 4. Auflage 2001, Art. 84 Rdnr. 8 ff.; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, 9. Aufl. 2007, Art. 84 Rn 3 ff.; Lerche, in: Maunz/Dürig, a.a.O., Art. 84 Rn 25). Unter dem Begriff der "Behörde" wird eine in den Organismus der Staatsverwaltung eingeordnete, organisatorische Einheit von Personen und sächlichen Mitteln verstanden, die zur Erfüllung der ihr übertragenen staatlichen Aufgaben und Zwecke mit einer gewissen Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit ausgestattet ist (BSG, Urteil vom 12.06.2001, B 9 V 5/00 R m.w.N.; von Wulffen, SGB X, 6. Auflage 2008, § 1 Rdn. 9). Hierunter fallen die unmittelbaren und mittelbaren Landesverwaltungen einschließlich der selbstständigen Rechtsträger wie Gemeinden und Gemeindeverbänden (Trute, in: v. Mangoldt-Klein-Stark, a.a.O., Art. 84 Rdnr. 9; BVerfG, Beschluss vom 09.12.1987, 2 BvL 16/84 = BVerfGE 77, 299). Die Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen-Lippe werden nach § 1 der LVerbO in der Fassung vom 14.07.1994 (GV.NRW S. 657) aus den Kreisen und kreisfreien Städten der früheren Rheinprovinz bzw. aus der früheren Provinz Westfalen und des früheren Landes Lippe gebildet. Das Gebiet eines Landschaftsverbandes umfasst nach § 3 LVerbO das Gebiet seiner Mitgliedskörperschaften. Die Landschaftsverbände sind somit Gemeindeverbände und entsprechend "Behörden" i.S.d. Art. 84 GG (vgl. auch OVG Münster, Urteil vom 30.04.2007, 1 A 1939/06).
Der Begriff der "Einrichtung" umfasst sowohl die Errichtung (Gründung) als auch die Einrichtung und innere Organisation der handelnden Organe (Ausgestaltung), einschließlich der Übertragung ihrer näheren Aufgabenkreise und Befugnisse (BSG, Urteil vom 12.06.2001, B 9 V 5/00 R = BSGE 88, 153; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, a.a.O., Art. 84 Rn 3; Dittmann, in: Sachs, a.a.O. Art. 84 Rdn 7; BVerfG, Beschluss vom 08.04.1987, 2 BvR 909/82 u.a. = BVerfGE 75, 108, 149 ff.; Urteil vom 17.07.2002, 1 BvF 1/01 u.a. = BVerfGE 105, 313, 331 ff.). Werden lediglich bereits bestehende Aufgaben vermehrt, d.h. erfolgt allein eine quantitative, nicht hingegen eine qualitative Veränderung der Aufgaben einer bestimmten Behörde, so ist dies nicht von dem Begriff der "Einrichtung von Behörden" i.S.d. Art. 84 GG erfasst (BVerfG, Beschluss vom 08.04.1987, 2 BvR 909/82 u.a. = BVerfGE 75, 108 ff.). Hier sind die Aufgaben der Kriegsopferversorgung als vollständig neue Aufgaben auf die Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen-Lippe übertragen worden. Eine (solche) Übertragung von bundesrechtlich ausgeformten Aufgaben auf die Kommunalverbände wird von der Regelung des Art. 84 GG n. F. ermöglicht (vgl. Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, a.a.O., Art. 84 Rn 29, 24). Schon mit der Neufassung des § 1 KOV-ErrG durch das Zweite Zuständigkeitslockerungsgesetz vom 03.05.2000 (BGBl I, 632) sind die bundesrechtlichen Vorgaben für die Einrichtung der Versorgungsbehörden der Länder entscheidend verringert worden. Versorgungsbehörden mussten nun nicht mehr als besondere Verwaltungsbehörden und Landesversorgungsämter nicht mehr als selbstständige Behörden eingerichtet werden. Hierdurch hat sich der Umfang der Organisationsgewalt der Länder bereits zu ihren Gunsten verändert (BSG, Urteil vom 12.06.2001, B 9 SB 6/01 R). Diese Regelungsbefugnis ist durch die Föderalismusreform 2006 entscheidend erweitert worden. Ausdrücklich ermächtigt das Grundgesetz die Landesgesetzgeber nunmehr, im Bereich der Einrichtung von Behörden Regelungen zu treffen, die von bereits bestehenden bundesgesetzlichen Normen abweichen. Von dieser Ermächtigung hat der Landesgesetzgeber in NRW mit dem Straffungsgesetz zulässig Gebrauch gemacht.
Die mit diesem Gesetz vorgenommene Aufgabenübertragung im Bereich der Kriegsopferversorgung verstößt nach Auffassung des erkennenden Senats nicht gegen die zeitliche Übergangsregelung des Art. 125b Abs. 2 GG n.F. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift, die normiert, dass die Landesgesetzgeber von bereits bestehenden bundesgesetzlichen Regelungen im Bereich des Verwaltungsverfahrens vor dem 01.01.2009 nur unter begrenzten – hier nicht vorliegenden – Voraussetzungen abweichen können, ist nicht betroffen. Dies gilt insbesondere, soweit das Straffungsgesetz Regelungen trifft, die von den Vorschriften des KOV-ErrG und des VfG-KOV abweichen.
Soweit Regelungen im KOV-ErrG bzw. im VfG-KOV vom Straffungsgesetz für den Bereich Nordrhein-Westfalens abgeändert worden sind, handelt es sich bei diesen Regelungen nach Auffassung des erkennenden Senats unter Würdigung aller Gesamtumstände allein um solche, die i.S.v. Art. 84 GG dem Bereich der "Einrichtung von Behörden" und nicht (auch) der Materie des "Verwaltungsverfahrens" zuzuordnen sind.
Die Begriffe der "Einrichtung von Behörden" einerseits und des "Verwaltungsverfahrens" im Sinn von Art. 84 GG andererseits sind nur schwer voneinander abzugrenzen (Lerche, in: Maunz/Dürig, a.a.O., Art. 84 Rn 23, 30; vgl. auch Trute, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 84 Rdnr. 159), der Umfang des "Verwaltungsverfahrens" umstritten (Broß, in: von Münch/Kunig, a.a.O., Art. 84 Rn 15). Als Vorschriften des Verwaltungsverfahrens i.S.v. Art. 84 GG werden gesetzliche Bestimmungen angesehen, die die Tätigkeit der Verwaltungsbehörden im Hinblick auf die Art und Weise der Ausführung des Gesetzes einschließlich ihrer Handlungsformen, die Form der behördlichen Willensbildung, die Art der Prüfung und Vorbereitung der Entscheidung, deren Zustandekommen und Durchsetzung sowie verwaltungsinterne Mitwirkungs- und Kontrollvorgänge in ihrem Ablauf, somit das "Wie" des Verwaltungsverfahrens, regeln (BVerfG, Urteil vom 10.12.1980, 2 BvF 3/77 = BVerfGE 55, 274 ff.; vgl. auch Lerche, in: Maunz/Dürig, a.a.O., Art. 84 Rn 33). Unter den Begriff des Verwaltungsverfahrens fallen z.B. Regelungen über die Anhörung des von einer Entscheidung betroffenen Bürgers, Vorschriften über das Tätigwerden von Behörden innerhalb bestimmter Fristen, Bestimmungen darüber, dass eine Verwaltungsentscheidung bestimmten Formerfordernissen zu genügen hat, Vorschriften über die Verpflichtung der Behörden zur Herstellung von Mehrausfertigungen, Regelungen über Verwaltungsgebühren, Bestimmungen über die Form von Zustellungen, Regelungen über die Art und Weise der Verwaltungsvollstreckung durch die Behörden der Länder, Regelungen über die Art und Weise der Führung von Registern und Verzeichnissen oder über die Verpflichtung zur maschinellen Speicherung bestimmter Unterlagen (Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, a.a.O., Art. 84 Rn 15 mit jeweiligen Nachweisen). Derartige Aufgaben die das "Wie" der Aufgabenwahrnehmung betreffen, beinhaltet das Straffungsgesetz nach Auffassung des erkennenden Senats gerade nicht, sondern beschränkt sich darauf festzulegen, "wer" diese Aufgaben ausführt. Entsprechend diesem Regelungsbereich weicht es auch lediglich von Vorschriften des KOV-ErrG und des VfG-KOV im Bereich der Einrichtung von Behörden, nicht aber im Bereich des Verwaltungsverfahrens ab.
Soweit durch die Vorschriften des KOV-ErrG (hier § 1) und des VfG-KOV (hier § 2) geregelt ist, dass die Versorgung der Kriegsopfer von den Versorgungsämtern und den Landesversorgungsämtern durchgeführt wird, ist dies nicht als Bestimmung des "Verwaltungsverfahrens" anzusehen. Die Festlegung der Zuständigkeit einer Behörde betrifft einen verfahrensunabhängigen Bereich und ist nicht Teil der Ausgestaltung des Verwaltungsverfahrens. Die hier allein geregelte Frage, "wer" die zugewiesenen Aufgaben wahrzunehmen hat, hat weder unmittelbare oder mittelbare Auswirkung auf die Art und Weise, das "Wie" der Ausführung dieser Aufgaben.
Gleiches gilt, soweit in § 3 KOV-ErrG eine hierarchische (dreigliedrige) Ordnung des Verwaltungsaufbaus unter Aufsicht der obersten Landesbehörde normiert ist (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 12.06.2001, B 9 V 5/00 R = BSGE 88, 153). Die Festlegung der Behördenstruktur insgesamt ist ebenso wie die Festlegung der Zuständigkeit einer einzelnen Behörde eine Frage der Behördenorganisation. Auch hier wird ganz vorrangig die Frage geregelt, "wer" im hierarchischen Aufbau die Aufgaben erstinstanziell wahrzunehmen hat und "wer" diese Wahrnehmung beaufsichtigt. Die Einrichtung von Behörden kann sich in einem staatsorganisatorischen Modell der hierarchischen Strukturierung wie dies im gesamten sozialrechtlichen Bereich in der Bundesrepublik vorgesehen ist, nicht darin erschöpfen, eine einzige Behörde mit der Wahrnehmung bestimmter Aufgaben zu betrauen. Vielmehr ist hier denknotwendig und untrennbar der gesamte Behördenaufbau hinsichtlich der übertragenen Materie betroffen. Der einer Aufgabenübertragung immanente Bezug zur Ausführung bestimmter Bundesgesetze und damit zu den von diesen Gesetzen umschlossenen konkreten Verwaltungsmaterien lässt es nicht sachgemäß erscheinen, die Etablierung der Behörde für sich stehen zu lassen (Lerche, in: Maunz/Dürig, a.a.O., Art. 84 Rn 25). Der Begriff der Einrichtung von Behörden umfasst demzufolge auch alle Regelungen, die das genauere Profil und das innere Gefüge dieser Behörden, insb. die Frage der hierarchischen Gestaltung, also die Einrichtung der Behörden in ihrer gesamten organisatorischen Struktur betreffen (vgl. Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Art. 84 Rn 13; Lerche, in: Maunz/Dürig, a.a.O., Rn 25). Allein dadurch, dass aufsichtsrechtliche Maßnahmen u.U. in die Entscheidungsfindung der Behörde einfließen, erlangt die Frage, "wer" das Aufsichtsrecht ausübt, keinen verfahrensrechtlichen Charakter. Die Anordnung einer bestimmten Gliederung des Behördenaufbaus mit Aufsichtsrechten, die der gewählten Struktur folgen, stellt eine dieser Hierarchie wesensimmanente behördenorganisatorische Regelung dar (vgl. auch §§ 12, 13 des Landes"organisations"gesetzes NRW). Hier handelt es sich nicht um "verwaltungsinterne Mitwirkungs- und Kontrollvorgänge in ihrem Ablauf", da lediglich die Frage geregelt wird, "wer" die Aufsichtsbefugnisse ausübt, nicht hingegen "wie" diese Aufsicht im Einzelnen beschaffen ist. Der Begriff des Verwaltungsverfahrens und die Zuordnung von Regelungen zu einem der in Art. 84 GG genannten Bereiche sind nicht starr, sondern Wandlungen unterworfen. Diese ergeben sich aus der Veränderung der Staatsaufgaben im Bereich der Verwaltung und der erforderlichen Mittel zu ihrer Bewältigung (BVerfG, Urteil vom 10.12.1980, 2 BvF 3/77 = BVerfGE 55, 274). Treffen Landesgesetzgeber eine Regelung "zur Einrichtung von Behörden" und wird hierdurch – wie beim hierarchischen Aufbau der Behörde – ein korrespondierendes verfahrensmäßiges Verhalten der Behörde erzwungen, so kommt dieser Ausstrahlung in der abgrenzenden Differenzierung zum "Verfahrensrecht" allenfalls eine untergeordnete, nicht hingegen eine wesentliche, begriffsbestimmende Bedeutung zu. Um eine "verfahrensrechtliche" Regelung i.S.v. Art. 84 GG annehmen zu können, darf eine gesetzliche Bestimmung nicht lediglich, quasi reflektorisch, irgendein Handeln einer Behörde vorsehen, sondern muss das Verfahren hierfür konkret festlegen (vgl. für Normen, die einen materiell-rechtlichen Anspruch gewähren und damit ein Handeln der Behörde erzwingen: BVerfG, Urteil vom 08.04.1987, 2 BvR 909/82 u.a. = BVerfGE 75, 108 ff.). Die Differenzierung zwischen dem Begriff der "Einrichtung der Behörden" und dem "Verwaltungsverfahren" i.S.v. Art 84 GG wäre konturenlos und hinfällig, wenn jede – von den Ländern vorgenommene – hierarchische Einrichtung von Behörden wegen der dieser immanenten Aufsichtsvorgänge gleichzeitig als Verfahrensregelung angesehen würde.
Die hier getroffene Auslegung findet ihre Stütze bei teleologischer und historischer Betrachtung der Regelung des Art. 125b GG. Die Differenzierung in der Regelungskompetenz der Länder im Bereich der Einrichtung von Behörden einerseits (Abweichungskompetenz sofort) und im Bereich des Verwaltungsverfahrens andererseits (Abweichungskompetenz erst ab 01.01.2009) ist nur dann sinnvoll, wenn es einen praktischen Anwendungsbereich gibt, in dem die Länder tatsächlich Behörden einrichten können. Würde man bei einer Aufgabenzuweisung an andere Behörden als die bisherigen in jedem Fall annehmen, dass die (Neu)Organisation einer hierarchischen Behördenstruktur gleichzeitig auch als Verfahrensregelung zu gelten hat, so würde die in Art. 84, 125b GG vorgesehene Ermächtigung der Bundesländer, Behörden neu einzurichten, weitgehend leer laufen. Eine solche enge Auslegung des Begriffs des Verfahrensrechts i.S.v. Art. 84, 125b GG lässt sich aus der gesetzgeberischen Motivation, die der Differenzierung in Art. 125b GG zugrunde lag, nicht herleiten. Die zeitliche Einschränkung des Art. 125b GG im Bereich des Verfahrensrechts sollte dem Bund eine Überprüfung des bisherigen Normenbestandes und ggf. eine Neuregelung des Verwaltungsverfahrens ohne Abweichungsmöglichkeit nach Art. 84 Abs. 1 S. 3 GG vor dem Wirksamwerden des Abweichungsrechts der Länder ermöglichen (BT-Drs. 16/813, S. 21; BR-Drs. 178/06, S. 52). Es ist aus dem Gesetzgebungsverfahren weder ersichtlich noch eine Notwendigkeit dafür erkennbar, dass der Bundesgesetzgeber mit der Regelung der zeitlichen Einschränkungen in quasi allen Fällen der (hierarchischen) Umgestaltung von Behörden durch die Länder eingreifen wollte bzw. können sollte. Eine solch enge und mit dem Begriff der Einrichtung von Behörden stark verzahnte Auslegung des Begriffs des Verfahrensrechts i.S.v. Art. 84 GG widerspräche auch den erklärten Zielen der Föderalismusreform. Ausdrücklich wurde im Jahr 2003 eine gemeinsame Kommission von Bundesrat und Bundestag mit dem Ziel eingesetzt, die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit von Bund und Ländern zu verbessern, die politischen Verantwortlichkeiten deutlicher zuzuordnen sowie die Zweckmäßigkeit und Effizienz der Aufgabenerfüllung zu steigern. Erreicht werden sollte eine Entflechtung von Zuständigkeiten und eine damit einhergehende Stärkung der Eigenständigkeit von Bund und Ländern sowie eine Ausweitung des Gestaltungsspielraums der jeweiligen Ebenen in Gesetzgebung und Verwaltung (BT-Drs. 16/813). Würde man den Bereich des Verwaltungsverfahrens in jedem Fall eines hierarchischen Behördenaufbaus allein aufgrund einer Reflexwirkung der Aufsichtsregelung heraus als eröffnet ansehen, so würde dies nicht die gewünschte Entflechtung von Zuständigkeiten bewirken, sondern vielmehr die Zuständigkeiten von Land und Bund enger miteinander verknüpfen. Dies gilt nicht nur für den Übergangszeitraum, in dem Art. 125b GG den Landesgesetzgebern uneingeschränkt Möglichkeiten zur freien Einrichtung von Behörden, nicht jedoch bereits zur Regelung des Verwaltungsverfahrens ermöglicht. Eine enge Verzahnung der beiden Begriffe würde vielmehr auch für die Zeit ab 01.01.2009 die mit der Föderalismusreform beabsichtigte Entflechtung der Zuständigkeiten von Bund und Ländern weiter hindern, weil der Bund dann über die Regelung des Art. 84 Abs. 1 S. 5 GG unter den dort genannten Voraussetzungen in allen Fällen eines hierarchischen Behördenaufbaus Regelungen ohne Abweichungsmöglichkeiten für die Länder treffen könnte.
Auch die Bestimmung in § 4 ErrG, nach der "Beamte und Angestellte der Versorgungsverwaltung für ihre Aufgaben besonders geeignet sein müssen", ist eine Vorschrift, die die Einrichtung der Behörden, nicht aber das Verwaltungsverfahren betrifft und von der das Land NRW mit dem Straffungsgesetz folglich gem. Art. 84, 125b GG abweichen durfte. Dies gilt bereits deshalb, weil eine Behörde nicht isoliert errichtet werden kann, sondern durch die dort Beschäftigten konstituiert und erst durch diese handlungsfähig wird. Die Vorbildung, Ausbildung und Beurteilung des Personals sowie die personelle Besetzung einer Behörde ist demzufolge allein der Einrichtung dieser Behörde, nicht hingegen dem Verwaltungsverfahren zuzuordnen (Hennecke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, a.a.O., Art. 84 Rn 13). Es liegen im Übrigen auch derzeit keine konkreten Gesichtspunkte dafür vor, dass die sachgerechte Erledigung des sich aus der Bundesgesetzgebung ergebenden Aufgabenbestandes, insbesondere die Sicherstellung einer hoch qualifizierten Versorgung der Kriegsopfer, durch die Übertragung dieser Aufgaben von bisher elf Versorgungsämtern auf die beiden Landschaftsverbände zukünftig nicht mehr gewährleistet ist. Die personalrechtlichen Maßnahmen in §§ 9 bis 22 des Straffungsgesetzes stellen sicher, dass die fachliche Qualität der Versorgungsverwaltung im Sozialen Entschädigungsrecht weiterhin durch Verwendung entsprechend ausgebildeter, in der Versorgungsverwaltung und im Versorgungsrecht kompetenter Bediensteter durchgeführt wird.
Der Landesgesetzgeber hat mit der Kommunalisierung der Versorgungsverwaltung auch nicht gegen § 71 Abs. 5 SGG verstoßen. Nach dieser Vorschrift werden das Landesversorgungsamt bzw. die Stelle, der dessen Aufgaben übertragen worden sind, in den Fällen als Prozessvertreter bestimmt, in denen das Land selbst Beklagter ist. Der Gesetzgeber hat hier in dem ab dem 03.03.1953 geltenden SGG konsequent auf die im bereits bestehenden KOV-ErrG vorgegebene Behördenstruktur zurückgegriffen (LSG NRW, Urteil vom 31.01.2001, L 10 VS 28/00). Der Inhalt des § 71 Abs. 5 SGG beschränkt sich jedoch allein darauf, die Prozessvertretung eines Bundeslandes für den Fall, dass es Beklagter eines sozialgerichtlichen Rechtsstreits ist, festzulegen. Ein weiterer, die Zuständigkeit bestimmender Regelungsgehalt kommt dieser Vorschrift, die allein die allgemeinen prozessrechtlichen Voraussetzungen betrifft, nicht zu. Insbesondere ist hier keine materielle Garantie dergestalt beinhaltet, dass bisherige Verwaltungsstrukturen der Länder betreffend den Bereich der Kriegsopferversorgung beizubehalten seien. § 71 Abs. 5 SGG kann demzufolge auch nicht als ein Instrument zur Koordinierung der Versorgungsverwaltung in den Bundesländern verstanden werden (so auch LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 19.02.2004, L 7 (5) SB 8/02). Im Übrigen zeigt auch die vom Bundesgesetzgeber vorgenommene Änderung des § 71 Abs. 5 SGG mit Wirkung zum 02.01.2002 im Anschluss an die Entscheidungen des Bundessozialgerichts zur Prozessfähigkeit der Bezirksregierung (BSG, Urteil vom 12.06.2001, B 9 V 5/00 R = BSGE 88, 153; Urteil vom 07.11.2001, B 9 SB 1/01 R), dass diese prozessrechtliche Vorschrift Änderungen in der Verwaltungsstruktur der Länder angepasst wird und der Bundesgesetzgeber nicht von einem feststehenden Konzept der Verwaltungsstrukturen ausgeht.
Die im Straffungsgesetz erfolgte Aufgabenübertragung im Bereich der Kriegsopferversorgung auf die Landschaftsverbände steht im Einklang mit der Landesverfassung NRW. In Art. 78 Abs. 3 der Landesverfassung wird das Land ausdrücklich ermächtigt, die Gemeinden und Gemeindeverbände durch gesetzliche Vorschriften – wie hier durch das Straffungsgesetz – zur Übernahme und Durchführung bestimmter öffentlicher Aufgaben zu verpflichten, sofern gleichzeitig Bestimmungen über die Deckung der Kosten getroffen werden. Letzteres ist mit § 23 des Straffungsgesetzes geschehen. Ob der hier geregelte Belastungsausgleich zutreffend bemessen ist, hat der Senat ebenso wenig zu entscheiden, wie die Frage, ob der Landesgesetzgeber die mit der Zuständigkeitsverlagerung verbundenen personalrechtlichen Maßnahmen (Art. 1, Abschnitt II Straffungsgesetz) zutreffend geregelt hat (vgl. hierzu OVG NRW, Beschlüsse vom 18.02.2008, 6 B 33/08 und 6 B147/08).
Der LVR ist gemäß § 70 Nr. 1 SGG beteiligtenfähig. Er wird nach § 17 Landschaftsverbandsordnung NRW durch den Direktor vertreten und ist damit gemäß § 71 Abs. 3 SGG prozessfähig. Die Vorschrift des § 71 Abs. 5 SGG findet nach der Neuregelung der Zuständigkeiten im Straffungsgesetz in Verfahren der Kriegsopferversorgung, in denen der Beklagte jetzt ein Kommunalverband und nicht mehr das Land NRW ist, keine Anwendung (vgl. hierzu oben).
Die danach insgesamt zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen und die angefochtenen Bescheide des Beklagten bestätigt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf höhere Versorgung. Weder haben sich die anerkannten Schädigungsfolgen verschlimmert noch sind weitere Schädigungsfolgen anzuerkennen. Dies hat das SG mit ausführlicher Begründung, insbesondere unter differenzierter Auseinandersetzung mit dem Gutachten des Dr. W vom 25.05.2006 und von Dr. C vom 29.12.2006 ausgeführt. Auch der Senat ist nach den zutreffenden Darlegungen des Dr. W davon überzeugt, dass die MdE angemessen mit 80 v.H. bewertet ist. Das auf Antrag des Klägers eingeholte Gutachten des Dr. C und dessen Schlussfolgerungen sind auch für den Senat nicht nachvollziehbar. Der Sachverständige beschränkt sich in seinem Gutachten darauf, alle bestehenden Gesundheitsstörungen des orthopädischen Fachgebiets festzustellen und sie ohne eine differenzierte Bewertung pauschal als unmittelbare und mittelbare Schädigungsfolge zu qualifizieren. Insoweit belässt er es bei einem schlichten Hinweis auf die biomechanische Literatur, die er nicht einmal konkret anführt. Gleichermaßen pauschal bewertet der Sachverständige die MdE mit "allemal" 100 v.H. Zu bedenken ist auch, dass Dr. C in seinem Gutachten – obwohl ausdrücklich danach befragt – nicht dazu Stellung nimmt, ob in den Verhältnissen seit dem Bewilligungsbescheid vom 26.04.1999 – und nur darauf kommt es in diesem Rechtsstreit an – eine Verschlimmerung der Schädigungsfolgen eingetreten ist. Das Gutachten des Dr. C ist danach nicht geeignet, die Feststellungen des Dr. W in Zweifel zu ziehen. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision als gegeben angesehen, weil er der Frage, ob der Landesgesetzgeber ab 01.01.2008 die Aufgaben der Kriegsopferversorgung auf die Landschaftsverbände übertragen durfte, grundsätzliche Bedeutung beimisst (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Erstellt am: 18.03.2008
Zuletzt verändert am: 18.03.2008