Die Beschwerden der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 29.09.2006 werden zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt M für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe:
Die zulässigen Beschwerden, denen das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Nichtabhilfeentscheidung vom 02.11.2006), werden zurückgewiesen.
Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gegen die leistungsrechtliche Berücksichtigung des von T I seit April 2006 unstreitig erzielten Erwerbseinkommens. Mit Bescheid vom 06.03.2006 hatte die Antragsgegnerin der in Bedarfsgemeinschaft mit ihren Kindern E (geb. 00.00.2002), T (geb. 00.00.2003) und T I lebenden Antragstellerin für die Zeit vom 01.04. bis 30.09.2006 monatlich Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) in Höhe von monatlich 948,00 EUR bewilligt.
Mit dem im Hauptsacheverfahren (S 27 AS 282/06 SG Dortmund) angefochtenen Bescheid vom 08.05.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.07.2006 rechnet die Antragsgegnerin das von Herrn I erzielte Einkommen gemäß §§ 11, 30 SGB II an und berücksichtigt die Geburt des Kindes K am 00.00.2006. Die Höhe der monatlich zustehenden Leistung wird für April 2006 auf 1015,13 EUR für Mai 2006 auf 199,10 EUR und für Juni bis einschließlich September 2006 auf 136,00 EUR festgesetzt.
Soweit sich die Antragstellerin gegen die Aufhebung der Leistungsbewilligung in der Zeit bis 30.09.2006 wendet, handelt es sich somit um ein Rechtsschutzbegehren nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Danach kann das Gericht in der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise in den Fällen anordnen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben. Die Anfechtungsklage hat gemäß § 86a Abs. 1 und Abs. 2 Ziffer 4 SGG keine aufschiebende Wirkung. Denn es handelt sich um einen durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fall des Entfallens der aufschiebenden Wirkung: Nach § 39 SGB II hat die Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheidet, keine aufschiebende Wirkung. Zur Überzeugung des Senats erfasst § 39 Nr. 1 SGB II sämtliche belastende Entscheidungen, die sich auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende beziehen, und damit auch Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide (Beschluss des erkennenden Senats vom 31.03.2006 – L 19 B 15/06 AS ER; Beschluss des 20. Senats des LSG NRW vom 26.07.2006 – L 20 B 144/06 AS ER m.w.N.).
Die Erfolgsaussicht dieses Antrages richtet sich nach dem Ergebnis einer Interessenabwägung zwischen dem privaten Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und dem Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung. Hierbei sind neben einer allgemeinen Abwägung der Folgen bei Gewährung bzw. Nichtgewährung des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache von Bedeutung. Dabei kann nicht außer Acht gelassen werden, dass das Gesetz mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung in § 39 SGB II dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides grundsätzlich Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung einräumt.
Für die Zeit ab 01.10.2006 richtet sich die Entscheidung des Antrags nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG. Danach sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen, § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO).
Zur Überzeugung des Senats sind beide vorstehend genannte Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung vorliegend nicht erfüllt. Hinsichtlich der begehrten Anordnung der aufschiebenden Wirkung spricht nach Auffassung des Senats mehr für eine Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids vom 08.05.2006. Hinsichtlich der begehrten Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG fehlt es an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches, d.h. einer Rechtsposition, deren Durchsetzung im Hauptsacheverfahren möglich ist.
Auch zur Überzeugung des Senats hat die Antragstellerin weder durch ihren Vortrag noch durch die vorgelegte eidesstattliche Versicherung vom 04.08.2006 die für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 Ziffer 3c SGB II sprechenden Indizien entkräftet.
Auch der Senat misst in diesem Zusammenhang dem Umstand gewichtige Bedeutung bei, dass sich die Antragstellerin und Herr I bis zu der Einkommensanrechnung nach einer erneuten Arbeitsaufnahme im April 2006 wie eine nichteheliche Lebensgemeinschaft verhalten haben bzw. sich als solche haben behandeln lassen. So hat die Antragstellerin zusammen mit Herrn I am 04.11.2005 – zu einem Zeitpunkt also, in dem dieser auch Leistungen nach dem SGB II bezogen hat – in der Dienststelle I vorsprochen und erklärt hat, ab dem 07.11.2005 werde "ihr Lebensgefährte", mit in ihre Wohnung ziehen. Aus diesem Grunde würden sich die Nebenkosten erhöhen. Sie bitte, die Leistungen neu zu berechnen. Diese Erklärung ist von der Antragstellerin und von Herrn I unterzeichnet. In der Folgezeit haben sich die Antragstellerin und Herr I nicht gegen eine leistungsrechtliche Behandlung als eheähnliche Partner gewehrt. Im Dezember hat die Antragstellerin ausweislich des Akteninhalts bei der Antragsgegnerin angerufen und mitgeteilt, ihr Lebensgefährte habe eine Arbeitsstelle gefunden. Am 09.02.2006 hat sie persönlich den aktuellen Verdienstnachweis ihres Partners bei der Antragsgegnerin vorbeigebracht. Die mit Bescheid vom 09.02.2006 vollzogene Einkommensanrechnung im Monat März 2006 wurde von der Antragsgegnerin nicht angefochten.
Vor allem spricht aber die Geburt des gemeinsamen Kindes K I am 00.00.2006 für das Bestehen einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft. Darüber hinaus gibt es auch einen Anhalt dafür, dass Herr I sich um die beiden von der Antragstellerin mit in die Beziehung eingebrachten Kinder E (geb. 00.00.2002) und T (geb. 00.00.2003) kümmert. Denn immerhin findet sich in der BewA der Antragstellerin ein Vermerk vom 22.02.2006, wonach der Arbeitgeber, der Herrn I mit Schreiben vom 23.02.2006 fristlos gekündigt hat, telefonisch erklärt hat, Herr I habe eine nicht angemessene Arbeitshaltung. Er wolle morgens um 8.00 Uhr erst seine Tochter in den Kindergarten bringen und um 16.00 Uhr pünktlich Feierabend machen. Diese Aussage kann sich nur auf T beziehen, deren leiblicher Vater Herr I nicht ist.
An der vorstehenden Wertung ändert der Umstand nichts, dass die Antragstellerin und Herr I – nach der eidesstattlichen Versicherung der Antragstellerin vom 04.08.2006 – kein gemeinsames Bankkonto unterhalten. Der Hinweis "ob wir dauerhaft oder auch nur langfristig zusammenleben, ist noch gar nicht abzusehen." spricht nicht gegen das Vorliegen einer auf Dauer angelegten Partnerschaft.
Die Antragstellerin überinterpretiert die Rechtsprechung des erkennenden Senats, wenn sie geltend macht, sie lebe erst seit November 2005 mit Herrn I zusammen und dies sei ein eindeutiges Anzeichen dafür, dass keine eheähnliche Gemeinschaft vorliege. Denn der Senat hat lediglich entschieden, dass regelmäßig die Dauer des Zusammenlebens von drei Jahren als Hinweistatsache für das Vorliegen einer auf Dauer angelegten Gemeinschaft zu fordern ist, "soweit nicht gewichtige andere Hinweistatsachen eine andere Gesamtwürdigung bedingen". Als solche kämen grundsätzlich eine gemeinsame langfristige Vermögensdisposition der Partner oder die Betreuung gemeinsamer Kinder in einem gemeinsamen Haushalt in Betracht. Der erkennende Senat hat sich ausdrücklich der Rechtsprechung des BSG angeschlossen, dass die dreijährige Dauer der Beziehung nicht als absolute zeitliche Mindestgrenze zu verstehen ist (siehe dazu ausführlich den von der Antragstellerin angeführten Beschluss des Senats vom 17.02.2006 – L 19 B 85/05 AS ER).
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorauszusetzende hinreichende Erfolgsaussicht des einstweiligen Rechtsschutz- bzw. Beschwerdeverfahrens im Sinne des § 73a SGG in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) ist aus vorstehenden Gründen nicht gegeben. Die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe im erstinstanzlichen Verfahren ist deshalb unbegründet und die Bewilligung für das Beschwerdeverfahren abzulehnen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 28.11.2006
Zuletzt verändert am: 28.11.2006