Der Bescheid vom 24.02.2016 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23.05.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2016 wird teilweise aufgehoben. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum Mai bis August 2016 weitere Kosten der Unterkunft in Höhe von insgesamt 306,00 EUR zu gewähren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Der Beklagte hat die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, in welcher Höhe dem Kläger Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Monate Mai bis August 2016 zustehen.
Der 1992 geborene Kläger steht seit September 2015 im laufenden Leistungsbezug beim Beklagten. Er bewohnt eine 56,93 m² große Wohnung in Dortmund. Die monatlichen Kosten belaufen sich seit März 2016 auf 460,79 EUR Kaltmiete, 109,00 EUR Betriebskosten und 41,00 EUR Heizkosten. Bereits mit Schreiben vom 13.10.2015 forderte der Beklagte den Kläger auf, die Bruttokaltmiete auf 352,50 EUR zu senken. Nach Ablauf von sechs Monaten werde er nur noch angemessene Mietaufwendungen berücksichtigen. Mit Bescheid vom 24.02.2016 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen von Mai bis August 2016 in Höhe von monatlich 806,79 EUR. Hinsichtlich der Kosten der Unterkunft legte der Beklagte eine Kaltmiete in Höhe von 243,50 EUR zugrunde und – unverändert – Betriebskosten in Höhe von 109,00 EUR und Heizkosten in Höhe von 41,00 EUR. Mit Änderungsbescheid vom 23.05.2016 wurde zusätzlich ein Zuschuss zur privaten Krankenversicherung in Höhe von monatlich 315,52 EUR und zur privaten Pflegeversicherung in Höhe von 18,40 EUR berücksichtigt. Der Kläger legte am 03.03.2016 Widerspruch ein. Auch ab Mai 2016 seien die vollen Kosten der Unterkunft zu übernehmen.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30.05.2016 als unbegründet zurück. Die Ermittlung der Angemessenheitsgrenzen beruhe auf dem Konzept der Stadt Dortmund, welches für einen 1-Personen-Haushalt einen Wohnraum von 50 m² zugrunde lege. Hinsichtlich der Bruttokaltmiete liege Angemessenheit vor, wenn sie im unteren Bereich der für vergleichbare Wohnungen am Ort des Hilfesuchenden marktüblichen Wohnungsmieten liege. In Dortmund sei bei Wohnungen bis zu 50 m² eine Nettokaltmiete von 5,24 EUR / m² als angemessen zugrunde zu legen. Unter Hinzurechnung abstrakter Betriebskosten in Höhe von 1,81 EUR / m² ergebe sich als Produkt aus der angemessenen Quadratmeterzahl und dem angemessenen Quadratmeterpreis ein Betrag von 352,50 EUR. Die Kosten seien so bemessen, dass Leistungsbezieher nach dem Dortmunder Mietspiegel Wohnungen bis zur Ausstattungsklasse 2 und bis zur Baualtersklasse 1970 bis 1977 (modernisiert) anmieten könnten.
Der Kläger hat am 28.06.2016 Klage erhoben.
Ein Umzug stelle für ihn eine besondere Härte dar, weil er sein gesamtes bisheriges Leben in dem Haus in der F-straße verbracht habe. Entsprechend seien sein soziales Umfeld und seine persönlichen Kontakte geprägt. Darüber hinaus leide er unter Angstzuständen. Im Stadtteil I sei kein angemessener Wohnraum verfügbar, so dass ein Wohnungswechsel für ihn auch mit einem Wechsel in einen anderen Stadtteil einhergehen würde.
Der Kläger hat den Streitgegenstand auf die Kosten für Unterkunft und Heizung beschränkt und beantragt, den Bescheid vom 24.02.2016 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23.05.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2016 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung von Mai bis August 2016 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Festsetzung der angemessenen Unterkunftskosten erfolge aufgrund der Konzeption der Stadt Dortmund als kommunaler Träger nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB II zur Angemessenheit der Kosten der Unterkunft nach § 22 SGB II – Auswertungsjahr 2013. Wegen der weiteren Einzelheiten werde auf das Konzept Bezug genommen.
Einer Befragung seines behandelnden Arztes im Hinblick auf die von dem Kläger geltend gemachten Angstzuständen seitens des Gerichts hat der Kläger – trotz Hinweis auf seine Mitwirkungspflichten – nicht zugestimmt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen des weitergehenden Sach- und Streitstandes wird auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten sowie auf die Gerichtsakte verwiesen. Der Inhalt sämtlicher Akten ist Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Mit Einverständnis der Beteiligten ergeht das Urteil ohne mündliche Verhandlung, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Übernahme seiner tatsächlichen Bruttowarmmiete in Höhe von 610,79 EUR und hat eine zulässige Begrenzung des Streitgegenstandes auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung vorgenommen (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.2016 – B 4 AS 12/15 R m.w.N. – juris). Den Streitgegenstand des Verfahrens bildet nun alleine die Frage, ob der Beklagte weitere Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 869,16 EUR (610,79 EUR tatsächliche Aufwendungen – 393,50 EUR mit Bescheiden vom 24.02.2016 und 23.05.2016 bewilligte Leistungen = 217,29 EUR monatlich) für den Zeitraum vom Mai bis August 2016 zu übernehmen hat.
Die Klage ist zulässig und teilweise begründet; der Kläger ist teilweise beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG. Der Bescheid vom 24.02.2016 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23.05.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2016 ist hinsichtlich der Höhe der Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II teilweise rechtswidrig. Dem Kläger steht gegenüber dem Beklagten ein Anspruch auf Übernahme weiterer Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von (4 x 76,50 EUR =) 306,00 EUR im Zeitraum Mai bis August 2016 zu. Er hat jedoch keinen Anspruch auf Übernahme seiner tatsächlichen Aufwendungen.
Rechtsgrundlage für die Übernahme der Unterkunftskosten für den Kläger, der die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II unstreitig erfüllt, ist § 22 Abs. 1 SGB II. Hiernach werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe erbracht, soweit diese angemessen sind. Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle (vgl. BSG, Urteil vom 16.06.2015 – B 4 AS 44/14 R – juris). Zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze ist auf einer ersten Stufe eine abstrakte und auf einer zweiten Stufe eine konkret-individuelle Prüfung vorzunehmen (vgl. BSG, Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 77/12 R – juris). Auf der ersten Stufe wird überprüft, ob die tatsächlichen Aufwendungen des Leistungsberechtigten für seine Unterkunft dem entsprechen, was für eine nach abstrakten Kriterien als angemessen anzusehende Wohnung auf dem maßgeblichen Wohnungsmarkt aufzubringen ist (abstrakte Angemessenheit). Übersteigen die tatsächlich aufzubringenden Wohnkosten die abstrakt ermittelte Referenzmiete, ist auf der zweiten Stufe zu überprüfen, ob eine Wohnung, die den abstrakten Kriterien entspricht, für den Leistungsberechtigten auf dem Wohnungsmarkt tatsächlich verfügbar und konkret anmietbar ist, es ihm also konkret möglich ist, die Kosten seiner Unterkunft auf das abstrakt angemessene Maß zu senken (konkrete Angemessenheit) (vgl. LSG NRW, Urteil vom 12.12.2016 – L 19 AS 1357/16, Rn. 21 – juris).
Zur Konkretisierung der (abstrakten) Angemessenheitsgrenze wird in einem ersten Schritt die abstrakt angemessene Wohnungsgröße bestimmt. Sodann ist der maßgebliche örtliche Vergleichsraum festzulegen und zu prüfen, ob der Leistungsträger bei der Festlegung der abstrakten Angemessenheitsgrenze einen angemessenen einfachen Wohnungsstandard zugrunde gelegt hat. Sodann ist durch Datenerhebung und Datenauswertung seitens des kommunalen Trägers zu ermitteln, wieviel pro m² Wohnfläche bei angemessenem einfachem Wohnungsstandard und angemessener Wohnungsgröße auf dem Wohnungsmarkt des maßgeblichen Vergleichsraumes zu zahlen ist (sog. Referenzmiete). Angemessen ist eine Wohnung nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist (sog. Produkttheorie, vgl. BSG, Urteil vom 16.06.2015 – B 4 AS 44/14 R – juris).
Der Beklagte verfügt über kein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der abstrakt angemessenen Referenzmiete. Ein Konzept ist ein planmäßiges Vorgehen des Grundsicherungsträgers im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum (BSG, Urteil vom 22.09.2009 – B 4 AS 18/09 R, Rn. 19 – juris). Von der Schlüssigkeit eines Konzepts ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auszugehen, sofern die folgenden Mindestvoraussetzungen erfüllt sind: Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen. Es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, Art und Weise der Datenerhebung müssen festgelegt, der Umfang der einbezogenen Daten repräsentativ, die Datenerhebung valide, mathematisch-statistische Grundsätze der Datenauswertung eingehalten und die gezogenen Schlüsse müssen angegeben sein.
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Stadt Dortmund hat in Zusammenarbeit mit der Wohnungswirtschaft, den örtlichen Mietervereinen und der Kommunalpolitik Kriterien zur Bestimmung der Angemessenheit von Unterkunftskosten festgelegt. Hierbei wurden Höchstgrenzen für die monatliche Nettokaltmiete bestimmt. Diese betragen 5,24 EUR / m² für Wohnungen bis 50 m² (siehe: Konzeption der Stadt Dortmund als kommunaler Träger nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB II zur Angemessenheit der Kosten der Unterkunft nach § 22 SGB II – Auswertungsjahr 2013, S. 1.). Der Beklagte hat dem Gericht erläutert, dass diese Festlegung dergestalt erfolgte, dass die Kommune noch zu Zeiten des Bundessozialhilferechts durch Absprache mit Mietervereinigungen und Interessenverbänden einen Wert von 9,50 Deutsche Mark austariert habe, da bei diesem Wert gesichert sei, dass bestehende Mietverhältnisse geschützt würden. Dabei sei auch der Dortmunder Mietspiegel aus dem Jahr 2002 berücksichtigt worden. Im Jahr 2005 sei für kleinere Wohnungen ein Zuschlag von 0,38 EUR / m² erfolgt, welcher dem Zuschlag für kleine Wohnungsgrößen aus dem Mietspiegel der Stadt Dortmund im August 2004 entspreche. Diese Werte seien jährlich durch kontinuierliche Wohnungsmarktbeobachtung überprüft worden. In den folgenden elf Jahren habe es jedoch keine Veranlassung gegeben, die Referenzmiete zu verändern. Das Gericht konnte nicht nachvollziehen, welche empirischen Erhebungen und systematischen Datenverarbeitungen der Festlegung seitens der Stadt Dortmund zugrunde liegen. Erhebungen und Auswertungen, die eine hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des Wohnungsmarktes im Jahr 2016 wiedergegeben werden, sind nicht vorhanden.
Eine nachträgliche Erhebung von Daten zur Entwicklung eines Konzeptes scheidet aufgrund des Zeitablaufs aus (BSG, Urteil vom 22.09.2009 – B 4 AS 18/09 R, Rn. 27 – juris).
Die Kosten der Unterkunft sind jedoch nicht völlig unbegrenzt zu übernehmen, sondern nur bis zur Höhe der Tabellenwerte zum Wohngeldgesetz (WoGG) in der jeweils maßgeblichen Fassung, auf die ein Sicherheitszuschlag von 10 % aufzuschlagen ist (BSG, Urteil vom 10.09.2013 – B 4 AS 4/13 R, Rn. 15 – juris). In dem streitigen Zeitraum galten die Tabellenwerte zu § 15 WoGG. Dortmund hatte die Mietstufe III, für eine Einzelperson war eine Höchstgrenze von 390,00 EUR maßgeblich. Demnach und zuzüglich eines Sicherheitszuschlags in Höhe von 10 % kann der Kläger monatlich 429,00 EUR Bruttokaltmiete beanspruchen. Heizkosten werden gesondert in tatsächlicher Höhe erbracht. Ein weitergehender Anspruch des Klägers auf Übernahme seiner tatsächlichen Unterkunftskosten ergibt sich nicht im Rahmen einer konkret-individuellen Prüfung. Entsprechende Besonderheiten des Einzelfalles hat der Kläger nicht vorgetragen oder – wie im Fall seiner geltend gemachten Angstzustände – einer Begutachtung seitens des Gerichts nicht zugestimmt. Gesundheitliche Gründe, die einen Umzug des Klägers unzumutbar machen könnten, sind demnach nicht feststellbar, denn nach dem Grundsatz der objektiven Beweis- und Feststellungslast sind die Folgen der Nichtaufklärbarkeit einer Tatsache von demjenigen zu tragen, der aus dieser Tatsache ein Recht herleiten will. Für nicht bewiesene, anspruchsbegründende Tatsachen trägt der die Leistung begehrende Kläger die Beweislast. Das Gericht teilt auch nicht die Auffassung, dass es einem 24jährigen Leistungsbezieher nicht zumutbar sei, seine Familie und seine Freunde aus einem anderen Stadtteil Dortmunds aus zu besuchen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger mit seinem Begehren teilweise unterlegen ist.
Erstellt am: 22.02.2018
Zuletzt verändert am: 22.02.2018