Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichtes Duisburg vom 07.02.2011 geändert. Den Antragstellern wird für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin L aus E beigeordnet.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde der Antragsteller ist begründet. Das Sozialgericht (SG) hat den Antrag der Antragsteller auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Hinweis auf eine mangelnde Erfolgsaussicht des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu Unrecht abgelehnt.
Nach § 73a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit den §§ 114, 115 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Diese Voraussetzungen sind gegeben. Dem mit Schriftsatz vom 21.12.2010 gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Zustimmung zum Umzug in eine größere Wohnung konnte nicht von vornherein eine hinreichende Erfolgsaussicht abgesprochen werden. Die Antragsteller hatten zum Zeitpunkt der Entscheidung des SG nach summarischer Prüfung sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob nach einem Umzug Gegenstand einer Klage allein die Gewährung der tatsächlichen Kosten der neuen Unterkunft sein kann. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des SG war ein Umzug der Antragsteller noch nicht erfolgt. Durch die Geburt des zweiten Kindes dürfte eine Umzugsnotwendigkeit aus der bisherigen 62 qm großen Wohnung (vorbehaltlich der weiteren Abklärung im Hauptsacheverfahren) gegeben sein. Ob die Unterkunftskosten für die 90 qm große Wohnung die Miethöchstgrenze überschreitet, wie von dem Antragsgegner behauptet, bedarf noch weiterer Ermittlungen, die jedoch nicht im einstweiligen Verfahren, sondern im Hauptsacheverfahren durchzuführen sind. Insbesondere wird im Hauptsacheverfahren zu überprüfen sein, ob der Antragsgegner hinsichtlich der Bestimmung der Referenzmiete über ein schlüssiges Konzept verfügt. Sofern dies nicht der Fall sein sollte, käme eine Bestimmung nach § 12 WoGG in Betracht. Danach ergäbe sich unter Berücksichtigung der rechten Spalte des § 12 WoGG bei einer vierköpfigen Familie und der Mietenstufe 3 (Stadt E) ein Betrag in Höhe von 556,00 Euro. Die tatsächliche Grundmiete (380,00 Euro) einschließlich der Betriebskosten (150,00 Euro) unterschreitet diesen Betrag.
Aufgrund der von den Antragstellern glaubhaft gemachten Wohnsituation war auch ein Anordnungsgrund nicht von vorneherein ausgeschlossen. Insbesondere war es den Antragstellern im Hinblick auf die Geburt des zweiten Kindes nicht zumutbar, die Entscheidung in der Hauptsache vor Durchführung eines Umzuges abzuwarten. Zwar ist die Zusicherung nicht Voraussetzung für die Übernahme der tatsächlichen Kosten gemäß § 22 Abs. 1 SGB II nach einem Umzug. Ist der Umzug erforderlich und sind die Kosten der neuen Unterkunft angemessen, sind diese Kosten vom Leistungsträger auch dann zu zahlen, wenn eine Zusicherung nicht vorliegt. Das in § 22 Abs. 2 SGB II (jetzt § 22 Abs. 4 SGB II) normierte Zusicherungsverfahren ist für den späteren Leistungsanspruch nicht konstitutiv. Es hat allein eine Aufklärungs- und Warnfunktion (Berlit in LPK-SGB II, 3. Auflage 2009, § 22 Rn. 79). Dieser Gesichtspunkt rechtfertigt jedoch nicht die Verneinung einer Eilbedürftigkeit (anderer Auffassung LSG NRW, Beschluss vom 17.01.2011, L 6 AS 1914/10 B ER). Denn bei Vorliegen der Voraussetzungen des damals anzuwendenden § 22 Abs. 2 SGB II besteht ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Zusicherung zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft. Dieser Anspruch besteht jedoch nur bezogen auf ein konkretes Wohnungsangebot, sodass die Wohnung nach Ablauf eines etwaigen Hauptsacheverfahrens anderweitig vergeben sein dürfte.
Zur Überzeugung des Senats ist es Leistungsberechtigten unter Berücksichtigung des Gebots des effektiven Rechtsschutzes bei einer Umzugsnotwendigkeit nicht zumutbar, auf eigenes Kostenrisiko umzuziehen, ohne dass die Frage der Kostenübernahme (zumindest vorläufig) geklärt worden ist. Zwar kann im Hauptsacheverfahren die zuständige Behörde auch ohne vorherige Zusicherung verurteilt werden, die Kosten für die neue Wohnung rückwirkend zu übernehmen, wenn diese angemessen ist. In der Zwischenzeit müsste aber der Leistungsberechtigte bzw. die Leistungsberechtigte den vom Leistungsträger nicht übernommenen Teil der Miete selbst aufbringen, um eine Kündigung der neuen Wohnung durch den Vermieter aufgrund von Mietrückständen zu vermeiden. Dies dürfte dem Leistungsberechtigten bzw. der Leistungsberechtigten je nach Höhe des selbst aufzubringenden Mietanteils im Hinblick auf die Dauer des Hauptsacheverfahrens nicht möglich sein.
Eine (endgültige) Sicherheit, dass der Leistungsträger dauerhaft die Kosten der neuen Wohnung in voller Höhe zu übernehmen hat, ist durch die Entscheidung im Eilverfahren nicht gegeben. Denn im Eilverfahren wird grundsätzlich keine abschließende Entscheidung getroffen. Im Falle einer rechtskräftigen Klageabweisung hätten die Antragsteller das Kostenrisiko für die neue Wohnung letztlich doch zu tragen hat, worauf das SG im angefochtenen Beschluss zu Recht hingewiesen hat.
Hinsichtlich der gegen die Ablehnung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung eingelegten Beschwerde der Antragsteller bedurfte es keiner Entscheidung mehr. Die Antragsteller haben die diesbezügliche Beschwerde (L 7 AS 429/11 B ER) mit Schriftsatz vom 24.05.2011 in der Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem der neue Mietvertrag unter dem 17.03.2011 unterschrieben worden sowie der Umzug inzwischen größtenteils erfolgt ist und damit ein Anordnungsgrund nicht mehr vorliegt.
Die Antragsteller sind nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen gemäß § 73a SGG in Verbindung mit § 115 ZPO außerstande, die Kosten der Prozessführung aufzubringen. Die Prozesskostenhilfe ist daher ratenfrei zu bewilligen.
Im Prozesskostenhilfe-Beschwerdeverfahren sind außergerichtliche Kosten gemäß § 127 Abs. 4 ZPO nicht zu erstatten.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 16.06.2011
Zuletzt verändert am: 16.06.2011