Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 16.02.2006 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Der Antrag, den Antragstellerin für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten noch, ob den Antragstellern Leistungen nach § 2 Abs. 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) anstelle niedrigerer Leistungen nach § 3 AsylbLG zustehen.
Die Antragsteller sind Roma. Erstmals reisten die Antragstellerin zu 1. und ihr Ehemann, der Antragsteller zu 2., am 00.08.1991 nach Deutschland ein. Die gemeinsamen Kinder, die Antragsteller zu 3. und 4., wurden hier am 00.06.1994 bzw. am 00.06.2005 geboren.
Nach negativem Abschluss des Asyl- und des Asylfolgeverfahrens reisten die Antragsteller zu 1. und 2. mit dem damals schon geborenen Antragsteller zu 3. am 24.04.1996 aus Deutschland aus. Am 29.12.2000 reisten sie erneut nach Deutschland ein. Nach negativem Abschluss eines neuen Asylfolgeverfahrens entzogen sie sich der für den 11.07.2001 vorgesehenen Abschiebung durch Untertauchen und stellten in Norwegen einen Asylantrag. Am 17.10.2002 wurden sie aus Norwegen wieder nach Deutschland überstellt. Seither bezogen sie Leistungen nach § 1a AsylbLG; die entsprechenden Leistungsbescheide wurden nicht angefochten.
Seit Anfang 2003 ist der Antragsgegenerin bekannt, dass die Antragstellerin zu 1. an psychischen und physischen Erkrankungen leidet. U.a. ergab eine amtsärztliche Untersuchung eine schwere posttraumatische Belastungsstörung bei Suizidalität; ferner bestand erhebliches Untergewicht. Die Antragstellerin zu 1. wurde in der Folgezeit u.a. durch das Therapiezentrum für Folteropfer in L betreut. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 21.06.2004 (27 L 1448/04.A) wurde einstweilen angeordnet, eine Abschiebung der Antragstellerin zu 1. aufgrund einer zuvor ergangenen Abschiebungsandrohung nicht zu vollziehen. Mit Bescheid vom 07.02.2006 des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wurde für die Antragstellerin zu 1. hinsichtlich Mazedonien ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 des Aufenthaltsgesetzes festgestellt; eine vorherige Abschiebungsandrohung wurde aufgehoben.
Mit Schreiben vom 30.12.2005 legten die Antragsteller Widerspruch gegen den derzeit geltenden Bewilligungsbescheid ein und begehrten Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG; zugleich beantragten sie eine Überprüfung der bisherigen Leistungsgewährung nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. § 9 Abs. 3 AsylbLG.
Mit ihrem am 11.01.2006 beim Sozialgericht gestellten Antrag haben die Antragsteller die einstweilige Verpflichtung der Antragsgegnerin begehrt, ihnen Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG zu gewähren. Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 16.02.2006 die Antragsgegnerin einstweilen zur Erbringung von Leistungen nach § 3 AsylbLG ohne Anspruchsbeinschränkungen nach § 1a AsylbLG verpflichtet und im Übrigen den Antrag abgewiesen. Die gegen den am 20.02.2006 zugestellten Beschluss am 20.02.2006 eingelegte Beschwerde der Antragsteller hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 22.02.2006 nicht abgeholfen.
Der Antragstellerin zu 1. wurde im Verlaufe des Beschwerdeverfahrens unter dem 02.03.2006 eine Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz (AufenthaltG) erteilt. Die Antragsteller teilten in diesem Zusammenhang mit, die Antragstellerin zu 1. beziehe zwischenzeitlich Leistungen von der ARGE Wesel, bei denen es sich um Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) handeln dürfte. Ein Bescheid liege ihr noch nicht vor; die Höhe der ihr gewährten Leistungen liege unterhalb des Regelsatzes nach dem SGB II. Es beständen jedoch Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin zu 1. dauerhaft voll erwerbsgemindert sei. Für sie werde daher die Gewährung von Leistungen unmittelbar nach dem SGB XII ab Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 3 AufenthG beantragt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Antragsteller ist zulässig, aber nicht begründet.
1. Für die Antragstellerin zu 1. kommen seit Erteilung der Aufenthaltserlaubnis am 02.03.2006 schon deshalb keine Leistungen nach dem AsylbLG (und damit auch keine im Vergleich zu denen nach § 3 AsylbLG höheren Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG) in Betracht, weil Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG erteilt worden ist, nicht zum Kreis der nach § 1 Abs. 1 AsylbLG Leistungsberechtigten gehören (Gemeinschaftskommentar zum Asylbewerberleistungsgesetz GK-AsylbLG) Bd 1 – §1 Rz. 59). Gleichzeitig kommen – jedenfalls einstweilen – für die Antragstellerin zu 1. auch keine Leistungen unmittelbar nach dem SGB XII in Betracht. Denn sie hat – wie auch die zwischenzeitlich erfolgte Leistungsbewilligung nach dem SGB II zeigt – einstweilen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Der Bezug von Leistungen nach dem SGB II schließt jedoch nach § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB II Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII ausdrücklich aus. Eine entsprechende Regelung enthält auch § 21 Satz 1 SGB XII; danach erhalten Personen, die nach dem SGB II dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt mit Ausnahme von Leistungen nach § 34 SGB XII, soweit sie nicht nach § 22 Abs. 5 SGB II zu übernehmen sind. Wenn die Antragsteller dagegen vortragen, es beständen ausreichende Anhaltspunkte für eine dauerhafte volle Erwerbsminderung der Antragstellerin zu 1. (und damit gegen ihre Anspruchsberechtigung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 SGB II), weshalb sie Leistungen unmittelbar nach dem SGB XII begehre, so besteht jedenfalls kein Eilbedürfnis zur Klärung dieser Frage im Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes. Denn die Regelsatz-Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII entsprechen einander, so dass eine wirtschaftlich gleichwertige Absicherung für die Antragstellerin zu 1. in jedem Falle gewährleistet ist. Sollte hinsichtlich Grund und Höhe der Leistungen nach dem SGB II Streit bestehen, wäre dieser mit dem für Leistungen nach dem SGB II zuständigen Träger zu klären. Zur Frage der Klärung der Erwerbsfähigkeit der Antragstellerin zu 1. nach dem SGB II ist sie im Übrigen auf § 44a SGB II und § 21 Satz 2 SGB XII hinzuweisen.
2. Für die Zeit vor der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis für die Antragstellerin zu 1. nach § 25 Abs. 3 AufenthG und vor ihrer Leistungsberechtigung nach dem SGB II ist die Beschwerde für die Antragstellerin zu 1. ebenfalls unbegründet; gleiches gilt für den gesamten streitigen Zeitraum für die übrigen Antragsteller:
Den Antragstellern ist zwar zuzugeben, dass für die Antragstellerin zu 1. seit dem verwaltungsgerichtlichen Beschluss 21.06.2004 eine aufenthaltsbeendende Maßnahme nicht mehr in Betracht kommt. Es entspricht zudem der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des Senats (z.B. Beschlüsse vom 10.03.2006 – L 20 B 7/06 AY ER, vom 14.03.2006 – L 20 B 12/06 AY ER und vom 15.03.2006 – L 20 B 8/06 AY ER, ferner Beschluss vom 23.01.2006 – L 20 B 15/05 AY ER), dass bei einer Möglichkeit allein zu freiwilliger Ausreise grundsätzlich eine Rechtsmissbräuchlichkeit im Sinne von § 2 Abs. 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) nicht besteht. Dann aber sind nach der klaren gesetzlichen Regelung des § 2 Abs. 1 AsylbLG abweichend von § 3 AsylbLG Leistungen entsprechend dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) zu gewähren. Besteht in solchen Fällen mithin ein Anordnungsanspruch, so kann nach der genannten Rechtsprechung des Senats auch ein Anordnungsgrund im Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nicht verneint werden. Denn nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Gewährung der höheren Leistungen nach § 2 AsylbLG bei einem Bezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG von insgesamt 36 Monaten der Regelfall sein. Deshalb erscheint es den Leistungsberechtigten lediglich im begründeten Einzelfall (z.B. bei im einstweiligen Verfahren nicht zu klärenden Zweifeln am Bestehen eines Anordnungsanspruches) zumutbar, bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens mit den niedrigen Leistungen nach § 3 AsylbLG zu wirtschaften.
Im Falle der Antragsteller besteht jedoch die Besonderheit, dass sie ursprünglich ausreisepflichtig waren und sich für den 11.07.2001 einer vorgesehenen Abschiebung durch Untertauchen und Ausreise nach Norwegen entzogen haben. Die Wiedereinreise in die Bundesrepublik im Oktober 2002 war, wie das Sozialgericht in dem angefochtenen Beschluss (Seite 8) zu Recht ausgeführt hat, durch das vorherige Untertauchen bedingt.
Dieses Untertauchen begründete zunächst die rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Dauer des (folgenden) Aufenthalts in Deutschland i.S.v. § 2 Abs. 1 AsylbLG. Denn wären die Antragsteller nicht untergetaucht, wären sie am 11.07.2001 nach Mazedonien abgeschoben worden. Wesentliche Ursache für ihren erneuten Aufenthalt in Deutschland war deshalb das eigene – beanstandungswürdige – Verhalten der Antragsteller, sich der rechtmäßigen Abschiebung nach Mazedonien zu entziehen.
Zwar erscheint es nicht ausgeschlossen, dass eine solche wesentliche Ursache, die den Tatbestand der Rechtsmissbräuchlichkeit i.S.v. § 2 Abs. 1 AsylbLG erfüllt, im Sinne eines überholenden Kausalverlaufes in den Hintergrund tritt und für den weiteren Aufenthalt in Deutschland eine Ursache als maßgebend anzusehen ist, die das Tatbestandsmerkmal der rechtsmissbräuchlichen Beeinflussung der Aufenthaltsdauer durch den Leistungsbezieher nicht mehr erfüllt. Ab dem Zeitpunkt des Eintritts dieser neuen, aufenthaltsbestimmenden Ursache könnte deshalb die Vorbezugsfrist von 36 Monaten neu zu laufen beginnen.
Letztlich kann dies im Falle der Antragsteller jedoch dahinstehen. Denn als eine solche dazwischentretende Ursache kommt einzig die Erkrankung der Antragstellerin zu 1. in Betracht, aufgrund derer sie heute gesundheitlich nicht mehr in der Lage ist, nach Mazedonien zurückzukehren. Rechtlich sicher anerkannt ist eine solche gesundheitsbedingte Unmöglichkeit zur Ausreise nach Mazodonien jedoch frühestens ab dem 21.06.2004. Denn an diesem Tag hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf zunächst einstweilen die Nichtvollziehung der Abschiebungsandrohung angeordnet; nahtlos angeschlossen hat sich später die dauerhafte Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Aufenhaltsgesetz durch den Bescheid des BAMF vom 07.02.2006 und die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG am 02.03.2006. Ob darüber hinaus schon ein früherer Zeitpunkt des Dazwischentretens einer "Ersatzursache" für den weiteren Aufenthalt in Deutschland (z.B. das erstmalige Bekanntwerden der Erkrankung der Antragstellerin zu 1. bei der Antragsgegnerin) anzuerkennen ist, erscheint bei der im Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung demgegenüber nicht sicher. Dies bedürfte (falls das Dazwischentreten einer solchen Ersatzursache denn überhaupt bei der Frage nach einer rechtsmissbräuchlichen Beeinflussung der Aufenthaltsdauer i.S.v. § 2 Abs. 1 AsylbLG im Sinne der Leistungsbezieher anzuerkennen sein sollte) umfangreicher weiterer tatsächlicher, insbesondere auch medizinischer Ermittlungen über Beginn und Verlauf der Erkrankung Diese Ermittlungen wären jedoch im vorliegenden gerichtlichen Eilverfahren nicht in der gebotenen Kürze und zugleich mit der notwendigen Gründlichkeit durchführbar.
Ist – wie im vorliegenden Fall – dem Gericht die vollständige Aufklärung der Sachlage im Eilverfahren nicht möglich, so hat es anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei schließen es die besonderen Anforderungen an ein gerichtliches Eilverfahren nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht aus, dass Leistungen nur mit einem Abschlag zugesprochen werden, um eine – später kaum rückgängig zu machende – Vorwegnahme der Hauptsache zu vermeiden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 = NVwZ 2005, 927; Breith. 2005, 803; info also 2005, 166). Ist aber ein einstweiliges Wirtschaften mit nur mit Abschlag gewährten Leistungen jedenfalls in Fällen einstweilen zu klärender tatsächlicher Ungewissheit zumutbar, kann nichts anderes für das einstweilige Verbleiben auf dem niedrigeren Grundleistungsniveau des § 3 AsylbLG an Stelle der an das SGB XII angelehnten Voll-Leistungen des § 2 AsylbLG gelten; die Grundleistungen nach § 3 AsylbLG stellen (schon nach der gesetzlichen Wertung) jedenfalls eine ausreichende Existenzsicherung dar (Beschluss des Senats vom 21.12.2005 – L 20 (9) B 37/05 SO ER). Ist – wie hier – der Anordnungsanspruch ungewiss, erscheint es für die Zwecke des einstweiligen Verfahrens deshalb angemessen, die Antragsteller bei Abwägung der wechselseitigen Interessen unter Berücksichtigung einer faktisch kaum denkbaren Rückholbarkeit gewährter höherer Leistungen (längstens) bis zur gründlichen Klärung der für den Anordnungsanspruch offenen Fragen im Hauptsacheverfahren auf die niedrigeren Grundleistungen nach § 3 AsylbLG zu verweisen.
Zusammenfassend kann die Antragstellerin zu 1. nach dem im Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen Kenntnisstand frühestens ab dem 21.06.2007 den Lauf der 36monatigen Vorbezugsfrist des § 2 Abs. 1 AsylbLG vorweisen. Sind ihr deshalb keine erhöhten Leistungen einstweilig zuzusprechen, kann zur Zeit noch dahinstehen, ob angesichts des "Untertauchens" im Jahre 2001 eine erhöhte Leistungsgewährung nach § 2 Abs. 1 AsylbLG generell auch dann noch ausscheidet, wenn die Vorbezugsfrist (nunmehr nur noch für die Antragsteller zu 2. – 4.) erfüllt sein wird (ob also eine "überholende Kausalität" durch den Eintritt ihrer Erkrankung im Rahmen von § 2 Abs. 1 AsylbLG anzuerkennen ist oder nicht). Ebenso kann zur Zeit noch dahinstehen, ob die Antragsteller zu 2. bis 4. (für die mit Ausnahme der familiären Verbindung zur Antragstellerin zu 1. keine Ausreisehindernisse vorgetragen worden sind) wegen des besonderen verfassungsrechtlichen Schutzes von Ehe und Familie in Art. 6 Grundgesetz im Falle einer bei der Antragstellerin zu 1. fehlenden Rechtsmissbräuchlichkeit i.S.v. § 2 Abs. 1 AsylbLG hiervon abgeleitet ebenfalls eine fehlende Rechtsmissbräuchlichkeit geltend machen könnten. Im Hauptsacheverfahren wird auch der § 1 a Nr. 1 AsylbLG in den Blick zu nehmen sein; da nur die Antragsteller Beschwerde eingelegt haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Entscheidung über Prozesskostenhilfe beruht auf § 73a SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO).
Gegen diesen Beschluss ist eine Beschwerde nicht möglich (§ 177 SGG).
Erstellt am: 06.11.2007
Zuletzt verändert am: 06.11.2007