Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 14. März 2003 wird zurückgewiesen. Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten im Rahmen einer Überprüfungsentscheidung die Erstattung der Kosten einer operativen Brustverkleinerung.
Die 1963 geborene Klägerin beantragte mit ärztlichem Attest der Ärztin für Frauenheilkunde Dr. E vom 09.08.1999 die Übernahme der Kosten für eine operative Mammareduktion. Dr. E bescheinigte eine ausgeprägte Makromastie, bestehende Muskelverspannungen und reaktive Fehlhaltung der Halswirbelsäule (HWS) sowie eine psychische Belastung der Klägerin. Auf Nachfrage der Beklagten gab Dr. E das Gewicht der Klägerin mit 91,8 kg an bei einer Größe von 172 cm nach Gewichtsreduktion um 12 kg und Weiterführung einer Diät. Nachdem Dr. C vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) das Erreichen eines Normalgewichts von 70 bis 75 kg als vorrangig erforderlich angesehen hatte, lehnte die Beklagte den Antrag mit formlosem Bescheid vom 08.09.1999 ab. Die Klägerin legte am 14.09.1999 Widerspruch unter Bezugnahme auf einen Arztbrief des Dr. L, Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe des N Krankenhauses St. B, E, ein, der bescheinigte, dass die Brustreduktion einen positiven Einfluss auf die Gewichtsabnahme haben werde. Demgegenüber sah Dr. C1 vom MDK in seinem Gutachten vom 07.10.1999 eine postoperative Gewichtsreduktion als Gefährdung für das Operationsergebnis einer Mammareduktion an und hielt wegen der nicht sehr ausgeprägten körperlichen Beschwerdesymptomatik, die sicherlich auch durch die einseitige berufliche Tätigkeit am PC mit verursacht werde, eine weitere Gewichtsreduktion und physikalische Therapie für ausreichend. Mit Widerspruchsbescheid vom 28.06.2000 wies die Beklagte den Widerspruch daraufhin als unbegründet zurück.
Am 30.10.2000 nahm Dr. L eine Mammareduktionsplastik vor, wobei der rechten Brust 1130 g und der linken Brust 970 g entnommen wurden. Dr. L stellte der Klägerin hierfür pauschal 4.800,- DM in Rechnung. Das N Krankenhaus St. B in E berechnete Basis- und Fachabteilungspflegesätze in Höhe von insgesamt 3.654,80 DM.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 15.11.2000 beantragte die Klägerin die Erstattung dieser Kosten unter Hinweis auf das durch den Operationsbericht belegte Resektionsgewicht. Sie machte geltend, der medizinische Eingriff sei notwendig gewesen, weil sie neben psychischen Beschwerden unter erheblichen Rückenbeschwerden gelitten habe. Zum Beleg für letzteres war ein Arztbrief des Radiologen Dr. S vom 18.10.1999 beigefügt. Mit Schreiben vom 22.11.2000 wies die Beklagte darauf hin, dass es sich nicht um einen neuen Antrag handele, da dieser bereits durch rechtsmittelfähigen Bescheid abgelehnt worden sei. Die Klägerin wandte ein, dass auch ein unanfechtbarer Verwaltungsakt zurückzunehmen sei, sofern sich ergebe, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erweise. Dies sei im Hinblick auf die zwischenzeitlich durchgeführte Operation der Fall. Daraufhin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09.08.2001 das Begehren der Klägerin zurück, weil sich aus der Antragsbegründung nichts ergebe, was für die Unrichtigkeit der Ablehnungsentscheidung spräche. Es könne offen bleiben, ob tatsächlich neue Mitteilungen vorlägen, da sie unerheblich seien. Das zu erwartende Resektionsgewicht und das Ausmaß der Wirbelsäulenbeschwerden seien für die frühere Entscheidung nicht maßgebend gewesen, wie dem Widerspruchsbescheid vom 28.06.2000 eindeutig zu entnehmen gewesen sei.
Die Klägerin hat am 29.08.2001 vor dem Sozialgericht (SG) Duisburg Klage erhoben. Sie hat geltend gemacht, da bei der Operation deutlich mehr Brustgewebe entfernt worden sei, als vorher abzusehen gewesen sei, und die Rückenbeschwerden nach der Brustverkleinerung völlig abgeklungen seien, lägen Umstände vor, die die frühere Entscheidung der Beklagten zweifelhaft erscheinen ließen. Ferner habe die Beklagte die starke Asymmetrie der Brüste und den Umstand nicht beachtet, dass eine weitere Gewichtsreduktion nicht gelungen sei. Schließlich habe die Beklagte die psychischen Beschwerden zu Unrecht gegenüber den Wirbelsäulenbeschwerden in den Vordergrund gestellt.
Das SG hat einen Bericht des Dr. L vom 10.09.2002 eingeholt, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird. Mit Urteil vom 14.03.2003 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das ihr am 02.04.2003 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28.04.2003 Berufung eingelegt. Sie ist der Ansicht, die Mammareduktion sei medizinisch notwendig gewesen, wie die Stellungnahme von Dr. L in Übereinstimmung mit der Diagnose der Dr. E belege. Dieses sei entgegen der Ansicht des SG auch für den MDK im Zeitpunkt seiner Begutachtung erkennbar gewesen. Es sei nicht zumutbar gewesen, vor Durchführung der Operation einen jahrelangen Prozess zu führen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des SG Duisburg vom 14.03.2002, zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.11.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.08.2001 zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheides vom 08.09.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2000 der Klägerin die Kosten der Operation zur Mammareduktion in Höhe von 8.454,80 DM (entsprechender Betrag in Euro) zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie sieht keinen Grund, warum konservative Behandlungen nicht zur Behandlung der Wirbelsäulenbeschwerden ausreichend gewesen seien. Die von dem MDK vor der Operation empfohlene weitere Gewichtsreduktion habe im Zusammenhang mit der Ankündigung gestanden, eine weitere Gewichtsreduktion auf 80 kg anzustreben. Deren Unmöglichkeit sei erst nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2000 mitgeteilt worden.
Nach Beiziehung der Krankenakte der Klägerin des N Krankenhauses St. B, E, hat der Senat ein Gutachten von dem Chefarzt der Abteilung für Orthopädie und Rheumatologie der Fachklinik S in F, Dr. B, eingeholt. Dieser ist in dem Gutachten vom 27.11.2003 zu dem Ergebnis gelangt, es ließe sich nicht verifizieren, in welchem Ausmaß die Klägerin vor dem Zeitpunkt der Brustoperation an Beschwerden auf orthopädischem Fachgebiet gelitten habe. Daher lasse sich auch nicht die Notwendigkeit der Operation feststellen. Allein der Umstand, dass nach dieser eine Beschwerdefreiheit angegeben werde, lasse nicht den zwingenden Schluss zu, dass andere Verhaltens- oder Therapiemaßnahmen nicht ebenfalls zu einer günstigen Beeinflussung geführt hätten. Eine konsequent durchgeführte weitere Gewichtsreduktion sowie insbesondere physikalische Therapiemaßnahmen in Form von rumpfstabilisierenden krankengymnastischen Übungen, physikalische Therapie, Haltungsschulung und Inanspruchnahme geeigneter Stützhilfen wären sinnvolle und erfolgversprechende Maßnahmen gewesen. Eine Operationsindikation sei allenfalls unter präventiven Gesichtspunkten anzunehmen. Die Klägerin hat gegen dieses Gutachten insbesondere eingewandt, dass Dr. B sie nicht persönlich untersucht habe. Nachdem Dr. B dies auf Veranlassung des Senats nachgeholt hat, ist er in einer ergänzenden Stellungnahme vom 21.04.2004 bei seiner Auffassung verblieben.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat ein weiteres Gutachten von dem Facharzt für Orthopädie, Sportmedizin, Physikalische Therapie und Chirotherapie Dr. T eingeholt. Dr. T ist in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, dass die Operation notwendig gewesen sei, um die Beschwerden i.S. eines HWS-Syndroms bei Schulterschiefstand nach links und Muskeldefizit links und sekundärer Myogelosenbildung sowie kurzbogiger thorakaler skoliotischer Fehlhaltung mit beginnender Costotransversalarthrose (Verschleiß der Wirbelkörperrippengelenke Th3/4, 5/6 und 9/10) zu lindern. Die Frage nach alternativen Behandlungsmethoden sei dabei schwierig zu beantworten. Eine weitere Gewichtsreduktion erscheine der Klägerin nicht zuzumuten. Physikalische Behandlungen könnten nicht zu einer dauerhaften Besserung des Leidens führen. Am 16.03.2005 hat Dr. T sein Gutachten mündlich erläutert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden können (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, weil der ursprüngliche Ablehnungsbescheid der Beklagten rechtmäßig war und die Klägerin daher keinen Anspruch auf Abänderung dieser Entscheidung gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) hat.
Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Allerdings sind die Beklagte und ihr im Ergebnis folgend das SG zu Unrecht davon ausgegangen, dass sich die Beklagte ohne weitere Prüfung des Sachverhalts auf die Bestandswirkung des Bescheides vom 08.09.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2000 berufen durfte. Letzteres ist im Rahmen einer Überprüfungsentscheidung nach § 44 Abs. 1 SGB X nur der Fall, wenn entweder keine neuen Tatsachen vorgetragen oder solche behauptet werden, die nicht vorliegen oder die für die frühere Entscheidung nicht erheblich waren (BSG SozR 1300 § 44 Nr. 33 S. 90), wovon auch die Beklagte zunächst zutreffend ausgegangen ist. Die Klägerin hat jedoch neue Tatsachen belegt, die auch für die Entscheidung der Beklagten von Bedeutung sein konnten. Zum einen hatte die Klägerin einen Arztbrief des Radiologen Dr. S vorgelegt, der nicht nur Veränderungen der HWS, sondern auch der BWS und LWS beschrieben hat, ohne dass ersichtlich wäre, dass der MDK diese Veränderungen in seine Prüfung einbezogen hätte. Zum anderen war durch die zwischenzeitlich durchgeführte Operation ein neuer Sachverhalt geschaffen worden, da nunmehr der Umfang des Resektionsgewebes feststand. Ob letzterer noch die Auffassung des MKD s, auf die sich die ursprüngliche Widerspruchsentscheidung der Beklagten stützte, rechtfertigte, eine Operation ohne vorherige weitere Gewichtsreduktion bedinge die Gefahr der Notwendigkeit einer Nachoperation bei späterer Gewichtsabnahme, war damit aber offen und hätte einer weiteren Überprüfung bedurft. Dies gilt umso mehr, weil die Klägerin die Beklagte, wie sie selbst anführt, nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2000 darauf hingewiesen hat, dass ihr eine weitere Gewichtsreduktion nicht möglich sei. Aufgrund der vom Senat statt der ansonsten gebotenen Zurückverweisung der Streitsache an das SG nachgeholten Ermittlungen ergibt sich jedoch die Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Ablehnungsentscheidung.
Die Beklagte schuldete der Klägerin die begehrte operative Versorgung nicht als Krankenbehandlung, für die die gesetzliche Krankenversicherung nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) einzustehen hat. Krankheit ist ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der die Notwendigkeit einer ärztlichen Heilbehandlung oder zugleich oder allein Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat (BSG Urt. vom 19.10.2004 – B 1 KR 9/04 R; B 1 KR 3 und 23/03 R -; BSG SozR 3-2200 § 182 Nr. 14). Die Brustbeschaffenheit stellte bei der Klägerin keine körperliche Unregelmäßigkeit mit Krankheitswert in diesem Sinne dar. Die gehörten Ärzte sind übereinstimmend zu dem Ergebnis gelangt, dass das Brustgewebe keine krankhaften Veränderungen aufwies, wofür auch der Operationsbericht keinen Hinweis liefert. Funktionsstörungen somatischer Art allein aufgrund des Brustumfangs lassen sich nach den Feststellungen der Ärzte ebenfalls nicht verifizieren.
Die Brustreduktion war auch nicht erforderlich, um Schäden der Wirbelsäule des Halteapparates und Muskelverspannungen zu behandeln, so dass insoweit dahinstehen kann, welche Anforderungen an die Notwendigkeit von operativen Eingriffen zur mittelbaren Behandlung von Krankheitserscheinungen zu stellen sind (vgl. dazu LSG NRW, Urt. vom 26.02.2004 – L 5 KR 207/02 -, unter Bezugnahme auf BSGE 85, 56 und BSG SozR 4-2500 § 137c Nr. 1; ebenso offen gelassen jetzt vom BSG Urt. vom 19.10.2004 – B 1 KR 9/04 R -). Sowohl Dr. C1, dessen Gutachten der Senat urkundsbeweislich verwertet hat, als auch der Sachverständige Dr. B sind zu dem Ergebnis gelangt, dass diesbezüglich keine schwerwiegenden Veränderungen und Beschwerden vorgelegen haben, die nicht der Behandlung mittels Physiotherapie und Krankengymnastik zugänglich gewesen wären. Dass die Klägerin insoweit keine zielgerichtete orthopädische Behandlung angegangen ist, begründet keinen Anspruch auf die streitige Operation. Die gegenteiligen Annahmen von Dr. L und Dr. T vermögen den Senat nicht zu überzeugen. Ersterer hat sich schon in Widerspruch zu der von ihm mit der Klägerin geschlossenen Honorarvereinbarung gesetzt, wonach es sich bei der Operation um einen rein kosmetischen Eingriff handelte. Zum anderen ist Dr. L jegliche Erklärung dafür schuldig geblieben, warum physiotherapeutische Maßnahmen keinen Erfolg hätten zeitigen können.
Auch die Ausführungen von Dr. T sind nicht tragfähig. Zum einen ist es nicht plausibel, warum physiotherapeutische Maßnahmen keine ausreichende Behandlung im Fall der Klägerin gewährleisten sollten, obwohl eine solche Therapie zweckgerichtet überhaupt nicht versucht worden ist und diese zum gängigen Repertoire der orthopädischen Behandlung bei entsprechenden Krankheitsbildern zählen, was auch Dr. T einräumen musste. Zum andern ist es nicht nachvollziehbar, warum die Größe der Brüste physiotherapeutische Maßnahmen und gymnastische Übungen ausgeschlossen haben sollen, zumal die Klägerin nicht einmal selbst behauptet hat, in ihrer Beweglichkeit wesentlich eingeschränkt gewesen zu sein. Dass sie die Bewegung der Brüste bei sportlichen Übungen als unangenehm empfunden haben mag, ist insoweit ohne Bedeutung. Wesentlicher ist aber, dass Dr. T selbst davon ausgeht, die Brustoperation habe lediglich die Voraussetzungen für eine bessere Bewegungsfähigkeit und Durchführbarkeit geeigneter Übungen schaffen sollen. Damit weist er aber in Übereinstimmung mit Dr. B dem Eingriff letztlich nur die Bedeutung einer begleitenden prophylaktischen Maßnahme zu, was in keinem Falle ausreichend ist, eine notwendige Krankenbehandlung anzunehmen. Dies gilt nicht nur deshalb, weil zuvor entsprechende alternative medizinische Behandlungsmaßnahmen nicht durchgeführt worden sind, sondern auch deswegen, weil weitere Umstände vorlagen, deren Änderung sich günstig auf das Krankheitsbild hätte auswirken können. Dies gilt insbesondere für die Verhältnisse am Arbeitsplatz. Wenn Dr. T meint, derartige Veränderungen seien unter den heutigen Bedingungen des Arbeitsmarktes nicht zumutbar, so verkennt er die Reichweite der Einstandspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung. Solang nicht einmal der Versuch unternommen worden ist, entsprechende alternative Möglichkeiten auszuschöpfen, kann die Notwendigkeit des substanzverändernden Eingriffs in ein gesundes Organ, nicht als nachgewiesen angesehen werden. Angesichts der fehlenden konsequenten orthopädischen Therapie vor Durchführung der Mammareduktion beruhen die Annahmen von Dr. L und Dr. T daher letztlich auf reiner Spekulation.
Von der Gestalt der Mammae ging auch keine entstellende Wirkung von Krankheitswert aus. Aufgrund des körperlichen Erscheinungsbildes ist eine solche von der Rechtsprechung nur in besonderen Ausnahmefällen anerkannt worden (vgl. BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 45 S. 254 – Kahlköpfigkeit der Frau -; BSG SozR 2200 § 182 Nr. 11 – angeborene schwere Gesichtsmißbildung -; jetzt bestätigt von BSG Urt. vom 19.10.2004 – B 1 KR 9/04 R; B 1 KR 3 und 23/03 R -). Ein vergleichbarer Zustand, der als Krankheitserscheinung gewertet werden könnte, war bei der Klägerin nicht gegeben, was auch keiner der gehörten Ärzte bescheinigt hat.
Schließlich schuldete die Beklagte die Behandlung nicht zur Behebung psychogener Störungen. Körperliche Eingriffe sind zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich nur zur Behebung regelwidriger Körperzustände durchzuführen (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. SozR 3-2500 § 39 Nr. 5; SozR 3-2200 § 182 Nr. 14; jetzt bestätigt durch Urt. vom 19.10.2004 – B 1 KR 9/04 R; B 1 KR 3 und 23/03 R -). Die gegenteilige Auffassung erweitert den Krankheitsbegriff über Gebühr, weil sie einen Körperzustand ohne objektiven Krankheitswert rechtlich als körperlich regelwidrig behandelt. Psychische Störungen sind danach nur mit Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie zu behandeln. Dies gilt selbst dann, wenn die psychogenen Störungen allein mit den Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie nicht heilbar sind, weil andernfalls bei psychischer Fixierung auf gewünschte äußere Veränderungen eine Grenzziehung hinsichtlich der Verpflichtung der Krankenkasse zur Übernahme kostspieliger Schönheitsoperationen kaum möglich wäre und zum anderen unabsehbare Folgekosten auf die Krankenkassen zukommen könnten (vgl. BSG SozR 3-2200 § 182 Nr. 14). Insbesondere die Schwierigkeiten einer Vorhersage der psychischen Wirkungen von körperlichen Veränderungen und der daraus folgenden unsicheren Erfolgsprognose rechtfertigen angesichts der bisherigen medizinischen wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht die Einstandspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für derartige Operationen (vgl. BSG Urt. vom 19.10.2004 – B 1 KR 9/04 R; B 1 KR 3 und 23/03 R -).
Erweist sich demnach die Ablehnungsentscheidung der Beklagten als rechtmäßig, so steht der Klägerin unabhängig von der Frage, inwieweit schon die Art der Kostenabrechnung durch Dr. L einem Erstattungsanspruch entgegensteht (vgl. dazu BSG SozR 3-2500 § 13 Nr. 17), ein solcher nicht zu, weil dieser gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V voraussetzt, dass die Krankenkasse die Leistung zu Unrecht abgelehnt hat.
Die Berufung der Klägerin musste daher mit der auf § 193 SGG beruhenden Kostenentscheidung zurückgewiesen werden.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht erfüllt (§ 160 Abs. 2 SGG).
Erstellt am: 31.05.2006
Zuletzt verändert am: 31.05.2006