Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 17.01.2006 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für das Berufungsverfahren. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Überprüfung bestandskräftiger Bewilligungsbescheide über Leistungen der Grundsicherung für die Zeit vom 01.01.2003 bis 31.05.2004 wegen der Anrechnung von Kindergeld als Einkommen. Der am 00.00.1965 geborene Kläger ist mit einem Grad der Behinderung von 80 bei Zuerkennung der Nachteilsausgleiche "G" und "B" schwerbehindert. Seit August 1988 arbeitet er in einer Werkstatt für schwerbehinderte Menschen. Am 02.01.2003 stellte er einen Antrag auf Grundsicherungsleistungen und gab dabei u.a. an, dass sein Vater Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR monatlich für ihn erhalte. Mit Bescheid vom 27.03.2003 bewilligte die Beklagte Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz ab dem 01.01.2003 in Höhe von 506,55 EUR monatlich. Mit Änderungsbescheid vom 24.11.2003 bewilligte sie Leistungen ab Dezember 2003 in Höhe von 523,84 EUR monatlich und mit Bescheid vom 17.02.2004 für die Zeit ab Januar 2004 in Höhe von 546,09 EUR monatlich. Dabei berücksichtigte sie jeweils das Kindergeld als Einkommen des Klägers.
Mit Schreiben vom 11.06.2004 wies der Kläger darauf hin, dass nach der neueren verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung davon auszugehen sei, dass die Anrechnung des Kindergeldes als Einkommen rechtswidrig sei. Er beantrage die Rücknahme aller Bewilligungsbescheide ab dem 01.01.2003 und die Neubewilligung der Leistungen ohne Anrechnung des Kindergeldes.
Mit Bescheid vom 21.04.2005 lehnte die Beklagte den Antrag ab. § 44 Sozialgesetzbuch Zehnter Teil – SGB X – finde nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in der Sozialhilfe und damit analog auch bei den Grundsicherungsleistungen keine Anwendung. Darüber hinaus sei das gewährte Kindergeld zu Recht als Einkommen des Klägers angerechnet worden. Den hiergegen am 29.04.2005 eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass die Rechtswidrigkeit der Anrechnung des den Eltern zustehenden Kindergeldes zwischenzeitlich auch durch das Bundesverwaltungsgericht bestätigt worden sei. Gemäß § 48 Abs. 2 SGB X könne er eine Neubescheidung seines Antrags unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verlangen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.06.2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Das Kindergeld sei zu Recht als Einkommen im Sinne des § 76 BSHG angerechnet worden. Gemäß § 74 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes könnten volljährige Kinder die Auszahlung des Kindergeldes an sich selbst erwirken, wenn der Kindergeldberechtigte ihnen gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkomme. Dies gelte auch, wenn der Kindergeldberechtigte mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig sei oder Unterhalt nur in geringer Höhe leisten müsse. Der Bundesfinanzhof habe entschieden, dass ein Auszahlungsanspruch des Kindes analog § 74 Abs. 1 Satz 1 und 3 Einkommensteuergesetz bestehe, obwohl der Vater gegenüber seinem Kinde nicht mehr gesetzlich unterhaltspflichtig war. Auch das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen habe mit Beschluss vom 02.04.2004 (12 B 1577/03) entschieden, dass die in jenem Fall erfolgte Anrechnung des an den kindergeldberechtigten Vater gezahlten Kindergeldes bei der Bemessung der Grundsicherungsleistungen des Kindes rechtmäßig sei. Die entgegenstehende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.12.2004 (5 B 47/04) überzeuge nicht, da sich das Gericht nicht mit der Selbsthilfemöglichkeit des § 74 Einkommensteuergesetz bzw. der Bedarfsdeckung durch das dem Haushalt zufließende Kindergeld auseinandergesetzt habe. Seit dem 01.01.2005 habe der Gesetzgeber in § 82 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zwölfter Teil – SGB XII – ausdrücklich geregelt, dass Kindergeld zum Einkommen des minderjährigen Kindes gehöre. Es gebe keine nachvollziehbaren Gründe, die Zuordnung des Kindergeldes bei Erreichen der Volljährigkeit generell anders zu regeln. Überdies finde eine Überprüfung gemäß § 44 SGB X in der Sozialhilfe nicht statt.
Am 21.07.2005 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Köln Klage erhoben. Er hat vorgetragen, das Kindergeld werde von seinen Eltern nicht gesondert behandelt bzw. unmittelbar für ihn verwandt. Vielmehr fließe es wie das sonstige Einkommen der Eltern in einen gemeinsamen Topf der Wirtschaftsgemeinschaft und werde für die Ausgaben der häuslichen Gemeinschaft eingesetzt.
Mit Schriftsatz vom 11.08.2005 hat die Beklagte den Kläger insoweit klaglos gestellt, dass sie ihm für die Zeit ab dem 01.06.2004 Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz (GSiG) und ab dem 01.01.2005 Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII ohne Anrechnung des Kindergeldes gewährte. Der Kläger hat das Teilanerkenntnis angenommen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2005 zu verurteilen, ihm unter Abänderung der Bewilligungsbescheide vom 27.03.2003, 24.11. 2003 und 17.02.2004 für die Zeit vom 01.01.2003 bis 31.05.2004 Grundsicherungsleistungen in Höhe von weiteren 154,00 EUR monatlich zu bewilligen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ihre Rechtsauffassung wiederholt.
Mit Urteil vom 17.01.2006 hat das Sozialgericht Köln die Beklagte zur Zahlung von weiteren Grundsicherungsleistungen in Höhe von 154,00 EUR monatlich für die Zeit vom 01.01.2003 bis 31.05.2004 verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, § 44 SGB X sei auf Leistungen nach dem GSiG grundsätzlich anwendbar. Das GSiG sei gemäß § 68 Nr. 18 Sozialgesetzbuch Allgemeiner Teil (SGB I) ein besonderer Teil des Sozialgesetzbuchs. Das SGB X seinerseits gelte gemäß § 37 Satz 1 erster Halbsatz SGB i für alle Sozialleistungsbereiche dieses Gesetzbuchs, soweit sich aus den übrigen Büchern nichts Abweichendes ergebe. Die Sozialhilfe sei in § 9 SGB I ausdrücklich genannt. Der Begriff der Sozialhilfe umfasse auch die Grundsicherung nach dem Grundsicherungsgesetz. Es handele sich um einen besonderen Leistungstyp der Sozialhilfe. Da die Anrechnung des Kindergeldes als Einkommen des Klägers zu Unrecht erfolgt sei, seien die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X erfüllt.
Das Urteil ist am 22.02.2006 zugestellt worden.
Am 03.03.2006 hat die Beklagte Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und ergänzend vorträgt, dass die Anwendbarkeit des SGB X für besondere Teile des Sozialgesetzbuches, die nach Inkrafttreten der Vorschrift des 1. Kapitels des SGB X Bestandteil des Sozialgesetzbuches werden, gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 SGB X voraussetze, dass mit Zustimmung des Bundesrates die Vorschriften des ersten Kapitels SGB X für anwendbar erklärt werden. Hieran fehle es hinsichtlich des Grundsicherungsgesetzes. Da das SGB X keine Anwendung finde, sei § 48 Verwaitungsverfahrensgesetz NRW (VwVfG) anzuwenden. Gemäß § 48 VwVfG könne ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die Beklagte habe insofern im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens entschieden, dass entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Strukturprinzipien der Sozialhilfe einer Leistungsgewährung entgegen stünden. Auch sei die Anrechnung des Kindergeldes für die Vergangenheit im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 28.04.2005, 5 C 28/04) nicht automatisch rechtswidrig. Bei der Entscheidung über die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes sei vielmehr auf den Kenntnisstand und die Rechtsprechung im Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung abzustellen. Die Rechtslage sei zum Entscheidungszeitpunkt kontrovers diskutiert worden. Es mangele daher bereits an der Rechtswidrigkeit der in der Vergangenheit getroffenen rechtskräftigen Entscheidung.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 17.01.2006 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Vorbehaltsklausel des § 1 Abs. 1 Satz 2 SGB X stehe der Anwendbarkeit des § 44 SGB X nicht entgegen. Die Klausel habe dann keine Bedeutung, soweit in den §§ 3 bis 10 SGB I bereits aufgezählte Leistungsbereiche in das Sozialgesetzbuch aufgenommen würden, da diese Sozialleistungsbereiche bereits am 01.01.1981 Bestandteil des Sozialgesetzbuches gewesen seien. Die Grundsicherung sei eine Leistungsart der Sozialhilfe und in § 9 SGB I ausdrücklich aufgeführt. Hierfür spreche auch die Regelung des § 28 Abs. 1 SGB I. Auch der Gesetzgeber habe in § 8 Nr. 2 SGB XII in der ab dem 01.01.2005 geltenden Fassung nunmehr ausdrücklich klargestellt, dass die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung als Teil der Sozialhilfe anzusehen sei. Dieses grundlegende Verständnis der Grundsicherung als Unterfall der Sozialhilfe habe aber bereits vor der Integration des GSiG in die §§ 41 ff. SGB XII bestanden. Auch die seitens des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Strukturprinzipien zur Sozialhilfe stünden der Anwendung des § 44 SGB X nicht entgegen. Trotz ihrer Eingliederung in die Sozialhilfe folge die Grundsicherung gewissen eigenständigen Regelungen. Es handele sich um eine auf Dauer angelegte Sozialleistung, die in der Regel in Jahresabschnitten bewilligt werde. Der Bewiiligungsbescheid stelle daher einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dar. Im Gegensatz hierzu erfolge die Bewilligung der Hilfe zum Lebensunterhalt in der Regel monatsweise. Anders als die Sozialhilfe, die nur den nach den Besonderheiten des Einzelfalles "notwendigen" Lebensunterhalt nach dem Bedarfsdeckungsprinzip sicherstelle, sei die Grundsicherungsleistung bedarfsorientiert, da sie nur dann eingreife, wenn das eigene Einkommen und Vermögen des Anspruchsberechtigten sowie seiner Angehörigen nicht ausreiche, um den teilweise pauschalierten Grundbedarf abzudecken. Auch sei das Kindergeld zu Unrecht als Einkommen des Klägers angerechnet worden. Kindergeld sei sozialhilferechtlich Einkommen dessen, an den es gezahlt werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten sowie der Prozessakten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Sozialgericht hat sie zu Recht verurteilt, dem Kläger unter Abänderung der Bewilligungsbescheide vom 27.03.2003, 24.11.2003 und 17. 02.2004 für die Zeit vom 01.01.2003 bis zum 31.05.2004 Grundsicherungsleistungen in Höhe von weiteren 154,00 EUR monatlich zu bewilligen.
Die Bestandskraft der Bewilligungsbescheide für den streitbefangenen Zeitraum steht dem nicht entgegen, da sie gemäß § 44 SGB X durchbrochen ist.
Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 44 Abs. 1 SGB X). Leistungen werden längstens für einen Zeitraum bis zu 4 Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei ist auf den Beginn des Jahres abzustellen, in dem der Antrag auf Überprüfung gestellt ist (§ 44 Abs. 4 SGB X).
§ 44 SGB X findet auch auf Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz Anwendung. Dem steht § 1 Abs. 1 Satz 2 SGB X nicht entgegen. Danach gelten die Vorschriften des ersten Kapitels des SGB X für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Gemeinden und Gemeindeverbände zur Ausführung von besonderen Teilen dieses Gesetzbuches, die nach In-kraft-treten der Vorschriften dieses Kapitels Bestandteil des Sozialgesetzbuches werden, nur, soweit diese besonderen Teile mit Zustimmung des Bundesrates die Vorschriften dieses Kapitels für anwendbar erklären. Zwar ist eine entsprechende Anwendbarkeitserklärung mit Zustimmung des Bundesrates hinsichtlich des GSiG nicht erfolgt. Eine solche Erklärung war aber entbehrlich, denn die Grundsicherung im Alter bei Erwerbsminderung ist eine besondere Form der Hilfe zum Lebensunterhalt und gehört zu den Leistungen der Sozialhilfe gemäß § 9 Abs. 1 SGB I, welche wie die übrigen in den §§ 3 bis 10 SGB I aufgeführten Sozialleistungen mit Inkrafttreten des SGB I am 01.01.1976 und damit bereits bei Inkrafttreten des SGB X am 01.01.1981 Bestandteil des Sozialgesetzbuches waren.
Als Sozialhilfeleistung gemäß § 9 Satz 1 SGB I ist die persönliche und wirtschaftliche Hilfe, auf die ein Rechtsanspruch hat, wer nicht in der Lage ist, aus eigenen Kräften seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, anzusehen. In ihrem Kern handelt es sich um Leistungen, die bei Bedürftigkeit zur Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums zu gewähren sind. Die gesetzliche Regelung verdeutlicht, dass nicht auf die formal rechtliche Behandlung der Leistung abzustellen ist, sondern Leistungen einbezogen sind, die materiell-rechtlich als Sozialhilfe ausgestaltet sind, auch wenn sie in einem gesonderten formellen Gesetz normiert sind. Die Leistungen nach dem GSiG stellten ungeachtet ihrer Modifikationen bei der Bedarfsdeckung und des Nachrangs gegenüber dem Verwandtenunterhalt materiell-rechtlich Sozialhilfeleistungen dar. Sie modifizieren lediglich die sozial hilferechtlichen Regelungen im Hinblick auf den Umfang der Bedarfsdeckung und den Rückgriff auf Unterhaltsansprüche, um einerseits die Inanspruchnahme der Leistungen zu erleichtern, in dem der Familienverband vom Rückgriff auf Unterhaltsansprüche verschont bleibt, und andererseits durch eine antragsabhängige pauschalierte Bedarfsdeckung, welche sogar verschuldensunabhängig ausgestaltet gewesen ist, ein vereinfachtes Verwaltungsverfahren zu ermöglichen (vgl. SG Darmstadt, Urteil vom 20.06.2006, Az.: S 16 SO 127/06, m.w.N.). Entsprechend sollten die Grundsicherungsleistungen zunächst als besondere Sozialhilfeleistungen in das Bundessozialhilfegesetz (BSHG) integriert werden (vgl. Artikel 8 des Entwurfs eines Altersvermögensgesetzes, BT-Drucksache 14/4595, Seite 30). Da es hiergegen jedoch politische Widerstände gab, wurde die Leistung in einem besonderen Gesetz, dem GSiG normiert (vgl. hierzu den Bericht des Ausschusses für Arbeit- und Sozialordnung, BT-Drucksache 14/5150, Seiten 48 bis 51). Seit dem 01.01.2005 ist die Grundsicherungsleistung Bestandteil des SGB XII in dessen viertem Kapitel (§§ 41 bis 46 SGB XII). § 8 Nr. 2 SGB XII bestimmt nunmehr ausdrücklich, dass die Sozialhilfe die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung umfasst (vgl. Sozialgericht Aachen, Urteil vom 14.08.2007, Az.: S 20 SO 34/07). Das GSiG ist mit dem BSHG nicht deshalb als Teil des "Sozialhilferechts" im SGB XII vereint worden, weil sich die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach grundlegender Sachreform von einer eigenständigen, sozialhilfefremden Leistung in eine sozialhilfeartige gewandelt hätte. Geändert hatte sich vor allem das Urteil des Gesetzgebers über die sachgerechte gesetzliche "Verortung" der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Sie ist nach wie vor – ohne Rücksicht auf ihren Standort im GSiG oder im SGB XII -ein "besonderer Leistungstypus der Sozialhilfe" geblieben. Daran knüpft die zeitgleich bereits 2003 mit Artikel 38 Einordnungsgesetz beschlossene und zum 01. Januar 2005 eingeführte Zuweisung der so verstandenen "Sozialhilfe" an die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit an (vgl. BSG, Beschluss vom 13.10.2005, Az.: B 9 b SF 4/05 R, m.w.N.). Entsprechend hat auch das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 10.12.2004 (Az.: 5 B 47/04) ausgeführt, dass die Grundsicherung nach dem GSiG unter dem für die Gerichtskostenfreiheit maßgebenden Gesichtspunkt der Fürsorge zum Sachgebiet der Sozialhilfe im weiten Sinne des § 188 VwGO gehört. Sind Leistungen nach dem GSiG aber Bestandteil der Sozialhilfe, so galt und gilt das 1. Kapitel des SGB X – und mithin § 44 – für diese Leistungen auch ohne besondere Anwendungsbestimmung (vgl. SG Aachen, a.a.O.; SG Darmstadt, a.a.O.; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 13.04.2005, Az.: 12 ZB 05.262; VG Aachen, Urteil vom 19.07.2005, Az.: 2 K 469/04; SG Köln, Urteil vom 06.02.2006, Az.: S 10 SO 15/05; SG Münster, Urteil vom 15.01.2007, Az.: S 8 (12) SO 133/05; anderer Auffassung: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.06.2007, Az.: L 7 SO 5884/06; Mergeler/Zink, BSHG, 4. Auflage, GSiG, Einführung, Seite 2; vermittelnd im Sinne einer analogen Anwendung des § 44 SGB X auf Grundsicherungsleistungen: OVG NRW, Beschluss vom 21.03.2007, Az.: 12 A 3301/05).
Der Anwendbarkeit des § 44 SGB X steht auch nicht die vom Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung (BVerwGE 90,160 ff.; 96,152 ff.; 99,149 ff.) vertretene Auffassung zur Nichtanwendbarkeit des § 44 SGB X im Sozialhilferecht entgegen. Dem Gesetzgeber kam es mit der Schaffung der Grundsicherungsleistungen ersichtlich darauf an, eine Sozialleistung für ältere und erwerbsgeminderte Menschen zu schaffen.die zwar an die Hilfe zum Lebensunterhalt angelehnt ist, jedoch den besonderen Bedürfnissen dieser Personengruppe, für die Hilfe zum Lebensunterhalt faktisch als Dauerleistung zu gewähren war, durch eine Reihe von gegenüber der Hilfe zum Lebensunterhalt abweichenden Regelungen Rechnung zu tragen. So besteht hinsichtlich der Grundsicherungsleistungeri keine Nachrangigkeit gegenüber anderen Sozialleistungen …Die Leistung ist antragsabhängig und der Höhe nach bedarfsorientiert, nicht aber bedarfsdeckend. Es handelt sich um eine befristete Dauerleistung, welche rückwirkend ab Beginn des Antragsmonats gezahlt wird. Anders als der Regelfall in der Sozialhilfe kann also bei der Grundsicherung zur Zeit der Rücknahme nach § 44 Abs. 1 SGB X und der Leistungserbringung nach § 44 Abs. 4 SGB X durchaus ein Anspruch auf die Grundsicherung noch bestehen, weil die Grundsicherung eben nicht am sozialhilferechtlichen Bedarf ausgerichtet ist (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, a.a.O.; SG Aachen, Urteil vom 13.09.2006, Az.: S 19 SO 14/06; SG Münster, a.a.O., SG Köln, a.a.O.; im Ergebnis auch: OVG NRW, Beschluss vom 21.03.2007, a.a.O.).
Die Voraussetzungen gemäß § 44 Abs. 1 SGB X liegen vor, denn die Bescheide vom 27.03.2003, 24.11.2003 und 17.02.2004 sind rechtswidrig, weil der Kläger für den streitigen Zeitraum einen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen ohne Anrechnung des an seinen Vater gezahlten Kindergeldes in Höhe von 154,00 EUR monatlich gehabt hat. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist bei der Berechnung der Grundsicherungsleistungen das den Eltern des Betroffenen gewährte Kindergeld nicht leistungsmindernd als zuzurechnendes Einkommen zu berücksichtigen (Urteile vom 08.02.2007, Az.: B 9 b SO 6/05 R und B 9 b SO 6/06 R; auch: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28.04.2005, Az.: 5 C 28/04 und Beschluss vom 10.12.2004, Az.: 5 B 47/04). Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat nach eigener Überprüfung an. Denn Kindergeld ist grundsätzlich demjenigen als Einkommen zuzurechnen, an den es ausgezahlt wird, hier dem Vater des Klägers. Weder hat dieser das Kindergeld dem Kläger zugewendet, noch ist es ihm kraft Gesetzes zuzurechnen. Dies wäre nur bei einer Weiterleitung, wenn es also dem Kind tatsächlich als Geldbetrag zufließt, der Fall (BSG, a.a.O.). Dies ist hier aber nicht geschehen. Auch aus § 74 Einkommensteuergesetz (EStG) lässt sich keine Anrechnung des Kindergeldes beim Kläger herleiten. Gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 EStG kann das nach § 66 Abs. 1 EStG für ein Kind festgesetzte Kindergeld an dieses ausgezahlt werden, wenn der Kindergeldberechtigte ihm gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt. Nach § 74 Abs. 1 Satz 3 EStG kann eine Abzweigung an das Kind auch erfolgen, wenn der Kindergeldberechtigte mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist oder nur Unterhalt in Höhe eines Betrages zu leisten braucht, der geringer ist als das für die Auszahlung in Betracht kommende Kindergeld. Ein in § 74 Abs. 1 EStG vorausgesetztes Unterhaltsdefizit des Kindes liegt im Falle des Klägers nicht vor. Zwar hat dieser grundsätzlich Unterhaltsansprüche im Sinne des § 1602 BGB gegen seine Eltern. Diese reduzieren sich jedoch durch die von der Beklagten gezahlten Grundsicherungsleistungen. Einen darüber hinausgehenden rechtlich bedeutsamen Unterhaltsbedarf des Klägers, der nicht durch Naturalleistungen seiner Eltern gedeckt wird, hat die Beklagte nicht aufgezeigt.
Eine Anrechnung des Betrages von 154,00 EUR monatlich ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil der Kläger Naturalleistungen durch seine Eltern erhält. Der Unterhaltsbedarf eines voll erwerbsgeminderten volljährigen Kindes wird vorrangig durch die Grundsicherung gedeckt, die als Einkommen im Sinne des Unterhaltsrechts gilt und daher in diesem Umfang die Unterhaltspflicht der Eltern zum Erlöschen bringt. Hieraus folgt, dass der Bedarf des Klägers grundsätzlich aus seinem eigenen Einkommen gedeckt wird. Soweit die Eltern des Klägers Leistungen zu seinem Lebensunterhalt erbringen, handelt es sich im eigentlichen Sinne nicht um Unterhaltsleistungen der Eltern an den Kläger. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass der Kläger – bei Zweckidentität von Naturalleistungen der Eltern und Gaindsicherungsleistungen sowie bei "Wirtschaften aus einem Topf (wie es auch hier vorliegt) – mit den von ihm in den "Topf eingebrachten Grundsicherungsleistungen die Naturalleistungen der Eltern "einkauft". Den Grundsicherungsbedarf des Klägers übersteigende Naturalleistungen der Eltern haben grundsätzlich keinen Einfluss auf Bestand und Höhe der Grundsicherungsleistung; sie sind mangels Zweckidentität nicht als Ein-kommen im sozialhilferechtlichen Sinne einzusetzen. Als Einkommen wären insoweit allenfalls solche Unterhaltsleistungen zu berücksichtigen, die darüber hinaus eindeutig abgrenzbar in Geld- oder Geldeswert erfolgen (vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.).
Soweit die Beklagte unter Bezugnahme auf § 48 Abs. 2 SGB X ausführt, hinsichtlich der Beurteilung der Rechtswidrigkeit der bestandskräftigen Bewilligungsbescheide im Rahmen des § 44 SGB X sei auf ihren Kenntnisstand zum Entscheidungszeitpunkt abzustellen, ist dieser Rechtsauffassung nicht zu folgen. Nach dem Wortlaut des § 48 Abs. 2 SGB X bleibt § 44 unberührt. § 44 SGB X stellt aber gerade auf die – vorliegend gegebene – unrichtige Anwendung des Rechts ab.
Darüber hinaus begegnen der durch die Beklagte vorgenommenen Leistungsberechnung keine Bedenken. Dies ist auch nicht beanstandet worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Der Senat hat im Hinblick auf die Rechtsfrage der Anwendbarkeit des § 44 SGB X auf Leistungen nach dem GSiG gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG die Revision zugelassen.
Erstellt am: 08.05.2008
Zuletzt verändert am: 08.05.2008