Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 07.02.2006 aufgehoben. Die Bescheide der Beklagten vom 03.05.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.09.2005 werden aufgehoben. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger für beide Rechtszüge. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Aufhebung der Bewilligung und Rückforderung von Sozialhilfe i.H.v. insgesamt 2.697,06 EUR.
Der am 00.00.1922 geborene Kläger zu 1) sowie die am 00.00.1920 geborene Klägerin zu 2) sind Eheleute. Sie sind Spätaussiedler aus Polen. Seit dem 00.10.2002 wohnen sie ständig in der Bundesrepublik Deutschland.
Mit an den Kläger zu 1) gerichtetem Bescheid vom 29.10.2002 bewilligte die Beklagte Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) für den Zeitraum 23.10. bis 30.11.2002 Leistungen i.H.v. insgesamt 575,81 EUR. Aus einer "Anlage zum Bescheid/D, C und A B" wird ersichtlich, dass darin auch Leistungen für die Klägerin zu 2) enthalten sind; ausgeführt ist dies bei der Berechnung eines monatlichen Anspruchs von 293,00 EUR für den "Haushaltsvorstand" und von 234,00 EUR für die "Ehefrau", abzgl. 42,00 EUR Pauschale für Haushaltsstrom, mithin 485,00 EUR monatlicher Anspruch, der als Gesamtbetrag sodann auf den genauen Bewilligungszeitraum umgerechnet wurde.
Mit ebenfalls an den Kläger zu 1) gerichtetem Bescheid vom 26.11.2002 gewährte die Beklagte Leistungen nach dem BSHG für den Zeitraum 23.10.2002 bis 31.12.2002 i.H.v. 575,75 EUR für Unterkunftskosten, die an einen Drittempfänger gezahlt wurden.
Mit wiederum an den Kläger zu 1) gerichtetem Bescheid vom 28.11.2002 bewilligte die Beklagte Leistungen nach dem BSHG für Dezember 2002 für den Kläger zu 1) i.H.v. 355,38 EUR und für die Klägerin zu 2) i.H.v. 265,19 EUR, mithin insgesamt 620,57 EUR.
Wegen der Einzelheiten wird auf die genannten Bescheide Bezug genommen.
In einem Antrag auf Grundsicherungsleistungen nach dem Grundsicherungsgesetz (GSiG) gaben die Kläger unter dem 19.11.2002 an, sie verfügten über kein Einkommen. Für den Kläger zu 1) sei Rente beantragt.
Mit an den Kläger zu 1) gerichtetem Bescheid vom 28.12.2002 bewilligte die Beklagte für den Zeitraum Januar bis Juni 2003 Leistungen nach dem GSiG für den Kläger zu 1) i.H.v. 554,09 EUR und für die Klägerin zu 2) i.H.v. 495,10 EUR monatlich, mithin insgesamt i.H.v. 1.049,19 EUR.
Unter dem 10.01.2003 machte die Beklagte gegenüber der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) einen Erstattungsanspruch geltend, weil sie den Klägern Leistungen nach dem BSHG gewähre.
Nach einem Umzug der Kläger bewilligte die Beklagte mit an den Kläger zu 1) gerichtetem Bescheid vom 28.01.2003 erneut für beide Kläger Leistungen nach dem GSiG für den Zeitraum Januar bis Juni 2003 in der mit Bescheid vom 28.12.2002 bewilligten Höhe. Der Bescheid enthielt, wie schon derjenige vom 28.12.2002, einen Hinweis auf Mitteilungspflichten, u.a. bei Änderungen der Höhe des Einkommens (z.B. Rente); wegen der Einzelheiten wird auf die Bescheide Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 06.11.2003 bewilligte die BfA dem Kläger zu 1) auf seinen Antrag vom 04.11.2002 Regelaltersrente ab dem 01.11.2002 i.H.v. netto monatlich ab 01.11.2002 646,50 EUR, ab 04.11.2002 597,70 EUR und ab 01.07.2003 602,30 EUR. Ausweislich eines Bearbeitervermerks erfolgte am 20.11.2003 insoweit eine Dateneingabe.
Unter dem 13.11.2003 (Eingang bei der Beklagten: 19.11.2003) teilte die BfA der Beklagten unter Bezugnahme auf den angemeldeten Erstattungsanspruch mit, dem Kläger zu 1) sei mit Bescheid vom 06.11.2003 Altersrente ab dem 01.11.2002 bewilligt worden. Die Beklagte meldete daraufhin unter dem 01.12.2003 bei der BfA die endgültige Höhe ihres Erstattungsanspruchs mit 14.233,03 EUR für Leistungen vom 01.11.2002 bis 31.12.2003 an.
Unter dem 23.04.2004 (Eingang bei der Beklagten: 30.04.2004) teilte die BfA der Beklagten mit, die Rente des Klägers zu 1) sei mit Bescheid vom 23.04.2004 neu festgestellt worden. Aus der Mitteilung ergibt sich für den Zeitraum 01.11.2002 bis 30.03. 2003 eine Überzahlung von Rente i.H.v. insgesamt 2.697,06 EUR; wegen der Einzelheiten wird auf die Mitteilung Bezug genommen. Mit Schreiben vom 03.05.2006, der Beklagten zugegangen am 07.05.2004, teilte die BfA der Beklagten mit, der Erstattungsanspruch für die Zeit vom 01.11.2002 bis 31.12.2003 werde mit 5.703,22 EUR abgerechnet. Der Kläger zu 1) habe vom 01.11.2002 bis 31.03.2003 eine polnische Versichertenrente bezogen; diese sei direkt an ihn ausgezahlt worden, wäre jedoch nach § 31 Fremdrentengesetz (FRG) anzurechnen gewesen, so dass sich der deutsche Rentenanspruch auf die unter dem 23.04.2004 genannten Beträge reduziert habe. Für den Zeitraum vom 01.11.2002 bis 30.03.2003 sei eine Überzahlung i.H.v. 2.697,06 EUR festgestellt worden.
Unter dem 03.06.2004 teilte die BfA der Beklagten mit, für den Kläger zu 1) bestehe für den Zeitraum 04. bis 31.10.2002 ein Rentennachzahlungsanspruch i.H.v. 38,89 EUR; wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 03.06.2004 Bezug genommen. Die Beklagte bat die BfA mit Schreiben vom 14.06.2004 bezugnehmend auf ihren Erstattungsanspruch um Überweisung des Betrages an sie. Die BfA teilte der Beklagten mit Schreiben vom 08.07.2004 mit, da die Rentennachzahlung 50,00 EUR nicht überschritten habe, sei ein Erstattungsanspruch nicht zu erfüllen (§ 110 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – SGB X – ).
Mit Schreiben vom 08.06.2004 teilte die Beklagte dem Kläger zu 1) mit, seine Rente sei mit Bescheid der BfA von April 2004 für den Zeitraum vom 01.11.2002 bis 31.03.2003 um insgesamt 2.697,06 EUR gekürzt worden, da er im gleichen Zeitraum an ihn direkt ausgezahlte polnische Versichertenrente bezogen habe. Leider habe er es versäumt, sie – die Beklagte – von diesem Rentenbezug in Kenntnis zu setzen, so dass eine Überzahlung der Sozialhilfe bzw. der Grundsicherung i.H.v. 2.697,06 EUR eingetreten sei.
Der Kläger zu 1) antwortete mit Schreiben vom 19.06.2004, er habe es nicht versäumt, die BfA von seinem Rentenbezug in Kenntnis zu setzen; er habe ihr am 31.03.2003 ein Schreiben zugesandt, in dem er sie vom Bezug der polnischen Rente bis zum 31.03.2003 benachrichtigt habe. Er habe die polnische Rente auch beziehen müssen, weil er in Polen noch viele Verpflichtungen gehabt habe; u.a. habe er seine dortige Wohnung noch bis Ende März 2003 bezahlen müssen. Zudem habe er Verpflichtungen gegenüber seinem am 00.00.1979 geborenen Enkel gehabt, der bei ihm gewohnt und den er bis zum Abitur betreut habe. Sein Enkel sei nach dem Abitur als Spätaussiedler nach Deutschland ausgewandert, habe jahrelang keine Arbeit finden können, sei zeitweise Sozialhilfeempfänger gewesen und Anfang 2002 wieder nach M (Polen) zurückgekehrt. Er habe ihm im September 2002 einen Studienplatz an der Universität C sichergestellt und für seinen Unterhalt gesorgt. Sein Enkel sei heute Student des IV. Semesters für Informatik. Wegen der Überzahlung berufe er sich auf einen vom Bundesinnenministerium herausgegebenen "Wegweiser für Spätaussiedler"; dieser führe auf Seite 62 aus: "Wichtig: Sozialhilfe brauchen Sie grundsätzlich nicht zurückzuzahlen! (Ausnahme: Wenn die Leistungen der Sozialhilfe Ihnen ausdrücklich nur als Darlehen gewährt wurden!)." Ihm sei die Sozialhilfe nicht darlehensweise gewährt worden; es habe sich um eine Eingliederungshilfe für Spätaussiedler zur Überwindung der ersten schwierigen Anfangsmonate gehandelt. Er habe die BfA im Herbst 2003 auch gebeten, seine Rente an ihn und nicht an das Sozialamt auszuzahlen; leider habe sie darauf nicht geantwortet, obwohl er seine Gründe dafür angegeben gehabt habe. Es könne doch nicht sein, dass über die Sozialhilfe auch die BfA das Sagen habe. Sie habe schon so viel böses Blut in die Reihen der Spätaussiedler transfusioniert. Er halte außerdem die Höhe der Überzahlung für falsch errechnet: 2.697,06 EUR: 5 = 539,04 EUR; er habe nie Sozialhilfe i.H.v. 539,04 EUR monatlich erhalten.
Mit Schreiben vom 01.07.2004 teilte die Beklagte dem Kläger zu 1) mit, für die Beurteilung der Rückforderung spiele es keine Rolle, ob er in Polen noch Miete zu zahlen bzw. seinem Enkel Leistungen zu erbringen gehabt habe. Tatsache sei, dass er ihr – der Beklagten – die polnische Rentenzahlung nicht mitgeteilt habe und dass dadurch eine Überzahlung von Sozialhilfe und Grundsicherung erfolgt sei. Für November und Dezember 2004 seien nach Abzug des Wohngeldes sowie der von der BfA erstatteten Rente jeweils weitere 526,92 EUR zzgl. 260,00 EUR Haushaltshilfen an Sozialhilfe geleistet worden. Im Januar 2005 sei nach Abzug der Rentenzahlung der BfA und des Wohngeldes noch 785,00 EUR, im Februar 775,00 EUR und ihm März 769,13 EUR Grundsicherungsleistungen erbracht worden. Daraus werde deutlich, dass die polnische Rente diese Leistungen in erheblichem Umfang gemindert hätte. Die Rente sei auch anzurechnen gewesen, weil es sich um Einkommen des Klägers zu 1) gehandelt habe, das er zur Sicherung des Lebensunterhaltes hätte einsetzen müssen. Da er seiner Mitteilungspflicht nicht nachgekommen sei, bestehe gegen ihn ein Rückforderungsanspruch (§ 45 Abs. 2 SGB X für 2002 bzw. § 48 Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – für 2003); er habe durch Verschweigen der Rente jeweils wesentlich unvollständige bzw. unrichtige Angaben gemacht, und ihm hätte bewusst sein müssen, dass er eine Rentenzahlung in jedem Falle für die Sicherung seines eigenen Lebensunterhalts hätte verwenden müssen und insoweit keine steuerlichen Leistungen des Staates hätte in Anspruch nehmen können. Er möge deshalb bis zum 15.07.2004 den Überzahlungsbetrag von 2.697,06 EUR erstatten; anderenfalls müsse ein Rückforderungsbescheid erlassen und ggf. vollstreckt werden.
Mit zwei Bescheiden vom 03.05.2005, gerichtet an beide Kläger, hob die Beklagte ihre nicht datumsmäßig benannten Bescheide über Leistungen nach dem BSHG für den Zeitraum 01.11. bis 31.12.2002 bzw. nach dem GSiG für den Zeitraum vom 01.01. bis 31.03.2003 jeweils auf und forderte Beträge von 1.113, 17 EUR bzw. 1.583,89 EUR (insgesamt 2.697,06 EUR) an überzahlter Hilfe zurück; in den Bescheiden sind jeweils die Gesamtleistungen an die Kläger, nicht aber die auf den Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) entfallenden Leistungsbeträge aufgeführt. Auch hinsichtlich der Rückforderungsbeträge sind nur die jeweiligen Gesamtbeträge, nicht aber die auf den Kläger zu 1) und auf die Klägerin zu 2) jeweils entfallenden Rückforderungsbeträge genannt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Bescheide Bezug genommen.
Hiergegen legte der Kläger zu 1) Widerspruch ein. Zur Begründung trug er u.a. vor, er habe die polnische Rente seit dem 01.02.1991 bezogen. Er habe über 52 Jahre gearbeitet, sei 34 Jahre Chefarzt in einer 70-Betten-Abteilung gewesen, zwölf Jahre Direktor des Kreiskrankenhauses in M, und seine Rente betrage 596,00 EUR, obwohl in einer Informationsschrift über Leistungen nach dem FRG ausgeführt sei, das FRG werde von dem Gedanken der Eingliederung geprägt, weshalb die Berechtigten so gestellt werden sollten, als hätten sie ihr Versicherungsleben nicht im Herkunftsland, sondern in Deutschland verbracht. Jetzt lebe er in Armut, und das Sozialamt verlange auch noch, dass er die Sozialhilfe für November und Dezember 2002 zurückzahle. Wenn der Wegweiser für Spätaussiedler besage, dass Sozialhilfe nicht zurückzuzahlen sei, hoffe er, dass dies auch in Nordrhein-Westfalen gelte. Ihm bleibe leider monatlich kein Cent übrig, so dass er nichts zurückzahlen könne. Er sei auch fest davon überzeugt, dass die Beklagte kein Recht auf die Forderung habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 07.09.2005, gerichtet an beide Kläger, wies der Rheinisch-Bergische Kreis den Widerspruch gegen beide Bescheide vom 03.05.2005 zurück. Die Kläger hätten mit Bescheiden vom 29.10. und 26.11.2002 Leistungen der Sozialhilfe bzw. mit Bescheid vom 28.12.2002, zuletzt geändert durch Bescheid vom 28.01.2003, Leistungen der Grundsicherung bewilligt erhalten. Die Erzielung von Einkommen sei nicht angegeben worden; damit hätten die Kläger wenn nicht vorsätzlich, so doch zumindest grob fahrlässig die auf die Leistungen anzurechnende polnische Rente verschwiegen. Infolgedessen sei es zu einer Überzahlung von Sozialhilfe i.H.v. 1.113,17 EUR und von Grundsicherungsleistungen i.H.v. 1.583,89 EUR gekommen. Die rechtswidrigen Bewilligungsbescheide könnten nach § 45 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 4 SGB X für die Vergangenheit zurückgenommen werden, da kein Vertrauensschutz bestehe. Die überzahlten Leistungen seien nach § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten. Über die tatsächliche Durchsetzbarkeit des Rückforderungsanspruches sei im Rahmen des Widerspruchsverfahrens nicht zu entscheiden. Der Widerspruch sei deshalb nicht begründet. Es sei darauf hinzuweisen, dass Sozialhilfe und Grundsicherungsleistungen vom Empfänger tatsächlich dann nicht zurückgezahlt werden müssten, wenn sie rechtmäßig ausgezahlt worden seien. Im vorliegenden Fall seien die Leistungen jedoch ohne Rechtsgrund erbracht worden, so dass sie erstattet werden müssten. Die Rücknahme der Leistungsbewilligungen sei ermessensfehlerfrei erfolgt; das öffentliche Interesse an der Wiederherstellung eines rechtmäßigen Zustandes sei höher zu bewerten als das nicht schützenswerte Vertrauen in den Bestand rechtswidriger Verwaltungsakte, und es wäre gleichheitswidrig, einerseit unberechtigte Hilfeansprüche abzulehnen, andererseits aber von einer bestehenden Rücknahmemöglichkeit keinen Gebrauch zu machen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen.
Hiergegen hat zunächst allein der Kläger zu 1) am 28.09.2005 Klage erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen seinen bisherigen Vortrag erneuert und ergänzt. Nach seiner Ansicht sei es nicht wichtig, wie die staatliche Hilfe bezeichnet werde, ob als Sozial- oder als Eingliederungshilfe, obwohl ihm Eingliederungshilfe näher liege. Er habe diese Hilfe nur fünf Monate bezogen und sei dankbar dafür. Zurückzahlen könne er sie jedoch nicht; er habe kein Vermögen und lebe nur von seiner Rente, die für Lebensunterhalt und Wohnung nicht ausreiche, zumal auch für Medikamente und Desinfektionsmittel (Bauchkatheter) Kosten anfielen. Seine polnische Rente habe brutto 3.300, netto 2.500 Zloty betragen. Er habe sich damit für den gewöhnlichen Gebrauch alles leisten können, auch für seinen Enkel. Das habe im Frühjahr 2003 geendet, als er seine polnische Rente habe einstellen müssen. Die Beklagte habe für seine familiären und moralischen Pflichten kein Verständnis gehabt.
Der Kläger zu 1) hat beantragt,
die Bescheide vom 03.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.09.2005 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, der vom Kläger zu 1) herangezogene Wegweiser für Spätaussiedler weise darauf hin, ein Anspruch auf Sozialhilfe setze voraus, dass die Notlage nicht aus eigenen Kräften und Mitteln überwunden werden könne. Die vom Kläger zu 1) benannte Eingliederungshilfe richte sich an Anspruchsberechtigte, die in den letzten zwölf Monaten vor Antragstellung mindesten 150 Tage gearbeitet hätten, was beim Kläger zu 1) nicht zutreffe. Im Übrigen werde auf den Widerspruchsbescheid verwiesen.
Der Kläger zu 1) hat hierauf erwidert, er habe seine Notlage nicht aus eigenen Kräften und Mitteln überwinden können. Im Übrigen sei er 80jährig und mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100 und dem Merkzeichen "G" aus Polen gekommen. Nach dem "Wegweiser" gebe es Hilfe in besonderen Lebenslagen – Behinderung, Krankheit und Alter. Seine polnische Rente hätte nicht ausgereicht, auch nur zu einem kleinen Teil die Bedürfnisse seines Gesundheitszustandes zu befriedigen. Im Übrigen sei sie auf sein Konto in Polen gezahlt worden, von dem die Bank all seine Verpflichtungen wie Miete, Studiengebühren und Unterhalt für seinen Enkel, Kfz-Steuer, Autoversicherung und vieles mehr abgerechnet habe. Die Voraussetzung von 150 Arbeitstagen für Eingliederungshilfe könne nur Arbeitsfähige betreffen. Er habe bis zum Erreichen von 68½ Lebensjahren im öffentlichen Gesundheitsdienst gearbeitet und danach noch bis zum 31.12.2000 seine private Arztpraxis geführt.
Mit Urteil vom 07.02.2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das am 22.02.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger zu 1) am 21.03.2006 Berufung eingelegt. Er hat auf Anfrage des Senats mitgeteilt, seine Klage betreffe auch die Klägerin zu 2), obwohl er der Bezieher der polnischen Rente gewesen sei. Die Kläger tragen u.a. vor, sie hätten nie verschwiegen, dass der Kläger zu 1) die polnische Rente bezogen habe. Am 29.03.2003 habe er die Bescheinigung über die Einstellung der polnischen Rente und die Abmeldung aus Polen der BfA zugeschickt. Reisekosten im Zusammenhang mit der Erteilung seines Schwerbehindertenausweises und seiner Reise nach Polen wegen der Einstellung der dortigen Rente – insgesamt 1.393,60 EUR – seien ihm nicht erstattet worden, aber man verlange unberechtigt die Rückzahlung von 2.697,06 EUR, obwohl die Sozialhilfe für die fünf Monate nur ca. 1.400,00 EUR betragen habe. Die Rückzahlung werde abgelehnt, weil er allen Mitteilungspflichten nachgekommen worden sei.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 07.02.2006 sowie die Bescheide der Beklagten vom 03.05.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.09.2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihre angefochtenen Entscheidungen sowie auf das angefochtene Urteil, das sie für richtig hält.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Der Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat nach Anhörung des Klägers zu 1) die Klägerin zu 2) mit in das Rubrum aufgenommen, weil diese ebenfalls durch die angefochtenen Bescheide beschwert ist (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 8/06 R, sog. Meistbegünstigungsprinzip).
Die Berufung der Kläger ist zulässig und begründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide verletzen die Kläger i.S.v. § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in ihren Rechten.
Die Aufhebung der Bewilligung und Rückforderung zu Unrecht erbrachter Sozialhilfeleistungen richtet sich für die Zeit, in der Leistungen nach dem GSiG gewährt worden sind, nach §§ 48 und 49a Verwaltungsverfahrensgesetz Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW; vgl. Linhart/Adolph, NDV 2003, S. 137), für die Zeit, in der Leistungen nach dem BSHG erbracht worden sind, nach §§ 45 und 50 SGB X.
Der Senat lässt dahinstehen, ob sich die Kläger wegen der Nichtangabe der vom Kläger zu 1) bezogenen polnischen Rente gegenüber der Beklagten noch nach § 48 Abs. 2 Satz 3 VwVfG NRW bzw. nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X auf Vertrauensschutz berufen können.
Denn ein solcher fehlender Vertrauensschutz allein reicht für die Rechtmäßigkeit der Rücknahme einer Leistungsbewilligung nicht aus. Vielmehr muss auch ein Verwaltungsakt, mit dem ein rechtwidriger Verwaltungsakt i.S.v. § 48 Abs. 1 VwVfG NRW bzw. ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 Abs. 1 SGB X zurückgenommen wird, neben den in diesen Vorschriften normierten besonderen Voraussetzungen den allgemeinen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen eines Verwaltungsakts genügen.
Die von den Klägern angefochtenen Bescheide vom 03.05.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.09.2005 genügen diesen allgemeinen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen jedoch nicht.
Denn nach § 37 Abs. 1 VwVfG NW bzw. nach § 33 Abs. 1 SGB X muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Bei dieser inhaltlichen Bestimmtheit handelt es sich um eine Voraussetzung für die materielle Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes (Lorenz, in: FS zum 25jährigen Bestehen des BSG, 1979, S. 933). Denn aus dem Verwaltungsakt muss klar hervorgehen, was die Behörde verfügt hat, was seinem Empfänger zugebilligt und was ihm auferlegt wird (Engelmann, in: v. Wulffen, SGB X, 5. Aufl. 2005, § 33 Rn. 2).
Die angefochtenen Rücknahme- und Rückforderungsbescheide sind jedoch inhaltlich zu unbestimmt. Mangels Heilbarkeit dieses Rechtmäßigkeitserfordernisses (vgl. § 45 VwVfG NRW bzw. § 41 SGB X, die für eine mangelnde inhaltliche Bestimmtheit des Verwaltungsaktes keine Heilungsmöglichkeit vorsehen, da diese weder eine Verletzung von Verfahrens- noch von Formvorschriften bedeutet) sind sie deshalb als rechtswidrige, noch nicht bestandskräftige Bescheide aufzuheben. Abgesehen hiervon hat die Beklagte auch nichts unternommen, um die inhaltliche Unbestimmtheit der Rückforderungsbescheide zu heilen.
Um inhaltlich hinreichend bestimmt zu sein, muss zu allererst der Verfügungssatz eines Rücknahmebescheides so präzise wie möglich klarstellen, was geregelt wird. Deshalb ist zu erklären, welcher Verwaltungsakt mit Wirkung zu welchem genauen Zeitpunkt zurückgenommen wird (Löcher, Die Rücknahme rechtswidriger Bewilligungsbescheide im Sozialhilferecht, NDV 2002, S. 180 – 185 und 205 – 211, S. 210).
Insoweit ist bereits fraglich, ob die beiden Rücknahmebescheide vom 03.05.2006 überhaupt eine Aufhebung der ergangenen Bewilligungsbescheide hinreichend bestimmt verfügen. Denn die Bewilligungsbescheide für den betroffenen Leistungszeitraum (01.11.2002 – 31.03.2003) sind in den beiden Ausgangsbescheiden vom 03.05.2006 überhaupt nicht benannt; aufgehoben werden mit ihnen ausdrücklich allein "meine Bescheide" über die Leistungen nach dem BSGH bzw. GSiG. Auch der Widerspruchsbescheid vom 07.09.2005 nennt die konkreten Bewilligungsbescheide in seinem Verfügungssatz (mit dem lediglich der Widerspruch zurückgewiesen wird) nicht. Allein in seiner Sachverhaltsschilderung wird ausgeführt, dass BSHG-Leistungen mit Bescheiden vom 29.10. und 26.11.2002 und GSiG-Leistungen mit "Bescheid vom 28.12.2002, zuletzt geändert durch Bescheid vom 28.01.2003" gewährt worden sind. Da die Rücknahme einer Bewilligung actus contrarius zur Leistungsbewilligung ist, muss sie jedoch ausdrücklich geschehen (in diesem Sinne BSG, Urteil vom 23.10.1996 – 4 RLW 3/95; vgl. dazu auch VG Bayreuth, Urteil vom 05.05.2006, B 5 K 03.854 – juris).
Fraglich ist auch, ob es, jedenfalls hinsichtlich der Klägerin zu 2), überhaupt wirksam gewordene Bescheide gibt, die mit den angefochtenen Bescheiden hätten zurückgenommen werden können. Denn schon bei der Bewilligung einer Sozialleistung ist der Bestimmtheitsgrundsatz auch insoweit einzuhalten, dass bei verschiedenen Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft deren individueller Bedarf jeweils eigens ausgewiesen wird und der entsprechende Bescheid entweder jedem Mitglied getrennt zugeht oder aber sich an jedes Mitglied als Adressat wendet (ob hiervon für den Fall einer Vertretungsvermutung wie in § 38 Zweites Buch Sozialgesetzbuch – SGB II – eine Ausnahme zu machen ist, kann offen bleiben, da es eine solche Vertretungsvermutung im BSHG bzw. GSiG jedenfalls nicht gab). Die Beklagte hat allerdings ihre Bewilligungsbescheide stets nur an den Kläger zu 1) gerichtet; auf § 50 Abs. 2 SGB X hat sie sich hinsichtlich der Klägerin zu 2) jedoch nicht gestützt.
Der Senat lässt jedoch dahinstehen, ob die Beklagte in den Rücknahmebescheiden die einzelnen Bewilligungsbescheide konkret hätte in den Verfügungssatz aufnehmen müssen, und ob es überhaupt wirksam bekanntgegebene Bescheide gab, die der Klägerin zu 2) gegenüber hätten zurückgenommen werden können.
Denn die angefochtenen Bescheide leiden jedenfalls an einem weiteren Bestimmheitsmangel, der den Anspruch auf Rücknahme der Bescheide wegen Rechtswidrigkeit für beide Kläger gleichermaßen begründet:
Die angefochtenen Bescheide zeigen nicht auf, inwieweit sich die Rücknahme der Bewilligung jeweils auf die Leistungen für den Kläger zu 1) oder aber für die Klägerin zu 2) beziehen. Aus ihnen ist weder für den Kläger zu 1) noch für die Klägerin zu 2) zu ersehen, in welchem Umfang sie jeweils von der Rücknahme betroffen sein sollen, welcher Erstattungsbetrag jeweils auf sie als Einzelperson entfallen soll und in welcher Höhe sie mithin jeweils (nach § 49a VwVfG NRW bzw. § 50 SGB X) Erstattungsschuldner sein sollen. Vielmehr erwecken die Bescheide den Eindruck, jeder der Kläger werde als Gesamtschuldner für den gesamten Erstattungsbetrag in Haftung genommen. Ein Gesamtschuldverhältnis kann jedoch lediglich in gesetzlich vorgesehenen Fällen (z.B. § 103 Abs. 4 Satz 2 SGB XII) angenommen werden. Da aber bei Sozialhilfeleistungen nach dem BSHG bzw. nach dem GSiG jedem Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft ein eigener Anspruch zusteht, dementsprechend kein Familienbedarf, sondern ein Bedarf für jedes einzelne Mitglied zu bewilligen ist, so muss eine Rücknahme- und Erstattungsregelung ebenfalls im Hinblick auf die Betroffenheit des jeweiligen Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft, die Höhe des jeweils zu erstattenden Betrages und des jeweiligen Erstattungsschuldners eindeutig sein (Löcher, a.a.O.; Conradis/Armborst, in: LPK-SGB XII, 7. Aufl. 2005, Rn. 61).
Genügen die angefochtenen Bescheide dem Bestimmtheitserfordernis nicht, unterfallen sie als rechtswidrige Bescheide der Aufhebung durch das Gericht. Dies Ergebnis mag, da ein zumindest grob fahrlässiges Verschweigen der polnischen Rente durch die Kläger deutlich nahe liegt, aus Sicht der Beklagten im ersten Zugriff unbefriedigend erscheinen. Da ein Verwaltungsakt aber auch bei Rechtswidrigkeit so lange die Rechtsbeziehungen der Beteiligten gültig bestimmt, wie er nicht wirksam zurückgenommen ist, und da es die Beklagte in der Hand gehabt hätte, den Bestimmtheitsanforderungen zu genügen, ist das vorliegende Ergebnis nach der gesetzlichen Wertung, die einen nicht hinreichend bestimmten Verwaltungsakt und damit auch einen zu unbestimmten Rücknahmebescheid als rechtswidrig bestimmt, hinzunehmen.
Der Senat sieht sich im Übrigen in Übereinstimmung mit der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung. So hat etwa das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG) mit Urteil vom 22.01.1998 – 8 A 940/96 (NWVBl. 1998, S. 356) bei Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft eine genaue Bestimmung des/der konkreten Rücknahmeadressaten und zur Erstattung in Anspruch Genommenen gefordert. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat bei einem an mehrere Berechtigte gerichteten, belastenden Verwaltungsakt entschieden, es müsse erkennbar sein, ob diese als Gesamtschuldner oder nach Bruchteilen in Anspruch genommen würden; dies gelte auch bei Eheleuten (BVerwG NJW 1976, S. 1516; siehe auch Engelmann, a.a.O. Rn. 6; Grieger, in: Rothkegel, Sozialhilferecht, 2005, Teil III Kapitel 28 Rn. 12).
Aus dem Gesagten folgt, dass auch der Rückforderungsbescheid (§ 49a VwVfG NRW, § 50 Abs. 1 SGB X) aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG bestehen nicht.
Erstellt am: 08.01.2008
Zuletzt verändert am: 08.01.2008