Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 23.02.2012 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe:
Die am 00.00.1971 geborene Antragstellerin zu 1), der am 00.00.1970 geborene Antragsteller zu 2) und die am 00.00.1993 geborene Antragstellerin zu 3) beziehen wieder Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), nachdem der Antragsgegner seinen Entziehungsbescheid vom 24.01.2012 zurückgenommen hat. Ihnen wurden mit Bescheid des Antragsgegners vom 02.03.2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.03. bis 31.08.2012 in Höhe von monatlich 792,03 EUR bewilligt.
Am 05.02.2012 beantragten die Antragsteller u.a.,
den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihnen vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren ein Darlehen in Höhe von 1.116,33 EUR zur Übernahme von nichtgezahlten Stromabschlägen zu gewähren.
Die Antragsteller legten ein Versäumnisurteil des Amtsgerichts Q – 51 C 548/11 – vor, worin der Antragsteller zu 2) verurteilt wird, die Einstellung der Versorgung durch Ausbau des Stromzählers zu dulden. Sie trugen vor, die Zählersperrung sei am 08.02.2012 vollzogen worden.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 23.02.2012 lehnte das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Die Antragsteller hätten einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Ein solcher ergebe sich insbesondere nicht aus § 22 Abs. 8 S. 1 SGB II. Es könne offen bleiben, ob die begehrte Schuldenübernahme bereits daran scheitere, dass sie nicht gerechtfertigt sei. Jedenfalls sei das durch § 22 Abs. 8 S. 1 SGB II eröffnete Ermessen nicht dahingehend auf Null reduziert, dass eine Schuldenübernahme vorgenommen werden müsse. Die Verengung des Ermessensspielraums durch § 22 Abs. 8 S. 2 SGB II greife hier nicht ein. Wohnungslosigkeit liege nicht vor, da das Mietverhältnis durch die Unterbrechung der Stromversorgung nicht beeinträchtigt werde. Hierin liege lediglich eine mit der Sicherung der Unterkunft vergleichbare Notlage. Bei der Ermessensentscheidung sei zu berücksichtigen, dass die Antragsteller ihre Lage zumindest mitverschuldet und nicht alle Selbsthilfemöglichkeiten ausgeschöpft hätten. Denn diese hätten die von ihrem Versorger angebotene Ratenzahlung von 200,- EUR monatlich abgelehnt. Dieses Angebot anzunehmen, sei ihnen zumutbar gewesen. Die Antragsteller verfügten über nicht auf ihren Bedarf anzurechnendes Einkommen in hinreichender Höhe. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Beschlusses verwiesen.
Gegen diesen Beschluss haben die Antragsteller am 20.03.2012 Beschwerde eingelegt. Es liege kein Mitverschulden der Antragsteller im Sinne eines Nichtausschöpfens der Selbsthilfemöglichkeiten vor. Wie bereits in dem vorhergehenden Antragsverfahren S 28 AS 2603/11 ER SG Detmold vorgetragen, hätten die Antragsteller mehrmals versucht, mit der S eine Lösung zu finden. In Abwägung der Gesamtumstände sei es den Antragstellern nicht zumutbar, auf längere Sicht auf die Stromversorgung zu verzichten. Das Gericht habe sich nicht damit auseinander gesetzt, dass eine Ratenzahlung nur abverlangt werden könne, wenn die Höhe der einzelnen Raten und die Dauer der erforderlichen Laufzeit die Leistungsberechtigten nicht überforderten. Die Stromsperre bzw. die Nichtgewährung des Darlehens gefährde den Arbeitsplatz des Antragstellers zu 2), da das Waschen seiner Arbeitskleidung zurzeit nicht möglich sei. Die Antragstellerin zu 3) habe ein Praktikum in einer Rechtsanwaltskanzlei ausgeschlagen, da sie nicht habe sicherstellen können, gepflegt und mit sauberer Kleidung dort tätig zu werden.
Die Antragsteller beantragen,
den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 23.02.2012 abzuändern und den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, den Antragstellern vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren ein Darlehen in Höhe von 1.363,13 EUR zzgl. der Ausbau- und Wiedereinbaukosten des Stromzählers zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf die den Beschluss tragenden Gründe. Die Forderung der S hätte durch Ansparung der von der Einkommensanrechnung ausgenommenen Freibeträge seit Stellung des ersten Eilantrages am 01.12.2011 längst getilgt werden können.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte sowie die Akte des vorangehenden Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz S 28 AS 2603/11 ER sowie die beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Nach § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes im Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches (d.h. eines materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes (d.h. der Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bzw. die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO -).
Zur Überzeugung des Senats ist schon ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
Denn die Übernahme von Energiekostenrückständen gemäß § 22 Abs. 8 S. 1 SGB II, die nach S. 4 dieser Norm als Darlehen gewährt werden soll, muss zur Behebung der Notlage nicht nur geeignet, sondern auch sonst gerechtfertigt sein. Dies ergibt sich aus der Formulierung "soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist". Die Rechtfertigung umfasst die Prüfung, ob zumutbare Selbsthilfemöglichkeiten ausgeschöpft sind (Berlit in LPK-SGB II, 4. Aufl., § 22 Rn 194 m.w.N.). Auch zur Überzeugung des Senats fehlt es hieran vorliegend. Die Rechnung der S Vertrieb AG über 1.116,33 EUR (Jahresschlussrechnung einschl. Kosten von 1.063,43 EUR und Inkassokosten von 52,90 EUR) datiert vom 08.11.2011 (Bl. 609 VA). Die S Vertrieb AG hatte den Antragstellern die Möglichkeit einer Ratenzahlung eingeräumt. Dies ergibt sich aus dem im Verfahren S 28 AS 2603/11 ER (Bl. 61) vorgelegten Schreiben des Energielieferers, der Antragsteller zu 2) habe leider die vereinbarte Ratenzahlung nicht eingehalten. Schließlich hat es der Antragsteller zu 2) zu dem Versäumnisurteil des Amtsgerichts Q vom 06.01.2012 kommen lassen, worin er verurteilt wird, die Einstellung der Versorgung durch Ausbau des Stromzählers zu dulden. Der Antragsgegner durfte bei der Ermessensentscheidung nach § 22 Abs. 8 S. 1 SGB II über die Übernahme von Energiekostenrückständen im Rahmen einer umfassenden Gesamtschau die Umstände des Einzelfalles, u.a. die Höhe der Rückstände, die Ursachen, die zu dem Energiekostenrückstand geführt haben, die Zusammensetzung des von einer Energiesperre bedrohten Personenkreises und den erkennbaren Selbsthilfewillen berücksichtigen (Berlit in LPK-SGB II, a.a.O., § 22 Rn 196 m.w.N.).
Zur Überzeugung des Senats sind Anhaltspunkte für eine Einschränkung des Ermessens wegen Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen des § 22 Abs. 8 S. 2 SGB II (vgl. zur inhaltsgleichen Vorgängervorschrift des § 22 Abs. 5 S. 2 SGB II BSG Urteil vom 17.06.2010 – 14 AS 58/09 R) oder gar eine Ermessensreduzierung auf Null zugunsten der Antragsteller weder nach Aktenlage erkennbar noch von den Antragstellern vorgetragen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass ausweislich der vorgelegten Lohnabrechnungen des Antragstellers zu 2) seit Januar 2011 keine Abzüge mehr für Unterhalt (zuvor in Höhe von 400,- EUR) bzw. wegen Unterhaltspfändung (bislang 49,- EUR) vorgenommen werden. Dementsprechend hat sich seit diesem Zeitpunkt der Auszahlungsbetrag von bislang monatlich 751,- EUR auf 1.200,- EUR erhöht. Der Beklagte hat bei der Anrechnung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit von 1.200,- EUR monatlich die Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen in Höhe von monatlich 400,- EUR berücksichtigt. Er hat nämlich von dem Nettoeinkommen von 1.200,- EUR Freibeträge in Höhe von 330,- EUR, eine Pauschale für angemessene private Versicherungen von 30,- EUR und Werbungskosten von 16,67 EUR sowie den vorgenannten Betrag von 400,- EUR abgezogen, woraus sich der Anrechnungsbetrag von 470,- EUR errechnet. Dem Antragsgegner ist darin beizupflichten, dass der Antragsteller zu 2) zumindest die Freibeträge nach § 11b Abs. 3 S. 2 Nr. 1 (180,- EUR) und nach § 11b Abs. 3 S. 2 Nr. 2 i.V.m. S. 3 (50,- EUR), insgesamt also 230,- EUR, zur ratenweisen Zahlung der Energiekostenrückstände verwenden konnte und dass ihm dies auch zumutbar gewesen ist. Dass sich bei einer Ratenzahlung in dieser Größenordnung eine Tilgungsdauer von ungefähr 6 Monaten errechnen würde, stellt nach Ansicht des Senats ebenfalls nicht eine Sachlage dar, bei der nur eine Entscheidung rechtmäßig ist.
Im Hinblick auf vorstehende Ausführungen bedarf es keiner Entscheidung, ob die in der Beschwerdebegründung vorgebrachten Beeinträchtigungen zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes ausreichen würden.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Da die Beschwerde keine Aussicht auf Erfolg bietet, liegen auch die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (§ 73a SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung – ZPO) nicht vor.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 18.04.2012
Zuletzt verändert am: 18.04.2012