NZB d. Klägerin zurückgenommen
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts (SG) Gelsenkirchen vom 13. April 2005 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird auf 664,80 EUR für das Berufungsverfahren festgesetzt.
Tatbestand:
Die beklagte Einzugsstelle nimmt die klagende Stadt als Entleiherin von Arbeitnehmern wie einen Bürgen für die Zahlung von Gesamtsozialversicherungs (GSV)-Beiträgen in Anspruch, die die Verleihfirma und Arbeitgeberin, die B GmbH, für den Zeitraum vom 11. Januar bis zum 28. März 2002 schuldig geblieben ist (§ 28 e Abs 2 S. 1 des Sozialgesetzbuches (SGB) IV). Die Bevollmächtigten der Klägerin sehen die Haftung der Entleiherin aufgrund von Vorschriften der Insolvenzordnung (InsO) ausgeschlossen.
Die Firma B (Aktuelle Personal- und Strukturlösungen) L T GmbH, I, wies der AOK S Beiträge für die Monate Januar bis März 2002 nach – u.a. aus Anlaß der Beschäftigung von Arbeitnehmern, die die klagende Stadt im Wege erlaubter Arbeitnehmerüberlassung in Anspruch genommen hatte. Die B GmbH hatte mit Schreiben vom 18.1.2002 beim Amtsgericht (AG) Bochum den Antrag gestellt, das Insolvenz -Verfahren über ihr Vermögen zu eröffnen. Das AG Bochum bestellte mit Beschluss vom 22.1.2002 (80 IN 64/02) Rechtsanwalt Dr. U aus der Kanzlei der Bevollmächtigten der Klägerin zum vorläufigen (sog "schwachen") Insolvenzverwalter. Mit Beschluss vom 2.4.2002 eröffnete das AG Bochum ab diesem Tage das Insolvenzverfahren und bestellte den vorläufigen Verwalter Dr. U zum Sachwalter. Die Beklagte hatte die B GmbH zur Zahlung der streitigen Beiträge aufgefordert und erklärt, die GmbH werde gebeten, die aufgeführten fälligen Beiträge innerhalb von drei Tagen auf eines der Konten der Zahlstelle einzuzahlen; bei weiterem Zahlungsverzug müsse die Kasse den Beitragsrückstand zwangsweise einziehen. Mit Hinweis auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 30.7.2002 mit, die Verleihfirma schulde der Kasse für von der Klägerin entliehene Arbeitnehmer für die Zeit vom 1.1. bis 1.4.2002 Sozialversicherungsbeiträge; alle Versuche, die Beiträge bei der Entleihfirma einzuziehen, hätten keinen Erfolg gebracht; es sei beabsichtigt, die Klägerin nach § 28e Abs 2 S. 1 SGB IV wie einen selbstschuldnerischen Bürgen für die von der Verleihfirma geschuldeten Beiträge in Anspruch zu nehmen; die Klägerin möge mitteilen, in welcher Höhe sie Entgeltzahlungen an die ausgeliehenen Arbeitnehmer geleistet habe. Die klagenden Stadt übersandte der Beklagten mit Datum des 7.10.2002 eine Liste mit den Namen von sechs Arbeitnehmern, die sie im Zeitraum vom 11.1. bis zum 28.3.2002 von der B GmbH entliehen hatte. Mit Bescheid vom 9.4.2003 forderte die Beklagte die Klägerin zur Zahlung von GSV-Beiträgen (ohne Umlage) in Höhe von 664,80 EUR auf, deren Höhe sie auf der Grundlage der Angaben der Klägerin im Schreiben vom 7.10.2002 festgesetzt hatte.
Die Bevollmächtigten der Klägerin erhoben am 24.4.2003 Widerspruch und machten geltend: § 28e SGB IV müsse unter Berücksichtigung der insolvenzrechtlichen Normen ausgelegt werden; die von der Beklagten angenommene Haftung könne sich ausschließlich aus der Regelung des § 208 Abs 2 SGB III ergeben, wonach GSV-Beitragsansprüche trotz einer Ausgleichung über die Bundesanstalt für Arbeit (BA) in dem Insolvenzgeldzeitraum gegenüber dem Arbeitgeber – der Schuldnergesellschaft – bestehen blieben und etwaige Zahlungen an die BfA (will heißen BA) zu erstatten seien; diese Erstattungsansprüche der BfA (sicut BA), die die Beklagte als Einzugsstelle gegenüber den Entleihern geltend mache, stellten jedoch – unstreitig – lediglich einfache Insolvenzforderungen dar; diese Tatsache sei nunmehr auch durch die zum 1.12.2001 eingefügte Regelung des § 55 Abs 3 S. 2 InsO für die – vorliegend nicht gegebene – Konstellation der Begründung der Sozialversicherungsbeitragsverbindlichkeiten durch einen "starken" vorläufigen Verwalter normiert worden; nach der von der Kasse vertretenen Auffassung würden diese einfachen Insolvenzforderungen der BA jedoch mittelbar in vorrangig zu befriedigende Masseverbindlichkeiten umgewandelt, da durch die Subsidiärhaftung der Entleiher in voller Höhe Zahlungen auf die Beitragsrückstände geleistet werden müßten; diese Auffassung widerspreche den insolvenzrechtlichen Bestimmungen und sei daher fehlerhaft; wirtschaftlich würde die Auffassung der Kasse dazu führen, daß die Weiterführung von Personaldienstleistungsfirmen unmöglich werden würde, da bei insolventen Personaldienstleistungsfirmen die Entleiher jeweils mit ihrer Inanspruchnahme aufgrund der Subsidiärhaftung rechnen müßten; eine Ausleihung von insolventen Firmen wäre daher nur unter einer gleichzeitigen Freistellung der Entleiher von den Subsidiärhaftungsansprüchen durch die Insolvenzmasse möglich.
Die Beklagte verwies demgegenüber auf ein Schreiben der im Berufungsverfahren beigeladenen BA vom 18.12.2002, in dem es abschließend heißt, die Anspruchsforderung verbleibe weiter bei der Krankenkasse und diese Rechtsauffassung widerspreche nicht dem Insolvenzrecht. Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29.6.2004 zurück. Sie konkretisierte Arbeitnehmer, Entgelte und Beitragsforderungen und ergänzte, alle Beitragseinziehungsversuche hätten keinen Erfolg gebracht; weitere als die in § 28e Abs 2 S. 1 und 2 SGB IV genannten Voraussetzungen seien nicht zu erfüllen; inwieweit Regelungen des SGB III und insolvenzrechtliche Regelungen Einfluß auf die Haftung der Entleiherin haben sollten, sei nicht nachvollziehbar.
Die Bevollmächtigten der Klägerin haben gegen den ihnen am 2.7.2004 zugestellten Bescheid am 30.7.2004 Klage erhoben und vorgetragen: vor Einfügung von § 55 Abs 3 InsO durch Gesetz vom 26.10.01 (BGBl 2710) hätten infolge von Insolvenzgeldzahlungen übergehende Entgeltansprüche der Arbeitnehmer, die von einem vorläufigen Verwalter beschäftigt worden seien, wegen der Regelung der §§ 412, 401 Abs 2 BGB nach dem Gesetzeswortlaut des § 55 Abs 2 S. 2 InsoO als Masseverbindlichkeiten angesehen werden können; bei einer solchen Auslegung wäre jedoch der Subventionseffekt der Insolvenzgeldvorfinanzierung weggefallen; die finanzielle Situation des Unternehmens bessere sich danach grundlegend, wenn die Personalkosten aus dem Eröffnungsverfahren nicht als Masseverbindlichkeiten aus der Insolvenzmasse vorweg bezahlt werden müßten; darin liege der Subventionseffekt, ohne den Betriebsfortführungen in der Mehrheit der Fälle erfolgreich nicht möglich seien (Hinw. auf Münchner Kommentar-Hefermehl, InsO § 55 RdNr 232); nach der Durchführungsanweisung der BA bedürfe nach § 188 Abs 4 S. 1 SGB III die Vorfinanzierung der Zustimmung des Arbeitsamtes; im vorliegenden Fall habe das Arbeitsamt S mit Schreiben vom 22.1.2002 die Zustimmung gemäß § 188 Abs 4 SGB III zur Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes für die Arbeitnehmer der B GmbH erteilt; vor diesem Hintergrund sei die bis zum 1.12.2001 bestehende gesetzliche Situation der Behandlung der auf die BfA (sicut BA) übergegangenen Forderung als Masseverbindlichkeit durch Literatur und Rechtsprechung dahingehend korrigiert worden, daß aufgrund einer teleologischen Reduzierung des § 55 Abs 2 die auf die BfA (sicut BA) übergegangenen Ansprüche nur Insolvenzforderungen dargestellt hätten (Hinw. auf LAG Köln, ZInsO 2000,237; LAG Hamm, ZInsO 2000,113; Hefermehl aaO ); das habe das Bundesarbeitsgericht (BAG) bestätigt (Hinw. auf ZIP 2001,1964 ); zwischen der teleologischen Reduktion des § 55 Abs 2 InsO und der dargelegten zu § 208 Abs 2 SGB III bestehe ein Gleichklang; die geltend gemachten Ansprüche bezögen sich nur auf eine Zeit nach Stellung des Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens; etwaige nach der Eröffnung erfolgte Zahlungen der B, durch die die Subsidiärhaftung entfallen wäre, wären gemäß §§ 129, 130 Abs 1 Nr 2 InsO anfechtbar.
Das SG Gelsenkirchen hat die Klage – ohne mündliche Verhandlung – mit Urteil vom 13. April 2005 abgewiesen, weil die Klägerin den Charakter der Regelung des § 208 SGB III verkenne, und weil die Beklagte nicht eine Forderung der BA geltend mache, sondern ihre eigene ursprüngliche Forderung, für die die Klägerin als Bürgin einzustehen habe.
Die Bevollmächtigten der Klägerin haben gegen das Urteil – ihnen zugestellt am 17.5.2005 – am 7.6.2005 Berufung eingelegt und darauf hingewiesen, daß die IKK Westfalen dem Widerspruch in vergleichbarer Angelegenheit laut beiliegendem Schreiben vom 19.3.2003 abgeholfen habe. Nach dem beiliegenden Schreiben war das "aus rein wirtschaftlichen Gründen" geschehen.
Mit Fax-Schreiben vom 30.1.2007 hat der Berichterstatter – vorbehaltlich u.a. einer Entscheidung des Senats – Hinweise zur Sach- und Rechtslage gegeben. Mit Faxschreiben vom 19.2.2002 haben die Bevollmächtigten darauf erwidert und einen Bescheid der BA – Arbeitsagentur S – vom 5.9.2002 übermittelt, mit dem diese einer Bank aus Anlaß der Vorfinanzierung von Insolvenzgeld (InsoG) für die Arbeitnehmer der B GmbH Insolvenzgeld (für Dritte) in Höhe von 201.487,61 EUR bewilligt und zum Insolvenzgeldanspruch anderer als der o.a. von der Klägerin entliehenen Arbeitnehmer Stellung bezogen hatte.
Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des SG Gelsenkirchen vom 13.4.2005 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 9.4.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.6.2004 aufzuheben.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat vor dem Senat erklärt, der Arbeitgeber sei seinerzeit – nach dem Muster des zu den Akten gereichten Vordrucks – ordnungsgemäß mit Fristsetzung gemahnt worden; dies ergebe sich aus den EDV-Protokollen, die in den Akten der Kasse enthalten seien, Erstattungsansprüche der BA gemäß 208 SGB III seien gegenüber der Beklagten als Einzugsstelle nicht erhoben worden; es seien auch keinerlei Beitragszahlungen verbucht, da der Arbeitgeber seinerseits bislang nichts gezahlt habe; es seien auch keine Erstattungsan-sprüche in irgendeiner Weise ausgeglichen worden.
Für die Beigeladenen ist zur mündlichen Verhandlung am 22.2.2007 niemand erschienen. Die Benachrichtigung vom Termin ist ihnen am 25.1.2007 zugestellt worden. Mit der Nachricht ist darauf hingewiesen worden, daß auch in Abwesenheit der Klägerin und eines Bevollmächtigten der Klägerin verhandelt und entschieden werden könne.
Wegen des Sachverhalts im übrigen wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze in beiden Rechtszügen verwiesen. Außer den Streitakten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen: ein Band Verwaltungsakten der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Obgleich für die Beigeladenen zur mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist, hat der Senat verhandeln und entscheiden können, denn die Beigeladenen sind – mit Hinweis auf diese Möglichkeit – ordnungsgemäß von der mündlichen Verhandlung am 22.2.2007 benachrichtigt worden (§ 153 Abs 1 iVm § 110 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), § 126 SGG; Bundessozialgericht (BSG) in SozR Nr 5 zu § 110 SGG). Es hat kein Anlaß bestanden, die mündliche Verhandlung zu vertagen. Die Beigeladenen haben um Terminsverlegung nicht ersucht und sie hatten hinreichend Gelegenheit, sich schriftsätzlich rechtliches Gehör zu verschaffen. Letzteres gilt gleichermaßen für die Klägerin, die zwar zunächst Einwände gegen die Terminierung erhoben hat, letztlich aber im Termin vom 22.2.2007 vertreten war, die Vertagung der mündlichen Verhandlung nicht beantragt hat und zudem nach eigenem Vortrag drei Wochen bis zum Sitzungstermin Gelegenheit hatte, zur vorläufigen Auffassung des Berichterstatters aus dem o.a. Schreiben vom 30.1.2007 Stellung zu nehmen. Von der Möglichkeit, sich rechtliches Gehör zu verschaffen, hat denn auch der hier federführende Mitarbeiter der Kanzlei, Rechtsanwalt S., der den Termin nicht hat wahrnehmen können, erneut Gebrauch gemacht und sich mit Schreiben vom 19.2.2007 auf neun Seiten zu den Vorstellungen aus dem Schreiben des Gerichts vom 30.1.2007 geäußert.
Der Senat weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück und könnte daher eigentlich gemäß § 153 Abs 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen: die Ermächtigungsgrundlage für die Beitragsfestsetzung ist § 28e Abs. 2 SGB IV; Grund und Höhe der von der Verleihfirma nachgewiesenen Beiträge sind unstreitig, der Umfang der Inanspruchnahme von Arbeitnehmern der B GmbH ist durch die klagende Entleiherin bestätigt, nach den Darlegungen der Beklagten im Termin ist nicht zu bezweifeln, daß die Kasse die B GmbH vor Inanspruchnahme der Klägerin qualifiziert iS von § 28e Abs 2 S. 2 SGB IV gemahnt hat; und zum Vorbringen der Klägerin bräuchte in der Tat eigentlich nicht viel mehr gesagt werden, als das, was Beklagte, BA und das SG nur in Kürze dazu zu sagen gewußt haben.
Zur Klarstellung wird dennoch auf Folgendes hingewiesen:
Soweit ihm Arbeitnehmer gegen Vergütung zur Arbeitsleistung erlaubtermaßen überlassen worden sind, haftet der Entleiher auch dann nach § 28e Abs 2 S. 1 SGB IV wie ein selbstschuldnerischer Bürge für die Erfüllung der Pflicht des Verleihers, GSV-Beiträge zu zahlen, wenn die Inanspruchnahme der Arbeitnehmer im Insolvenzzeitraum, d.h. in den letzten dem Insolvenzereignis vorausgehenden 3 Monaten (§§ 183 Abs 1 S. 1, 208 Abs 1 S. 1 SGB III) erfolgt ist und/oder wenn Insolvenzgeld von der BA gezahlt (§ 183 SGB V) oder vorfinanziert ist (§ 188 SGB V). Die Haftung des Entleihers und Quasibürgen besteht unabhängig auch davon, ob die Überlassung der Arbeitnehmer einem "starken" oder auch "schwachen" vorläufigen Insolvenzverwalter iS von § 55 Abs 2 InsO zuzurechnen ist. Das alles folgt schlicht aus der Tatsache, daß der Gesetzgeber weder in § 28 e SGB IV noch in der InsO oder an anderer Stelle eine die Regelung des § 28 e Abs 2 S. 1 SGB IV einschränkende Bestimmung normiert hat, sowie daraus, daß es keinerlei Anhalt dafür gibt, der Gesetzgeber habe eine solche Einschränkung dieser schon aus der Reichsversicherungsordnung (§ 393) übernommenen und seit dem 1.1.1989 (Gesetz v. 20.12.1988 BGBl 2330 ) bis heute unverändert geltenden Bestimmung versehentlich oder irrig unterlassen, so daß es gelten könnte, eine Lücke durch Richterrecht zu schließen.
Wenn die Bevollmächtigten der klagenden Stadt gleichwohl versuchen, den Vorschriften des Rechtes der Arbeitsförderung und/oder den Bestimmungen des Insolvenzrechts eine den objektiven Erklärungsinhalt des § 28e Abs 2 S. 1 SGB IV einschränkende Regelung etwa des Inhalts abzugewinnen, daß die Möglichkeit der Geltendmachung der Beitragsansprüche aus dem Insolvenzzeitraum als einfache Insolvenzforderung die einzige Möglichkeit der Verwirklichung des nämlichen Beitragsanspruchs sei oder zumindest eine Geltendmachung des Anspruchs gegen den Entleiher ausschließe, so hätte dies zumindest die Darlegung vorausgesetzt, daß und ggf. welche Grundsätze eine solche Auslegung denn möglich machen sollen.
Die Bevollmächtigten der Klägerin haben indes zunächst nicht einmal den Versuch einer solchen Darlegung unternommen, sondern erst einmal die wechselseitigen Bezüge durcheinandergebracht, indem sie u.a. hier nicht einschlägige und/oder hier nicht existierende Erstattungsansprüche (§ 208 Abs 2 S. 2 SGB III) der BA zum einzigen Anspruchsgrund erklärt haben, deren Geltendmachung durch die Einzugsstelle die Haftung der Klägerin angeblich allein rechtfertigen könne. Alsdann hat man das Interesse – jedenfalls hier von den Bevollmächtigten der klagenden Stadt nicht vertretener – instabiler Personaldienstleitungsunternehmen hervorgehoben, die Masseverbindlichkeiten gering zu halten, um bessere Bedingungen für eine Fortsetzung des instabilen Betriebes zu schaffen, um alsdann auf die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung zurückzugreifen, nach der auf die BA nach Zahlung von Insolvenzgeld übergegangene Arbeitsentgeltansprüche von Arbeitnehmern, die von einem sog "starken" vorläufigen Insolvenzverwalter im Insolvenzzeitraum zur Arbeitsleistung herangezogen werden, trotz Fehlens einer der früheren Regelung des § 59 Abs 2 der Konkursordnung (KO) entsprechenden Regelung in der am 1.1.1999 in Kraft getretenen InsO zumindest im Wege einer teleologischen Reduktion des § 55 Abs 2 S. 2 InsO zur Anreicherung der Masse weiterhin von Masseverbindlichkeiten der Arbeitnehmer auf Insolvenzforderungen der BA herabgestuft werden (BAG, Urt.v. 3.4.2001 9 AZR 301/00 = BAGE 97,241 = ZIP 2001,1964 auf LAG Köln, Urt.v. 25.2.00 12 Sa 1512/99 = ZinsO 2000,237 = NZA-RR 2000,314), eine Rechtsprechung, die dann zur Einfügung von § 55 Abs 3 InsO geführt hat.
Es bleibt zunächst unerfindlich, was diese Privilegierung instabiler Unternehmen im Hinblick auf gegen diese gerichtete Beitragsforderungen der BA zu tun haben soll mit den hier streitigen, von der Insolvenzmasse unabhängigen Forderungen der Einzugsstelle gegen die von den Bevollmächtigten der Klägerin vertretene Entleiherin als Dritte, also Forderungen, die keineswegs auf die Einzugsstelle übergegangen sind, mithin die Rechtsfolgen aus den für die o.a. arbeitsgerichtliche Rechtsprechung maßgeblichen §§ 412, 401 BGB nicht zeitigen könnten, sondern Forderungen sind, die neben die Beitragsforderung gegen den Arbeitgeber getreten sind (§ 208 Abs 2 S. 1 SGB III), nur in ihrem Bestand akzessorisch zur Beitragsforderung gegen den Gemeinschuldner und dazu zu dienen bestimmt sind, die Rechte der Solidargemeinschaft der Versicherten als drittes Element zu sichern, neben der Pflicht der BA zur Beitragsvorleistung für den Insolvenzzeitraum nach § 208 Abs 1 S. 1 SGB III. Zwar könnte die von den Bevollmächtigten der Klägerin vertretene Entleiherin der Arbeitnehmer im weitesten Sinne ein Interesse an einem Masse-anreichernden Effekt insoweit haben, als die Fortführung des instabilen Personaldienstleistungsunternehmens theoretisch mit einem Mehr an Wahrscheinlichkeit letztlich auch zur Zahlung der Beiträge für den Insolvenz-Zeitraum durch die Verleihfirma und damit zur Entlastung der Entleiherin führen könnte. Der einfachere und sichere Weg für die von den Bevollmächtigten der Klägerin vertretene Stadt wäre es jedoch, die Geschäftsbeziehungen mit einem Personaldienstleister sofort zu beenden, sobald sich auch nur ein Anschein von Instabilität und damit der Möglichkeit ergibt, daß am Ende die Stadt für die Beitragsschulden der Verleihfirma haftet. Dazu raten die Bevollmächtigten der Klägerin aber kaum, wenn denn ihre Behauptung vom Gleichklang der Sachlagen einen Sinn machen soll. Dann kann nämlich nur angenommen werden, daß mit dem Wegfall der Haftung des Entleihers im Insolvenzzeitraum im Wesentlichen dem instabilen Personaldienstleistungsunternehmen die Wohltat verschafft werden soll, daß sich die Entleiher trotz Kenntnis der Instabilität der Verleihfirma dazu entschließen können, die Dienste der instabilen Verleiher weiterhin in Anspruch zu nehmen, weil sie bei Zugrundlegung einer solchen Rechtsauffassung die eigene Inanspruchnahme nicht mehr zu besorgen hätten, also sogar besser gestellt wären als bei Inanspruchnahme einer Verleihfirma, für die kein Insolvenzantrag gestellt wäre.
Hier eine entsprechende Gesetzeslücke anzunehmen und zu schließen, erscheint dem Senat abwegig. Es kann nicht der geringste Zweifel bestehen, daß der Gesetzgeber niemals die Absicht gehabt hat oder gehabt hätte, instabilen Unternehmen über den Vorteil aus § 55 Abs 3 InsO hinaus den von den Bevollmächtigten der Klägerin beanspruchten weiteren Vorteil zukommen und die Entleiherhaftung für den Insolvenzzeitraum zu Lasten der Solidargemeinschaft der Versicherten unter Umständen gänzlich entfallen zu lassen.
Der Senat hatte nicht darüber zu befinden, ob und ggf. inwieweit eine Kollision anzunehmen ist zwischen den Pflichten des aus der Kanzlei der Bevollmächtigten der Klägerin gestellten Insolvenzverwalters und den hier durch dieselbe Kanzlei wahrgenommenen Interessen der Stadt.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Für die Festsetzung des Streitwerts war § 52 Abs 1 und 3 GKG maßgeblich.
Es bestand kein Anlaß, die Revision zuzulassen. Das Urteil weicht von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) nicht ab und beruht auf dieser Abweichung (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG). In Anbetracht der Abwegigkeit der Ausführungen der Bevollmächtigten der Klägerin hat der Senat sich außerstande gesehen, Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beizumessen (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), mögen die Bevollmächtigten diese Auffassung auch in weiteren, noch anhängigen Streitsachen vertreten.
Erstellt am: 18.09.2007
Zuletzt verändert am: 18.09.2007