Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Zulassung der Vorschlagslisten der Klägerin zur Sozialwahl 2011.
Die Klägerin ist eine Fachgewerkschaft, in der Beschäftigte und frühere Beschäftigte aller Träger der sozialen Sicherung und ihrer Verwendung sowie von Einrichtungen, die mit diesen organisatorisch oder finanziell verbunden sind, gewerkschaftlich organisiert sind. Sie ist Mitglied von DBB-Beamtenbund und -Tarifunion. An den Sozialwahlen 2011 beteiligte sie sich in der Gruppe der Versicherten bei der Beklagten mit einer Vorschlagsliste, die 1.147 Unterschriften umfasste. Der Wahlausschuss der Beklagten wies die Vorschlagsliste auf seiner Sitzung vom 20.01.2011 zurück. Darüber erteilte die Beklagte der Klägerin unter dem 21.01.2011 einen Bescheid unter Bezugnahme auf die Begründung des Wahlausschusses. Die Vorschlagsliste sei nach § 23 Abs. 2 S. 1 Nr. 6 Wahlordnung für die Sozialversicherung (SVWO) ungültig, da sie nicht den Anforderungen des § 48 Abs. 3 S. 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) entspreche. Zwar erfülle sie das Unterschriftenquorum, jedoch stammten mehr als 25 % der Unterschriften von (aktiv) Beschäftigten der Beklagten. 303 Unterstützerunterschriften seien nämlich von Mitarbeitern der Beklagten, die gleichzeitig dort versichert und daher nach § 51 Abs. 6 Nr. 5 und 6 SGB IV vom passiven Wahlrecht ausgeschlossen seien. Diese 303 Unterschriften hätten somit insgesamt 1.212 Unterschriften erforderlich gemacht. Das ergebe sich sowohl aus dem Wortlaut als auch aus dem Gesetzeszweck. Der Mangel der Vorschlagsliste habe auch nicht behoben werden können, da eine Rücknahme der Liste und Neueinreichung sowie eine Nachreichung nicht in Betracht gekommen sei.
Die hiergegen durch die Klägerin eingelegte Beschwerde vom 27.01.2011 wies der Landeswahlausschuss für die Sozialversicherungswahlen im Lande Nordrhein-Westfalen als Beschwerdewahlausschuss in seiner Sitzung vom 04.02.2011 zurück und erteilte ihr hierüber am 07.02.2011 einen entsprechenden Bescheid. Am 09.02.2011 machte der Wahlausschuss der Beklagten bekannt, dass keine Wahlhandlung stattfinde, da aus der Wählergruppe der Versicherten nur eine Vorschlagsliste, nämlich die gemeinsame Liste der Beigeladenen, zugelassen worden sei. Er stellte zudem fest, dass die in den zugelassenen Vorschlagslisten genannten Bewerber mit Ablauf des 01.06.2011 als zum Mitglied bzw. stellvertretenden Mitglied des Verwaltungsrates der Beklagten gewählt gelten würden.
Die Klägerin hat hiergegen am 07.03.2011 Klage erhoben und zugleich um Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nachgesucht.
In dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hat die Klägerin beantragt, der Beklagten aufzugeben, die Vorschlagsliste der Klägerin einstweilen zu den Sozialversicherungswahlen 2011 in der Gruppe der Versicherten zuzulassen und die erforderlichen Vorkehrungen für die Durchführung der Wahlhandlung zu treffen. Dieses Begehren hat das erkennende Gericht durch Beschluss vom 28.03.2011 zum Aktenzeichen S 40 KR 225/11 ER abgelehnt. Die hiergegen beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen zum Aktenzeichen L 16 KR 196/11 B ER eingelegte Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben.
Die Klägerin verfolgt nunmehr ihr Begehren in der Hauptsache weiter. Sie meint weiterhin, dass ihre Vorschlagsliste zu Unrecht nicht zur Wahl zugelassen worden sei. Die Interpretation der Vorschriften durch die Beklagte sei unhaltbar. Es sei darauf abzustellen, dass hier 1.000 gültige Unterschriften vorgelegt worden sei, das Quorum mithin erfüllt sei. Insgesamt hätten 783 Versicherte unterschrieben, die nicht Mitarbeiter der Beklagten gewesen seien, sodass bis zur Summe des Quorums nur 217 Unterschriften von Personen, die von der Wählbarkeit ausgeschlossen gewesen seien, also weniger als ¼, zugrunde zu legen seien. Im Übrigen sei ein wirksames Mitspracherecht der Betroffenen an den sie betreffenden Entscheidungen als organisierte Beteiligung nicht mehr gegeben, wenn man der Interpretation der Beklagten folge. Schon durch die Wahlzugangskriterien des § 48 SGB IV sei ein wirksames Mitspracherecht erheblich eingeengt. Diese dürften jedoch nicht so ausgelegt werden, dass sie die Möglichkeiten wirksamer Mitsprache der Betroffenen unnötig einschränkten. Es sei verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar und ein Verstoß gegen das Demokratiegebot, dass das Recht der Mitarbeiter der Beklagten, die gleichzeitig bei ihr versichert sind, von ihnen für geeignet gehaltene Kandidaten für den Verwaltungsrat zu unterstützen, beschnitten werde, zumal es nicht um den Einfluss dieser Personen im Verwaltungsrat gehe, da diese dafür nicht wählbar seien. Vielmehr seien sie als Versicherte bei der Unterstützung einer Vorschlagsliste selbst betroffen und uneingeschränkt wahlberechtigt. Zudem erfolge die Beschränkung ohne zureichenden Sachgrund, wenn die Befugnis, Kandidaten vorzuschlagen, als Vorstufe des Wahlrechts beschränkt werde.
Eine verfassungskonforme Auslegung zwinge mithin zu der Annahme, dass 750 Unterschriften von Versicherten ohne Mitarbeitereigenschaft ausreichend seien. Auch praktische Bedenken sprächen für die Richtigkeit dieses Verständnisses. Es diene der Vereinfachung, wenn der Wahlausschuss sich auf die Prüfung von 1.000 wirksam geleisteten Unterschriften sowie 750 Unterschriften von wählbaren Personen beschränken könne. Die Beklagte sei zudem verpflichtet bei Mängeln, das mildeste Mittel zu wählen und gegebenenfalls Gelegenheit zur Nachbesserung zu geben. § 48 SGB IV solle Sozialwahlen ermöglichen und nicht verhindern. Andernfalls besäße die Klägerin auch ein praktisches Problem, da sie kaum prüfen könne, ob Unterstützer tatsächlich kein Ausschlusskriterium erfüllten. Sie sei also gehalten, vorsorglich mehr Unterstützerunterschriften einzureichen als mindestens erforderlich sind. Dann müsse aber akzeptiert werden, dass die Klägerin nicht gewährleisten könne, dass der auf die Gesamtzahl der gültigen Unterschriften bezogene Anteil des Personenkreises den Prozentsatz von 25 nicht überschreite. Eine zu starke Einflussnahme könne bereits dadurch verhindert, dass 750 Unterschriften von Versicherten, die nicht Mitarbeiter der Beklagten seien, geleistet worden sind. Es sei sinnwidrig, dass ein Mehr an Unterstützerunterschriften den bereits erfüllten Zulassungsanspruch wieder zunichtemache, also zusätzliche Unterschriften ein negatives Stimmgewicht bekämen.
Der Wahlrechtseingriff sei hier deutlich einschneidender als der unterstellte Einfluss der beim Träger Beschäftigten auf die Gremienzusammensetzung durch Befürwortung einer Vorschlagsliste. Im konkreten Fall wiege er besonders schwer, da gar keine Wahlhandlung mehr erfolgen konnte und vielmehr die Folgen einer Friedenswahl eingetreten seien, nämlich die Bestätigung der benannten Bewerber auf der einzig zugelassenen Liste. Jedenfalls in solchen Fällen sei eine Nichtzulassung nicht hinnehmbar. Die Klägerin gibt ergänzend an, dass der Bundeswahlbeauftragte ihre Rechtsauffassung teile und legt entsprechende Stellungnahmen vor.
Die Klägerin beantragt,
die 2011 in der Gruppe der Versicherten durchgeführte Wahl zum Verwaltungsrat der Beklagten für ungültig zu erklären und festzustellen, dass die Wahl unter Berücksichtigung der Vorschlagsliste der Klägerin unverzüglich zu wiederholen ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Bescheide rechtmäßig sind und der geltend gemachte Anspruch nicht bestehe. In Ergänzung der Begründung derselben, meint sie, dass der Gesetzgeber sich für ein einfach zu ermittelndes Kriterium entschieden habe. Die Ursache für die Nichteinhaltung der Anforderungen habe hier nicht in der gesetzlichen Regelung gelegen, sondern darin, dass Unterschriftensammler, also Personen im Verantwortungsbereich der Klägerin, diese nicht beachtet hätten. In der Regel erfolgten die Sammlungen am Arbeitsplatz, wo eindeutig erkennbar sei, dass Identität zwischen Versicherteneigenschaft und Arbeitnehmereigenschaft bestehe. Im Übrigen sei eine einfache Nachfrage im Regelfall ausreichend. Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden nicht. Ein Verstoß gegen das Demokratiegebot sei nicht erkennbar. Der Gesetzgeber habe im Bereich der sogenannten funktionalen Selbstverwaltung einen Gestaltungsspielraum, den er hier nicht überschritten habe. Laut Gesetzesbegründung solle die Norm verhindern, dass die Zusammensetzung der Selbstverwaltungsorgane zu stark durch die Bediensteten des Versicherungsträgers beeinflusst werde, da ein solcher Einfluss die Kontrollfunktion der Selbstverwaltungsorgane gegenüber der Verwaltung des Versicherungsträgers beeinträchtigen könnte. Die Friedenswahl sei kein Verstoß gegen das Demokratiegebot, sondern eine gesetzgeberische Vorgabe und auch nicht zu beanstanden, da eine Wahl ohne Wahlhandlung in den Fällen verfassungsgemäß sei, in denen nur eine Vorschlagsliste zur Wahl zugelassen worden sei.
Durch Beschluss vom 20.04.2012 sind der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sowie die Arbeitsgemeinschaft christlicher Arbeitnehmerorganisationen (ACA), deren Gemeinschaftsliste zugelassen worden war, beigeladen worden. Die Beigeladenen haben sich dem Vorbringen der Beklagten angeschlossen.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere das Protokoll der mündlichen Verhandlung, der Gerichtsakten zu dem Verfahren S 40 KR 225/11 ER sowie der beigezogenen Akten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Anfechtungsgegenstand ist vorliegend allein die Wahl selbst, wie es sich aus dem Wortlaut des § 57 Abs. 2 SGB IV ergibt (vgl. BSG Urteil vom 16.12.2003, B 1 KR 26/02 R Rdnr. 18, 19, zitiert nach juris). Nach § 131 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) führt eine erfolgreiche Wahlanfechtung dementsprechend lediglich dazu, dass das Gericht die Wahl für ungültig erklärt. Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen mithin nicht.
Der geltend gemachte Anspruch steht der Klägerin nicht zu. Die Wahl war mithin nicht für ungültig zu erklären.
§ 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 erster Fall SGB IV sieht vor, dass Gewerkschaften wie die Klägerin das Recht haben, Vorschlagslisten einzureichen. Vorschlagslisten der Versicherten und der Selbstständigen ohne fremde Arbeitskräfte müssen bei einem Versicherungsträger mit 1.000.001 bis 3.000.000 Versicherten – wie bei der Beklagten – von 1.000 Personen, unterzeichnet sein (Abs. 2 S. 1). Berechtigt zur Unterzeichnung einer Vorschlagsliste sind Personen, die am Tag der Wahlausschreibung die Voraussetzungen des Wahlrechts nach § 50 SGB IV oder der Wählbarkeit nach § 51 Abs. 1 S. 2 SGB IV erfüllen. Als Rückausnahme davon sieht § 48 Abs. 3 S. 2 SGB IV vor, dass von der Gesamtzahl der Unterzeichner höchstens 25 vom Hundert dem Personenkreis angehören dürfen, der gemäß § 51 Abs. 6 Nr. 5 und 6 SGB IV nicht wählbar ist. Dabei handelt es sich um Personen, die als Beamter, Angestellter oder Arbeiter bei dem Versicherungsträger, als leitender Beamter oder Angestellter bei einer Behörde, die Aufsichtsrechte gegenüber dem Versicherungsträger hat, oder als anderer Beamter oder Angestellter bei einer solchen Behörde im Fachgebiet Sozialversicherung beschäftigt sind oder regelmäßig für den Versicherungsträger oder im Rahmen eines mit ihm abgeschlossenen Vertrages freiberuflich oder in Geschäftsstellen der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See in knappschaftlich versicherten Betrieben tätig sind.
Gemäß § 48 Abs. 4 SGB IV gelten die Regelungen der Absätze 2 und 3 auch für Vorschlagslisten, die wie die Klägerin bisher nicht über eine Liste oder Gemeinschaftsliste an der vorangegangenen Wahl teilgenommen haben.
Der Wahlausschuss der Beklagten entscheidet unter anderem über die Zulassung der Vorschlagslisten (§ 23 Abs. 1 SVWO). Ungültig ist eine Vorschlagsliste gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 6, die nicht von der nach § 48 Abs. 2 bis 5 SGB IV erforderlichen Zahl von Wahlberechtigten unterzeichnet ist. Der Wahlausschuss hat Vorschlagslisten zurückzuweisen, die ungültig sind oder Mängel aufweisen, die innerhalb der Mängelbeseitigungsfrist oder der eingeräumten Nachfrist nicht behoben worden sind. Mithin war hier eine Nachfristsetzung bei Ungültigkeit einer Liste nicht vorgesehen, wie sie die Klägerin einfordert.
Abgesehen davon hat der Wahlausschuss die Liste der Klägerin zutreffend als ungültig zurückgewiesen, denn sie erfüllte nicht die Voraussetzungen des § 48 SGB IV. Bereits aus dem Wortlaut des Abs. 3 S. 2 ergibt sich, dass es nicht etwa auf die in Absatz 2 bezeichnete Anzahl von hier konkret 1.000 Unterschriften ankommt, sondern auf die Gesamtzahl der Unterzeichner. Der Gesetzgeber hat vom Wortlaut her eine bewusste Unterscheidung getroffen. Sinn und Zweck der Norm bestätigen zudem die von der Beklagten vertretene Rechtsauffassung. In der Gesetzesbegründung heißt es (BT-Drs. 10/1162, Seite 6 f.):
"Der Anteil der Bediensteten bei der Unterzeichnung einer Vorschlagsliste wird durch den angefügten Satz 2 auf 25 vom Hundert begrenzt. Dadurch wird einer zu starken Einflussnahme der bei den Versicherungsträgern Beschäftigten auf die Zusammensetzung der Selbstverwaltungsorgane vorgebeugt."
Daraus folgt, dass der Anteil der Bediensteten an einer Vorschlagsliste unabhängig von dem Mindestquorum des Absatzes 2 nicht größer sein darf als 25 % (vgl. Hauck/Noftz, § 48 SGB IV, Rdnr. 15; jurisPK, § 48 SGB IV, Rdnr. 46; Kasseler Kommentar, § 48 SGB IV, Rdnr. 11, Wannagat, § 48 SGB IV, Rdnr. 31).
Ein Herausrechnen der über 250 hinausgehenden Unterschriften käme einer Rücknahme von Unterschriften gleich, die § 15 Abs. 5 SVWO ausschließt (vgl. BSG, Urteil vom 15.11.1973, 3 RK 63/72, zitiert nach juris). Auch die Möglichkeit, Beauftragte zu streichen, die entgegen den Bestimmungen des § 48 Abs. 6 SGB IV auf einer Vorschlagsliste benannt worden sind (§ 23 Abs. 2 S. 5 SVWO), rechtfertigt es ebenfalls nicht, Unterschriften von Beschäftigten herauszurechnen. Die Vorschrift ist weder direkt noch entsprechend auf diese Konstellation anwendbar. § 23 Abs. 2 S. 1 Nr. 6 SVWO verweist zudem auf die Gesamtheit der Vorschriften des § 48 Abs. 2 bis 5 SGB IV und somit auch auf Absatz 3 Satz 2. Bei Ungültigkeit einer Liste handelt es sich nicht um einen Mangel, der hätte behoben werden können. Eine Nachbesserung und Nachfrist konnte und durfte demnach nicht eingeräumt werden.
Die Begrenzung des Anteils der Bediensteten an den Unterzeichnern einer Vorschlagsliste hat den Zweck, einer zu starken Einflussnahme der bei den Versicherungsträgern Beschäftigten auf die Zusammensetzung der Selbstverwaltungsorgane vorzubeugen. Da die Unterzeichnung einer Vorschlagsliste bereits wahlähnlichen Charakter hat (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.2003, B 1 KR 26/02 R, Rdnr. 33, zitiert nach juris) kann eine solche unerwünschte Einflussnahme durch Beschäftigte wirksam nur dann vermieden werden, wenn der Anteil an den Gesamtunterzeichnern begrenzt wird. Denn auch dann, wenn die jeweilige Mindestzahl von 750 nicht den Personenkreisen nach § 51 Abs. 6 Nr. 5 und 6 SGB IV angehörigen Unterzeichnungsberechtigten erreicht wird, könnte durch eine überproportionale Unterstützung der Liste durch beim Versicherungsträger Beschäftigte deren Einfluss auf die Zusammensetzung der Selbstverwaltungsorgane ein unerwünschtes Maß erreichen.
Zur Überzeugung der Kammer begegnet die gesetzliche Regelung auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Möglichkeit, das Wahlvorschlagsrecht durch Unterschriftenquoren zu begrenzen, ist allgemein anerkannt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.02.1961, 2 BvR 45/61, 2 BvQ 1/61, Rdnr. 6, zitiert nach juris). Sinn und Zweck des § 48 Abs. 3 SGB IV ist, dass nur ernsthafte Wahlvorschläge vorgebracht werden, die sich einer hinreichenden Unterstützung und ausreichender Repräsentanz erfreuen und das Versicherte ihre Stimmen nicht an aussichtslose Vorschlagslisten vergeuden. Auch die Relation 1 zu 1000 ist unbedenklich (vgl. BVerfG, Urteil vom 03.06.1954, 1 BvR 183/54, zitiert nach juris).
Die vom Gesetzgeber gewählte Ausdifferenzierung mag eine weitere Beschränkung der Wahlfreiheit darstellen. Sie ist jedoch gerechtfertigt, da ein ausreichender Abstand von Kontrolleuren und Kontrollierten gewährleistet werden muss. Es ist zwingend erforderlich, dass ein maßgeblicher Einfluss von Mitarbeitern der zu überwachenden Selbstverwaltung auf deren Kontrolle begrenzt wird. Es ist von daher auch nicht zu beanstanden, dass hier auf die Gesamtzahl der Unterzeichner abgestellt wird, denn nur anhand dieser Zahl kann der Einfluss der bei der Beklagten beschäftigten Versicherten auf die konkrete Liste nachgewiesen werden. Dieser liegt im Streitfall bei über 25 %.
Die Zulassung einer Vorschlagsliste soll bereits nicht von Mitarbeitern der Beklagten dominiert werden. Andererseits sollen diese auch nicht gänzlich von der Mitwirkung an der Einreichung einer Vorschlagsliste ausgeschlossen werden. Diese gesetzgeberische Abwägung berücksichtigt die Interessen der Versichertengemeinschaft an einer funktionierenden Überwachung der Selbstverwaltung, aber auch diejenigen der dort arbeitenden Versicherten an der Teilhabe, was den verschiedenen Rechtsgütern hinreichend Rechnung trägt.
Das Verständnis der Klägerin vermag auch von daher nicht zu überzeugen, als dass sie sich auf den Standpunkt stellt, dass bereits dann, wenn zu irgendeinem Zeitpunkt während der Sammlung der Unterschriften das Mindestquorum von 1.000 schon erreicht und zugleich der Anteil der Unterschriften von bei der Beklagten zugleich versicherten Mitarbeitern bei maximal 25 % liege, eine Gültigkeit der Liste bestehe, diese jedoch durch die Sammlung weiterer, über 1.000 hinausgehender Unterschriften möglicherweise wieder ungültig werde und die weiteren Unterschriften somit ein negatives Stimmgewicht erhielten. Vielmehr kann aus Gründen der Rechtssicherheit lediglich auf die Gültigkeit der Liste im Sinne der gesetzlichen Vorgaben im Zeitpunkt der Einreichung abgestellt werden. Ob und inwieweit die Liste vorher Gültigkeit beanspruchen konnte, spielt keine Rolle, zumal kaum nachzuweisen wäre, zu welchem Zeitpunkt die Gültigkeit tatsächlich vorgelegen hätte. Denkbar wäre auch, dass seit Beginn der Sammlung stets der Anteil der versicherten Mitarbeiter über 25 % gelegen hätte. Überdies würde ein nicht zu rechtfertigender Aufwand erforderlich. Die Klägerin müsste Unterschriftenlisten mit Datumsangaben führen und die Beklagte einzeln nachprüfen, ob zu irgendeinem Zeitpunkt seit Beginn der Sammlung die Gültigkeit vorgelegen hätte. Folglich handelt es sich bei dem Prozess der Unterschriftensammlung um einen schwebenden Prozess, dessen Zwischenständen keine Bedeutung beigemessen werden kann.
Überdies kann auch den weiteren Einwendungen der Klägerin nicht gefolgt werden. Wie die Beklagte bereits zutreffend beschrieben hat, begegnet es nach Überzeugung der Kammer keinen unüberwindlichen Schwierigkeiten, bei den regelmäßig am Arbeitsplatz gesammelten Unterschriften zu erkennen, wer in sich Arbeitnehmer- und Versicherteneigenschaft vereint.
Soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass ein etwaiger Wahlausfall nicht hinnehmbar sei, so ist dies kein Kriterium für die Annahme der Verfassungswidrigkeit der Regelung, da dieser Wahlausfall in Folge der Friedenswahl weder zwangsläufig im gesetzgeberischen System vorgesehen, noch manipulativ herbeigeführt worden ist. Vielmehr hat der Gesetzgeber zulässiger Weise einen modus vivendi für die Fälle geschaffen, in denen nur eine Vorschlagsliste zugelassen wird. Auch für diese Fälle muss eine Kontrolle der Selbstverwaltung für die Wahlperiode erfolgen, was durch die Friedenswahl sichergestellt wird. Es liegt auf der Hand, dass die Kontrolle eines Versicherungsträgers durch Bewerber einer gültigen Liste mit ausreichender Beteiligung von nicht bei dem Träger versicherten Personen besser ist, als eine Legislaturperiode ohne jegliche Kontrolle. Die Verfahrensweise der Beklagten lässt auch keinen manipulativen Charakter erkennen, da sie sich strikt an die gesetzliche Regelung gehalten hat.
Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung das Postulat der Funktionsfähigkeit der zu wählenden Volksvertretung und die Gebote des grundsätzlich gleichen Gewichts aller Wählerstimmen sowie der gleichen Wettbewerbschancen der politischen Parteien und Wählervereinigungen im Rahmen der Verhältniswahlen gegeneinander abgewogen. In diesem Zusammenhang bestimmt sich, was als zwingender Grund für eine begrenzte Differenzierung anzuerkennen ist, von Bereich zu Bereich und variiert vor allem nach dem Aufgabenkreis der zu wählenden (Volks-)Vertretung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.05.1979, 2 BvR 193/79, 2 BvR 197/79, zitiert nach juris). Bei Wahlen außerhalb des politisch-parlamentarischen Bereichs erlangt die Funktionsfähigkeit der zu wählenden Vertretung im Rahmen der verfassungsrechtlichen Prüfung von Wahlvorschriften am Gleichheitssatz entscheidende Bedeutung. Ob und wie differenziert werden soll, was also grundsätzlich als eine wegen zu geringer Stimmenzahl nicht zu berücksichtigen Partei oder Wählergruppe angesehen wird, das unterliegt der Entscheidung des Gesetzgebers. Ebenso unterliegt hier der Entscheidung des Gesetzgebers nach Überzeugung der Kammer die Beschränkung der zulässigen Unterschriften der versicherten Mitarbeiter auf 25 % aller Unterzeichner.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG. Weder Klägerin noch Beklagte gehören zu den in § 183 SGG genannten Personen. Wird um die Zulassung von Vorschlagslisten zur Wahl gestritten, sind nicht die Liste selber oder die Listenvertreter, sondern der Listenträger, d. h. hier die Klägerin, Inhaber von Rechten und Pflichten (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.2003, B 1 KR 26/02 R, zitiert nach juris). Eine Kostenprivilegierung scheidet damit aus.
Der Streitwert ist in Höhe des Auffangstreitwertes festzusetzen, da ein konkreter finanzieller Wert der Angelegenheit sich nicht bemessen lässt.
Erstellt am: 13.02.2014
Zuletzt verändert am: 13.02.2014