Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 24.11.2008 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte die der Klägerin gewährte Rente wegen voller Erwerbsminderung mit dem ungeminderten Zugangsfaktor von 1,0 zu berechnen hat.
Die Klägerin ist am 00.00.1948 in L geboren und ist 1988 in die Bundesrepublik Deutschland zugezogen.
Mit Rentenbescheid vom 25.01.2006 bewilligte die Beklagte der Klägerin auf ihren Antrag vom 12.10.2005 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung (Leistungsfall 12.10.2005) ab dem 01.05.2006 befristet bis zum 31.10.2006.
Den Monatsbetrag der Rente errechnete die Beklagte nach Anlage 6 des Bescheides aus 24,8881 Entgeltpunkten mit einem Zugangsfaktor von 0,892; im Rahmen dieser Rentenberechnung hatte sie den Zugangsfaktor vermindert, indem sie für jeden Kalendermonat nach dem 31.07.2008 (entspricht dem Ende des Kalendermonats der Vollendung des 60. Lebensjahres der Klägerin) bis zum Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres den Faktor von 1,0 um 0,003 reduzierte, d. h. um 36 x 0,003 = 0,108. Die Berechnung der Minderung des Zugangsfaktors ist unstreitig.
Nach Anlage 2 des Bescheides berücksichtigte sie 34 Monate Zurechnungszeit für den Zeitraum vom 12.10.2005 bis 13.07.2008.
Unter Berücksichtigung der übrigen Faktoren ergab dies einen monatlichen Zahlbetrag der Rente in Höhe von 526,15 EUR netto.
Gegen diesen Bescheid legte der Bevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 02.02.2006 Widerspruch ein. Den Widerspruch begründete der Bevollmächtigte nicht.
Mit Rentenbescheid vom 28.12.2006 verlängerte die Beklagte die Befristung der Rente bis zum 31.03.2008. Der Bescheid wurde Gegenstand des Widerspruchsverfahrens. Zudem erhielt die Klägerin mit Mitteilung vom 01.07.2007 von der Beklagten eine Rentenanpassung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.08.2007 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen die Bescheide vom 25.01.2006 sowie 28.12.2006 als unbegründet zurück.
Mit der am 06.09.2007 erhobenen Klage hat der Klägerbevollmächtigte vorgetragen, die Klägerin begehre eine Rente mit einem ungeminderten Zugangsfaktor von 1,0. Er berief sich hierzu im Wesentlichen auf die Entscheidung des Bundessozialgerichtes (BSG) vom 16.05.2006, B 4 RA 22/05 R.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 25.01.2006 sowie 28.12.2006 in der Form der Rentenanpassungsmitteilung vom 01.07.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.08.2007 zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.05.2006 unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 1,0 zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, der Entscheidung des Bundessozialgerichtes vom 16.05.2006 sei nicht zu folgen. In diesem Urteil werde eine der Absicht des Gesetzgebers nicht gerecht werdende Sichtweise formuliert. Der Gesetzgeber gehe tatsächlich davon aus, dass auch die Erwerbsminderungsrenten, die vor dem 60. Lebensjahr in Anspruch genommen würden, mit einem Abschlag zu versehen seien.
Mit Bescheid vom 05.10.2007 gewährte die Beklagte der Klägerin die mit Bescheid vom 25.01.2006 gewährte Rente als Dauerrente.
Mit Urteil vom 24.11.2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die zulässige Klage sei unbegründet. Zu Recht habe die Beklagte den Zugangsfaktor auf 0,892 gemindert. Demzufolge habe die Klägerin auch keinen Anspruch auf Zahlung einer höheren Rente. Gemäß § 77 Absatz 2 Satz 1 Ziffer 3 SGB VI sei der Zugangsfaktor für Entgeltpunkte, die noch nicht Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten gewesen seien, bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für jeden Kalendermonat, für den eine Rente vor Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen werde, um 0,003 niedriger als 1,0. Beginne die Rente vor Vollendung des 60. Lebensjahres, sei die Vollendung des 60. Lebensjahres für die Bestimmung des Zugangsfaktors maßgebend, vgl. § 77 Absatz 2 Satz 2 SGB VI. Dies bedeute, dass höchstens eine Absenkung des Zugangsfaktors auf 0,892 (36 Monate x 0,003) zulässig sei.
Zutreffend führe die Klägerin aus, dass die im vorliegenden Verfahren angefochtene Entscheidung der Beklagten nicht dem Urteil des Bundessozialgerichtes vom 16.05.2006 (Az.: B 4 RA 22/05 R) entspreche. Dies führe jedoch nicht zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides. Nach dieser Entscheidung unterlägen Bezieher einer Rente wegen Erwerbsminderung, die bei Rentenbeginn das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten, Rentenabschlägen nur, wenn sie Rente über das 60. Lebensjahr hinaus bezögen. Das Bundessozialgericht interpretiere die für die Berechnung des Zugangsfaktors maßgebende Vorschrift des § 77 SGB VI in der vorzitierten Entscheidung dergestalt, dass die Zeit des Bezuges einer Rente vor Vollendung des 60. Lebensjahres eines Versicherten gemäß § 77 Absatz 2 Satz 3 SGB VI nicht als Zeit einer "vorzeitigen Inanspruchnahme" gelte. Nach der Rechtsprechung des 4. Senates des Bundessozialgerichtes seien Bezugszeiten vor Vollendung des 60. Lebensjahres vom Gesetz gerade nicht als Zeiten eines "vorzeitigen Rentenbezuges" vorgesehen. Allein eine derartige Interpretation sei nach Auffassung des 4. Senates des Bundessozialgerichtes verfassungsgemäß. Die Verminderung des Zugangsfaktors durchbreche das "Prinzip der Vorleistungsbezogenheit der Rente". Dieses Prinzip werde technisch im Gesetz dadurch verwirklicht, dass der Zugangsfaktor grundsätzlich als Faktor 1,0 anzusetzen und damit rechnerisch ohne Bedeutung für die Rentenberechnung sei. Jede Durchbrechung dieses Prinzips der Vorleistungsbezogenheit der Rente bedürfe der ausdrücklichen Bestimmung durch ein verfassungsgemäßes Gesetz. Erst ab dem Zeitpunkt, ab dem die Erwerbsminderung vorzeitig in Anspruch genommen werde – im Sinne des 4. Senates des Bundessozialgerichts – könne ohne verfassungswidrige Willkür eine Nichtbeachtung der Vorleistung, die der Versicherte für die Rentenversicherung erbracht habe, in Betracht kommen. Nur eine vorzeitige Inanspruchnahme sei ein Sachgrund für die Nichtberücksichtigung eines Teils der Vorleistung. Die am 01.01.2001 in Kraft getretene Neufassung des § 63 Absatz 5 SGB VI, wonach Vorteile und Nachteile einer unterschiedlichen Rentenbezugsdauer durch einen Zugangsfaktor vermieden würden, beziehe sich nur auf die Zeit ab Vollendung des 60. Lebensjahres. Erst ab diesem Zeitpunkt seien Ausweichreaktionen aus der nur bei Inkaufnahme von Abschlägen in Anspruch zu nehmenden vorzeitigen Altersrente auf die Erwerbsminderungsrente denkbar. Dass prägender Leitgedanke für die Einbeziehung der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit in die Regelungen über den Zugangsfaktor gewesen sei, die Höhe der Erwerbsminderungsrente an die Höhe der vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrente anzupassen, sehe der 4. Senat des BSG auch durch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes zur Reform der Erwerbsminderungsrenten bestätigt. Etwas anderes ergebe sich nach der Rechtsprechung des 4. Senats des BSG auch nicht daraus, dass ebenfalls ab 01.01.2001 die Zurechnungszeiten für die Versicherten, die bereits vor Vollendung des 60. Lebensjahres erwerbsgemindert seien und Rente bezögen, verlängert worden seien.
Allerdings – so das Sozialgericht in seinem Urteil – stehe die vorzitierte Entscheidung des Bundessozialgerichtes in Widerspruch mit der weit überwiegenden Auffassung in der Rechtsprechung (Hinweis auf Hessisches LSG vom 24.08.2007, L 5 R 228/06; LSG Niedersachsen Bremen vom 20.09.2007, L 2 R 415/07; Schleswig-Holsteinisches LSG vom 04.09.2007, L 7 R 97/07; SG Berlin vom 11.10.2007, S 9 R 5458/07; SG Köln vom 14.09.2007, S 11 R 6/07; SG Detmold vom 14.08.2007, S 20 R 83/07; SG Köln vom 13.08.2007, S 3 R 85/07; SG Leipzig vom 03.07.2007, S 3 R 1397/06; SG für das Saarland vom 08.05.2007, S 14 R 82/07). Auch in der Literatur sei die Auffassung des vierten Senates weit überwiegend auf Ablehnung gestoßen (Hinweis auf insbesondere Bredt, NZS 2007, 192 ff.; von Koch/Kolakowski, SGB 2007, 71 ff; Ruland NJW 2007, 2086 ff.; Mey RV aktuell 2007, 44 ff.; Plagemann in Juris DR – SozR 20/06 Anmerkung 4; Polster im Kasseler Kommentar zu § 77 SGB VI Rdnr. 21; Silber in LPK – SGB VI, § 77 Rdnr. 8). Schließlich beabsichtige auch das Bundessozialgericht selbst an der Rechtsprechung des vierten Senates nicht festhalten zu wollen. Verwiesen werde insofern auf den Beschluss des 5 a-Senates vom 29.01.2008, Az: B 5 a R 88/07 R. Mit diesem Beschluss habe der 5 a-Senat beim 13. Senat des Bundessozialgerichtes angefragt, ob dieser an der Rechtsauffassung des vierten Senates festhalte, da der 5 a-Senat an der Rechtsprechung des vierten Senates nicht festzuhalten beabsichtigte. Vielmehr sei der 5 a-Senat des Bundessozialgerichtes der Auffassung, dass die Vorgehensweise der Beklagten, nämlich die Reduzierung des Zugangsfaktors auch für Renten, die vor dem 60. Lebensjahr in Anspruch genommen werden, rechtmäßig sei.
Der zuletzt dargestellten Auffassung schließe sich die Kammer an. Die Beklagte folge der Entscheidung des 4. Senates des Bundessozialgerichtes zu Recht nicht. Gemäß § 77 Absatz 2 Nr. 3 SGB VI sei die Verminderung des Zugangsfaktors bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für jeden Kalendermonat, für den eine Rente vor Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen werde, um 0,003 niedriger als 1,0. Diese Vorschrift alleine sei indes nicht ausreichend, weil sie zur Folge haben könnte, dass der Zugangsfaktor je nach Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Erwerbsminderungsrente im für den Rentenbezieher schlimmsten Fall auf 0 absinken könnte und deshalb keine Rente mehr zu bewilligen wäre. Aus diesem Grunde habe der Gesetzgeber eine Regelung schaffen müssen, welcher Abschlag maximal vom Rentenbezieher in Kauf genommen werden müsse. Bei dieser Regelung handele es sich um § 77 Absatz 2 Satz 2 SGB VI. Beginne eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 60. Lebensjahres, sei die Vollendung des 60. Lebensjahres für die Bestimmung des Zugangsfaktors maßgebend. Hieraus folge dementsprechend, dass• die Verminderung des Zugangsfaktors bei Inanspruchnahme einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 63. Lebensjahres auf maximal 0,108 begrenzt sei. Nur insoweit bestimme § 77 Absatz 2 Satz 2 SGB VI, dass die Zeit des Bezuges einer Rente vor Vollendung des 60. Lebensjahres des Versicherten nicht als Zeit einer vorzeitigen Inanspruchnahme gelte. Die sich bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes ergebende Interpretation werde durch die Gesetzesmaterialen bestätigt. Durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 habe die Höhe der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit an die der vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrenten angepasst werden sollen. Zwar sei Sinn der Neuregelung auch gewesen, Ausweichreaktionen von den Altersrenten, die nur bei Inkaufnahme von Abschlägen vorzeitig in Anspruch genommen werden könnten, in Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit entgegen zu wirken. Insofern habe das BSG durchaus zutreffend festgestellt, dass eine solche Ausweichreaktion nur bei Personen stattfinden könne, die das 60. Lebensjahr vollendet hätten. Dennoch habe der Gesetzgeber generell zum Ziel gehabt, Vorteile eines längeren Rentenbezuges durch einen verminderten Zugangsfaktor auszugleichen, vgl. BT-Drucksache 14/4230, S. 26 zu Nr. 16. Der Gesetzesbegründung sei an keiner Stelle indes zu entnehmen, dass ein solcher verminderter Zugangsfaktor lediglich für Versicherte gelten solle, die das 60. Lebensjahr vollendet hätten. Im Gegenteil gehe die Gesetzesbegründung davon aus, dass die Höhe der Erwerbsminderungsrenten an die Höhe der vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrenten in der Weise angeglichen werde, dass die Renten mit einem Abschlag von höchstens 10,8 % versehen würden. Aus dieser Formulierung sei zwar nur indirekt zu entnehmen, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen sei, dass die Verringerung des Zugangsfaktors auch Erwerbsminderungsrenten erfasse, die vor Vollendung des 60. Lebensjahres in Anspruch genommen würden. Gleichwohl sei diese Annahme zwingend. Denn eine Begrenzung des in Kauf zu nehmenden Abschlages auf höchstens 10,8 % sei nur dann. ausdrücklich erwähnenswert, wenn sich ohne eine ausdrückliche Begrenzung ein höherer Abschlag ergeben könnte. Dies sei nämlich bei isolierter Betrachtung des § 77 Absatz 2 Nr. 3 SGB VI durchaus möglich. Schließlich sei das Ergebnis der Rechtsprechung des BSG nicht mit der ebenfalls durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit eingeführten, ab 01.01.2001 geltenden Verlängerung der Zurechnungszeit zu vereinbaren. Denn nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers hätten die Auswirkungen der Verminderung des Zugangsfaktors dadurch abgemindert werden sollen, dass die Zeit zwischen dem vollendeten 55. und 60. Lebensjahr künftig voll als Zurechnungszeit angerechnet werde. Es sei nicht gerechtfertigt, entgegen dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers bei einer Regelung wie dem Zusammenspiel zwischen der Verlängerung der Zurechnungszeit und der Verminderung des Zugangsfaktors einen Teil der Regelung als verfassungswidrig anzusehen, den anderen, insoweit begünstigenden Teil jedoch nicht zu berücksichtigen. Dies hätte in letzter Konsequenz anstelle einer Verminderung der vorzeitigen in Anspruch genommenen Erwerbsminderungsrenten unter Umständen deren Erhöhung zur Folge.
Mit der Berufung vom 05.01.2009 gegen das ihm am 05.12.2008 zugegangene Urteil trägt der Klägerbevollmächtigte nach zwischenzeitlichem Ruhen des Verfahrens mit Schriftsatz vom 06.10.2011 vor: Die Beklagte habe den gesetzlichen Zugangsfaktor rechtswidrig von 1,0 auf 0,892 abgesenkt. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11.01.2011 stehe der Begründetheit der Klage nicht entgegen. Er beantworte allein die verfassungsspezifische Frage, ob es mit Art. 14 und 3 Grundgesetz vereinbar sei, wenn eine Anwendung der einfachgesetzlichen Vorschriften des § 77 SGB VI dazu führen würde, dass Versicherte für Zeiten vor Vollendung des 60. Lebensjahres eine Erwerbsminderungsrente nur auf der Grundlage eines um höchstens 10,8 % verminderten Zugangsfaktors zu gewähren sei. Auf diese Frage komme es vorliegend aber nicht an, da eine rechtsfehlerfreie Anwendung der einfachgesetzlichen Vorschriften nicht zu einer solchen Verminderung des Werts des Rechts auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für Rentenbezugszeiten vor Vollendung des 60. Lebensjahres führe. Der 4. Senat des BSG habe in seinem Urteil vom 16.05.2006 B 4 RA 22/05 R eingehend dargestellt, dass die Zugrundelegung eines geringeren Zugangsfaktors als 1,0 bei der Feststellung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung für Rentenbezugszeiten vor Vollendung des 60. Lebensjahres bereits von den einfachgesetzlichen Bestimmungen nicht gedeckt sei. Zur weiteren Begründung hat der Klägerbevollmächtigte das Urteil des 4. Senats des BSG vom 16.05.2006 zitiert. Weiter führt er aus, dass unabhängig davon die jetzige Gesetzesinterpretation des 5. und 13. Senats des BSG zu § 77 SGB VI nicht als eine abschließende höchstrichterliche Klärung der Rechtslage angesehen werden könne, da die Richter des BSG, die die Entscheidung vom 16.05.2006 im 4. Senat getroffen hätten, ihre Gesetzesauslegung bisher – soweit ersichtlich – nicht aufgegeben hätten und nicht ausgeschlossen werden könne, dass sie nach einer jederzeit möglichen Änderung des Geschäftsverteilungsplanes des BSG wieder mit Revisionen zum Recht der gesetzlichen Rentenversicherung und somit auch zu dieser Rechtsfrage befasst werden könnten. Eine Klärung könne nur eine Entscheidung des Großen Senats des BSG herbeiführen, die es bisher zu diesem Streitpunkt nicht gebe.
Die im Verhandlungstermin des Senats weder erschienene noch vertretene Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 24.11.2008 zu ändern und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 25.01.2006 und 28.12.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02.08.2007 und des Bescheides vom 05.10.2007 zu verurteilen, der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.05.2006 unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 1,0 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Nachdem das Verfahren zwischenzeitlich mit Beschluss vom 11.02.2009 im Einvernehmen mit den Beteiligten zum Ruhen gebracht worden war, hat der Senat die Beteiligten mit Schreiben vom 17.06.2011 auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 11.01.2011 (Az.: 1 BvR 3588/08 und 1 BvR 555/09) hingewiesen, mit denen das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Kürzung der Erwerbsminderungsrenten bei vorzeitigem Rentenbeginn bestätigt hat, und hat das Verfahren von Amts wegen wieder aufgenommen.
Der Senat hat die Beteiligten sodann noch mit Schreiben vom 30.09.2011 auf eine neue Entscheidung des 5. Senats des BSG vom 28.09.2011 (Az.: B 5 R 18/11 R) hingewiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte die Sache verhandeln und entscheiden, obwohl weder die Klägerin noch ihr Prozessbevollmächtigter zum Termin erschienen sind. Der Prozessbevollmächtigte ist mit der ordnungsgemäß erfolgten Terminsbenachrichtigung (Empfangsbekenntnis vom 28.09.2011) auf diese zulässige Verfahrensweise (§§ 124 Abs. 1, 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) hingewiesen worden.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Die Klägerin hat auch nach Auffassung des Senats keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung mit ungekürztem Zugangsfaktor von 1,0. Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass der Zugangsfaktor der Rente wegen voller Erwerbsminderung der Klägerin gemäß § 77 Absatz 2 SGB VI wegen vorzeitiger Inanspruchnahme der Rente zu mindern war. Die Beklagte hat insoweit in den angefochtenen Bescheiden vom 25.01.2006 und 28.12.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02.08.2007 sowie vom 05.10.2007 (der nach § 96 SGG in das Verfahren einzubeziehen war) im Rahmen der Rentenberechnung zu Recht den Zugangsfaktor vermindert, indem sie für jeden Kalendermonat nach dem 31.07.2008 (entspricht dem Ende des Kalendermonats der Vollendung des 60. Lebensjahres der Klägerin) bis zum Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres den Faktor von 1,0 um 0,003 reduzierte, und hat den so berechneten Monatsbetrag der Rente auch in etwaigen Rentenanpassungsmitteilungen (so etwa auch der vom 01.07.2007) zutreffend zugrunde gelegt. Gegen die Berechnung der Minderung des Zugangsfaktors sind Bedenken weder von der Klägerin aufgezeigt noch ansonsten für den Senat ersichtlich. Hinsichtlich der grundsätzlichen Anwendung und Auslegung der Regelung über die Verminderung des Zugangsfaktors in § 77 Absatz 2 SGB VI wird zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Absatz 2 SGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen, denen sich der Senat nach eigener Prüfung anschließt.
Die Auslegung des § 77 Absatz 2 SGB VI durch den früher zuständigen 4. Senat im Urteil vom 16.05.2006, der die Versicherungsträger von Anfang an nicht folgen wollten, ist von den nunmehr für die gesetzliche Rentenversicherung zuständigen Senaten, nämlich dem 5. und 13. Senat des BSG, nicht aufrechterhalten worden (Beschluss des 13. Senats vom 26.06.2008 – B 13 R 9/08 S – zu den Anfragen des 5 a. Senats in den Verfahren B 5 a/5 R 32/07 R, 88/07 R und 98/07 R, ob der 13. Senat an der vom 4. Senat entwickelten Rechtsprechung festhält; hieran anschließend Urteile des 5. Senats vom 14.08.2008, B 5 R 32/07 R, 88/07 R und 98/07 R). Aus diesem Grund kam es auch nicht zu einer Anrufung des Großen Senats des BSG. Die Gesetzesinterpretation des § 77 SGB VI durch den 5. und 13. Senat des BSG ist daher entgegen der Annahme des Klägerbevollmächtigten eine abschließende höchstrichterliche Klärung der Rechtslage. Spätestens durch die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 11.01.2011 a. a. O. ist endgültig geklärt, dass die Verminderung des Zugangsfaktors bei vorzeitiger Inanspruchnahme von Renten wegen Erwerbsminderung verfassungskonform ist. Hinzuweisen ist hierzu ergänzend auch auf den Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 07.02.2011 (Az.: 1 BvR 642/09); auch diese Entscheidung bestätigt die Verfassungsmäßigkeit der Kürzungen des Zugangsfaktors nochmals. Auch das BSG hat dies mit der neuesten Entscheidung vom 28.09.2011 (s.o.) nochmals bestätigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Absatz 2 Nr. 1 und 2 SGG nach der oben dargestellten höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht mehr erfüllt sind.
Erstellt am: 01.02.2012
Zuletzt verändert am: 01.02.2012