Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 19.05.2011 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I. Streitig ist die Höhe der erstattungsfähigen Rechtsanwaltsgebühren im Rahmen der durch das Sozialgericht (SG) Detmold für ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bewilligten Prozesskostenhilfe. Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, dass auch eine Terminsgebühr angefallen sei.
Mit Beschluss vom 20.04.2011 hat das SG den Antragstellern des Ausgangsverfahrens Prozesskostenhilfe für das einstweilige Anordnungsverfahren bewilligt und Rechtsanwalt L (Beschwerdeführer) aus I beigeordnet. Nach Beendigung des Verfahrens machte der Beschwerdeführer mit Kostenrechnung vom 19.04.2011 folgende Gebühren gegen die Staatskasse geltend:
Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3103 VV RVG 190,00 Euro
Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV RVG 190,00 Euro
Erhöhungsgebühr 2 Mandanten Nr. 3105 VV RVG (richtig: 1008) 57,00 Euro
Einigungsgebühr Nr. 1006 VV RVG 190,00 Euro
Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro
Zwischensumme 647,00 Euro
19% Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG 122,93 Euro
Summe 769,93 Euro
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28.04.2011 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Gebühren und Auslagen wie folgt fest:
Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3103 VV RVG 170,00 Euro
Erhöhungsgebühr gemäß Nr. 1008 VV RVG, 51,00 Euro
Einigungs-/Aussöhnungsgebühr gemäß Nr. 1006 VV RVG 190,00 Euro
Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro
19% Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG 81,89 Euro
Summe 512,89 Euro
Zur Begründung führte er aus, unter Berücksichtigung der Kriterien nach § 14 RVG sei die Verfahrensgebühr in Höhe der Mittelgebühr (zzgl. Erhöhung) nach Nr. 3103 und Nr. 1008 VV RVG festzusetzen. Die Voraussetzungen einer Terminsgebühr seien nicht gegeben.
Hiergegen legte der Beschwerdeführer am 02.05.2011 Erinnerung ein und trug zur Begründung vor, dass die Mittelgebühr nach Nr. 3102 VV RVG anzusetzen sei. Der Widerspruch sei nach dem ER-Antrag eingelegt worden. Auch sei eine Terminsgebühr angefallen. Er habe am 12.04.2011 mit dem Antragsgegner mit dem Ziel einer Erledigung des Rechtsstreits telefoniert.
Nachdem der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle der Erinnerung des Beschwerdeführers nicht abgeholfen hatte, hat das SG mit Beschluss vom 19.05.2011 unter Abänderung der Festsetzung vom 28.04.2011 die zahlenden Gebühren und Auslagen auf 543,83 Euro wie folgt fest.
Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV RVG 190,00 Euro
Erhöhungsgebühr für 2 Mandanten 3105 VV RVG (richtig: 1008) 57,00 Euro
Einigungs-/Aussöhnungsgebühr gemäß Nr. 1006 VV RVG 190,00 Euro
Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro
19% Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG 86,83 Euro
Summe 543,83 Euro
Die weitergehende Erinnerung wies das SG zurück und führte zur Begründung aus, die zunächst beantragte Verfahrensgebühr in Höhe von 190,00 Euro erweise sich nicht als unbillig. Zu Recht gehe der Beschwerdeführer davon aus, dass sich diese Gebühr nach Nr. 3102 VV RVG bemesse. Unbegründet sei die Erinnerung hinsichtlich der Terminsgebühr. Unter Verweis auf den Beschluss des LSG Hessen vom 20.04.2011 (L 2 SF 311/09 E) führte das SG an, dass sich aus der Vorbemerkung 3 Abs. 3 zu Teil 3 VV RVG die inhaltliche Gleichsetzung von Gerichtsterminen und außergerichtlichen Terminen zur Einigung und Erledigung des Rechtsstreits ergäbe. Daraus sei zu folgern, dass ein außergerichtlicher Einigungstermin, der zu einem außergerichtlichen Vergleichsabschluss und zur vollständigen Erledigung des Rechtsstreits sowohl in der Hauptsache als auch der Kostensache führe, an Umfang und Intensität einem Gerichtstermin gleichzustehen habe, so dass es sich hierbei z.B. nicht lediglich um Telefonate handeln dürfe. Die zu fordernde Vergleichbarkeit mit der inhaltlichen Intensität und dem Umfang eines Gerichtstermins sei nur dann gegeben, wenn die außergerichtliche Einigung im Rahmen eines persönlichen Gespräches zwischen dem prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt und dem anderen Verfahrensbeteiligten erfolge.
Gegen den am 26.05.2011 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 03.06.2011 Beschwerde mit der Begründung eingelegt, entgegen der Auffassung des SG könne eine Terminsgebühr auch in telefonischen Erörterungen entstehen. Die vom LSG Hessen vorgenommene Reduktion des Gesetzes sei nicht gerechtfertigt. Gegebenfalls sei bei Telefonaten ein geringerer Umfang angemessen, da die Fahrt zum Termin entfalle. Es werde keine fiktive Terminsgebühr geltend gemacht werde, sondern eine Gebühr, die durch eine telefonische Besprechung mit der Gegenseite angefallen sei. Als Nachweis legte er eine Telefonnotiz vom 12.04.2011 bei.
Der Beschwerdegegner ist der Auffassung, dass eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 Satz 1 VV RVG in Verbindung mit Vorb. 3 Abs. 3 VV RVG in Verfahren nach § 86b SGG nur anfallen könne, wenn ein gerichtlicher Termin anberaumt worden sei und verwies auf die Entscheidung des LSG NRW vom 09.07.2010 (L 19 B 395/09 AS). Eine Terminsgebühr sei auch nicht nach Nr. 3104 VV RVG analog entstanden. Dem hielt der Beschwerdeführer entgegen, das Bayerische Landessozialgericht habe mit überzeugenden Argumenten anders entschieden (L 15 B 950/06 AS KO). Diese Ansicht werde auch von Gerold/Schmidt Vorb. 3 VV RVG Rn. 95 ff. vertreten.
II.
Das Landessozialgericht entscheidet über die Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung durch den Senat gemäß den §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 8 Satz 2 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG).
Beschwerdeführer bzw. Beschwerdegegner sind in Verfahren, die die Höhe der Rechtsanwaltsvergütung bei gewährter Prozesskostenhilfe betreffen, der Rechtsanwalt selbst sowie die Landeskasse, vertreten durch den Bezirksrevisor. Die durch die Prozesskostenhilfe begünstigte Partei ist nicht beteiligt (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 41. Auflage 2011; § 56 RVG, Rn. 4; LSG NRW, Beschluss vom 24.11.2010, L 9 AS 878/10 B; LSG NRW, Beschluss vom 13.02.2009, L 12 B 159/08 AS; LSG NRW, Beschluss vom 15.07.2009, L 20 B 27/09 AS).
Die Beschwerde des Beschwerdeführers, der das SG nicht abgeholfen hat, ist gemäß § 56 Abs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG zulässig, weil der Wert des Beschwerdegegen-standes (Terminsgebühr zuzüglich der Umsatzsteuer) 200,00 Euro übersteigt. Die Umsatzsteuer ist beim Beschwerdegegenstand mitzurechnen (Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, Kommentar zum RVG, 19. Auflage 2010, § 56 RVG, Rn. 20). Die Beschwerde wurde auch fristgerecht eingelegt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 3 RVG).
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Zu Recht hat das SG die Voraussetzungen einer Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG verneint. Eine Terminsgebühr ist nach Nr. 3106 Satz 1 VV RVG in Verbindung mit Vorbemerkung (Vorbem.) 3 Abs. 3 VV RVG nicht angefallen. Grundsätzlich fällt eine Terminsgebühr an, wenn tatsächlich eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat. In den folgenden Nummern der Nr. 3106 VV RVG sind die Ausnahmefälle geregelt, in denen auch ohne Termin eine sog. fiktive Terminsgebühr anfällt. Danach entsteht die Terminsgebühr in Verfahren vor den Sozialgerichten, in denen Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG) auch, wenn 1. in einem Verfahren, für das eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, 2. nach § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden wird oder 3. das Verfahren nach angenommenen Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet. Unabhängig davon, ob eine fiktive Terminsgebühr im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes überhaupt anfallen kann (bejahend u.a. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 26.08.2009, L 15 B 950/06 AS KO, verneinend LSG NRW, Beschluss vom 24.02.2011, L 7 B 400/08 AS mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung und Literatur unter Aufgabe seiner abweichenden Rechtsprechung im Beschluss vom 26.04.2007, L 7 B 36/07 AS), liegt keine der genannten Voraussetzungen vor. Das Verfahren endete durch Vergleich.
Auch die Voraussetzungen der Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV-RVG sind nicht gegeben. Danach entsteht die Terminsgebühr für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin oder die Wahrnehmung eines von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termins oder die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen auch ohne Beteiligung des Gerichts; dies gilt nicht für Besprechungen mit dem Auftraggeber.
Dahin stehen kann, ob der Tatbestand des "Mitwirkens an einer Besprechung", durch das zwischen dem Beschwerdeführer und dem Antragsgegner geführte Telefongespräch erfüllt worden ist. Denn eine Terminsgebühr für das Mitwirken an einer auf Verfahrensvermeidung oder Verfahrenserledigung gerichtete anwaltliche Besprechung kann nach Auffassung des Senats nicht in Verfahren entstehen, in denen eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben und auch nicht durchgeführt worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 01.02.2007 V ZB 110/06 NJW 2007, 1461; BAG, Beschluss vom 20.06.2006, 3 AZB 78/05, BAGE 118 Seite 286). Mit der Ausweitung des Begriffs "Termin" auf Besprechungen des Rechtsanwalts mit der Gegenseite mit oder ohne Mitwirkung des Gerichts zur Vermeidung oder zur Erledigung eines Verfahrens hat der Gesetzgeber fördern und honorieren wollen, dass ein Rechtsanwalt nach seiner Bestellung zum Prozessbevollmächtigten in jeder Phase des Verfahrens zu einer möglichst frühen der Sach- und Rechtslage entsprechenden Beendigung des Verfahrens beiträgt. Die nach früherem Recht geübte Praxis, einen gerichtlichen Verhandlungstermin anzustreben, in dem ein ausgehandelter Vergleich nach "Erörterung der Sach- und Rechtslage" protokolliert wird, um eine Verhandlungs- bzw. Erörterungsgebühr nach § 31 BRAGO auszulösen, ist durch die Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG bewusst abweichend geregelt worden. Die Begründung für die Neuregelung greift jedoch nicht in Beschlussverfahren, in denen das Gericht grundsätzlich ohne eine mündliche Verhandlung entscheidet. Die Materialien zum RVG enthalten keinen Hinweis, dass mit der Terminsgebühr eine allgemeine Korrespondenzgebühr für die rechtsanwaltliche Mitwirkung an solchen Besprechungen eingeführt werden sollte (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 22.12.2010, L 19 AS 1138/10 B). Offen bleiben kann, ob die in Vorbem. 3 Abs. 3 Alte 3 VV RVG vorgesehene Terminsgebühr auch in solchen Verfahren anfallen kann, in denen eine mündliche Verhandlung für den Fall vorgeschrieben ist, dass eine Partei sie beantragt (so BGH, Beschluss vom 02.11.2011, XII ZB 458/10). Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach § 86b SGG kann ein Rechtsanwalt eine streitige Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht verhindern. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist nur fakultativ (§ 124 Abs. 3 SGG).
Eine der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 VV RVG entsprechende Regelung, nach der eine fiktive Terminsgebühr bei einem schriftlichen Vergleich entsteht, existiert in Nr. 3106 VV RVG nicht. Eine analoge Anwendung kommt nicht in Betracht (vgl. SG Stuttgart, Beschluss vom 14.01.2011, S 20 SF 7180/10 E; Thüringisches Landessozialgericht, Beschluss vom 26.11.2008, L 6 B 130/08 SF; LSG NRW, Beschluss vom 16.08.2006, L 20 B 137/06 AS).
Nach alledem ist die Höhe der vom SG mit Beschluss vom 19.05.2011 festgesetzten Gebühren und Auslagen nicht zu beanstanden. Der Senat weist ergänzend darauf hin, dass sich die festgesetzte Gebühr in Höhe von 57,00 Euro nicht nach Nr. 3105 VV RVG, sondern nach Nr. 1008 VV RVG richtet.
Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 2 RVG).
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 56 Abs. 2 Satz 1, § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG, § 177 SGG).
Erstellt am: 13.03.2012
Zuletzt verändert am: 13.03.2012