Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 22.02.2001 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten in einem Verfahren nach § 44 SGB X über die Rechtmäßigkeit einer bindend festgestellten Sperrzeit von 12 Wochen.
Der 1966 in N. geborene Kläger lebt seit mindestens 1990 in der Bundesrepublik Deutschland. Zuletzt war er von Februar 1997 bis zum 31.12.1999 als gewerblicher Mitarbeiter bei der S … Handels-AG in U. beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Aufhebungsvertrag vom 04.11.1999 am 31.12.1999 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 4.900 DM. Die für die Arbeitgeberin maßgebliche Kündigungsfrist betrug einen Monat zum Monatsende.
Am 03.01.2000 meldete der Kläger sich arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Am 15.02.2000 nahm er eine neue Arbeit auf.
Auf den möglichen Eintritt einer Sperrzeit hingewiesen und zu den Gründen zum Abschluss des Aufhebungsvertrages befragt gab er an, die Firma habe einen wichtigen Kunden verloren und deshalb einige der zuletzt eingestellten Arbeitnehmer entlassen müssen. Seine Bemühungen, die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zu vermeiden, seien erfolglos gewesen. Die Arbeitgeberin teilte auf Anfrage der Beklagten mit, ohne Abschluss des Aufhebungsvertrages wäre das Arbeitsverhältnis durch arbeitgeberseitige Kündigung zum gleichen Termin beendet worden. Es hätten 17 Arbeitnehmer entlassen werden müssen. Die Sozialauswahl sei in Abstimmung mit dem örtlichen Betriebsrat sowie der Gewerkschaft (HBV) gemeinsam getroffen worden.
Mit Bescheid vom 09.02.2000 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit von 12 Wochen ab dem 01.01.2000 mit der Begründung fest, der Kläger habe die Kündigung der Arbeitgeberin abwarten müssen.
Am 23.03.2000 beantragte der Kläger die Überprüfung der Sperrzeitentscheidung und trug vor, der Betriebsrat habe ihm geraten, dem Aufhebungsvertrag zuzustimmen, weil er sowieso entlassen würde. Die anderen Arbeitnehmer, die ebenfalls durch Aufhebungsvertrag ausgeschieden seien, hätten keine Sperrzeit bekommen.
Die Beklagte lehnte die Zurücknahme der Sperrzeitentscheidung mit Bescheid vom 03.04.2000 ab, da keine neuen Tatsachen vorgetragen worden seien. Den hiergegen am 07.04.2000 unter Vorlage einer Bescheinigung des Betriebsratsvorsitzenden, dass der Kläger nach den sozialen Auswahlrichtlinien ausgeschieden sei, eingelegten Widerspruch wies sie mit Bescheid vom 25.05.2000 als unbegründet zurück.
Daraufhin hat der Kläger am 23.06.2000 Klage erhoben.
Zur Begründung hat er im Wesentlichen sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren wiederholt und beantragt,
den Bescheid vom 03.04.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.05.2000 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, den Sperrzeitbescheid vom 09.02.2000 zurückzunehmen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Sperrzeit sei schon allein deswegen rechtmäßig, weil der Kläger durch Zustimmung zum Aufhebungsvertrag das Beschäftigungsverhältnis beendet habe.
Das Sozialgericht hat zur Sachaufklärung den Vorgesetzten des Klägers, den kaufmännischen Angestellten B. L., zu den Umständen, die zum Abschluss des Aufhebungsvertrages geführt haben, mit dem aus der Sitzungsniederschrift vom 22.02.2001 ersichtlichen Ergebnis, auf das verwiesen wird, als Zeugen vernommen.
Mit Urteil vom 22.02.2001 hat das Sozialgericht Dortmund die Beklagte verurteilt, den Sperrzeitbescheid vom 09.02.2000 zurückzunehmen und dem Kläger auf seinen Antrag vom 03.01.2000 Arbeitslosengeld zu zahlen. Auf den Inhalt der Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das ihr am 27.03.2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 26.04.2001 Berufung eingelegt.
Die Beklagte wiederholt ihr Vorbringen, dass der Kläger durch seine Zustimmung zum Aufhebungsvertrag das Arbeitsverhältnis selbst gelöst habe und hierdurch zumindest grob fahrlässig seine Arbeitslosigkeit herbeigeführt worden sei. Der Kausalzusammenhang bestehe nämlich selbst dann, wenn das Arbeitsverhältnis unabhängig von dem Verhalten des Klägers zum selben Zeitpunkt sein Ende gefunden hätte. Der Kläger habe auch keinen wichtigen Grund für sein Verhalten gehabt. Ein solcher wichtiger Grund sei jedenfalls nicht gegeben, wenn im Falle einer angedrohten arbeitgeberseitigen Kündigung durch ausdrücklichen Aufhebungsvertrag mit dem Arbeitgeber das Beschäftigungsverhältnis beendet worden sei. Hier müsse der Arbeitnehmer eine Kündigung des Arbeitgebers grundsätzlich abwarten. Ein Arbeitnehmer dürfe nur unter besonderen Umständen einer arbeitgeberseitigen Kündigung aus wichtigem Grund zuvorkommen. Auch die Beklagte geht davon aus, dass dem Kläger im vorliegenden Fall eine Kündigung durch seinen Arbeitgeber mit Bestimmtheit in Aussicht gestellt worden sei, ohne dass er hierzu durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass gegeben habe, und diese Kündigung zum gleichen Zeitpunkt, zu dem das Beschäftigungsverhältnis tatsächlich geendet hat, wirksam geworden und zulässig gewesen sei. Allerdings seien keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, so die Beklagte, dass es dem Kläger nicht zuzumuten gewesen wäre, die arbeitgeberseitige Kündigung abzuwarten. Er habe z. B. durch den Aufhebungsvertrag keine objektiven Nachteile für sein berufliches Fortkommen vermeiden können.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 22.02.2001 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 22.02.2001 zurückzuweisen.
Der Kläger bezieht sich im Wesentlichen auf die Entscheidungsgründe des von der Beklagten angefochtenen Urteils des Sozialgerichts Dortmund.
Dem Gericht haben die Verwaltungsakten der Beklagten über den Kläger (Stamm-Nr.: 383 470) vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Hier auf und auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht Dortmund hat im Ergebnis zu Recht die Beklagte verurteilt, den Sperrzeitbescheid vom 09.02.2000 aufzuheben und dem Kläger auf seinen Antrag vom 03.01.2000 Arbeitslosengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Die Voraussetzungen für die Feststellung einer Sperrzeit liegen nicht vor. Zwar ist der Beklagten zuzustimmen, dass der Kläger sein Beschäftigungsverhältnis dadurch gelöst hat, dass er am 04.11.1999 zum 31.12.1999 mit seiner Arbeitgeberin einen Aufhebungsvertrag geschlossen hat. Insoweit ist es durchaus ausreichend, dass der Kläger durch seine Zustimmung zu diesem Aufhebungsvertrag eine wesentliche Ursache zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gesetzt hat. Der Senat stimmt der Rechtsauffassung des Sozialgerichts in diesem Punkt nicht zu. Es ist nämlich unerheblich, ob die Initiative von ihm oder von seiner Arbeitgeberin ausgegangen ist. Der Abschluss eines Auflösungsvertrages zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ist nämlich auch dann wesentliche Ursache für den Eintritt der Arbeitslosigkeit des Klägers zum 03.01.2000, wenn unterstellt wird, dass das Arbeitsverhältnis von der Arbeitgeberin zum gleichen Zeitpunkt durch eine rechtmäßige ordentliche Kündigung gelöst worden wäre. Hier ist vielmehr – so auch die Beklagte – der tatsächliche Geschehensablauf maßgebend.
Durch die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses zum 31.12.1999 hat der Kläger seine Arbeitslosigkeit mindestens auch grob fahrlässig, wenn nicht sogar vorsätzlich herbeigeführt. Er hatte keine konkreten Aussichten auf einen Anschluss-Arbeitsplatz; jedenfalls ist dies im Verfahren nicht vorgetragen worden.
Allerdings besaß der Kläger für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses einen wichtigen Grund. Ausgehend von dem Grundgedanken der Sperrzeitregelung, dass die Gemeinschaft der Beitragszahler sich gegen Risikofälle und Manipulationsversuche wehren können muss, deren Eintritt der Arbeitslose selbst zu vertreten hat oder an deren Behebung er ohne Gründe nicht mithilft und dadurch eine finanzielle Belastung der Gesamtheit der Beitragszahler eintritt, hält es der Senat für unzumutbar, den Kläger im vorliegenden Fall darauf zu verweisen, die Kündigung durch die Arbeitgeberin abzuwarten.
Dass die Kündigung zum gleichen Zeitpunkt (31.12.1999) ausgesprochen worden wäre, geht aus der Aussage des Zeugen L. eindeutig hervor. Auch die Beklagte hat hieran keine Zweifel. Dass der Kläger mit dem Aufhebungsvertrag dieser Kündigung zuvor gekommen ist und damit als "nicht gekündigter" Arbeitnehmer gilt, stellt für sich keinen wichtigen Grund dar. Der Senat sieht einen wichtigen Grund allerdings auch nicht allein in der Zahlung der Abfindung. Die Voraussetzungen der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum wichtigen Grund beim Ausscheiden älterer Arbeitnehmer, die ihr Arbeitsverhältnis unter Inanspruchnahme einer Abfindung bei einem drastischen kurzfristig durchzuführenden Personalabbau aufgeben, liegen nicht vor.
Ein wichtiger Grund ist aber darin zu sehen, dass der Kläger das Arbeitsverhält nis durch seine Zustimmung zum Aufhebungsvertrag zum selben Zeitpunkt beendet hat, wie es durch eine rechtmäßige unmittelbar bevorstehende Kündigung durch die Arbeitgeberin beendet worden wäre, er damit einer drohenden betriebsbedingten Kündigung zum gleichen Zeitpunkt zuvorgekommen ist und durch dieses Verhalten nicht nur eine Abfindung – wenn auch im geringen Umfang – erhalten hat, sondern auch verhindern konnte, dass er sich mit dem Makel einer Kündigung auf dem Arbeitsmarkt um eine neue Stelle bewerben musste. Ein Arbeitnehmer, der durch einen Aufhebungsvertrag, in dem sogar noch eine Abfindung vereinbart worden ist, aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, wird eher von anderen Arbeitgebern eingestellt werden, als derjenige, der durch eine – wenn auch betriebsbedingte – Kündigung durch den Arbeitgeber aus dem Arbeitsverhältnis entlassen wird.
Die weiteren Voraussetzungen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld sind für den streitigen Zeitraum erfüllt. Der Kläger hat sich arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld beantragt. Er stand der Arbeitsvermittlung zur Verfügung und war bis zur Aufnahme einer neuen Beschäftigung am 15.02.2000 arbeitslos.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Senat hat die Revision gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Erstellt am: 14.08.2003
Zuletzt verändert am: 14.08.2003