Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 21.02.2005 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Gerichtskosten und die notwendigen außergerichtllichen Kosten der Klägerin auch im Berufungsverfahren. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin zur Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg) und von Beiträgen für ihre frühere Arbeitnehmerin V N (N.) verpflichtet ist.
Die am 00.00.1953 geborene N. war seit 1973 als Fertigungskraft bei der Klägerin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde durch Kündigung der N. vom 19.04.2001 zum 31.05.2001 beendet. Anschließend erhielt sie eine Zahlung von 2.400,00 DM. Vom 21.04.2001 bis 15.07.2001 bezog N. Krankengeld. Auf ihren Antrag vom 04.07.2001 bezog sie von der Beklagten ab 16.07.2001 bis zum Bezug von Altersrente wegen Schwerbehinderung ab 01.03.2003 Alg in Höhe von anfänglich 301,63 DM wöchentlich. Nach Ermittlungen zur gesundheitlichen Leistungsfähigkeit der N. und nach Einholung einer Arbeitsplatzbeschreibung von der Klägerin sowie nach negativem Ergebnis der Befragung der N. zum Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit und zum eventuellen Bezug anderer Sozialleistungen erließ die Beklagte jeweils nach Anhörung der Klägerin den Erstattungsbescheid vom 17.10.2002 für die Zeit vom 16.07.2001 bis 30.09.2001 mit einem Erstattungsbetrag von insgesamt 5.638,67 DM (= 2,883,01 EUR) sowie den Bescheid vom 02.12.2002 mit dem Erstattungsbetrag von 6.737,16 DM (= 3.444,66 EUR) für die Zeit vom 01.10.2001 bis 31.12.2001 und den Bescheid vom 28.01.2003 mit dem Erstattungsbetrag von 3.357,72 EUR für die Zeit vom 01.01.2002 bis 31.03.2002. Diese Bescheide wurden bestandskräftig. Jeweils nach vorheriger Anhörung forderte die Beklagte die Klägerin durch Bescheid vom 01.04.2003 zur Erstattung des in der Zeit vom 01.04.2002 bis 30.06.2002 der N. gezahlten Alg und der hierauf entfallenden Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung in Höhe eines Betrages von insgesamt 3.395,03 EUR sowie durch Bescheid vom 23.07.2003 für die Zeit vom 01.07.2002 bis 30.09.2002 in Höhe eines Gesamtbetrages von 3.481,35 EUR auf. Die von der Klägerin gegen diese Bescheide mit der Begründung erhobenen Widersprüche, eine Erstattungspflicht bestehe nicht, weil sie wegen der Vielzahl krankheitsbedingter Fehltage in 1999, 2000 und 2001 zur Kündigung aus wichtigem Grund mit sozialer Auslauffrist berechtigt gewesen sei und die minimale Abfindung von 2.400,00 DM im Hinblick auf die Eigenkündigung der N. auch nicht eine Erstattungspflicht rechtfertige, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.09.2003 zurück.
Nach Klageerhebung am 20.10.2003 hat die Beklagte am 22.10.2003 und 28.10.2003 – ebenfalls nach vorheriger Anhörung – für die Zeiträume vom 01.10.2002 bis 31.12.2002 und vom 01.01.2003 bis 28.02.2003 Erstattungsbescheide über die Beträge von 3.490,85 EUR und 2.240,98 EUR erlassen und die dagegen von der Klägerin erhobenen Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 18.12.2003 als unbegründet zurückgewiesen.
Die von der Klägerin dagegen am 07.01.2004 erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) mit dem bereits anhängigen Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Die Klägerin hat ergänzend vorgetragen, sie sei auch wegen häufiger Kurzerkrankungen zur Kündigung der N. berechtigt gewesen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Bescheide vom 01.04.2003 und 23.07.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.09.2003 sowie die Bescheide vom 22.10.2003 und 28.10.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2003 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat an ihrer in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Auffassung festgehalten.
Das SG hat eine Stellungnahme des Betriebsarztzentrums P GmbH eingeholt sowie die N. als Zeugin vernommen und mit Urteil vom 21.02.2005 die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt: "Eine Erstattungspflicht besteht nicht. Gemäß § 147 a Abs. 1 SGB III erstattet der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitslose innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, durch den nach § 124 Abs. 1 die Rahmenfrist bestimmt wird, mindestens 24 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat, der Bundesagentur vierteljährlich das Arbeitslosengeld für die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen unter den in der Vorschrift weiter genannten Voraussetzungen. Die Erstattungspflicht tritt jedoch nicht ein, wenn der Arbeitgeber z.B. darlegt und nachweist, dass der Arbeitslose das Arbeitsverhältnis durch Kündigung beendet und weder eine Abfindung noch eine Entschädigung oder ähnliche Leistung wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten oder zu beanspruchen hat (§ 147 a Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB III). Durch Vorlage des Kündigungsschreibens der Arbeitnehmerin vom 19.04.2001 ist nachgewiesen, dass diese ihr Arbeitsverhältnis selbst zum nächstmöglichen fristgerechten Termin gekündigt hat, den die Klägerin mit Schreiben vom gleichen Tag als den 31.05.2001 bestätigt hat. Dies entspricht auch der in der Arbeitsbescheinigung angegebenen Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende. Nach den glaubhaften Angaben der Zeugin N war zu diesem Zeitpunkt noch nicht von einer Abfindung die Rede, sondern ausschlaggebend für die von ihr ausgesprochene Kündigung war, dass sie sich gesundheitlich nicht mehr in der Lage sah, die Beschäftigung fortzusetzen. Die Klägerin selbst hatte in diesem Zusammenhang eine Kündigung abgelehnt, und zwar wegen des besonderen Kündigungsschutzes der Arbeitnehmerin als Schwerbehinderte. Auch eine Abfindung wurde anlässlich der Aussprache der Kündigung durch die Zeugin N nach deren Bekunden nicht angeboten, sondern sogar ausdrücklich abgelehnt. Es wurde auf deren ausdrückliche Anfrage lediglich ein Monatsgehalt als eine Art Überbrückungsgeld angeboten, dies allerdings erst nach Aussprache der Kündigung auf nochmaliges Nachhaken der Arbeitnehmerin. Damit ist nach Ansicht der Kammer trotz der von der Klägerin gezahlten 2.400,00 DM die Rechtsprechung des BSG, wonach jeder ursächliche Beitrag des Arbeitnehmers zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Anwendung des fraglichen Ausnahmetatbestandes ausschließt (vgl. z.B. Urteil vom 07.10.2004; Az.: B 11 AL 5/04 R) vorliegend nicht anwendbar. Zum einen war nämlich die Zahlung nicht ursächlich für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und zum anderen hat es sich im Hinblick auf die von der Arbeitnehmerin zurückgelegte Beschäftigungszeit bei der Klägerin von fast 28 Jahren um einen derart geringfügigen Betrag gehandelt, dass er nicht als Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses angesehen werden kann. Der Sinn der Norm erfordert es nämlich, dass es sich um Abfindungen oder Vorteile von beachtlichem Wert handelt, die zumindest im unteren Bereich üblicher Abfindungen liegen (Rolfs in Gagel, SGB III, 22. Ergänzungslieferung, § 147 a Rdn. 143). Die der Zeugin N gewährte Zahlung hat, bezogen auf die zurückgelegte Beschäftigungszeit, nicht im entferntesten den Charakter einer Abfindung, sondern entspricht vom Wert her eher einer Jahressonderzahlung, wie sie Arbeitgeber z.B. als Anerkennung für die geleisteten Dienste gewähren."
Gegen das ihr am 09.03.2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 30.03.2005 Berufung eingelegt. Sie ist der Ansicht, die Ausnahmeregelung des § 147 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) komme regelmäßig nur dann zur Anwendung, wenn das Arbeitsverhältnis durch Kündigung des Arbeitnehmers beendet worden sei, ohne dass der Arbeitgeber durch eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung sein Interesse an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Ausdruck gebracht habe. Die Erstattung solle folglich nur dann eintreten, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses außerhalb des Verantwortungsbereichs des Arbeitgebers liege, also völlig ohne sein Zutun stattgefunden habe. Zwar bestehe kein Zweifel daran, dass N. das Arbeitsverhältnis selbst gekündigt habe. Sie habe jedoch wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung erhalten und zwischen Kündigung und Abfindung bestehe auch ein ursächlicher Zusammenhang, weil die Abfindung ohne Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht gezahlt worden wäre. Die nicht sonderlich hohe Abfindung vermöge daran nichts zu ändern, denn es könne nicht sein, dass ein Arbeitgeber, der aufgrund geschickter Verhandlungsführung nur eine geringe Abfindung zu zahlen brauche, von der Erstattungspflicht zu Lasten der Solidargemeinschaft befreit werde. Auch der Befreiungstatbestand des § 147 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB III komme nicht zur Anwendung, weil die Klägerin nicht zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt gewesen sei. N. habe nach dem Gutachten des Arztes der Beklagten ihre Tätigkeit bei der Klägerin fortsetzen können.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 21.02.2005 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und auch den Befreiungstatbestand der Erstattungspflicht gemäß § 147 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB III für gegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen. Auf den Inhalt der die N. betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, der ebenfalls Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben, weil die Klägerin nicht zur Erstattung des der N. vom 01.04.2002 bis 28.03.2003 gezahlten Alg und der entsprechenden Beiträge in Höhe des Gesamtbetrages von 12.608,21 EUR verpflichtet ist. Die Erstattungspflicht der Klägerin tritt nach § 147 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB III nicht ein, weil N. das Arbeitsverhältnis durch Kündigung beendet und die 2.400,00 DM nicht "wegen der Beendigung" des Arbeitsverhältnisses erhalten hat.
Zur weiteren Begründung verweist der Senat auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils, denen er sich nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage anschließt (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -). Insbesondere hat das SG zutreffend ausgeführt, dass die Zahlung der 2.400,00 DM nicht ursächlich für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der N. war.
Das Vorbringen der Beklagten in der Berufung führt zu keinem anderen Ergebnis. Zwar kann ihr zugestimmt werden, dass der N. die 2.400,00 DM von der Klägerin ohne die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht gezahlt worden wären. Damit ist jedoch entgegen der Ansicht der Beklagten ein Ursachenzusammenhang nicht nur nicht offenkundig, sondern überhaupt nicht feststellbar. Denn zwischen der Beendigung und der Leistungsgewährung muss ein kausaler Zusammenhang in dem Sinne der sozialrechtlichen Kausalitätstheorie von der wesentlichen Bedingung bestehen, um die Erstattungspflicht eintreten zu lassen (vgl. Brand in: Niesel, SGB III, § 147 a, Randnr. 34 m.w.N.). Nach dieser geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung sind von den Bedingungen im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne als Ursache oder Mitursache unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes nur diejenigen Bedingungen anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (BSGE 61, 127, 129; 63, 272, 278). Vorliegend lässt sich nicht feststellen, dass die Zahlung der 2.400,00 DM zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses der N. wesentlich mitgewirkt hat. Die Zeugin N. hat zum einen glaubhaft ausgesagt, dass vor der Kündigung durch sie von einer Abfindung keine Rede gewesen sei. Aber selbst wenn dies der Fall gewesen wäre und die Klägerin die Zahlung von 2.400,00 DM für den Fall der eigenen Kündigung durch N. in Aussicht gestellt hätte, ließe sich zum anderen nicht feststellen, dass N. im Wesentlichen wegen der Zahlung der 2.400,00 DM gekündigt hätte. Dagegen sprechen der geringe Betrag, der keinen Anreiz für die Kündigung darstellen konnte, sowie der Umstand, dass die N. aufgrund ärztlicher Empfehlung glaubte, aus gesundheitlichen Gründen ihre Tätigkeit nicht mehr verrichten zu können.
Ist somit die Klägerin von der Erstattungspflicht gemäß § 147 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB III befreit, kam es auf das fragliche Vorliegen des Befreiungstatbestandes der Nr. 5 der genannten Vorschrift oder anderer Befreiungstatbestände nicht mehr an.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG und der entsprechenden Anwendung der §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Zur Revisionszulassung bestand kein Anlass, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Erstellt am: 13.01.2006
Zuletzt verändert am: 13.01.2006