Die Beschwerden der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 05.05.2010 werden zurückgewiesen. Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerden der Antragstellerin sind zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
1. Das Sozialgericht (SG) Dortmund hat ihren Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz mit Beschluss vom 05.05.2010 zu Recht zurückgewiesen.
a) Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d. h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 -, BVerfGK 5, 237 = NVwZ 2005, Seite 927).
b) Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund nicht hinreichend glaubhaft gemacht.
Denn die Antragstellerin, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von dem Antragsgegner laufend bezieht, verfügt zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats auch weiterhin über einen wirksamen privaten Krankenversicherungsschutz.
Sie hat im Verlauf des Beschwerdeverfahrens nicht vorgetragen, dass ihre Krankenversicherung aufgrund eines (etwaigen) Beitragsrückstandes bereits angekündigt habe, die Leistungen zum Ruhen bringen zu wollen, ungeachtet der Frage, ob sie dies rechtlich überhaupt dürfte.
Selbst wenn Letzteres der Fall sein sollte, ist es der Antragstellerin derzeit zuzumuten, das bereits anhängige sozialgerichtliche Hauptsacheverfahren (weiter) durchzuführen und über ihr Begehren dort eine sozialgerichtliche Entscheidung herbeizuführen. Denn ihre private Krankenversicherung hat mit Schreiben vom 15.02.2010 zum Ausdruck gebracht, dass die Antragstellerin in den Basistarif wechseln kann. Dies entspricht der Rechtslage. Denn hinsichtlich des Basistarifs in der privaten Krankenversicherung besteht ein Kontrahierungszwang der privaten Krankenversicherungsunternehmen. Dieser ist im Einzelnen in § 12 Abs. 1a und 1b Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) normiert. Gemäß § 12 Abs. 1b Satz 4 VAG darf der Antrag nur abgelehnt werden, wenn die Antragstellerin bereits bei dem Versicherer versichert war und der Versicherer den Versicherungsvertrag wegen Drohung oder arglistiger Täuschung angefochten hat (Nr. 1) oder vom Versicherungsvertrag wegen einer vorsätzlichen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht zurückgetreten ist (Nr. 2).
Nach einem Wechsel in den Basistarif ist ein Ruhen der Leistungen nach den gesetzlichen Vorgaben nicht zu erwarten. Denn gemäß § 193 Abs. 6 Satz 5 VVG endet das Ruhen der Leistungen, wenn der Versicherungsnehmer oder die versicherte Person hilfebedürftig nach dem SGB II wird. Diese Vorschrift erfasst nicht nur die Fälle, in denen die Hilfebedürftigkeit des Versicherungsnehmers während des Ruhens, also nach Beginn des Zahlungsverzuges eintritt, sondern auch solche, in denen die Hilfebedürftigkeit des Versicherungsnehmers vor oder gleichzeitig mit dem Ruhen eingetreten ist (LSG Nordrhein-Westfalen vom 23.10.2009, L 19 B 300/09 AS ER, Juris, m.w.N.). Ferner besteht gemäß § 193 Abs. 6 S. 6 VVG Krankenversicherungsschutz auch während des Ruhens der Leistungen; dann haftet der Versicherer – jedenfalls – für Leistungen, die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sowie bei Schwangerschaft erforderlich sind (entsprechend der gesetzlichen Regelung des § 16 Abs. 3a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V); vgl. zuletzt Beschluss des erkennenden Senats vom 12.10.2009, L 7 B 197/09 AS, Juris).
Dass ein Wechsel der Antragstellerin in den Basistarif der privaten Krankenversicherung nicht zugemutet werden kann, ist weder glaubhaft gemacht noch ersichtlich. Insbesondere hat die Antragstellerin nicht behauptet, dass der Basistarif (auch und insbesondere in ihrem Fall) keine ausreichende medizinische Versorgung böte. Dem würden auch die Ausführungen ihrer privaten Krankenversicherung im Schreiben vom 19.02.2010 widersprechen, wonach der Basistarif nach Art, Umfang und Höhe mit den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar ist.
c) Es wird im sozialgerichtlichen Hauptsacheverfahren zu klären sein, in welcher Höhe der Antragsgegner die Beiträge der Antragstellerin zu ihrer privaten Krankenversicherung und privaten Pflegeversicherung zu tragen hat.
Rechtsgrundlagen hierfür sind die Regelungen des § 26 Abs. 2 und Abs. 3 SGB II in der Fassung ab dem 01.01.2009. Unter den dortigen Voraussetzungen und in der dortigen Höhe muss der Grundsicherungsträger die Beiträge von Hilfebedürftigen, die in der gesetzlichen Kranken- bzw. sozialen Pflegeversicherung nicht versicherungspflichtig (und nicht familienversichert) sind, zu der privaten Kranken- bzw. privaten Pflegeversicherung tragen.
aa) Besteht, wie es bei der Antragstellerin nach derzeitigem Erkenntnisstand der Fall sein dürfte, unabhängig von der Höhe des zu zahlenden Beitrags Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II, zahlt der Grundsicherungsträger (nur) den Beitrag, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu zahlen ist (§ 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 12 Abs. 1 c Satz 6 Halbsatz 2 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG)). Dort ist nur ein ermäßigter Beitragssatz zu tragen (§ 246 i.V.m. § 243 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V); vgl. zur Berechnung im Einzelnen Klerks, info also 2009, S. 153, 155 f.). Der Hilfebedürftige muss für eine Differenz zwischen diesem Beitragszuschuss und seinem Beitrag zur privaten Krankenversicherung damit im Ergebnis selbst aufkommen. Er kann sie nur aus der Regelleistung bestreiten, in der Leistungen für den Krankenversicherungsschutz – jedenfalls in dieser Höhe – nicht enthalten sein dürften (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.09.2009, L 3 AS 3934/09 ER-B, Juris (Rn. 19))
bb) In der sozialgerichtlichen Rechtsprechung ist erörtert worden, ob dieses Ergebnis insbesondere vor dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (Art. 3 Abs. 1 GG) zu rechtfertigen ist.
Zum Teil wird eine Ungleichbehandlung gegenüber denjenigen Hilfebedürftigen festgestellt, die in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig krankenversichert ist und auf die deshalb die Regelung des § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II anzuwenden ist. Dort ist eine betragsmäßge Begrenzung der Beitragsübernahme anders als in § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II nicht – jedenfalls nicht in der vorgenannten Weise – vorgesehen. Es wird deshalb erwogen, die Regelung des § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II im vorliegenden Kontext analog anzuwenden (so SG Karlsruhe, Urteil vom 10.08.2009, S 5 AS 2121/09, Juris (Rn. 56); vgl. auch Brünner in: LPK-SGB II, 3. Auflage 2009 § 26 Rn. 23).
Zum Teil wird eine Ungleichbehandlung gegenüber denjenigen Hilfebedürftigen beobachtet, die allein aufgrund ihres privaten Krankenversicherungsbeitrages hilfebedürftig sind (also ohne diesen nicht hilfebedürftig wären). Denn dort sieht das Gesetz eine Beitragsbeteiligung des Grundsicherungsträgers "im erforderlichen Umfang" vor, soweit dadurch Hilfebedürftigkeit vermieden wird (§ 12 Abs. 1 c Satz 5 VAG). Dort ist eine betragsmäßge Begrenzung der Beitragsübernahme wie in § 12 Abs. 1 c Satz 6 VAG also nicht vorgesehen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.09.2009, L 3 AS 3934/09 ER-B, Juris (Rn. 24 f.)).
Es ist damit zu klären, ob die Regelung des Gesetzgebers, dass in einer Konstellation wie der vorliegenden der Grundsicherungsträger (nur) den Beitrag zu zahlen hat, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu zahlen ist (§ 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 12 Abs. 1 c Satz 6 Halbsatz 2 VAG), einer Korrektur im Wege der teleologischen oder verfassungsmäßigen Auslegung bedarf (vgl. auch SG Stuttgart, Beschluss vom 13.08.2009, S 9 AS 5003/09 ER, Juris, wonach nach der wortgetreuen Anwendung der gesetzlichen Regelung eine verfassungsrechtlich bedenkliche Bedarfsunterdeckung vorliege, die auf einem Versehen der Gesetzgebung beruhe; anders Brünner in: LPK-SGB II, 3. Auflage 2009 § 26 Rn. 21: "bewusst in Kauf genommen"). Hinsichtlich der Beiträge zur privaten Pflegeversicherung sind gemäß § 26 Abs. 3 Satz 1 SGB II die "Aufwendungen für eine angemessene private Pflegeversicherung im notwendigen Umfang" zu übernehmen.
cc) Abzuwarten bleibt ferner, ob die gesetzliche Regelung des § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II angesichts der aufgezeigten "Beitragslücke" noch korrigiert oder geändert werden wird; das Problem ist jedenfalls bereits gesehen und angesprochen worden (vgl. BT-Drucksache 16/12355 mit BT-Plenarprotokoll 16/213, ferner BT-Drucksache 16/13965).
2. Unbegründet ist auch die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe im angefochtenen Beschluss. Denn Prozesskostenhilfe steht der Antragstellerin nach § 73a SGG, §§ 114, 115 ZPO wegen fehlender Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung nicht zu.
3. Soweit die Antragstellerin mit der Beschwerde die Ablehnung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung angegriffen hat, folgt die Kostenentscheidung aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Soweit sich ihre Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrages auf Gewährung von Prozesskostenhilfe richtet, werden Kosten im Beschwerdeverfahren nicht erstattet (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
4. Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 20.07.2010
Zuletzt verändert am: 20.07.2010