Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 27.12.2010 wird zurückgewiesen. Kosten der Kläger sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Kläger begehren die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 26.02.2009 bis 30.06.2010.
Der am 00.00.1955 geborene Kläger zu 1) und die am 00.00.1972 geborene Klägerin zu 2) sind verheiratet. Die Klägerin zu 2) besitzt die polnische Staatsangehörigkeit und verfügt über eine unbefristete Arbeitsgenehmigung. In der Zeit vom 26.02. bis 31.05.2009 wohnten die Kläger mietfrei im Haus des Vaters des Klägers zu 1). Zum 01.06.2009 mieteten die Kläger die Wohnung, C 00, C, an. Die Grundmiete belief sich auf 570,00 EUR mtl. und die Betriebskostenvorauszahlung auf 160,00 EUR. mtl …
Am 01.10.2001 schloss der Kläger zu 1) mit der mit der I Lebensversicherung-AG (im Folgenden I) eine Kapitallebensversicherung (Versicherungs-Nummer 000) mit einer Laufzeit von 15 Jahren und einer Überschussbeteiligung ab. Bestandteil des Versicherungsvertrags ist die Anlage 400: Allgemeine Bedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung gewesen. § 15 Abs. 4 der Allgemeinen Bedingungen lautet wie folgt:
"(1) Die Leistungen aus dem Versicherungsvertrag erbringen wir an Sie als Versicherungsnehmer/in oder an ihre Erben, falls Sie uns keine andere Person benannt haben, die bei Eintritt des Versicherungsfalls die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag erwerben soll (Bezugsberechtigter). Bis zum Eintritt des Versicherungsfalls können Sie das Bezugsrecht jederzeit widerrufen.
(2) Sie können ausdrücklich bestimmen, dass der/die Bezugsberechtigte sofort und unwiderruflich die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag erwerben soll. Sobald wir Ihre Erklärung erhalten haben, kann dieses Bezugsrecht nur noch mit Zustimmung des/der von Ihnen Benannten aufgehoben werden.
(3) Sie können Ihre Rechte aus dem Versicherungsvertrag auch abtreten und verpfänden
(4) Die Einräumung und der Widerruf eines widerruflichen Bezugsrechts (vgl. Absatz 1) sowie die Abtretung und Verpfändung von Ansprüchen aus dem Versicherungsvertrag sind uns gegenüber nur und erst dann wirksam, wenn sie uns schriftlich angezeigt worden sind …"
Einen Verwertungsausschluss nach § 168 Abs. 3 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) wurde nicht vereinbart. Am 26.02.2009 betrug der Rückkaufswert der Kapitallebensversicherung einschließlich der Überschussbeteiligung 28.726,85 EUR, die Beitragszahlungen beliefen sich am 26.02.2009 auf insgesamt 31.737,91 EUR. Zum 01.07.2010 kündigte der Kläger zu 1) die Kapitallebensversicherung. Der Rückkaufswert belief sich am 05.07.2010 auf insgesamt 35.051,12 EUR.
Am 26.02.2009 beantragten die Kläger bei der Rechtsvorgängerin des Beklagten (nachfolgend einheitlich: Beklagter) die Gewährung von Leistungen zu Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Diesen Antrag lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 15.07.2009 wegen fehlender Hilfebedürftigkeit ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 31.07.2009 als unbegründet zurück.
Mit der am 31.08.2009 erhobenen Klage haben die Kläger die Verurteilung des Beklagten zur Gewährung von Leistungen nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen für die Zeit vom 26.02.2009 bis 30.06.2010 begehrt.
Sie haben vorgetragen, dass der Kläger zu 1) die Beiträge zur Deckung der Lebensversicherung im Januar/März 2009 nicht mehr habe aufbringen können. Deshalb habe er die Kapitallebensversicherung auf seinen Bruder, der sich in Malaysia aufgehalten habe, übertragen. Von dem Versicherungsunternehmen habe der Kläger zu 1) telefonisch die Auskunft erhalten, dass der vorzeitige Verkauf der Versicherung erhebliche Verluste nach sich ziehen würde. Ebenfalls sei ihm telefonisch mitgeteilt worden, dass eine offizielle Übertragung des Lebensversicherungsvertrages nicht möglich sei. Da zu diesem Zeitpunkt nicht absehbar gewesen sei, dass eine schriftliche Bestätigung hinsichtlich der Übertragung der Kapitallebensversicherung auf den Bruder des Klägers zu 1) notwendig werden würde, sei die Übertragung zwischen den Familienmitgliedern nicht formell fixiert worden. Deshalb sei der Kläger zu 1) zwar als formell Berechtigter gegenüber dem Lebensversicherungsunternehmen anzusehen, jedoch nicht als materiell Berechtigter aus dem Guthaben der Lebensversicherung.
Die Kapitallebensversicherung sei auch nicht verwertbar. Ein Verkauf hätte erhebliche Verluste verursacht, die zu einer besonderen Härte und damit zur Unzumutbarkeit einer Verwertung geführt hätte. Es sei auch unzumutbar, vom Kläger zu 1) zu verlangen, die Lebensversicherung zu verwerten, die er seinem Bruder zur Sicherung der großzügig gewährten Darlehen aus 2008 überlassen habe.
Zur Stützung ihres Begehrens haben die Kläger ein Schreiben der I vom 10.03.2010 vorgelegt, wonach diese aus aufsichtsrechtlichen Gründen den Versicherungsnehmerwechsel nicht durchführen könne. Desweiteren hat der Kläger zu 1) den Ausdruck einer E-Mail seines Bruders D C eingereicht, wonach dieser mit dem Kläger zu 1) eine formlose Vereinbarung hinsichtlich der Übernahme der Kapitallebensversicherung getroffen habe.
Auf Anfrage des Sozialgerichts hat die I mit Schreiben vom 03.05.2010 mitgeteilt, dass ihr eine Abtretung des Vertrages an einen Dritten seit Versicherungsbeginn nicht angezeigt worden sei. Eine Abtretung sei möglich gewesen. Dem vom Kläger zu 1) beantragten Versicherungsnehmerwechsel auf eine Person, die ihren ständigen Aufenthalt im Ausland habe, habe sie nicht entsprechen können, da dies als Betreiben eines Auslandsgeschäftes zu betrachten sei, für welches sie nicht zugelassen sei. Ein Versicherungsnehmerwechsel auf eine in Deutschland ansässige Person sei möglich gewesen.
Durch Gerichtsbescheid vom 27.12.2010 hat das Sozialgericht Köln die Klage abgewiesen. Auf die Gründe wird Bezug genommen.
Gegen den ihnen am 04.01.2011 zugestellten Gerichtsbescheid haben die Kläger am 06.01.2011 Berufung eingelegt. Sie tragen vor, dass sie in dem streitigen Zeitraum nicht in der Lage gewesen seien, ihren Lebensunterhalt durch die Verwertung der Kapitallebensversicherung des Klägers zu 1) zu sichern. Zum Zeitpunkt der Antragstellung am 26.02.2009 sei der Kläger zu 1) nicht mehr als Versicherungsnehmer anzusehen. Es könne dahinstehen, ob die Rechte aus der Versicherung im Außenverhältnis wirksam an den Bruder des Klägers zu 1) abgetreten worden seien. Jedenfalls sei diese Abtretung im Innenverhältnis zwischen den Brüdern wirksam gewesen. Daher sei der Kläger zu 1) nicht mehr Berechtigter aus dem Kapitallebensversicherungsvertrag gewesen. Die Familie des Klägers zu 1), insbesondere sein Vater und sein Bruder, hätten sie schon vor der Antragstellung am 26.02.2009 durch die Gewährung von Darlehen unterstützt. Die zwischen den Brüdern vereinbarte Abtretung habe bezweckt, die gewährten Darlehen zu sichern, d.h. dem Bruder einen angemessenen Ausgleich für die von ihm gewährte Hilfe zu sichern. Deshalb seien zumindest die gegenüber seinem Bruder bestehenden Darlehensverbindlichkeiten des Klägers zu 1) bei der Ermittlung des Wertes der Kapitallebensversicherung abzuziehen.
Im Hinblick auf die zwischen den Familienmitgliedern getroffenen Vereinbarungen stelle eine Verwertung der Kapitallebensversicherung zugunsten des Klägers zu 1) eine besondere Härte i.S.d. § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6, 2. Alt. SGB II dar. Es liege eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit i.S. von § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6, 1. Alt. SGB II vor. Die Anwendung einer 10 % Klausel sei im Gesetz nicht vorgeschrieben. Es verbiete sich auch eine starre Anwendung einer solchen Grenze, da es auf die Umstände des Einzelfalles ankomme. Unter diesen Umständen könne auch eine Unterschreitung von 9,49 % anstelle von 10 % als krasses Missverhältnis gewertet werden. Der Kläger zu 1) habe zudem die Versicherung zwischenzeitlich verwertet, mithin sei der Vermögensverlust bereits eingetreten. Der wirtschaftliche Wert der Versicherung zum 26.02.2006 habe nicht 28.726,85 EUR betragen. Denn von diesem Wert seien die Beiträge, die der Bruder des Klägers zu 1) auf die Versicherung entrichtet habe, abzuziehen. Diese hätten sich im März 2009 auf 4.294,78 EUR belaufen.
Die Kläger beantragen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 27.12.2010 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 15.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.07.2009 zu verurteilen, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften für die Zeit vom 26.02.2009 bis 30.06.2010 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte des Beklagten sowie der beigezogenen Akten des Sozialgerichts Köln S 29 As 255/09 ER Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beteiligtenfähig (vgl. Bundessozialgericht – BSG – Urteil vom 18.01.2011 – B 4 AS 99/10 R = juris Rn 11). Nach § 76 Abs. 3 Satz 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen beklagten Arbeitsgemeinschaft getreten.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist die Verpflichtung des Beklagten zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II an die Kläger für die Zeit vom 26.02.2009 bis 30.06.2010.
Das Sozialgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen
Die Kläger sind nicht beschwert i.S.v. § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der angefochtene Bescheid vom 15.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.07.2009 ist rechtmäßig. Den Klägern hat im streitbefangenen Zeitraum kein Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II gegenüber dem Beklagten zugestanden.
In dem streitbefangenen Zeitraum haben die Kläger eine Bedarfsgemeinschaft i.S.v. § 7 Abs. 3 Nrn. 3 a) SGB II gebildet. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2, und 4 SGB II für den Leistungsbezug haben sie erfüllt, da sie das 15 Lebensjahr vollendet, das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik gehabt haben und erwerbsfähig i.S.v. § 8 Abs. 1 u. Abs. 2 SGB II gewesen sind.
Jedoch sind die Kläger im streitigen Zeitraum nicht hilfebedürftig i.S.v. §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 SGB II gewesen.
Nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft, die ihren gesamten Bedarf nicht aus eigenen Kräften und Mitteln decken kann, im Verhältnis ihres eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig. Nach der horizontalen Berechnungsmethode ist deshalb zunächst der Bedarf jeder Person einzeln und hieraus der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft zu ermitteln. In einem weiteren Schritt wird dieser Gesamtbedarf dem Gesamteinkommen bzw. dem Gesamtvermögen der Bedarfsgemeinschaft gegenüber gestellt. Der danach durch Einkommen oder Vermögen nicht gedeckte Gesamtbedarf wird alsdann im Verhältnis des jeweiligen Einzelbedarfs am Gesamtbedarf der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft aufgeteilt (BSG Urteil vom 18.06.2008 – B 14 AS 55/07 R = juris Rn 23 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).
Der Bedarf der Kläger hat sich in der Zeit vom 26.02. bis 31.05.2009 auf insgesamt 622,00 EUR mtl. belaufen. Dieser hat sich aus einer Regelleistung von 316,- EUR nach § 20 Abs. 3 SGB II i.d.F. bis zum 31.12.2010 (vgl. zur Anwendbarkeit der Vorschrift des § 20 Abs. 3 SGB II trotz Verfassungswidrigkeit bis zum 30.12.2010: BVerfG Urteil vom 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 = juris Rn 210 ff.; Beschluss vom 18.02.2010 – 1 BvR 1523/08 -, Beschluss vom 24.03.2010 – 1 BvR 395/09 -; BSG Urteil vom 17.06.2010 – B 14 AS 17/10 R = juris Rn 16) für jeden der Kläger zusammengesetzt. Kosten für Unterkunft und Heizung sind nicht angefallen. Ab dem 01.06.2009 hat sich der Bedarf durch die Anmietung der Wohnung, C 00, C auf 1.100,- EUR mtl. erhöht. Neben der Regelleistung sind Kosten für Unterkunft nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Höhe von 478,- EUR mtl. zu berücksichtigen. Dabei ist nicht auf die tatsächlichen Kosten für Unterkunft in Höhe von 730,00 EUR mtl. abzustellen, sondern es sind nur die angemessenen Unterkunftskosten von 478,00 EUR mtl. zu berücksichtigen. Bei der Antragstellung am 26.02.2009 sind die Kläger über die maßgeblichen Angemessenheitsgrenzen informiert worden. Ab dem 01.07.2009 hat sich der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft auf 1.124,00 EUR mtl. erhöht, da sich die Regelleistung für die Kläger ab dem 01.07.2009 von 316,- EUR auf 323,- EUR mtl. erhöht hat. Die Voraussetzungen für einen Mehrbedarf nach § 21 SGB II i.d.F. bis zum 31.12.2010 oder einen Sonderbedarf nach § 23 Abs. 3 SGB II i.d.F. bis zum 31.12.2010 haben bei den Klägern in der Zeit vom 26.02.2009. bis 30.06.2010 nicht vorlegen.
Dahinstehen kann, ob die im streitigen Zeitraum von den Familienangehörigen geleisteten Zahlungen an die Kläger als Einkommen i.S.v. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu berücksichtigen sind und damit den Gesamtbedarf der Kläger teilweise gedeckt haben (vgl. zur Berücksichtigung von Darlehen von Verwandten als Einkommen: BSG Urteil vom 17.06.2010 – B 14 AS 46/09 R). Denn das zumutbar verwertbare Vermögen des Klägers zu 1) i.S.v. § 12 SGB II in der Zeit vom 26.02.2009 bis 18.01.2010 in Höhe 13.576,85 EUR, in der Zeit vom 19.01 bis 20.01.2010 in Höhe von 13.426,85 EUR und in der Zeit vom 21.01. bis 30.06.2010 in Höhe von 13.376,85 EUR hat den monatlichen Hilfebedarf der Kläger im streitbefangenen Zeitraum überschritten und damit gedeckt (vgl. zur wiederholten Berücksichtigung von Vermögen: BSG Beschluss vom 30.07.2008 – B 14 AS 14/08 B = juris Rn 5 und Urteil vom 25.08.2011 – B 8 SO 19/10 R = juris Rn 27).
Vermögen i.S.v. § 12 SGB II sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände. Hierzu gehören neben beweglichen Sachen und Immobilien auch verbriefte oder nicht verbriefte Forderungen und Geldleistungen in Form von Rückkaufswerten aus Versicherungen. Der Berücksichtigung von Forderungen als Vermögen i.S.v. § 12 SGB II steht nicht entgegen, dass weitere Verwertungshandlungen "zwischengeschaltet" werden müssen, um einen tatsächlichen Zufluss der Forderung als Einnahme in Geld oder Geldeswert und damit als Einkommen i.S.v. § 11 SGB II zu erreichen. Daher können auch (künftig fällig werdende) Forderungen und Rechte, die als Vollrecht begründet sind (vgl. hierzu BSG Urteil vom 30.08.2010 – B 4 AS 70/09 R = juris Rn 14f m.w.N.) Vermögensgegenstände i.S.v. § 12 SGB II sein, die als nicht bereite Mittel im Falle ihrer Verwertbarkeit zur Existenzsicherung einzusetzen sind (vgl. BSG Urteil vom 30.08.2010 – B 4 AS 70/09 R = juris Rn 14, 15). Insoweit handelt es sich bei der Forderung aus einer Kapitallebensversicherung im Fall der vorzeitigen Vertragsauflösung um einen Vermögensgegenstand.
Der Kläger zu 1) ist Inhaber der Forderungen aus dem Kapitallebensversicherungsvertrag gewesen. Dahinstehen kann, ob zwischen dem Kläger zu 1) und seinem Bruder tatsächlich eine Abtretung der Forderungen aus der Kapitallebensversicherung vereinbart worden ist. Selbst wenn zwischen den Brüdern eine Abtretung der Forderungen aus dem Versicherungsbeitrag vereinbart worden ist, ist diese Abtretung wegen der Nichtanzeige der Abtretung gegenüber dem Versicherungsunternehmen unwirksam. Nach § 15 Abs. 4 der Allgemeinen Bedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung, die Vertragsbestandteil gewesen sind, ist eine Abtretung von Ansprüchen aus dem Versicherungsvertrag gegenüber dem Versicherungsunternehmen erst wirksam, wenn sie von dem bisherigen Berechtigten schriftlich angezeigt wurde Diese Klausel in den Versicherungsbedingungen stellt einen eingeschränkten Abtretungsausschluss i.S.d. § 399 2. Alt. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) dar. Eine abredewidrig nicht angezeigte Abtretung ist absolut unwirksam (BGH Urteil vom 10.03.2010 – IV ZR 207/08 = juris Rn 13). Vorliegend hat der Kläger zu 1) eine Abtretung seiner Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag dem Versicherungsunternehmen nicht angezeigt. Zwar hat sich der Kläger zu 1) dahingehend eingelassen, dass der von ihm beabsichtigte Versichernehmerwechsel – d.h. ein Schuldnerwechsel, der nur im Einverständnis mit dem Versicherungsunternehmen erfolgen konnte – von der I als Vertragspartner nicht akzeptiert worden sei. Ihm hätte es aber offen gestanden, seine Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag, insbesondere die Bezugsberechtigung, an seinen Bruder abzutreten. Diese Abtretung konnte ohne Versicherungsnehmerwechsel erfolgen, ist aber nicht erfolgt.
Bei dem Rückkaufswert der Kapitallebensversicherung des Klägers zu 1) handelt es sich um einen verwertbaren Vermögensgegenstand. Ein Vermögen ist verwertbar, wenn seine Gegenstände verbraucht, übertragen und belastet werden können (BSG Urteil vom 30.08.2010 – B 4 AS 70/09 R = juris Rn 16 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Verwertungshindernisse liegen hier nicht vor.
Verwertbare Vermögensgegenstände i.S.v. § 12 Abs. 1 SGB II sind mit ihrem Verkehrswert (§ 12 Abs. 4 Satz 1 SGB II) zu berücksichtigen. Für die Bewertung nach § 12 Abs. 4 Satz 2 SGB II ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Antrag auf Bewilligung oder erneute Bewilligung der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende gestellt wird, bei späterem Erwerb von Vermögen der Zeitpunkt des Erwerbs (BSG Urteil vom 13.05.2009 – B 4 AS 58/08 R= juris Rn 17). Für den hier streitigen Zeitraum vom 26.02.2009 bis zum 30.06.2010 ist damit der Antrag des Klägers zu 1) vom 26.02.2009 maßgebend.
Zu diesem Zeitpunkt und während des streitigen Zeitraums hat der Verkehrswert der Kapitallebensversicherung die Freibetragsgrenzen des § 12 Abs. 1 Nrn. 1, 3, 4 SGB II überschritten. Bei einer Kapitallebensversicherung ergibt sich der Verkehrswert aus dem Rückkaufswert der Versicherung (BSG Urteil vom 15.04.2008 – B 14/7b AS 52/06 R = juris Rn 14). Der Rückkaufswert für die Kapitallebensversicherung hat sich nach Auskunft des Versicherungsunternehmens am 26.02.2009 auf 28.726,85 EUR belaufen.
Von dem Verkehrswert ist im streitigen Zeitraum ein Gesamtfreibetrag von 15.150,- EUR abzusetzen. Dieser setzt sich zusammen aus einem Freibetrag von 13.650, – EUR (54 x 150,- EUR + 37 x 150,- EUR) i.S.v. § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i.d.F. ab dem 01.08.2006 und 1.500,- EUR i.S.v. § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB III für die Zeit vom 26.02 …2009 bis 18.01.2010. Der absetzbare Gesamtfreibetrag erhöht sich für die Zeit vom 19.01. bis 20.01.2010 auf einen Betrag von 15.300,- EUR. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus einem Freibetrag von 13.800,- EUR (55 x 150,- EUR + 37 x 150,- EUR) i.S.v. § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i.d.F. ab dem 01.08.2006 und 1.500,- EUR i.S.v. § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB III. Für die Zeit vom 21.01. bis 30.06.2010 ist ein Gesamtfreibetrag von 15.450,- EUR abzusetzen, der sich aus einem Freibetrag von 13.950,- EUR (55 x 150,- EUR + 38 x 150,- EUR) i.S.v. § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i.d.F. ab dem 01.08.2006 und 1.500,- EUR i.S.v. § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB III zusammensetzt. Weitere Freibeträge sind nach § 12 Abs. 2 SGB II nicht abzusetzen.
Ein weiterer Abzug vom Verkehrswert im Hinblick auf die zum Zeitpunkt der Antragstellung am 26.02.2009 vom Kläger zu 1) geltend gemachten Darlehensverbindlichkeiten gegenüber Familienangehörigen ist nicht vorzunehmen. Vermögen i.S.v. § 12 SGB II ist nicht die Bilanz aus aktiven und passiven Vermögenswerten, sondern das vorhandene aktive Vermögen. Alle aktiven Vermögenswerte müssen grundsätzlich zur Absicherung des Lebensunterhalts eingesetzt werden (BSG Urteil vom 18.02.2010 – B 4 AS 28/09 R = juris Rn 22). Daher erfordert die Bedürftigkeitsprüfung im SGB II keine Saldierung aller Aktiva und Passiva. Dies folgt aus der Subsidiarität der staatlichen Fürsorge, welche erst eingreifen soll, wenn der Hilfebedürftige die ihm zur Verfügung stehenden Mittel verbraucht hat. Die Berücksichtigung von Verbindlichkeiten bei der Feststellung der vorhanden Vermögenswerte ist nach gefestigter Rechtsprechung des BSG allenfalls dann geboten, wenn eine Verbindlichkeit unmittelbar auf dem fraglichen Vermögensgegenstand, z. B. in Form einer auf einem Grundstück eingetragenen Grundschuld, lastet, da der Vermögensgegenstand in diesem Fall nicht ohne Abzüge veräußert werden kann (BSG Urteil vom 18.02.2010 – B 4 AS 28/09 R = juris Rn 22 m.w.N.). Es sind nach Aktenlage keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung am 26.02.2009 Schulden der Kläger gegenüber ihren Familienangehörigen bestanden haben, die bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise mit ihrem Kapital in Form der Kapitallebensversicherung in Verbindung gestanden haben (vgl. zu diesem Erfordernis: BSG Urteil vom 18.02.2010 – B 4 AS 28/09 R = juris Rn 22 m.w.N.). Solche ergeben sich auch nicht aus dem Vortrag der Kläger.
Weiterhin handelt es sich bei der Kapitallebensversicherung um zu berücksichtigendes Vermögen i.S.v. § 12 Abs. 3 SGB II. Zu Gunsten des Klägers zu 1) greifen die Vorschriften des § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II und § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II nicht ein, da es sich bei der Kapitallebensversicherung nicht um ein nach Bundesrecht ausdrücklich als Altersvorsorge gefördertes Vermögen handelt und der Kläger zu 1) nicht von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist (zu den Anforderungen des § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 SGB II und der Verfassungsgemäßheit der beiden Regelungen vgl. BSG Urteile vom 15.04.2008 – B 14/7b AS 52/06 R = juris Rn 20f, 24f und – B 14/7b AS 56/06 R = nach juris Rn 29f, 32f). Der Kläger zu 1) hat auch keinen Verwertungsausschluss nach § 168 Abs. 3 VVG i.d.F. ab dem 01.01.2008 mit dem Versicherungsunternehmen vereinbart.
Damit hat der Kläger zu 1) in der Zeit vom 26.02.2009 bis 18.01.2010 über ein verwertbares Vermögen in Höhe 13.576,85 EUR, in der Zeit vom 19.01 bis 20.01.2010 in Höhe von 13.426,85 EUR sowie in der Zeit vom 21.01. bis 30.06.2010 in Höhe von 13.376,85 EUR verfügt, das den Gesamtbedarf der Kläger im streitbefangenen Zeitraum gedeckt hat (vgl. zur wiederholten Berücksichtigung von Vermögen: BSG Beschluss vom 30.07.2008 – B 14 AS 14/08 B = juris Rn 5 und Urteil vom 25.08.2011 – B 8 SO 19/10 R = juris Rn 27).
Die Verwertung der Kapitallebensversicherung ist für den Kläger zu 1) auch zumutbar gewesen. Der Ausschlusstatbestand des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 2. Alt. SGB II greift zu seinen Gunsten nicht ein. Nach gefestigter Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 15.04.2008 – B 14/7b AS 52/06 R = nach juris Rn 32, m.w.N.) handelt es sich bei dem im Ausnahmetatbestand des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 2. Alt SGB II verwandten Begriff "besondere Härte" um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Ob von einer besonderen Härte i.S.d. § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6, 2. Alt SGB II auszugehen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Maßgebend sind dabei nur außergewöhnliche Umstände, die nicht durch die ausdrücklichen Freistellungen über das Schonvermögen (§ 12 Abs. 3 Satz 1 SGB II) und die Absetzungsbeträge nach § 12 Abs. 2 SGB II erfasst werden. Demnach setzt § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II voraus, dass die Umstände dem Betroffenen ein deutlich größeres Opfer abverlangen als eine einfache Härte und erst recht als die mit der Vermögensverwertung stets verbundenen Einschnitte. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers ist nicht allein der Verlust der Altersvorsorge und dessen Zeitpunkt, sondern beides nur zusammen mit einer Versorgungslücke geeignet, eine besondere Härte i.S.d. § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II darzustellen. Es sind nur besondere, bei anderen Hilfebedürftigen regelmäßig nicht anzutreffende Umstände beachtlich und in ihrem Zusammenwirken zu prüfen (BSG Urteile vom 15.04.2008 – B 14/7b AS 52/06 R = juris Rn 32 und – B 14 AS 27/07R = juris Rn 45).
Dahinstehen kann, ob bei den Klägern eine atypische Erwerbsbiographie besteht, die zu Lücken im Versicherungsverlauf in der gesetzlichen Rentenversicherung geführt und die Notwendigkeit der Inanspruchnahme einer Lebensversicherung wegen niedriger Rentenansprüche nach sich gezogen hat. Die Privilegierung einer Lebensversicherung im Rahmen des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 2. Alt. SGB II kommt nur in Betracht, wenn die Lebensversicherung tatsächlich zur Altersvorsorge bestimmt ist. Daher ist erforderlich, dass der Hilfebedürftige das Vermögen nach Eintritt in den Ruhestand zur Bestreitung des Lebensunterhalts für sich verwenden will und eine dieser Bestimmung entsprechende Vermögensdisposition getroffen hat. Diese Disposition muss sicherstellen, dass der Zugriff auf das Vermögen vor dem Ruhestand erheblich erschwert wird (vgl. BSG Urteile vom 15.04.2008 – B 14/7b AS 68/06 R = juris Rn 32 und – B 14 AS 27/07 R = juris Rn 46). Weder aus dem Akteninhalt noch aus dem Vortrag der Kläger ergeben sich Anhaltspunkte für eine solche getätigte Disposition. Vorliegend ist nicht erkennbar, dass die Kapitallebensversicherung ausschließlich zur Altersvorsorge des Klägers zu 1) bestimmt gewesen ist. Nach den eigenen Angaben hat der Kläger zu 1) die Kapitallebensversicherung vor der Antragstellung beim Beklagten im Februar 2009 zur Absicherung von Darlehensverbindlichkeiten gegenüber seinen Familienangehörigen verwenden wollen. Dies ist ein Beleg dafür, dass der Kläger zu 1) die Lebensversicherung nicht ausschließlich zur Alterssicherung verwenden, sondern ihre Verwendung disponibel halten wollte (vgl. BSG Urteil vom 15.04.2008 – B 14/7b AS 68/06 R = juris Rn 32). Dafür spricht auch die Tatsache, dass der Kläger zu 1) keinen Verwertungsausschluss nach § 168 Abs. 3 VVG vereinbart hat. Des weiteren haben die Kläger bei der Antragsstellung im Februar 2009 nicht kurz vor Renteneintritt gestanden, sondern der Kläger zu 1) ist mehr als 11 Jahre und die Klägerin zu 2) mehr als 25 Jahren vom Renteneintrittsalter entfernt gewesen. Anhaltspunkte für eine nur kurze Leistungs- bzw. Anspruchsdauer, die eine besondere Härte begründen kann, wenn bereits bei Antragstellung die konkret begründete Aussicht bestanden hat, dass Leistungen nur für einen kurzen Zeitraum in Anspruch genommen werden, sind nicht ersichtlich (vgl. BSG Urteil vom 06.05.2010 – B 14 AS 2/09 R = juris Rn 26).
Ebenso ist die Verwertung dieser Kapitallebensversicherung nicht offensichtlich unwirtschaftlich i.S.v. § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 1. Alt. SGB II gewesen. Offensichtliche Unwirtschaftlichkeit liegt vor, wenn der zu erzielende Gegenwert in einem deutlichen Missverhältnis zum wirklichen Wert des zu verwertenden Vermögensgegenstandes steht. Umgekehrt ist eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit nicht gegeben, wenn das Ergebnis der Verwertung vom wirklichen Wert nur geringfügig abweicht. Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit der Verwertung von Vermögen ist auf das ökonomische Kalkül eines rational handelnden Marktteilnehmers abzustellen. Es ist zu ermitteln, welchen Verkehrswert der Vermögensgegenstand gegenwärtig auf dem Markt hat. Der gegenwärtige Verkaufspreis ist dem Substanzwert gegenüber zu stellen. Bei einem Kapitallebensversicherungsvertrag ergibt sich der Substanzwert aus den eingezahlten Beiträgen und der Verkehrswert aus dem Rückkaufswert der Versicherung (BSG Urteil vom 15.04.2008 – B 14/7b AS 52/06 R = juris Rn 14). Die Grenze der offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit i.S.d. § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II ist nach der gefestigten Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, bei einem Verlust von 12,9% bei der Verwertung einer Lebensversicherung noch nicht erreicht (BSG, Urteile vom 15.04.2008 – B 14 AS 27/07 R = juris Rn 42 und vom 06.09.2007 – B 14/7b AS 66/06 R = juris Rn 23). Vorliegend hätte sich der Verlust bei einer Verwertung der Versicherung – wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat – auf 9,49 % belaufen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision nach § 160 abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.
Erstellt am: 26.03.2012
Zuletzt verändert am: 26.03.2012