Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 20.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.07.2007 verurteilt, die Kosten des Seminars Streitschlichtung vom 23.02.2007 bis zum 25.02.2007 in Höhe von 90,00 Euro zu übernehmen. Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Übernahme der Kosten der Teilnahme an einem Bildungsseminar im Rahmen einer schulischen Arbeitsgemeinschaft.
Die am xxx geborene Klägerin bezog in Bedarfsgemeinschaft mit ihrer Mutter und ihrem Bruder in den Jahren 2007 und 2008 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von der Beklagten. Sie war Schülerin der Gesamtschule Gartenstadt der Stadt xxx und nahm dort an einer klassenübergreifenden Ausbildung im Bereich Mediation/Streitschlichtung teil. Im Rahmen dieser Ausbildung fand von Freitag, dem 23.02.2007 bis Sonntag, dem 25.02.2007 ein Seminar im xxx statt.
Am 02.02.2007 beantragte die Mutter der Klägerin bei der Beklagten die Übernahme der durch die Teilnahme entstehenden Kosten in Höhe von 90,00 Euro. Diese lehnte den Antrag mit Bescheid vom 20.02.2007 mit der Begründung ab, die Kosten des außerschulischen Seminars seien durch den Regelsatz abgedeckt. Die Mutter der Klägerin legte hiergegen am 23.03.2007 Widerspruch ein und gab an, noch am 22.02.2007 habe ihr eine Mitarbeiterin der Beklagten auf telefonische Nachfrage zugesichert, die Kosten würden direkt an den Lehrer überwiesen. Im Vertrauen hierauf habe sie ihre Tochter teilnehmen lassen. Auch habe es sich nicht um eine außerschulische Veranstaltung gehandelt. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 30.07.2007, gerichtet an die Mutter der Klägerin, als unbegründet zurück. Sie vertrat den Standpunkt, dass es sich bei dem Seminar nach den Richtlinien für Schulwanderungen und Schulfahrten nicht um eine Klassenfahrt handele.
Hiergegen richtet sich die am 24.08.2007 bei Gericht eingegangene, von der Mutter der Klägerin im eigenen Namen erhobene Klage. Zur Begründung wird geltend gemacht, es habe sich um einen jahrgangs- und klassenverbandsübergreifenden Projektkurs der Schule gehandelt, so dass das Seminar eine schulische Veranstaltung gewesen sei.
Im Rahmen der Entscheidung über den Antrag auf Prozesskostenhilfe ist das Rubrum dahingehend abgeändert worden, dass nicht die Mutter der Klägerin, sondern diese selbst im Rubrum als Klägerin zu führen ist. Hierdurch bedingt hat beim Sozialgericht Dortmund ein Zuständigkeitswechsel von der 28. Kammer auf die 29. Kammer stattgefunden.
Im Februar 2008 fand ein weiteres Seminar "Training zur Streitschlichtung und Konfliktbearbeitung" statt, wofür die Klägerin ebenfalls die Kostenübernahme beantragte. Gegen die ablehnende Entscheidung der Beklagten (Bescheid vom 14.02.2008 und Widerspruchsbescheid vom 05.06.2008) hat die Klägerin am 13.06.2008 Klage erhoben. Das Gericht hat beide Verfahren unter dem diese Klage betreffenden Aktenzeichen zur gemeinsamen mündlichen Verhandlung verbunden.
In der mündlichen Verhandlung hat der Bevollmächtige der Klägerin darauf hingewiesen, dass diese an dem im Jahr 2008 durchgeführten Seminar aus Kostengründen nicht teilgenommen hat und hat die unter dem Aktenzeichen S 29 AS 209/08 erhobene Klage für erledigt erklärt.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.07.2007 zu verurteilen, die Kosten für das Bildungsseminar Streitschlichtung vom 23.02.2007 bis 25.02.2007 zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für rechtmäßig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie den der die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin ist durch die angefochtene Entscheidung der Beklagten, nämlich die Ablehnung der Kostenübernahme für das im Jahr 2007 durchgeführte Streitschlichtungsseminar, im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, denn sie hat Anspruch auf Übernahme dieser Kosten nach dem SGB II.
Gemäß § 23 Abs. 3 Nr. 3 SGB II sind Leistungen für mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen nicht von der Regelleistung umfasst. Sie werden gesondert erbracht. Die Klägerin erfüllt die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen, denn zum einen hat sie an einer mehrtägigen Veranstaltung teilgenommen und zum anderen hat es sich um eine Klassenfahrt im Sinne der gesetzlichen Vorschriften gehandelt. Der Begriff der Klassenfahrt ist gesetzlich nicht definiert, festgelegt ist lediglich, dass es sich um eine Klassenfahrt im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen handeln muss (Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25.06.2009 – L 1 B 40/08 AS -). Die Richtlinien für Schulwanderungen und Schulfahrten (Wanderrichtlinien – WRL-) des Ministeriums für Schule und Weiterbildung vom 19.03.1997 (GABl NW I. S 101) bestimmen zwar unter Ziffer 4.2, dass Schulwanderungen und Schulfahrten Schulveranstaltungen sind, die grundsätzlich im Klassenverband bzw. im Kursverband durchgeführt werden und deren Teilnahme für Schülerinnen und Schüler verpflichtend ist. Dies könnte gegen die Einordnung der klassen- und kursübergreifend durchgeführten Streitschlichtungsseminare als Schulfahrt bzw. Klassenfahrt sprechen. Andererseits können gemäß Ziffer 2.6 der Richtlinien aber auch Veranstaltungen zu einzelnen Unterrichtsbereichen – z. B. religiöse Freizeiten, Seminare zur Sucht- und Drogenvorbeugung, Schulorchesterfreizeiten, Veranstaltungen zur Berufsorientierung, Schullandheimaufenthalte mit sportlichem Schwerpunkt – Gegenstand von Schulwanderungen und Schulfahrten sein. Dabei ist es für ein Schulorchester geradezu charakteristisch, dass dieses sich nicht aus Schülern eines bestimmten Klassen- oder Kursverbandes zusammensetzt, sondern dass sich in ihm Schüler der verschiedensten Klassen und Jahrgangsstufen zusammenfinden. Nach Auffassung der Kammer spricht daher nichts dagegen, die Teilnahme an dem Streitschlichtungsseminar genauso wie die Teilnahme an einer Schulorchesterfreizeit als Schulfahrt im Sinne der Richtlinien anzusehen, zumal die Mitwirkung in einem Schulorchester genauso freiwillig stattfindet wie der Besuch eines Streitschlichtungskurses. Auch rein formal spricht nichts gegen die Einordnung als Schulfahrt, denn dass es sich bei dem Bildungsseminar um eine Veranstaltung nach den WRL handelte, ist von der Schulleiterin durch ihre Unterschrift bestätigt worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Berufung hat die Kammer zugelassen, weil sie der Angelegenheit im Hinblick auf die Vielfalt der möglichen schulischen Veranstaltungen und der bisher eher spärlichen Rechtssprechung zur Definition des Begriffes "Klassenfahrt" im Sinne des § 23 Abs. 3 SGB II grundsätzliche Bedeutung beimisst (§ 144 Abs. 2 Ziffer 1 SGG).
Erstellt am: 25.08.2010
Zuletzt verändert am: 25.08.2010