Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 06.08.2008 geändert. Dem Kläger wird für die Durchführung des Klageverfahrens Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt H aus X gewährt. Die Beschwerde der Klägerin wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
1. Die Beschwerde des Klägers ist zulässig und begründet.
Die Gewährung von Prozesskostenhilfe setzt gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) voraus, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung (oder Rechtsverteidigung) eines Beteiligten, der die Kosten der Prozessführung nicht, nur in Raten oder nur zum Teil aufbringen kann, hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Kläger ist nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen. Seine Rechtsverfolgung bietet entgegen der Rechtsauffassung des Sozialgerichts (SG) auch hinreichende Aussicht auf Erfolg. Denn der Sachverhalt bedarf weiterer Aufklärung. Ob der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 19.06.2007 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2007) rechtmäßig ist, kann derzeit (noch) nicht abschließend beurteilt werden.
a) Dieses gilt zunächst für die von der Beklagten verfügte Aufhebung gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und Nr. 3 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) sowie § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X, jeweils in Verbindung mit § 40 Abs. 1 Satz 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Denn die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes setzt voraus, dass der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X), oder der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Die Aufhebung eines Dauer-Verwaltungsaktes setzt gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X voraus, dass der Betroffene einer Mitteilungspflicht vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist.
Das SG hat keine Feststellungen zu einem entsprechenden Verschulden bzw. Wissen der Klägerin als gesetzliche Vertreterin des Klägers getroffen. Derartige Feststellungen sind aber deshalb erforderlich, weil es im Rahmen der genannten Regelungen auf die individuelle Einsichtsfähigkeit ankommt. In diesem Zusammenhang ist zudem zu beachten, dass die Klägerin in ihrem ersten Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II vom 01.12.2004 im dortigen Formular unter Ziffer VIII. ("unterhaltspflichtige Angehörige außerhalb der Haushaltsgemeinschaft") – soweit lesbar – Herrn K P angegeben und im anschließenden Abschnitt "Unterhaltsleistungen werden erbracht" das Feld "ja" angekreuzt hat. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin angegeben hat, Nachweise über Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz zu Beginn der Leistungsgewährung nach dem SGB II bei der Beklagten eingereicht zu haben und die Beklagte selbst zugestanden hat, dass ihre Verwaltungsakte Anfang des Jahres 2005 vorübergehend nicht auffindbar war, so dass eine Ersatzakte angelegt werden musste.
Neben dieser Frage des Verschuldens bzw. Wissens wird das SG ferner zu klären haben, ob dem Kläger ein eventuelles Verschulden bzw. Wissen der Klägerin als seiner Mutter und gesetzlichen Vertreterin zuzurechnen ist (vgl. Schütze in: von Wulffen, SGB X, 6. Auflage 2008, § 45 Rn. 51 und 59 m.w.N.). Als Zurechnungsnormen dürften hinsichtlich eines Wissens § 166 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und hinsichtlich eines Verschuldens § 278 BGB, jeweils in entsprechender Anwendung, in Betracht kommen.
b) Das SG wird ferner zu klären haben, ob dem Kläger, soweit die Beklagte die Leistungsbewilligung unter Anwendung des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 SGB X sowie des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und Nr. 3 SGB X aufgehoben hat, ein Anspruch auf Wohngeld nach dem Wohngeldgesetz zusteht, worauf der Prozessbevollmächtigte der Kläger im Beschwerdeverfahren zu Recht hingewiesen hat. Denn wenn ohne den Bezug von Grundsicherungsleistungen Wohngeld zu zahlen gewesen wäre, erwirbt der Grundsicherungsträger – hier die Beklagte – gemäß § 103 SGB X einen Erstattungsanspruch gegen den nach dem Wohngeldgesetz zuständigen Träger. Die daraus gemäß § 107 SGB X resultierende Erfüllungsfiktion verbietet dann in Höhe des Erstattungsanspruchs die Aufhebung der Bewilligung der Grundsicherungsleistungen (hierzu Eicher in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 40 Rn. 105a und b).
c) Im Klageverfahren wird die Beklagte auch Gelegenheit haben, ihre Verwaltungsakte zu vervollständigen. Denn in der Verwaltungsakte fehlt das Anhörungsschreiben vom 08.06.2007, auf das die Beklagte in ihrem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 19.06.2007 Bezug nimmt (dort Seite 2).
2. Die Beschwerde der Klägerin ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Die Rechtsverfolgung der Klägerin bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Denn die Klägerin ist hinsichtlich des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 19.06.2007 nicht beschwert. Die Beklagte hat mit diesem Bescheid vom 19.06.2007 nur Rechtsfolgen hinsichtlich des Klägers (als Begünstigter der Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz) setzen wollen und erkennbar gesetzt.
3. Kosten werden im Beschwerdeverfahren nicht erstattet (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
4. Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 23.03.2009
Zuletzt verändert am: 23.03.2009