Auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 26.11.2009 wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 24.11.2009 aufgehoben. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 06.07.2009 gegen den Bescheid vom 28.11.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.06.2009 wird angeordnet, soweit darin die teilweise Aufhebung der Bescheide vom 10.05.2005, 13.12.2005 und 22.06.2006 angeordnet wird. Im übrigen wird festgestellt, dass die Klage vom 06.07.2009 aufschiebende Wirkung hat. Der Antragstellerin wird für die Durchführung des erstinstanzlichen Eilverfahrens Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt N, E beigeordnet. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin in beiden Rechtszügen des Eilverfahrens.
Gründe:
I.
Streitig ist die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 06.07.2009 gegen den Bescheid vom 28.11.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.06.2009.
Die Antragsgegnerin bewilligte der Antragstellerin und ihrem im Februar 2004 geborenen Sohn mit Bescheid vom 10.05.2005 laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.09.2005 bis 31.12.2005.
Die Antragstellerin begann am 15.08.2005 eine Ausbildung zur Friseurin im D Jugenddorf E. Das D teilte auf dem Vordruck "Einkommensbescheinigung" der Antragsgegnerin mit, dass die Ausbildung nach dem Dritten und Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III und IX) geförderte werde und eine Ausbildungsvergütung nicht erfolge. Aktenkundig ist sodann eine EDV-Notiz der Antragsgegnerin über ein monatliches Einkommen der Antragstellerin in Höhe von 112,67 EUR.
Mit Schreiben vom 06.10.2005 hörte die Antragsgegnerin die Antragstellerin zu einer im Zeitraum vom 01.09. bis 31.10.2005 entstandenen Überzahlung von insgesamt 165,34 EUR an. Die Antragstellerin habe eine Überzahlung verursacht, da sie unvollständige Angaben über die "Höhe Ihres Einkommens aus Ausbildungsgeld" gemacht habe. Die Antragstellerin teilte auf die Anhörung mit Schreiben vom 12.10.2005 mit, dass sie die Forderung überweisen werde.
Mit Bescheid vom 13.12.2005 hob die Beklagte daraufhin die Bewilligung von Arbeitslosengeld II gegenüber der Antragstellerin für die Zeit vom 01.12.2005 bis 30.04.2006 in Höhe von monatlich 34,50 EUR auf. Im Betreff war die Aufhebung eines Bewilligungsbescheides vom 06.10.2005 angegeben. In der Begründung des Bescheides nahm die Antragsgegnerin Bezug auf ihre Anhörung vom 06.10.2005 und führte schließlich u.a. aus, dass weitere Forderungen durch den Bescheid nicht berührt würden.
Mit weiteren Bescheiden vom 13.12.2005 und 22.06.2006 bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin und ihrem Sohn laufende Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.01.2006 bis 31.12.2006.
Mit Schreiben vom 22.06.2006 forderte die Antragsgegnerin die Vorlage des Bewilligungsbescheides der Bundesagentur für Arbeit über die Ausbildungsmaßnahme an.
Diesen Bescheid, datierend vom 16.06.2005, legte die Antragstellerin nachfolgend vor. Der Bescheid wies eine monatlich gleichbleibende Leistung von Ausbildungsgeld in Höhe von 491 EUR sowie einen Fahrtkostenersatz von monatlich 112,67 EUR, beginnend ab 15.08.2005, aus.
Mit Bescheid vom 01.09.2006 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass die laufende Leistungsbewilligung ab 01.07.2006 bis 31.12.2006 dahingehend geändert werde, dass sie monatlich 411,03 EUR beanspruchen könne.
Mit Schreiben vom gleichen Tage hörte die Antragsgegnerin die Antragstellerin dahingehend an, dass diese in der Zeit vom 01.09.2005 bis 30.09.2006 insgesamt Arbeitslosengeld II in Höhe von 3.276,72 EUR zuviel erhalten habe, da sie Ausbildungsgeld in Höhe von 491,00 EUR bezogen habe, tatsächlich aber lediglich ein Betrag von 112,67 EUR angerech- net worden sei. Mit Schreiben vom 26.09.2006 reagierte die Antragstellerin hierauf und teilte mit, sie habe von Anfang an sämtliche Unterlagen eingereicht. Die Antragsgegnerin habe zudem noch Unterlagen von dem Ausbildungsbetrieb eingeholt. Bei ihren nachfolgenden Vorsprachen habe es immer geheißen, es sei alles in Ordnung, weil sich nichts geändert habe.
Mit dem in der Hauptsache angegriffenen Bescheid vom 28.11.2006 führte die Antragsgegnerin aus: "Hiermit hebe ich meine/n Bescheid/e über die Gewährung der Hilfen zum Lebensunterhalt" nach dem SGB II auf. Die Entscheidung werde nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aufgehoben. Die Bescheide würden "wie folgt aufgehoben/zurückgenommen": "Bescheid vom 10.05.2005 teilweise in Höhe von monatlich 257,33 EUR" für den Zeitraum "von 01.09.2005 bis 30.09.2006". Bei den nachfolgend ebenfalls benannten Bescheiden vom 13.12.2005 und 22.06.2006 wurde eine monatliche Aufhebung von 0,00 EUR ausgewiesen. Es sei eine Überzahlung in Höhe von 3.345,29 EUR entstanden, da das Ausbildungsgeld von monatlich 491,00 EUR nur in Höhe von 112,67 EUR angerechnet worden sei. Die Antragstellerin sei zwar ihren Verpflichtungen nachgekommen, hätte aber erkennen können, dass ihr die Leistung nicht in der gewährten Höhe zustand. Die Antragstellerin habe auf die Anhörung hin geäußert, sie habe alle Unterlagen eingereicht und nichts verschwiegen. Die Antragstellerin "widerspreche" damit "dem Sachverhalt nicht". Sie habe nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt habe. Sie sei daher nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X in ihrem Vertrauen auf die Leistungsbewilligung nicht schutzwürdig. Anschließend sind die Bescheiddaten 10.05.2005, 13.12.2005 und 22.06.2006 noch einmal gesondert aufgeführt. Die Antragstellerin habe den Gesamtbetrag zu erstatten. Dieser werde ab Januar 2007 mit 10 % (34,50 EUR) als Tilgungsbetrag aufgerechnet.
Der Bescheid trägt weder einen Abvermerk noch ist sonst kenntlich gemacht, wann und ggf. auf welche Weise er in den Rechtsverkehr entäußert wurde. Er ist nach seinem Adressfeld und der Anrede allein an die Antragstellerin gerichtet.
Mit dem nachfolgenden Bescheid vom 05.12.2006 bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin für Januar 2007 einen Betrag von 411,03 EUR und für die Zeit vom 01.02. bis 30.06.2007 einen Betrag von 751,03 EUR monatlich. Im Bescheidtext wies sie darauf hin, dass ab 01.01.2007 monatlich "34,50 EUR von der Überzahlung getilgt" würden. Der Mehrbedarf wegen Behinderung werde nur noch bis 31.01.2007 geleistet. Einkommen aus der Ausbildung werde nur noch bis 31.01.2007 berücksichtigt.
In der EDV der Antragsgegnerin ist in diesem Zusammenhang festgehalten, dass am 21.12.2006 eine Zahlungsaufforderung an die Antragstellerin über eine Summe von 3.345,29 EUR erging.
In der Folgezeit wurden weitere Überzahlungen wegen des Bezuges einer Halbwaisenrente der Antragstellerin festgestellt. Diese wurden mit Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 09.10.2007 gegenüber der Antragstellerin und ihrem Sohn für die Zeit von August 2005 bis Juli 2007 zurückgefordert.
Am 01.07.2008 sprach die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin vor und bat um Mitteilung, ab wann und auf welcher Rechtsgrundlage ein monatlicher Einbehalt von 104 EUR aus ihren Leistungen erfolgte. Sie habe damals keinen Bescheid erhalten. Die Antragsgegnerin teilte daraufhin mit Schreiben vom 02.07.2008 mit, dass "aufgrund der bestehenden Forderungen" aufgerechnet werde. Diese Aufrechnung basiere auf § 43 SGB II. Dies könne sie dem Bescheid vom 09.10.2007 entnehmen.
Am 23.04.2009 meldete sich die Antragstellerin erneut bei der Antragsgegnerin und hinterfragte, warum aufgrund einer Rückforderung Leistungen einbehalten würden. Die Antragsgegnerin lud die Antragstellerin sodann am 28.04.2009 zum persönlichen Gespräch. Hierüber wurde in der Verwaltungsakte vermerkt: "Rückforderungen wurden geklärt". In einem von der Antragstellerin unterzeichneten Gesprächsvermerk wurde ausgeführt: "Fragen betr. der schon vorliegenden Überzahlungen wurden geklärt."
Am 04.05.2009 meldete sich erstmalig der Bevollmächtigte der Antragstellerin und bat um Übersendung des Verwaltungsvorgangs hinsichtlich "der Forderung aus Oktober 2007 in Höhe von 5.130,39 EUR." Nach Mitteilung seiner Mandantin sei bisher kein entsprechender Bescheid ergangen.
Nach Akteneinsicht teilte der Bevollmächtigte am 27.05.2009 mit, dass der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 28.11.2006 seiner Ansicht nach rechtswidrig sei. Er gelte möglicherweise erst mit der Übersendung der Verwaltungsakten an ihn am 07.05.2009 als zugegangen. Er könne sich aber eine – näher ausgeführte – vergleichsweise Regelung vorstellen.
Die Antragsgegnerin hielt dem Bevollmächtigen vor, dieser habe mit keinem Wort vorgetragen, dass die Antragstellerin den Bescheid nicht erhalten habe. Ihm stünde die Möglichkeit eines Überprüfungsantrages offen. Stattdessen biete er sogleich einen Vergleichsschluss an, was den Verdacht bekräftige, dass die Antragstellerin den Bescheid sehr wohl erhalten habe.
Nach diesem Hinweis erhob der Bevollmächtigte am 04.06.2009 ausdrücklich Widerspruch gegen den Bescheid vom 28.11.2006.
Diesen Widerspruch verwarf die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 09.06.2009 als unzulässig. Die Widerspruchsfrist von einem Monat sei nicht eingehalten worden. Der Bescheid sei am 28.11.2006 zur Post aufgegeben worden und gelte daher nach § 37 Abs. 2 SGB X als am 01.12.2006 zugegangen. Die Frist ende daher am 02.01.2007.
Hiergegen erhob der Bevollmächtigte am 06.07.2009 Klage vor dem Sozialgericht Dortmund und befragte die Antragsgegnerin, ob sie den Forderungseinzug während des laufenden Klageverfahrens ruhend stelle. Dies verneinte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 30.09.2009. Im Klageverfahren sei eine materiell-rechtliche Überprüfung der Rückforderung nicht zu erreichen.
Am 13.10.2009 hat der Bevollmächtige vor dem Sozialgericht um die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nachgesucht und für das Verfahren Prozesskostenhilfe beantragt.
Er hat beantragt,
1. die aufschiebende Wirkung der Klage vom 06.07.2009 herzustellen,
2. hilfsweise, die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Forderungseinzug aus dem Bescheid vom 28.11.2006 bis zur Entscheidung in der Hauptsache (S 29 AS 263/09) einzustellen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie geht von einer Bestandskraft des mit der Klage angefochteten Aufhebungs- und Erstattungsbescheides aus.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 24.11.2009 den Antrag auf einstweiligen Rechtschutz und Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, dass der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 28.11.2006 dessen Bestandskraft entgegenstehe. Die gesetzliche Fiktion des § 37 Abs 2 SGB X greife zwar nicht ein, da der Bescheid keinen Abvermerk trage. Dennoch sei von einer Bekanntgabe des Bescheides gegenüber der Antragstellerin auszugehen. Dieser sei nicht in Postrücklauf gelangt. Zudem sei zeitnah eine Zahlungsaufforderung über den Betrag von 3.345,29 EUR ergangen. Wenn die Antragstellerin den Bescheid nicht erhalten habe, hätte eine Rückfrage nahegelegen. Der Bewilligungsbescheid vom 06.12.2006 enthalte zudem den Hinweis, dass ab 01.01.2007 monatlich 34,50 EUR einbehalten würden. Auch hierauf habe die Antragstellerin nicht reagiert. Mangels Erfolgsaussicht sei auch der Antrag auf Prozesskostenhilfe abzulehnen gewesen.
Der Beschluss ist dem Bevollmächtigen der Antragstellerin am 24.11.2009 zugestellt worden. Dieser hat hiergegen am 27.11.2009 Beschwerde erhoben, die sich auch gegen die Ablehnung der PKH-Bewilligung richtet. Es sei nicht ersichtlich, dass der Bescheid vom 28.11.2006 überhaupt aus dem Machtbereich der Antragsgegnerin heraus gelangt sei. Von daher könnten aus einem fehlenden Postrücklauf auch keine nachteiligen Schlüsse gezogen werden.
Die Antragstellerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Dortmund vom 24.11.2009 die aufschiebende Wirkung der Klage vom 06.07.2009 gegen den Bescheid vom 28.11.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.06.2009 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt schriftsätzlich,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie ist nach wie vor der Ansicht, dass der Bescheid vom 28.11.2006 bestandskräftig ist. Selbst wenn dieser der Antragstellerin nicht unmittelbar nach Fertigung zugegangen sei, so sei ihr der Bescheid jedenfalls bei der Vorsprache am 28.04.2009 bekannt gegeben worden. Der hiergegen am 04.06.2009 erhobene Widerspruch sei damit ebenfalls verfristet.
Die Antragsgegnerin hat auf Bitte des Senats vom 22.12.2009 die Vollstreckung der Forderung aus dem Bescheid vom 28.11.2006 bis zum Abschluss des einstweiligen Rechtschutzverfahrens mit Erklärung vom 04.01.2010 vorläufig eingestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf dem sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der die Antragstellerin betreffenden Verwaltungsakten der Antragsgegnerin verwiesen, die ebenfalls Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht den Antrag auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage sowie auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.
a) Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist zulässig.
Dies gilt zunächst hinsichtlich der im Bescheid vom 28.11.2006 enthaltenen teilweisen Aufhebung der Bescheide vom 10.05.2005, 13.12.2005 und 22.06.2006. Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht in der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.
Gemäß § 86a Abs. 1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung in anderen durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen. Gemäß § 39 Nr. 1 SGB II haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheidet, keine aufschiebende Wirkung. Die Aufhebung einer Bewilligungsentscheidung stellt eine Entscheidung über Leistungen dar.
Auch soweit die Anordnung der Erstattung der überzahlten Summe im Bescheid vom 28.11.2006 angegriffen wird, ist der Antrag zulässig.
Durch die Neufassung des § 39 Nr. 1 SGB II zum 01.01.2009 ist klargestellt, dass die Fälle der Erstattung von zu Unrecht geleisteten Beträgen nicht der Ausnahme der Nr. 1 unterliegen, d.h., dass die Anfechtungsklage insoweit aufschiebende Wirkung entfaltet. Berühmt sich die Behörde jedoch der sofortigen Vollziehbarkeit auch dieses Verfügungssatzes, ist der Antrag auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung als Feststellungsantrag zulässig (vergl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 86 b Rn. 15 m.w.N.). Dies ist vorliegend der Fall. Die Antragsgegnerin hat den Forderungseinzug nach eigener Mitteilung vom 30.09.2009 trotz Klageerhebung nicht für die Dauer des Klageverfahrens eingestellt.
Das Rechtschutzbedürfnis der Antragstellerin ist auch nicht durch die Erklärung der Antragsgegnerin vom 04.01.2010, dass bzgl. der Forderung die aufschiebende Wirkung hergestellt wurde, entfallen. Diese Erklärung bezieht sich, wie der Kontext zur Anfrage des Senats vom 22.12.2009 zeigt, ausschließlich auf die Laufzeit des Eilverfahrens.
b) Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist auch begründet.
Die Erfolgsaussicht des Herstellungsantrages beurteilt sich vorliegend nach dem Ergebnis einer Interessenabwägung zwischen dem privaten Interesse des Antragstellers an der Herstellung der aufschiebenden Wirkung und dem Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung. Hierbei sind neben einer allgemeinen Abwägung der Folgen bei Gewährung bzw. Nichtgewährung des vorläufigen Rechtsschutzes vornehmlich auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache von Bedeutung.
Der Rechtsstreit hat in der Hauptsache Aussicht auf Erfolg.
aa) Der erfolgreichen Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 28.11.2006 steht nicht dessen Bestandskraft entgegen. Denn die Antragstellerin hat den Bescheid fristgerecht mit Widerspruch angegriffen.
Nach § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG ist der Widerspruch binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekannt gegeben wurde, schriftlich oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Ist eine Belehrung über die Rechtsmittelfrist nicht erfolgt oder falsch, so ist nach § 84 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 66 Abs. 2 SGG ein Widerspruch noch innerhalb einer Frist von einem Jahr nach Bekanntgabe möglich.
Es ist nicht von einer Bekanntgabe des Bescheides vor dem 07.05.2009, also vor der Akteneinsicht durch den Prozessbevollmächtigten, auszugehen.
Die Vermutungsregelung des § 37 Abs. 2 SGB X, nach der der Bescheid als am dritten Tag nach Aufgabe zur Post bekannt gegeben zu erachten ist, kann die Antragsgegnerin nicht für sich beanspruchen. Sie knüpft an die "Aufgabe" des Bescheides zur Post an. Eine solche Aufgabe ist mangels eines Abvermerkes oder einer sonstigen entsprechenden Verfügung der Akte nicht zu entnehmen. Von daher geht das Sozialgericht zutreffend davon aus, dass der Antragsgegnerin der Nachweis der Bekanntgabe des Bescheides obliegt.
Die damit erforderliche positive Überzeugung von dem Vorliegen der Bekanntgabe vor dem 07.05.2009 konnte der Senat nicht gewinnen.
Es gibt keinen hinreichenden Hinweis darauf, dass die Antragstellerin den Bescheid vom 28.11.2006 und die nachgehende Zahlungsaufforderung zeitnah erhalten hat.
Für eine Bekanntgabe unmittelbar nach dem 28.11.2006 spricht zwar zunächst, dass die Antragstellerin den die Aufrechnung ausweisenden Bewilligungsbescheid vom 06.12.2006 hingenommen hat. Bei genauer Lektüre war dem Bescheid ein Einbehalt von 34,50 EUR monatlich zu entnehmen. Dieser Betrag war allerdings gerade derjenige, um den die Antragsgegnerin zuvor in dem Bescheid von 13.12.2005 die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01.12.2005 bis 30.04.2006 wegen des Bezugs von Ausbildungsgeld reduziert hatte. Die Antragstellerin bezog zum damaligen Zeitpunkt nach wie vor Ausbildungsgeld. Es ist also nicht auszuschließen, dass sie die Verrechnung gar nicht mit der Rückforderungssumme von 3.345,29 EUR, sondern nur mit der fortlaufenden Einkommensanrechnung in Verbindung gebracht hatte. Eine fehlende Reaktion hierauf lässt also nicht den positiven Schluss zu, sie habe den Bescheid vom 28.11.2006 und die Zahlungsaufforderung gekannt. Hierbei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin von der Rückforderung in Höhe von 3.345,29 EUR – bei etwas geringer ausgewiesenem Betrag – bereits durch die Anhörung Kenntnis hatte. Als Reaktion hierauf hat sie am 26.09.2006 vorgetragen, sie habe alle Unterlagen vorgelegt und auch nichts verschwiegen. Angesichts dieser Reaktion ist durchaus zweifelhaft, ob die Antragstellerin sodann die Begründung des Bescheides vom 28.11.2006, sie habe die Rechtswidrigkeit der Höhe des Leistungsbetrages ohne weiteres erkennen müssen, ohne Protest akzeptiert hätte.
Zweifel an der Bekanntgabe des angegriffenen Bescheides vom 28.11.2006 vor der Einsichtnahme des Bevollmächtigten in die Verwaltungsakte gehen vorliegend zu Lasten der Antragsgegnerin.
Soweit die Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren nunmehr darauf verweist, der Antragstellerin sei spätestens bei ihrer Vorsprache am 28.04.2009 der angegriffene Bescheid erläutert und damit bekannt gegeben worden, ist festzustellen, dass dies den Vermerken in der Verwaltungsakte positiv nicht zu entnehmen ist.
Erst mit der Kenntnisnahme durch den Bevollmächtigten – nach seinem anwaltlichen Vortrag am 07.05.2009 – ist damit von einer gegenüber der Antragstellerin wirkenden Bekanntgabe auszugehen. Die Einlegung des Widerspruchs am 04.06.2009 war folglich fristgerecht.
Selbst wenn der Bescheid vom 28.11.2006 im Gespräch vom 28.04.2009 thematisiert wurde, ist nicht ersichtlich, dass der Antragstellerin auch die Rechtsmittelbelehrung vollständig verlesen wurde. Nur dann würde sich die Bekanntgabe auch auf die Belehrung erstrecken mit der Folge, dass die Monatsfrist zu laufen begonnen hätte. Ansonsten wäre von der Jahresfrist des § 66 Abs. 2 SGG auszugehen, innerhalb derer der Widerspruch jedenfalls erhoben wäre.
bb) Die Klage hat auch materiell Aussicht auf Erfolg. Es bestehen in vielfältiger Hinsicht Bedenken gegenüber der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides.
Zunächst ist fraglich, ob der Bescheid inhaltlich bestimmt genug ist. Im Verfügungssatz der Aufhebungsentscheidung ist lediglich für den Bescheid vom 10.05.2005 eine Aufhebung von "monatlich 257,33 EUR" für den Zeitraum "von 01.09.2005 bis 30.09.2006" aufgeführt. Bei den nachfolgend benannten Bescheiden vom 13.12.2005 und 22.06.2006 ist eine monatliche Aufhebung von 0,00 EUR ausgewiesen. Der Bewilligungsbescheid vom 10.05.2005 umfasst aber lediglich den Zeitraum vom 01.09.2005 bis 31.12.2005.
Zudem liegt neben dem Bewilligungsbescheid vom 13.12.2005 noch ein Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 13.12.2005 vor. Dieser Bescheid betrifft ebenfalls die Aufhebung einer Leistungsbewilligung, nämlich für den Zeitraum vom 01.12.2005 bis 30.04.2006. Dort wurde die zunächst bewilligte Leistung in Höhe von monatlich 34,50 EUR aufgehoben.
Es spricht einiges dafür, dass damit die Aufhebung anlässlich der Erzielung von Einkommen in Gestalt des Ausbildungsgeldes für den Zeitraum 01.12.2005 bis 30.04.2006 der Höhe nach zwischen den Beteiligten bestandskräftig festgeschrieben ist. Denn die Aufhebungsentscheidung vom 13.12.2005 erfolgte auf der Grundlage der Anhörung vom 06.10.2005. Die Antragsgegnerin hatte dort auf die Erzielung von Einkünften in Form des Ausbildungsgeldes abgestellt. Es ist zweifelhaft, ob die Antragsgegnerin sich mit dem Bescheidzusatz, dass weitere Forderungen durch den Bescheid nicht betroffen seien, die Möglichkeit einer höheren Aufhebung außerhalb der Regeln der §§ 45 ff SGB X offen halten konnte. Der Aufhebungsbescheid vom 13.12.2005 wäre vielmehr nach Maßgabe der §§ 45 ff SGB X zu ändern gewesen, wenn die Aufhebungshöhe verändert werden sollte. Objektiv hätten folglich beide Bescheide vom 13.12.2005 mit dem Bescheid vom 28.11.2006 abgeändert werden müssen. Im Verfügungssatz des Bescheides vom 28.11.2006 ist aber nur ein Bescheid vom 13.12.2005 angesprochen. Es lässt sich nicht eindeutig entnehmen, welcher der Bescheide vom 13.12.2005 Gegenstand der Entscheidung sein sollte.
Weiterhin ist die Aufhebungsentscheidung des Bescheides vom 28.11.2006 auf § 48 SGB X gestützt. Tatsächlich aber liegt die Wirkung der Aufhebung nur hinsichtlich des ersten Bescheides (10.05.2005) in der Zukunft. Für die nachfolgenden Bewilligungsabschnitte wäre § 45 SGB X anzuwenden gewesen. Hier bestehen erhebliche Zweifel daran, ob die Antragstellerin in grob fahrlässiger Weise die Rechtswidrigkeit der Höhe der erhaltenen Leistungen verkannt hat. Immerhin handelte es sich hier nicht um Erwerbseinkommen, sondern um eine Transferleistung der Bundesagentur, deren Behandlung (Zweckbindung, Anwendbarkeit von Freibeträgen etc.) sich nicht ohne weiteres erschließt. Insbesondere fällt ins Gewicht, dass die Antragsgegnerin mit dem Aufhebungsbescheid vom 13.12.2005 der Antragstellerin objektiv zu erkennen gegeben hatte, dass der Bezug des Ausbildungsgeldes zu einer moderaten monatlichen Anrechnung von 34,50 EUR führt. Es ist fraglich, ob es sich der Antragstellerin aufdrängen musste, den in den nachfolgenden Bewilligungsbescheiden angesetzten Einkommensbetrag von 112,67 EUR zu hinterfragen.
Inwieweit für den Zeitraum vom 01.07.2006 bis 31.12.2006 der offenbar nicht angefochtene Bescheid vom 01.09.2006 dazu führt, dass die Antragstellerin für diese Zeit nicht mehr als monatlich 411,03 EUR beanspruchen kann und insoweit ein Rechtsgrund für die Erstattung des überschießenden tatsächlich geleisteten Betrages besteht, kann an dieser Stelle offen bleiben. Hinsichtlich der Erstattung hat, wie bereits ausgeführt, die Klage ohnehin aufschiebende Wirkung.
Schließlich lässt der Bescheid eine Individualisierung der Adressaten nicht erkennen. Die Antragsgegnerin kann nur Leistungen gegenüber der Antragstellerin zurückfordern, die sie auch ihr gegenüber erbracht hat. Eine Differenzierung der Rückforderung nach Ansprüchen gegen die Antragstellerin und gegen ihren Sohn hat die Antragsgegnerin erst in dem Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 09.10.2007 vorgenommen.
Angesichts der erheblichen Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides tritt das Vollziehungsinteresse der Antragsgegnerin hinter das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung zurück.
c) Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts ist auch insoweit begründet, als das Sozialgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Ausgangsverfahrens abgelehnt hat. Denn die Rechtsverfolgung der Antragstellerin bot aus den vorgenannten Gründen hinreichende Aussicht auf Erfolg nach § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO).
Soweit die Antragstellerin mit der Beschwerde die Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung angegriffen hat, folgt die Kostenentscheidung aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Soweit sich ihre Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrages auf Prozesskostenhilfe richtet, werden Kosten im Beschwerdeverfahren nicht erstattet, § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 17.03.2010
Zuletzt verändert am: 17.03.2010