Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 04.11.2011 geändert. Der Klägerin wird ratenfreie Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren ab dem 13.07.2011 bewilligt und Rechtsanwalt I, E, beigeordnet.
Gründe:
I.
Die Klägerin wendet sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für ihre auf Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) gerichtete Klage.
Die am 00.00.1962 geborene Klägerin bezog zunächst Leistungen nach dem SGB II.
Mit Bescheid vom 21.07.2010 nahm die Rechtsvorgängerin des Beklagten (im Folgenden einheitlich: Beklagter) den Bewilligungsbescheid vom 23.02.2010 in der Fassung des Bescheides vom 02.06.2010 "für die Zeit ab dem 01.07.2010, hilfsweise ab 01.08.2010" vollständig zurück. Hiergegen legte die Klägerin am 03.08.2010 Widerspruch ein, welcher mit Widerspruchsbescheid vom 13.08.2010 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Hiergegen wandte sich die Klägerin in dem Verfahren L 29 AS 3374/10 vor dem Sozialgericht Düsseldorf.
Am 13.09.2010 stellte die Klägerin einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II, den der Beklagte wegen Zweifeln an der Hilfebedürftigkeit mit Bescheid vom 14.09.2010 abwies. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 07.10.2010 als unbegründet zurückgewiesen.
Die anwaltlich vertretene Klägerin hat am 03.11.2010 Klage vor dem Sozialgericht gegen den Bescheid vom 14.09.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.10.2010 erhoben und beantragt, ihr ab dem 01.09.2010 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 838,08 EUR zu bewilligen. Als ihre Anschrift hat sie die D-straße 00in E benannt.
Daneben hat sie beantragt,
ihr Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt I zu bewilligen.
Am 08.02.2011 hat das Sozialgericht Düsseldorf einen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage durchgeführt. In diesem Termin hat die Klägerin u.a. ihr Einverständnis zur Einziehung von Informationen über auf sie lautende Konten erklärt. Sie hat darüber hinaus angegeben, derzeit obdachlos zu sein und wechselseitig bei verschiedenen Bekannten zu übernachten. Diese Personen wolle sie aber nicht benennen. Postalisch sei sie über ein Postfach zu erreichen.
Mit Schreiben vom 06.09.2011 hat das Sozialgericht Düsseldorf die Klägerin zur Angabe einer ladungsfähigen Anschrift und des derzeitigen konkreten Aufenthaltsorts aufgefordert und eine Frist bis zum 07.10.2011 gesetzt. Im Anschluss sei beabsichtigt, die Klage gemäß Gerichtsbescheid als unzulässig abzuweisen. Das Schreiben ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt worden, der dem Gericht mitteilte, die Rechtsauffassung werde nicht geteilt. Die Klägerin habe zum Zeitpunkt der Klageerhebung den zutreffenden Wohnsitz angegeben. Es hätten mehrere mündliche Verhandlungen stattgefunden, an denen die Klägerin teilgenommen habe. Schließlich sei sie durch ihren Prozessbevollmächtigten vertreten. Damit unterscheide sich die der vom Gericht zitierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zugrundeliegende Konstellation erheblich von der vorliegenden.
Mit Beschluss vom 04.11.2011 hat das Sozialgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Es führt im Wesentlichen aus, die Klage sei zwischenzeitlich unzulässig geworden. Dadurch, dass dem Gericht eine ladungsfähige Anschrift nicht vorliege sei das Rechtsschutzbedürfnis entfallen. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) halte die Inanspruchnahme eines Gerichts bei gleichzeitiger Geheimhaltung des Aufenthaltsorts und der Anschrift durch einen Kläger für rechtsmissbräuchlich. Ein solches Verhalten verstoße gegen Treu und Glauben. Auf den Inhalt des sozialgerichtlichen Beschlusses wird Bezug genommen.
Mit Urteil vom 07.11.2011 hat das Sozialgericht die Klage als unzulässig und überdies unbegründet abgewiesen.
Gegen den ablehnenden Prozesskostenhilfebeschluss hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 09.11.2011 Beschwerde beim Sozialgericht eingelegt. Zur Begründung führt er aus, die Klägerin teile die Rechtsauffassung des Gerichts nicht, dass allgemein ein Rechtsschutzbedürfnis nicht bestehe, weil sie keine dauerhafte Wohnadresse angeben könne. Zustellungen könnten an die Arbeitsadresse der Klägerin erfolgen. Auch das Gericht habe gegen Postzustellungsurkunde dort bereits zugestellt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Rechtsstreits wird auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten sowie die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Nach § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. §§ 114, 115 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Die vom Kläger beabsichtigte Rechtsverfolgung bot – nach der hier gebotenen summarischen Prüfung – zumindest teilweise Aussicht auf Erfolg.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Erfolgsaussicht ist in der Regel der Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs (vgl. hierzu Beschluss des Senats vom 20.09.2011 – L 19 AS 1509/11 B ER, L 19 AS 1510/11 B = juris Rn. 19; Bayerisches LSG Beschluss vom 19.03.2009 – L 7 AS 64/09 B PKH = juris Rn. 14). Dieser ist dann gegeben, wenn der Antragsteller einen bewilligungsreifen Antrag vorgelegt hat (vgl. hierzu BVerfG Beschluss v 14.04.2010 – 1 BvR 362/10 = juris) und der Gegner nach § 73a SGG i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO Gelegenheit zur Stellung gehabt hat. Die Klägerin hat im vorliegenden Verfahren erstmals am 08.02.2011 eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Sinne des 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 117 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und 4 ZPO i.V.m. der Verordnung zur Einführung eines Vordrucks für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozesskostenhilfe (Prozesskostenhilfevordruckverordnung – PKHVV) vom 17.10.1994 (BGBl. I S. 3001) in der Fassung des Art. 36 des Gesetzes vom 27.12.2003 (BGBl. I S. 3022) vorgelegt. Die Klägerin versicherte hierin, ohne Wohnsitz zu sein, keine Einnahmen und kein Vermögen zu haben. Die Existenz von Konten bejaht sie. Um welche es sich handelte und ob diese Guthaben oder Schulden ausweisen, gab die Klägerin nicht an. Am 13.07.2011 hat die Klägerin im Verfahren S 29 AS 3374/10 dem Sozialgericht Kontoauszüge vorgelegt, aus denen sich ergibt, dass jeweils nur ein geringes Guthaben auf einem Girokonto vorhanden war. Am 13.07.2011 haben die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe vorgelegen.
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts scheitert die Bewilligung nicht daran, dass die Klage mit dem Auszug der Klägerin aus ihrer Wohnung in der D-straße unzulässig geworden wäre.
Das Sozialgericht nimmt zutreffend auf § 92 Abs. 1 Satz 1 SGG Bezug, wonach die Klage den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen muss. Dies erfasst, wie das Sozialgericht unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung zu Recht darlegt, auch die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift der Klägerin. Enthält die Klageschrift keine zustellungsgeeignete und damit auch keine ladungsfähige Anschrift, ist die Klage nach herrschender Meinung jedenfalls dann unzulässig, wenn die Angabe ohne Weiteres möglich ist und kein schützenswertes Interesse hinsichtlich der Geheimhaltung einer Adresse entgegensteht (vgl. dazu Urteil des Senats v. 13.02.2012 – L 19 AS 1861/11 unter Bezugnahme auf BGH Urteil v. 17.03.2004 – VIII ZR 107/02 = juris Rn. 9; BFH Beschluss v. 18.08.2011 – V B 44/10 = juris Rn. 7; BSG Beschluss v. 18.11.2003 – B 1 KR 1/02 S = juris Rn. 4 ff.; Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 92 Rn. 4; Eschner, in: Jansen, SGG. 3. Aufl. § 92 Rn. 8, jeweils m.w.N.). Auf das Erfordernis von Ausnahmen hat auch das Bundesverfassungsgericht vor dem Hintergrund des Gebots effektiven Rechtsschutzes nach Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), hingewiesen (BVerfG Beschluss v. 11.11.1999 – 1 BvR 1203/99 = juris; Beschluss v. 02.02.1996 – 1 BvR 2211/94 = NJW 1996, 1272 = juris; vgl. auch Urteil des Senats v. 13.02.2012 – L 19 AS 1861/11).
Vorliegend war die Klägerin obdachlos und nächtigte bei Bekannten in wechselnden Unterkünften. Die Angabe einer ladungsfähigen Wohnanschrift der Klägerin war damit nicht sinnvoll möglich. Die Klägerin hat jedoch ihren Prozessbevollmächtigten mit der Prozessführung beauftragt. Dieser war insoweit zustellungsbevollmächtigt. Den Anforderungen des § 92 SGG ist damit vorliegend Genüge getan (vgl. hierzu auch BSG Beschluss v. 18.11.2003 – B 1 KR 1/02 S = juris Rn. 10; vgl. zur Frage der ladungsfähigen Anschrift bei Obdachlosen auch Bayerischer VGH Beschluss v. 01.06.1992 – 12 CE 92.1201 = BayVBl 1992, 594 = juris). Die Klägerin konnte über diese Adresse auch erreicht werden, wie schon die Tatsache zeigt, dass sie auf entsprechende Ladungen hin erschienen ist. Zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife war die Klage demnach nicht unzulässig und hatte nach summarischer Prüfung hinreichende Aussicht auf Erfolg, da hinsichtlich der Hilfebedürftigkeit der Klägerin weiter zu ermitteln war, was im Rahmen der durchgeführten mündlichen Verhandlung auch geschehen ist.
Da die Klägerin nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung auch nur anteilig aufzubringen, ist die Prozesskostenhilfe ratenfrei zu bewilligen, § 73a SGG i.V.m. § 115 ZPO.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§ 73a SGG i.V.m. §127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 29.03.2012
Zuletzt verändert am: 29.03.2012