Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 17.02.2012 wird zurückgewiesen. Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist unbegründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches, d. h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 -1 BvR 569/05, BVerfGK 5,237 = NVwZ 2005, Seite 927).
Das Sozialgericht (SG) hat zu Recht den Antragsgegner verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig für den Zeitraum von Februar 2012 bis Mai 2012 die ihm tatsächlich entstandenen Fahrkosten vom L nach N zur Wahrnehmung seines 14-tägigen Umgangsrechtes mit der Tochter C auf Nachweis monatlich zu erstatten. Es handelt sich um Kosten für die Wahrnehmung des Umgangsrechtes. Anspruchsgrundlage ist § 21 Abs. 6 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Danach wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. Damit setzt der Gesetzgeber das Urteil des Bundesverfassungsgerichts um und normiert die geforderte Härtefallregelung (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 -1 BvL 1, 3, 4/09 S. 72 ff.). Dabei führt der Gesetzgeber als möglichen Anwendungsfall für die Härtefallklausel u.a. die Kosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts bei getrennt lebenden Eltern auf (BT-Dr. 17/1464, S. 8f.). Der Antragsteller hat sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht. Zur Begründung verweist der Senat insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des SG im angegriffenen Beschluss, die er sich nach Prüfung zu eigen macht (§ 142 Abs. 2 S. 3 SGG).
Ergänzend betont der Senat, dass entgegen der Auffassung des Antragsgegners keinesfalls "die ausufernde Auslegung des SG auf ein angemessenes Maß reduziert werden muss" und der Mehrbedarf, d.h. die Fahrtkosten nicht für ein 14-tägiges, sondern für ein monatliches Umgangsrecht vorläufig zu gewähren sind. Die Übernahme der Fahrtkosten ist auch in dem vom SG tenorierten Umfang, d.h. für Fahrten alle zwei Wochen zutreffend einstweilen festgesetzt worden. Die Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zur Erstattung der Kosten für die Wahrnehmung des Umgangsrechts und die Festlegung des Mehrbedarfs seitens des Antragsgegners "in diesem außergewöhnlichen Fall auf den monatlichen Betrag von 106,80 EUR" und der Hinweis, dass damit der verfassungsrechtlich gebotene Schutz des Umgangsrechts gewährleistet und das Lohnabstandsgebot gewahrt werde, rechtfertigen keine vom SG abweichende Beurteilung der Sach- und Rechtslage. Denn zum einen sind die internen Weisungen für den Senat nicht bindend. Zum anderen erscheint vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BSG zum Umgangsrecht (BSG, Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 14/06 R) fraglich, ob eine Halbierung der Anzahl der Besuch aus fiskalischen Gesichtspunkten erfolgen kann. Die Kosten des Umgangsrechts, hier die Fahrtkosten, müssen sich in einem Bereich bewegen, der den Einsatz öffentlicher Mittel noch rechtfertigt (BSG, a.a.O. Rn. 25). Was den Umfang der Kosten für die Fahrten anbetrifft, bedarf es der Beachtung, dass der Antragsteller einerseits aus dem vom Amtsgericht L am 27.11.2007 geschlossenen Vergleich 14-tägig berechtigt und verpflichtet ist, die Tochter zu sich zu nehmen, andererseits jedoch Scheidungsfolgekosten nicht zwangsläufig einen Anspruch auf vollständige Übernahme der Fahrtkosten begründet. Als Vergleichsmaßstab können die Kosten angesehen werden, die ein erwerbstätiger Umgangsverpflichteter ohne Bezug von Sozialleistungen einsetzen würde (LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 24.11.2010 – L 1 SO 133/10 B ER Rn. 11). Zudem sind die Umstände des Einzelfalls zu würdigen. Unter Beachtung dieser Kriterien und im Lichte des Art. 6 Grundgesetz (GG) ist die Argumentation des SG, eine Halbierung des Umgangsrecht sei unzumutbar, zutreffend. Unter Berücksichtigung des Alters der Tochter (12 Jahre) besteht die Gefahr der Entfremdung. Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel bei mehrmaligem Umsteigen, ohne dass ein Zugbegleiter zur Verfügung steht, hat die Mutter zudem untersagt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 11.04.2012
Zuletzt verändert am: 11.04.2012