Die Beklagte wird unter Abänderung der Bescheide vom 28.06.2005, 28.07.2005 und 28.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.10.2005 verurteilt, ab Juli 2005 Heizkosten in Höhe der an das Energieversorgungsunternehmen tatsächlich zu entrichtenden Abschläge, umgerechnet auf eine angemessene Wohnfläche von 60 qm, zu berücksichtigen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Der Beklagte trägt die Hälfte der erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe der im Rahmen der Leistungsgewährung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu berücksichtigenden Heizkosten.
Die 1959 geborene, ledige Klägerin ist Mutter einer am 20.03.1993 geborenen Tochter, für die Kindergeld (154,00 EUR) und Unterhalt (zunächst 241,00 EUR) monatlich gezahlt wird. Die Klägerin ist Eigentümerin eines 1954 erbauten, 1989 renovierten Hauses mit einer Wohnfläche von 117 qm (erbaut auf einem Grundstück mit einer Größe von 678 qm), das sie mit ihrer Tochter bewohnt.
Zum 01.01.2005 beantragte die Klägerin die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II, die ihr zunächst die im Jahr 2004 noch zuständige Agentur für Arbeit Meschede für die Zeit bis zum 31.03.2005 unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 230,02 EUR monatlich bewilligte. Mit dem im März 2005 bei der Stadt Meschede gestellten Folgeantrag wies die Klägerin Kosten der Unterkunft in Höhe von 111,81 EUR monatlich nach (Schornsteinfegergebühren 87,26 EUR jährlich, Grundbesitzabgaben 999,27 EUR pro Jahr und Gebäudeversicherung 255,25 EUR im Jahr). Als Heizkosten waren für die Gasheizung Abschläge in Höhe von 144,00 EUR monatlich zu erbringen. Weitere, wiederkehrende Kosten entstanden der Klägerin in Form der Beiträge zur Haftpflichtversicherung für ihren Pkw und von Beiträgen für diverse sonstige Versicherungen. Mit Bescheid vom 28.03.2005 bewilligte die Stadt Meschede für die Monate April bis September 2005 Leistungen zur Grundsicherung in Höhe von 365,84 EUR monatlich, wobei Heizkosten lediglich in Höhe einer Pauschale von 56,04 monatlich berücksichtigt wurden. Mit weiterem Bescheid vom 28.06.2005 wurden die Leistungen ab Juli 2005 wegen einer Erhöhung der Unterhaltszahlungen für die Tochter der Klägerin auf 315,92 EUR herabgesetzt.
Hiergegen legte die Klägerin am 28.07.2005 mit der Bitte, die vollen Heizkosten zu berücksichtigen, Widerspruch ein und beantragte darüber hinaus, eine Pauschale für die anfallenden Versicherungsbeiträge sowie die Beiträge zur Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung vom Einkommen (Kindergeld und Unterhalt) in Abzug zu bringen. Die monatlichen Abschlagszahlungen für die Belieferung mit Gas betrugen ab Juli 2005 162,00 EUR.
Mit Bescheid vom 28.07.2005 setzte die Stadt Meschede die Leistungen ab August 2005 unter Berücksichtigung einer Heizpauschale von 66,24 auf 326,04 EUR fest und berücksichtigte darüber hinaus rückwirkend die Beiträge zur Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung und eine Versicherungspauschale von 30,00 EUR monatlich bei dem der Klägerin zugerechneten überschüssigen Einkommen des Kindes. Ein entsprechender Bescheid, mit dem ab Juli 2005 um 42,02 EUR höhere monatliche Leistungen bewilligt wurden, erging am 28.08.2005. Im Übrigen wies der Beklagte den Widerspruch mit Bescheid vom 20.10.2005 als unbegründet zurück. Er vertrat die Ansicht, Heizkosten könnten lediglich in Höhe der von ihm ermittelten Pauschale für einen für zwei Personen angemessenen Wohnraum von 60 qm berücksichtigt werden.
Hiergegen richtet sich die am 18.11.2005 bei Gericht eingegangene Klage, mit der die Klägerin die uneingeschränkte Berücksichtigung ihrer Heizkosten begehrt. Zur Begründung trägt sie vor, ihre Heizkosten seien überdurchschnittlich, weil das 1955 errichtete, frei stehende Haus keine besondere Wärmeisolierung habe und der Dachraum nicht gedämmt sei. Allerdings seien die Heizanlage und die Fenster 1989 erneuert worden.
Die Klägerin beantragt,
die Bescheide vom 28.06.2005 und 28.07.2005 sowie evtl. für den Bewilligungszeitraum April 2005 bis September 2005 zusätzlich ergangene Bewilligungsbescheide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.10.2005 abzuändern und Heizkosten in Höhe der tatsächlich anfallenden Abschläge an die S zu berücksichtigen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die angefochtenen Entscheidungen für rechtmäßig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie den der die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten der Stadt Meschede und des Beklagten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Entscheidung der Stadt Meschede und des Beklagten im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, denn die Berücksichtigung von Heizkosten lediglich in Höhe der vom Beklagten festgesetzten Heizpauschale ist rechtswidrig.
Leistungen für Heizung werden nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Dazu zählen die regelmäßigen Vorauszahlungen an Vermieter sowie Energie- bzw. Fernwärmeversorgungsunternehmen (einschließlich Grund- und Zählergebühren), außerdem evtl. am Ende der Heizperiode fällige Nachzahlungen (Berlit in: LPK-SGB II, 1. 2. Auflage 2007, § 22 Rdnr. 65; Lang in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 22 Rdnr. 32 ff). Die Höhe der laufenden Kosten für die Heizung ergibt sich entweder aus dem Mietvertrag oder aus den Vorauszahlungsfestsetzungen der Energieversorgungsunternehmen, für die eine Vermutung der Angemessenheit spricht, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte für ein unwirtschaftliches und damit unangemessenes Heizverhalten vorliegen (LSG Hessen, Beschluss vom 21.03.2006 – Az.: L 9 AS 124/05 ER m.w.N.; Berlit, a.a.O. Rdnr. 66). Die Vermutung, dass die Höhe der vorab festgesetzten Heizkosten angemessen ist, lässt sich nach Ansicht der Kammer damit begründen, dass die auf den Bezug der Grundsicherung nach dem SGB II angemessenen Personen häufig bereits vorher Lohnersatzleistungen bezogen haben, also ihren Lebensstandard im Hinblick auf die Verringerung der Einnahmen im Vergleich zum vorherigen Erwerbseinkommen einschränken mussten, was im Normalfall auch dazu führen dürfte, dass versucht wird, beim Heizverhalten zu sparen. Auf der anderen Seite kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass Personen, die keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, zwangsläufig einen größeren Teil des Tages in ihrer Wohnung zubringen, also einen größeren Heizbedarf haben als z.B. Familien, deren Mitglieder sich wegen der Ausübung einer Erwerbstätigkeit und des Besuchs von Schulen oder Kindergärten über einen nicht zu vernachlässigenden Zeitraum pro Tag außer Haus aufhalten und die Heizung entsprechend herunterfahren können. Pauschalierungen, wie der Beklagte sie bei den Heizkosten vorgenommen hat, sind zwar grundsätzlich zulässig, wenn es um die Regelung von Massenerscheinungen geht (BverfGE 27, 142/150). Die Gesichtspunkte, die der Beklagte in seinem Widerspruchsbescheid zur Untermauerung der von ihm getroffenen Pauschalregelung anführt, lassen sich allerdings genauso gut als Begründung dafür anführen, dass im Einzelfall die tatsächlich vom Vermieter oder dem Energieversorgungsunternehmen angesetzten monatlichen Heizkosten angemessen sind. Insbesondere kann den konkret festgesetzten Kosten in der Regel eine relativ zeitnahe Reaktion auf gestiegene Energiekosten und witterungsbedingt überdurchschnittlich lange Heizperioden entnommen werden, während der Beklagte im Rahmen der Pauschlierung lediglich gestiegene Energiekosten berücksichtigt, aber – soweit der Kammer, die seit 2005 für den Beklagten betreffende Streitigkeiten im Bereich des SGB II örtlich zuständig ist bekannt ist -, keinen aufgrund ungewöhnlicher Witterungsverhältnisse erhöhten Heizungsbedarf.
Bei der wie vorstehend ausgeführt in der Regel vorzunehmenden Berücksichtigung der tatsächlichen Heizkosten, bleibt es dem Leistungsträger natürlich überlassen, sich evtl. Ansprüche auf Erstattung zuviel erbrachter Vorauszahlungen abtreten zu lassen. Auch die Überprüfung des Einzelfalles hinsichtlich eines evtl. unwirtschaftlichen Heizverhaltens bleibt ihm unbenommen, z.B., wenn sich eine deutliche Abweichung von den von ihm ermittelten und für angemessen gehaltenen Pauschalverbräuche ergibt. Ob tatsächlich unwirtschaftliches Heizverhalten oder die besonderen Wohnbedingungen Anlass für den hohen Verbrauch sind, wird der Beklagte bzw. sein Delegationsnehmer dann im Einzelfall anhand der konkret zu ermittelnden Wohnumstände festzustellen haben.
Im vorliegenden Fall sind für ein unwirtschaftliches Heizverhalten der Klägerin nach Ansicht des Gerichts keine Anhaltspunkte ersichtlich. Im Verbrauchszeitraum vom 27.08.2004 bis 29.06.2005 ist für Gaslieferungen tatsächlich (Abrechnung vom 20.07.2005) ein Betrag von 1.703,32 EUR angefallen, also durchschnittlich 170,33 EUR monatlich. Umgerechnet auf die von dem Beklagten berücksichtigten 60 qm (angemessene) Wohnfläche sind dies 87,35 EUR monatlich (170,33: 117 x 60). Dieser Betrag liegt zwar deutlich über der vom Beklagten für angemessen gehaltenen Pauschale von 66,24 EUR. Dabei darf jedoch nicht unberücksichtigt bleiben, dass bei der sonst üblichen Jahresabrechnung 2 Monate (Juli und August 2005) nicht erfasst sind, in denen im Normalfall keine Heizenergie verbraucht wird. Auf 12 Monate umgerechnet (und wiederum bezogen auf 60 qm Wohnfläche) liegt der Verbrauch bei knapp 73,00 EUR monatlich, sodass die "tatsächlichen" Heizkosten nicht einmal 10 % über der vom Beklagten angesetzten Pauschale liegen. Derart geringe Abweichungen sind nach Ansicht des Gerichts zu akzeptieren, sodass die tatsächlichen Heizkosten zu berücksichtigen sind.
Abgesehen von der für rechtswidrig erachteten Pauschalierung der Heizkosten ist die vorgenommene Kürzung in Form der Begrenzung der Kostenübernahme auf eine angemessene Wohnfläche dagegen nicht zu beanstanden. Solange das zuständige Ministerium von der in § 27 Nr. 1 SGB II enthaltenen Ermächtigung, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, welche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung angemessen sind, keinen Gebrauch gemacht hat, ist die Angemessenheit dieser Aufwendungen nach den in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Kriterien zu bestimmen. Maßgebliches Kriterium für die Angemessenheit der Unterkunftskosten ist zunächst die sog. abstrakte Angemessenheit (ausführlich Grube in Grube/Wahrendorff, SGB XII, 2005, § 29 Rdnr. 21 ff.), für die es auf die Wohnfläche ankommt. Für die Angemessenheit einer Unterkunft ist zunächst deren maßgebliche Größe zu bestimmen und zwar typisierend (mit der Möglichkeit von Ausnahmen) anhand der landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen über die Förderung des sozialen Mietwohnungsbaus (Urteile des BSG vom 07.11.2006; Az.: B 7b AS 10/06 R und B 7b AS 18/06 R). Zu § 27 Abs. 4 Wohnraumförderungsgesetz bestimmt Ziff. 5.71 der Verwaltungsvorschriften zum Wohnungsbindungsgesetz NRW (Ministerialblatt NRW vom 10.05.2002 Nr. 22), dass für einen Haushalt mit zwei haushaltsangehörigen Personen zwei Wohnräume oder 60 qm Wohnfläche maßgeblich sind. Gründe, im Falle der Klägerin von dieser Begrenzung abzuweichen, sind aus den Akten nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen worden.
Der Umstand, dass es sich bei dem Haus der Klägerin um geschütztes Vermögen im Sinne von § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II handelt, führt nicht zwingend zu einem Anspruch auf Berücksichtigung der Heizkosten für die volle Wohnfläche des geschützten Wohneigentums. Erst der Verwertungsschutz aus § 12 SGB II ermöglicht es überhaupt, dem Grunde nach die Kosten für das Haus im Rahmen des § 22 Abs. 1 SGB II zu berücksichtigen. Andernfalls hätte die Klägerin das Haus zu verwerten, weil ihr Vermögen oberhalb der Freigrenze läge, mit der Folge, Leistungen nach dem SGB II mangels Hilfebedürftigkeit gar nicht zu erhalten. Da ein Haus zudem wie eine Wohnung anmietbar ist, ist es ebenfalls nicht gerechtfertigt, auf die nicht angemessene Fläche des bewohnten Hauses im Rahmen der Kosten der Unterkunft nach § 22 SGB II als Vergleichsmaßstab abzustellen, sofern angemessener anderer Wohnraum (in einem Mietverhältnis) zur Verfügung steht und damit die Verweisung auf eine andere angemessene Wohnung rechtmäßig ist. Ein anderes Ergebnis würde eine Privilegierung von Eigentümern einer selbst bewohnten Immobilie gegenüber Mietern eines im fremden Eigentum stehenden Hauses oder einer Mietwohnung darstellen, für die kein zu rechtfertigender Grund ersichtlich ist (Beschluss des LSG NRW vom 28.02.2006; Az.: L 9b 99/05 AS ER). § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II verbietet nur, den Hilfesuchenden auf eine Verwertung seiner Immobilie zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes zu verweisen, gewährt ihm aber keinen Anspruch auf Leistungen zur Erhaltung des Vermögensgegenstandes (Beschluss des Hessischen LSG vom 31.10.2006; Az.: L 9 AS 189/06 ER). Der Kammer ist bewusst, dass in der Rechtsprechung durchaus auch die Auffassung vertreten wird, bei geschütztem Immobilienvermögen richte sich die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft nach der tatsächlichen Wohnfläche (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 12.10.2006; Az.: L 2 B 13/06 AS ER m.w.N.). Die Kammer hält jedoch eine derartige Besserstellung von Eigenheimbesitzern – über den Schutz des Immobilienvermögens hinaus – nicht für gerechtfertigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Erstellt am: 27.04.2007
Zuletzt verändert am: 27.04.2007