Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 21.03.2008 abgeändert. Es wird festgestellt, dass die am 04.01.2008 erhobene Klage des Antragstellers gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Antragsgegnerin vom 23.10.2007 in vollem Umfang aufschiebende Wirkung hat. Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt L aus E gewährt. Die Antragsgegnerin trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers für beide Rechtszüge.
Gründe:
Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und begründet.
1. Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und insbesondere statthaft.
Der Statthaftigkeit seiner Beschwerde steht die Regelung des § 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht entgegen.
a) Diese Regelung ist durch das "Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes" vom 26.03.2008 (BGBl. I 2008, S. 444 – im folgenden: Änderungsgesetz) in das SGG eingefügt worden. Dieses Änderungsgesetz trat nach seinem Artikel 4 am 01.04.2008 in Kraft. Gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ist die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts (oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts), wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Durch das Änderungsgesetz ist der bisherige Wert des Beschwerdegegenstandes von 500,00 EUR auf den jetzigen Wert von 750,00 EUR angehoben worden.
Mit dem streitigen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Antragsgegnerin vom 23.10.2007 forderte die Antragsgegnerin von dem Antragsteller den Betrag von 518,00 EUR zurück. Bei Anwendung des ab dem 01.04.2008 geltenden Prozessrechts wäre die am 25.04.2008 erhobene Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des SG vom 21.03.2008 (zugestellt am 27.03.2008) damit gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG nicht statthaft.
b) Die zum 01.04.2008 eingefügte Regelung des § 172 Abs. 3 SGG erfasst nach der Rechtsauffassung des erkennenden Senats jedoch nicht die Beschwerden, bei denen die Rechtsänderung in den Lauf der Rechtsmittelfrist fällt. Nach Überzeugung des Senats ist in derartigen Konstellationen, um die es auch hier geht, noch das alte, d.h. bis zum 31.03.2008 geltende Recht zugrunde zu legen, auch wenn die Rechtsmittelfrist noch in den April 2008 hineinragt und die Beschwerde erst im April 2008 erhoben wird (ebenso Leitherer, NJW 2008, S. 1258, 1261; Hauck in: jurisPR-SozR 17/2008 Anm. 4; a.A. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW), Beschluss vom 14.04.2008, L 9 B 72/08 AS, abrufbar unter www.sozialgerichtsbarkeit.de). Dies ergibt sich aus Folgendem:
Für prozessuale Rechtsänderungen ist der intertemporale Rechtssatz zu beachten, dass noch nicht abgeschlossene Verfahren nach neuem Verfahrensrecht weiterzuführen sind, wenn Übergangsvorschriften fehlen und die Beteiligten nach bisherigem Verfahrensrecht noch keine schutzwürdige Position erlangt haben, die es nach dem neuen Verfahrensrecht nicht mehr gibt (Bundessozialgericht (BSG), Beschluss des Großen Senats vom 19.02.1992, GS 1/89, BSGE 70, 133 (133 f.)).
aa) Eine Übergangsvorschrift hat die Gesetzgebung nicht erlassen. Auch aus den Gesetzgebungsmotiven (hierzu BT-Drucks. 16/7716, insbesondere S. 75 und 106 f.) ergibt sich nicht, dass die Gesetzgebung die vorliegende und besondere Fallkonstellation überhaupt bedacht hätte.
bb) Zwar erfassen Änderungen des Prozessrechts grundsätzlich alle zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens anhängigen Verfahren, weil der Bürger grundsätzlich nicht darauf vertrauen darf, dass das Recht unverändert bleibt (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss des Ersten Senats vom 12.07.1983, 1 BvR 1470/82, BVerfGE 65, 76 (98)). Der Antragsteller hat vor Inkrafttreten des Änderungsgesetzes jedoch eine schutzwürdige Position erlangt, die eine Abweichung von diesem Grundsatz gebietet.
Zum einen ist nicht erkennbar, dass die Gesetzgebung mit dem neuen Recht auch die hier relevante besondere Fallkonstellation erfassen wollte, in denen die Rechtsänderung in den Lauf der Rechtsmittelfrist fällt. Diese Fallkonstellation ist vielmehr wie ausgeführt überhaupt nicht bedacht worden. Auch gebietet es der Zweck des Änderungsgesetzes nicht, diese besondere Fallkonstellation dem Regime des neuen Rechts zu unterstellen (a.A. LSG NRW a.a.O.). Denn das mit der Rechtsänderung erstrebte Ziel, "die Sozialgerichtsbarkeit nachhaltig zu entlasten und zugleich eine Straffung der sozialgerichtlichen Verfahren herbeizuführen" (BT-Drucks. 16/7716 S. 1), hängt nicht davon ab, dass auch und gerade die zahlenmäßig begrenzten "Interimsfälle" einbezogen werden.
Zum anderen gebietet nach Überzeugung des Senats der im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) verankerte Schutz des Vertrauens eines Rechtsmittelführers in die prozessrechtlich gewährleistete Rechtsmittelsicherheit und Rechtsmittelklarheit das hier gewonnene Ergebnis. Zwar ist das Vertrauen in den Fortbestand verfahrensrechtlicher Regelungen von Verfassungs wegen weniger geschützt als das Vertrauen in die Aufrechterhaltung materieller Rechtspositionen. Im Einzelfall aber können verfahrensrechtliche Regelungen ihrer Bedeutung und ihres Gewichts wegen im gleichen Maße schutzwürdig sein wie Positionen des materiellen Rechts. Einer Verfahrensregelung kommt in sehr unterschiedlicher Weise Bedeutung und Gewicht zu. Nicht selten enthält Verfahrensrecht bloße ordnungsrechtliche, technische Prozessführungsregelungen. Es kann aber auch, zumal bei bereits anhängigen Verfahren, Rechtspositionen gewähren, die in ihrer Schutzwürdigkeit materiell-rechtlichen Gewährleistungen vergleichbar sind (zum Vorstehenden: BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 07.07.1992, 2 BvR 1631, 1728/90, BVerfGE 87, 48 (63 f.)).
Der Antragsteller hat eine solche schutzwürdige Rechtsposition erlangt. Der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 21.03.2008 ist dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers am 27.03.2008 zugestellt worden. Ginge man davon aus, der in das Prozessrecht neu eingefügte § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG erfasse auch die vorliegende Fallkonstellation, würde dies im Ergebnis zu einer – hier erheblichen – Verkürzung der Beschwerdefrist führen. Denn hätte der Antragsteller seine Beschwerde noch bis zum 31.03.2008 erhoben, wäre unzweifelhaft noch das alte Recht zugrunde zu legen und die Beschwerde statthaft gewesen (vgl. insoweit auch Hauck a.a.O.). Eine derartige faktische Verkürzung der Beschwerdeerhebungsfrist ist für einen Rechtsschutzsuchenden, vor allem in den Fällen, in denen er nicht durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten sein sollte, nicht (hinreichend) erkennbar. Das aus dem Rechtsstaatsprinzip fließende Postulat der Rechtsmittelklarheit umschließt das Gebot, dem Rechtsuchenden in klarer Abgrenzung den Weg zur Überprüfung gerichtlicher Entscheidung zu weisen (BVerfGE 87, 48 (65)). Dieses Gebot des vorhersehbaren und fairen gerichtlichen Verfahrens (BVerfG a.a.O.) steht nach Überzeugung des erkennenden Senats hier einer Auslegung des Prozessrechts entgegen, die im Ergebnis eine für einen juristischen Laien nicht erkennbare Verkürzung der Beschwerdeerhebungsfrist bewirkt. Dies gilt vor allem dann, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung des angegriffenen Beschlusses die Beteiligten auf eine Beschwerdeerhebungsfrist von einem Monat ausdrücklich hinweist. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Beschwerde hier der (vorläufigen) Abwendung einer Rückforderung existenzsichernder Leistungen dient.
Es fehlte im Übrigen auch ein sachlicher Grund dafür, in der vorliegenden Konstellation eine nach dem Ablauf des 31.03.2008 erhobene Beschwerde anders zu behandeln als eine vor dem 01.04.2008 erhobene Beschwerde. Denn im zuletzt genannten Fall ist ohne Zweifel noch das alte Prozessrecht zugrunde zu legen (so zu Recht Hauck a.a.O.). Die Annahme, die Beschwerde sei nicht statthaft, würde zudem insbesondere dann zu nicht tragbaren Ergebnissen führen, wenn der mit der Beschwerde anzugreifende Beschluss einem Beteiligten oder dessen Bevollmächtigten am 31.03.2008 zugestellt wird. Die Beschwerdeerhebungsfrist würde sich dann faktisch auf einen Zeitraum von einigen Stunden verkürzen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 67 SGG dürfte hier ausscheiden. Denn in einem derartigen Fall hat ein Beteiligter nicht eine gesetzliche Verfahrensfrist (§ 67 Abs. 1 SGG) versäumt, sondern die faktische Verkürzung einer Rechtsbehelfsfrist nicht beachtet, die aus einer zwischenzeitlichen Rechtsänderung sowie der richterrechtlichen Ausgestaltung des gesetzlich nicht geregelten Übergangsrechts resultierte.
cc) Das Fehlen einer entsprechenden ausdrücklichen Übergangsvorschrift im Änderungsgesetz bedeutet eine Regelungslücke, die nach der Überzeugung des erkennenden Senats nur in der dargestellten Weise verfassungskonform ausgefüllt werden kann (vgl. zur richterrechtlichen Lückenfüllung bei Übergangsrecht auch BSG, Urteil des 3. Senats vom 30.03.1993, 3 RK 1/93, BSGE 72, 148 (157)).
2. Die Beschwerde des Antragstellers ist auch begründet. Denn die Klage des Antragstellers gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Antragsgegnerin vom 23.10.2007 hat aufschiebende Wirkung. Dies hat der Senat durch (deklaratorischen) Beschluss festgestellt.
Gemäß § 86a Abs. 1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG (die Tatbestände der anderen Nummern des § 86a Abs. 2 SGG liegen ersichtlich nicht vor) entfällt die aufschiebende Wirkung in anderen durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen. Gemäß § 39 Nr. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheidet, keine aufschiebende Wirkung.
a) Ein Verwaltungsakt, der die Bewilligung von Leistungen ausschließlich für einen (zum maßgeblichen Zeitpunkt seines Erlasses) vergangenen Zeitraum ganz oder teilweise aufhebt und die Erstattung entsprechender Leistungen anordnet, ist nach der Rechtsauffassung des Senats kein Verwaltungsakt, der gemäß § 39 Nr. 1 SGB II über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheidet. Dieses Ergebnis folgt aus dem Sinn und Zweck dieser Regelung, ferner aus systematischen Erwägungen (hierzu bereits Beschluss des erkennenden Senats vom 25.02.2008, L 7 B 339/07 AS ER u.a., Juris):
aa) Der Wortlaut des § 39 Nr. 1 SGB II ist weit formuliert. Er erfasst jeden Verwaltungsakt, der "über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheidet". Dies schließt es somit nicht aus, auch Aufhebungs- und Erstattungsbescheide in den Anwendungsbereich des § 39 Nr. 1 SGB II einzubeziehen. Zwar mag die Entscheidung über einen Rückforderungsanspruch eine der Leistungsbewilligung nachgehende selbständige Folgeentscheidung nach dem Zehnten Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sein (so OVG Bremen, Beschluss vom 14.05.2007, S 2 B 365/06, Juris m.w.N.). Dieser eher rechtstheoretischen Unterscheidung steht es jedoch nicht entgegen, auch Aufhebungs- und Erstattungsbescheide als "Leistungsentscheidungen" im Sinne des § 39 Nr. 1 SGB II anzusehen.
bb) Aus den Gesetzgebungsmaterialien sind keine Erkenntnisse zu gewinnen. Denn diese erschöpfen sich in der bloßen Wiedergabe des Wortlautes des § 39 SGB II (vgl. BT-Drucksache 15/1516, S. 63).
cc) Der weit gefasste Wortlaut des § 39 Nr. 1 SGB II bedarf jedoch einer teleologischen Reduktion. Eine teleologische Reduktion einer Norm ist geboten, wenn dem erkennbaren Normzweck mit einer reinen Wortlautinterpretation nicht Rechnung getragen wird (Rüthers, Rechtstheorie, 2. Aufl. 2005, RdNr. 903). Dies ist hier der Fall.
Denn die Regelung des § 39 Nr. 1 SGB II soll verhindern, dass ein Grundsicherungsträger für die Zukunft (weiterhin) Leistungen nach dem SGB II erbringen muss, wenn zum Zeitpunkt der Leistungserbringung ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen. § 39 Nr. 1 SGB II will damit verhindern, dass ein Grundsicherungsträger "sehenden Auges" zu Unrecht (weitere) Leistungen erbringen muss, deren nachträgliche Rückforderung unter Umständen später schwierig oder ausgeschlossen ist. Dies würde insbesondere in den Fällen zu von der Gesetzgebung nicht gewollten Ergebnissen führen, in denen ein Rechtsbehelf nur formal erhoben wird, ohne dass in der Sache substantielle Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der Leistungsaufhebung und -rückforderung vorgetragen werden bzw. vorgetragen werden können.
Die Situation ist demgegenüber eine vollständig andere, wenn über eine Leistungsbewilligung zu entscheiden ist, die einen abgeschlossenen, in der Vergangenheit liegenden Zeitraum betrifft (so bereits Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen (NRW), Beschluss vom 20.12.2007, L 9 B 189/07 AS ER, Juris). Denn in einer solchen Situation geht es nicht darum, eine (weitere) rechtswidrige Leistungsgewährung zukünftig zu verhindern, sondern ausschließlich um die Abwicklung einer in der Vergangenheit zu Unrecht erfolgten Leistungsgewährung. In einer solchen Situation hat sich der "Schaden" bereits realisiert. Hinsichtlich der in der Vergangenheit gewährten Leistungen besteht damit nicht die Gefahr einer "Schadensvergrößerung". Es besteht folglich auch kein Grund oder Anlass, Rechtsbehelfen, soweit diese sich (auch) gegen die Aufhebung und Rückforderung in der Vergangenheit gewährter Leistungen richten, keine aufschiebende Wirkung beizumessen.
dd) Das hier gewonnene Auslegungsergebnis wird durch systematische Überlegungen bestätigt.
Denn die sofortige Vollziehbarkeit einer Rückforderungsentscheidung findet im übrigen Sozialleistungsrecht keine Entsprechung (vgl. OVG Bremen a.a.O.; auf die Rechtslage im Beitragsrecht kommt es im vorliegenden Zusammenhang nicht an). Gemäß § 86 a Abs. 2 Nr. 2 und 3 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung im sozialen Entschädigungsrecht und in der Sozialversicherung "bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung herabsetzen oder entziehen". Es besteht Einigkeit darüber, dass hiervon nicht Verwaltungsakte erfasst werden, die in der Vergangenheit bereits gewährte Leistungen zurückfordern (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 86a RdNr. 14).
Dem entspricht für das Arbeitsförderungsrecht des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB III) die spezielle Regelung des § 336a Satz 2 SGB III, wonach die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs nur bei der "Herabsetzung oder Entziehung laufender Leistungen" entfällt. Hierzu wird die Auffassung vertreten, dass die aufschiebende Wirkung allein bei einer mit Wirkung für die Zukunft erfolgten Herabsetzungs- oder Entziehungsentscheidung entfällt (vgl. Eicher in: Eicher/Schlegel, SGB III, § 336 a RdNr. 39 (Stand: 9/2006); ebenso Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, K § 336 a RdNr. 81 (Stand: VI/2006) m.w.N.). Dies überzeugt auch im vorliegenden Regelungskontext. Denn es ist kein Grund dafür zu ersehen, warum dem Leistungsempfänger bereits erfolgte Zahlungen nicht vorerst belassen werden können (vgl. Hengelhaupt a.a.O.). Insoweit ist der Sachverhalt wie dargelegt ein anderer als bei einer Leistungsbewilligungsaufhebung nur mit Wirkung für die Zukunft, mit der einer "Schadensvergrößerung" begegnet werden soll.
Im Sozialhilferecht nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) existiert überhaupt keine dem § 39 SGB II vergleichbare Regelung.
Ein sachlicher Grund, der es rechtfertigen könnte, Empfänger von Leistungen nach dem SGB II hinsichtlich der Rückforderung bereits bewilligter und gewährter Leistungen anders zu behandeln als Empfänger von Leistungen nach dem SGB III, dem SGB XII oder nach anderen Büchern des SGB, ist nicht zu erkennen (vgl. OVG Bremen a.a.O.). Insbesondere ist nicht zu ersehen, dass Empfänger von Leistungen nach dem SGB II möglicherweise stärker von einer missbräuchlichen Inanspruchnahme von Leistungen abgehalten werden müssten als Empfänger anderer Sozialleistungen, oder dass eine sofortige Rückforderung zu Unrecht erlangter Leistungen in ihrem Fall hierzu besser geeignet wäre (OVG Bremen a.a.O). Es ist zudem nicht zu erkennen, dass und ggf. aus welchen Gründen die Gesetzgebung in § 39 Nr. 1 SGB II von ihren aufgezeigten Wertentscheidungen in den übrigen Büchern des Sozialgesetzbuchs abweichen wollte.
Die Regelung des § 39 Nr. 1 SGB II ist damit einschränkend (teleologisch restriktiv) dahingehend auszulegen, dass sie keine Verwaltungsakte erfasst, mit denen die Bewilligung von Leistungen ausschließlich für die Vergangenheit aufgehoben und die Erstattung dieser Leistungen gemäß §§ 45 ff., 50 SGB X angeordnet wird (vgl. zuvor bereits LSG NRW, Beschluss vom 20.12.2007, L 9 B 189/07 AS ER mit weiteren Nachweisen zur unterschiedlichen Rechtsprechung der Landessozialgerichte; ferner Conradis in: LPK-SGB II, 2. Aufl. 2007, § 39 RdNr. 7; Wagner in: jurisPK-SGB II, 2. Aufl. 2007 § 39 RdNr. 14; vgl. ferner Pilz in: Gagel, SGB III, § 39 SGB II Rdnr. 9 (Stand: 2007)).
b) Die seitens des SG in dem angegriffenen Beschluss vom 21.03.2008 vertretene gegenteilige Auffassung überzeugt den Senat nicht.
aa) Es mag sein, dass – so das SG – eine Schadensvertiefung auch durch die nicht zeitnahe Rückforderung bereits erfolgter Überzahlungen stattfinden kann. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die sofortige Vollziehbarkeit einer Rückforderungsentscheidung im übrigen Sozialleistungsrecht keine Entsprechung findet und damit einen "Fremdkörper" darstellt. Es findet sich an keiner Stelle, insbesondere nicht in den Gesetzgebungsmaterialien, ein Hinweis darauf, dass die Gesetzgebung in § 39 Nr. 1 SGB II von diesen Wertentscheidungen in den übrigen Büchern des Sozialgesetzbuchs abweichen wollte.
bb) Die Auffassung des SG, es sei "jedenfalls im Regelfall davon auszugehen, dass die Möglichkeit einer Auf- bzw. Verrechnung aus laufenden Leistungen" im Recht der Sozialhilfe anders als im Grundsicherungsrecht "dauerhaft besteht", überzeugt den Senat angesichts der differenzierten Regelung des § 26 Abs. 2 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) nicht (vgl. auch § 43 SGB II). Da ein Widerspruch gegen einen Rücknahme- und Erstattungsbescheid im Recht der Sozialhilfe zudem aufschiebende Wirkung hat, darf der Sozialhilfeträger diesen Bescheid zudem (solange) nicht vollziehen, insbesondere auch nicht durch Aufrechnung (Streichsbier in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Auflage 2008, § 26 RdNr. 16 m.w.N.).
3. Da die Rechtsverfolgung des Antragstellers hinreichende Aussicht auf Erfolg bot und nicht mutwillig erschien, war ihm Prozesskostenhilfe auch für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens zu bewilligen (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114, § 119 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO)).
4. Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
5. Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 08.10.2008
Zuletzt verändert am: 08.10.2008